(Gegenwind 231, Dezember 2007)
Der diesjährige Preis für besonderes Engagement des Flüchtlingsrats Schleswig-Holsteins "Leuchtturm des Nordens" geht an den "UnterstützerInnenkreis der Familie Makitu". Urte Andresen, die bei der Preisverleihung am Freitag in Rendsburg den Preis entgegen nahm, hofft, "dass wir uns immer wieder anstecken lassen von der Empörung Einzelner oder selber mit unserer Empörung Andere mitziehen". Dabei hat es lange gedauert, bis sich viele Personen des Unterstützungskreis mitziehen ließen. Zudem hat gerade der UnterstützerInnenkreis einen Betrag an der mainstreamkonformen Abwicklung des Protestes geleistet.
So heißt es in der Festrede von Urte Andresen: "Vertreten waren neben den Kirchen und den politischen Parteien...". "Vertretung" ist genau der richtige Ausdruck für die vom Unterstützungskreis betrieben Politik. Als VertreterInnen der Kirchen und Parteien am Anfang der Kampagne auf eine eventuelle Unterstützung angesprochen wurden, lehnten dies die VertreterInnen dieser Organisationen ausnahmslos ab. Erst als es den Jugendlichen aus dem Umfeld der Speicher-Jugendgruppe gelang, durch beispielsweise offensive Transpi-Aktionen an öffentlichen Gebäuden über 300 Menschen auf eine Demonstration zu mobilisieren, interessierten sich die Etablierten für das Geschehen. Sie interessierten sich also genau ab dem Moment für das Geschehen, als es einer selbstorganisierten tendenziell "unkontrollierten" Bewegung gelang, breite Massen anzusprechen. Genau ab diesem Moment traten die selbsternannten "Volks- & InteressensvertreterInnen" an, um die Proteste zu "vertreten", zu integrieren, zu kanalisieren und zu kontrollieren.
Aber damit beispielsweise StellvertrerInnen akzeptiert werden, müssen diese erst einmal Kontrolle über das Geschehen erlangen. Der einfachste Weg dazu ist die "Abwicklung" von Protesten. Dies gelang durch den sogenannten "Bürgerspaziergang". Aus Sicht der UnterstützerInnen seien Demos ja zu radikal und würden potentielle TeilnehmerInnen ihrer Zielgruppen abschrecken, deshalb solle es nur noch einen sogenannten Bürgerspaziergang geben. Aus der Sicht der "VertreterInnen" wurde dieser ein voller Erfolg: Es beteiligten sich nur noch knapp 50 Personen an diesem Trauerspiel. Doch weitere Aktionen folgten: Im Auftrag der Stellvertretis verausgabten die beteiligten Jugendlichen sich nun im Unterschriften-Sammeln. Die spektakulären Aktionen waren gestoppt, die Proteste wieder in die Normalität integriert. Urte Andresen, Kerstin Mock-Hofeditz und Michael Jordan waren die "Bewegung", als sie am 30. Juni 2006 im Kreistag den Landrat mit Nachfragen zum Thema störten.
Das Ergebnis dieser Niederschlagung von Protesten gegen Abschiebungen durch Integration fasst Urte Andresen in ihrer Rede selber zusammen: "Man ist versucht, unsere Bemühungen als Erfolgsgeschichte zu handeln, so wie der Kreis Nordfriesland es dann auch nach der endgültigen Anerkennung durch den Innenminister in der Öffentlichkeit darstellte... Aber: Wir können nicht vergessen, wie vielen Familien wir nicht helfen können."
