(Gegenwind 203, August 2005)

Zu den Präsidentschaftswahlen im Iran

"Viele Iraner würden sich wünschen, dass die Amerikaner angreifen"

Fatameh Momeni

Im Juli fanden im Iran Präsidentschaftswahlen statt. Viele Exil-IranerInnen, auch in Schleswig-Holstein, protestierten. Wir sprachen mit Fatameh Momeni, die als Flüchtling in Norderstedt lebt (vgl. Gegenwind 188, Seite 23).

Gegenwind:

Im Iran haben gerade Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Waren Sie wahlberechtigt?

Fatameh Momeni:

Nein, ich habe keinen Personalausweis, deshalb darf ich auch nicht wählen. Aber auch wenn ich gedurft hätte, ich hätte nicht mit gewählt, weil man ja nur Vertreter des Regimes wählen konnte.

Gegenwind:

Und was haben Sie gemacht?

Fatameh Momeni:

Mir war das nicht egal, es ging ja um die Zukunft des Iran. Ich habe mir ein T-Shirt besorgt, auf dem auf Persisch aufgedruckt ist, dass ich nicht wählen werde. Ich bin sonntags und donnerstags zum Flughafen Hamburg gefahren, dann landet dort die Iran-Air, und ich habe mit Passagieren diskutiert. Das waren Passagiere, die kamen, und auch welche, die flogen. Ich habe mit ihnen diskutiert und versucht sie zu überzeugen, nicht zur Wahl zu gehen, um das Regime nicht zu wählen. Am Tage der Wahl habe ich mit anderen direkt vor der iranischen Botschaft gestanden, habe einige Reden gehalten und versucht, vor Ort meine Meinung zu den Wahlen zu sagen.

Gegenwind:

Was haben Sie an diesen Wahlen kritisiert?

Fatameh Momeni:

Die Wahl war nicht frei und nicht gerecht. Das Regime hat nur Kandidaten aus den eigenen Reihen zugelassen, nur diese Kandidaten durften gewählt werden. Von 1.040 Kandidaten wurden nur acht zugelassen, das ist nicht demokratisch. Ich habe hinterher auch aus dem Iran viel Merkwürdiges über die Wahlen gehört. Ich habe gehört, bis 16 Uhr habe ein Kandidat geführt. Dann wurde ab 16 Uhr Wählern gesagt, der Kandidat Mehdi Karrubi könne nicht mehr gewählt werden, in anderen Wahllokalen wurden Urnen abtransportiert und andere gebracht, und plötzlich führte der Kandidat Mahmud Ahmadinedschad. Karrubi ist der Parlamentspräsident, und es war sehr merkwürdig, dass dann plötzlich Ahmadinedschad, der Bürgermeister von Teheran, mehr Stimmen hatte.

Gegenwind:

Gab es unter den acht zugelassenen Kandidaten jemanden, den Sie hätten wählen können?

Fatameh Momeni:

Nein, niemanden. Kandidaten wurden nur zugelassen, wenn sie das Regime bejaht haben. Das Regime, das ist im Iran der "Rahbar", der religiöse Führer. Ich werde erst dann wählen, wenn ich als eine freie Perserin wählen kann, und wenn es demokratische Wahlen sind.

Gegenwind:

Würden Sie auch gerne eine Kandidatin wählen?

Fatameh Momeni:

Ja, natürlich. Ich weiß, dass unter den 1.040 Kandidaten auch Frauen waren, aber keine Frau wurde als Kandidatin zugelassen. Nach dem Islam in Iran ist eine Frau nur 50 Prozent von einem Mann, sie hat nur die Hälfte der Rechte, angeblich die Hälfte der Intelligenz, sie bekommt nur halb so gute Arbeitstellen. Danach kann eine Frau nie Präsidentin sein und das Land regieren.

Gegenwind:

Hier habe ich Kommentare gelesen, dass der Boykott-Aufruf der Exil-Opposition schuld daran wäre, dass kein Kandidat mit Reform-Programm eine Mehrheit bekommen konnte.

Fatameh Momeni:

Es war die gesamte Opposition, die über das Fernsehen, das Radio und das Internet zum Boykott aufgerufen hat. Alle haben vertreten, dass man nicht wählen sollte. Die Wahlen waren von Anfang an falsch und die Kandidaten waren vorher bestimmt und wer die Wahlen gewinnen sollte war ebenso vorher bestimmt. Bis dahin kannte niemand "Ahmadinedschad".

Gegenwind:

Andere Kommentare sagen, dass die Kriegsdrohungen der USA dem rechten Kandidaten Zulauf gebracht hätten. Können Sie das nachvollziehen?

Fatameh Momeni:

Daran glaube ich nicht. Und mal unter uns: Viele Iraner würden sich sogar wünschen, dass die Amerikaner die Mullahs angreifen. Das Regime hat die Wahlen so manipuliert, dass derjenige gewinnen konnte, der ausreichend fanatisch ist und der das Programm von Khamenei zuverlässig ausführt. Khamenei ist ja der religiöse Führer, der noch über dem Präsidenten steht.

Gegenwind:

Wird sich im Iran durch den neuen Präsidenten etwas ändern?

Fatameh Momeni:

Es wird sich nichts zum Guten ändern. Es ist ein Mann, der sein Leben lang die Einstellungen der Mullahs vertreten hat. Er war als Chef der Pasderan, der paramilitärischen Revolutionswächter, für viele Verhaftungen verantwortlich, hat sie angeordnet und geleitet. Er hat die Kämpfer der Opposition in den Gefängnissen töten lassen. Im Wahlkampf hat er die amerikanische Fahne mit Füßen getreten und die USA beleidigt. Er will das Atomprogramm weiterführen. Er hat den Mord an Abdulrahman Ghassemlou, einem kurdischen Oppositionsführer, befohlen. Ghassemlou wurde am 13. Juli 1989 in Wien gemeinsam mit zwei Mitarbeitern ermordet.

Gegenwind:

An der Stichwahl nahmen zwei Kandidaten teil. Nach dem offiziellen Ergebnis der Regierung sind weniger als zwei Drittel der Bevölkerung zur Wahl gegangen, es gab mehr Nichtwähler als der neue Präsident Stimmen bekommen hat. Warum wählen so viele Menschen nicht?

Fatameh Momeni:

Die Menschen wollen dieses Regime nicht. Gewählt haben den neuen Präsidenten viele Menschen, die ihn wählen mussten. Entweder sind es Staatsbeamte oder Angestellte, sie brauchen den Stempel als Wähler, damit sie am Ende des Monats ihr Gehalt bekommen. Außerdem hat der neue Präsident seine Kontakte mobilisiert. Die Pasderan haben Tausende von Geburtsurkunden gefälscht, so dass einzelne Pasderan bis zu zehnmal wählen konnten. Ich weiß, dass aus Pakistan dreitausend Geburtsurkunden eingeführt wurden.

Gegenwind:

Die Exil-Opposition ist ja in viele Gruppen zerfallen. Wie weit kann das Regime davon profitieren, wenn keine Alternative sichtbar ist?

Fatameh Momeni:

Das kann sein, dass die Oppositionen in vielen Gruppen zerfallen sind und das Regime davon profitiert, aber die Oppositiongruppen haben alle ein gemeinsames Ziel, die Vernichtung dieses Regimes und die Freiheit der Menschen. In diesem Punkt sind sich die Oppositionsgruppen einig.

Gegenwind:

Was bedeutet der Ausgang der Wahlen für Sie persönlich? Sie leben seit fast zehn Jahren hier im Exil. Glauben Sie, dass Sie noch mal in den Iran zurückkehren können?

Fatameh Momeni:

Nein, eindeutig nein. Schauen Sie sich doch mal an, was dieses Regime mit den Oppositionellen im Iran macht und was mit den Studenten passiert ist, die mal gegen das Regime demonstriert haben. Die sind in Gefängnissen und haben alles, was sie hatten, verloren: ihre Gesundheit und ihre Würde und vielleicht verlieren sie ihr Leben. Schauen Sie sich doch mal an, was mit Personen wie Ganjii, Batebi sowie den Brüdern Mohammadi passiert ist. Ich habe vorhin gesagt, dass sich mit Präsident Ahmedinedschad nichts zum Guten entwickeln wird. Ich denke, dass vieles schlimmer wird. Er ist einer der konservativsten und der gefährlichsten Männer Irans. Er will Tote des Krieges gegen den Irak von den Friedhöfen holen und mitten im Stadtverkehr, in der Mitte eines jeden Kreisverkehrs, wieder begraben. Dadurch soll jeder Kreisverkehr zu einem Aufruf werden, für Märtyrertum und den Kampf gegen Amerika und Israel und für die "islamischen" Werte. Er hat jetzt schon angekündigt, dass bei den nächsten Parlamentswahlen nur konservative Kandidaten kandidieren dürfen. Einer von seinen Freunden ist Said Mortasawi, der im Juli 2003 an der Ermordung der Journalistin und Fotografin Zahra Kazemi im Evin-Gefängnis in Teheran mitgewirkt hat. In der Zeit von Khatami, der seit 1997 Präsident war, wurden 108 Zeitungen verboten. Unter dem neuen Präsidenten können wir davon ausgehen, dass alle Zeitungen, die nicht hundertprozentig hinter dem Regime stehen früher oder später geschlossen werden. Wer möchte schon in so einem Land leben, besonders die Menschen nicht, die ihr Recht auf Freiheit und ein Leben in Demokratie einfordern.

Interview: Reinhard Pohl

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