Fairerweise muss mensch aber wohl sagen, dass es zwar tragisch ist, dass sich die Husumer Gutmenschen erst für die Makitus engagierten, als über 300 WählerInnenstimmen in der Waagschale lagen, aber auch dass die Jugendgruppe strategisch schlecht aufgestellt war. Sie verausgabte ihre Kräfte völlig, da sich keine Mühe gegeben wurde, eine Strategie aufzustellen, wie sich nachhaltig für die Makitus engagiert werden könne. Zum anderen war die Jugendgruppe gerade zu dieser Zeit krasser Repression ausgesetzt und am Wochenende zwischen der ersten Demo und "Bürgerspaziergang" wurden zentrale Figuren Opfer eines ihrer Meinung nach gezielten und brutalen Polizeiübergriffs, der u.a. den Sinn hatte, die politisch Engagierten unter ihnen einzuschüchtern. (vgl. dazu: "Prozess gegen Punks", in Gegenwind 226, S. 26)
Für die Makitus war der Ablauf die beste machbare Lösung. Aber ein Grund zum Feiern ist dies nicht. Eher zum Weinen, wenn mensch bedenkt, wie viel Abschiebungen in Nordfriesland stattfinden können, ohne dass die selbsternannte Husumer Zivilgesellschaft von engagierten Einzelpersonen zum Handeln gezwungen wird. Noch bedenklicher erscheint die Abwicklung von grundsätzlichem Protest in einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung: Weite Teile des "UnterstützerInnenkreis" waren zum Beispiel im Sommer 2007 entweder an der Durchsetzung einer nach Meinung von KritikerInnen Randgruppen ausschließenden Innenstadtverordnung beteiligt waren, oder haben dies toleriert.
Hauke Thoroe
Am Freitag, den 9. Oktober, fand in Rendsburg die Preisverleihung des "Leuchtturm des Nordens 2007" an den "Unterstützerkreis der Familie Makitu" aus Husum statt.
Der "Leuchtturm des Nordens" wird alljährlich vom Flüchtlingsrat an Personen verliehen, die sich in besonderer Weise in Schleswig-Holstein um die Flüchtlingshilfe verdient gemacht haben.
Der Preisträger des Vorjahres, Herr Abdulla Mehmud aus Lübeck, hielt die Laudatio zur Preisverleihung.
Kisita Makitu kam vor 11 Jahren als Kriegsflüchtling aus dem Kongo nach Deutschland und lebt seit dieser Zeit in Husum. Seine Ehefrau Antoinette kam aus Ruanda; ihre Familie wurde bei einem Massaker ermordet. Ihr gemeinsamer Sohn Jeremy (4) wurde in Husum geboren. Herr Makitu war sieben Jahre erwerbstätig, als die zuständige Ausländerbehörde im Jahr 2006 ihm die Arbeitserlaubnis entzog und die Familie zur Ausreise in die D.R. Konko aufforderte.
Eine engagierte Husumer Jugendinitiative nahm sich des Schicksals der Familie Makitu an, mobilisierte weitere UnterstützerInnen und erreichte über eine engagierte Öffentlichkeitsarbeit und mit Hilfe der Härtefallkommission eine positive Entscheidung des Kieler Innenministers.
Urte Andresen, die für den Unterstützerkreis heute in Rendsburg den Preis "Leuchtturm des Nordens 2007" entgegennahm, verwies in ihrem Redebeitrag darauf, dass trotz positiver Ministerentscheidung die zuständige Behörde sich immer noch mit der formalen Umsetzung der Bleiberechtsentscheidung schwer tut.
Mit Bezug auf den aktuellen Jahrestag der sog. Reichskristallnacht verwies Frau Andresen auf die menschenrechtliche und bürgerschaftliche Motivation des Unterstützerkreises der Familie Makitu: "Auch unser Grundgesetz ist u.a. aus der Erfahrung des 9. November 1938 hervorgegangen. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es im Sinne der Menschen ausgelegt und genutzt wird." Die Preisträger geben sowohl mit Blick auf die Geschichte wie auch auf den administrativen und politischen Umgang mit Flüchtlingen ihrer Hoffnung Ausdruck, "dass wir uns immer wieder anstecken lassen von der Empörung einzelner oder selber mit unserer Empörung andere mitziehen."
Martin Link
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
(Presseerklärung)