(Gegenwind 188, Mai 2004)
Schon immer hatte Fatemeh Momeni Probleme mit der "Islamischen Republik". 1973 geboren, wuchs sie mit Bekleidungsvorschriften auf, die sie nie akzeptierte. Der tägliche Ärger in der Schule war programmiert, häufige Tadel betrafen nicht nur ihre Kleidung, sondern auch das Schminken. 1990 schließlich flog sie von der Realschule, durfte keinen Abschluss machen.
Ihre Reaktion: Sie wollte auch nicht mehr Muslima sein, nahm Kontakt mit christlichen Freunden auf und erkundete die Möglichkeiten, die Religion zu wechseln. Das, so erfuhr sie, war und ist im Iran bei Todesstrafe verboten.
Zwei Jahre nach dem erzwungenen Abgang von der Schule heiratete sie. Ein Jahr später brachte sie eine schwere Erkrankung, das Gelbfieber, ins Krankenhaus. Sie überlebte, es schloss sich aber eine langwierige Nachsorge an. Täglich kam eine Krankenschwester vorbei, um ihr eine Spritze zu geben. Gegen Gelbfieber gibt es kein Medikament, es müssen über einen langen Zeitraum die Symptome bekämpft werden. Ihr Mann brachte die Krankenschwester nach der Behandlung öfters nach Hause - und begann eine Beziehung mit ihr. Der Ehemann der Schwester fand es heraus, und auf Ehebruch steht im Iran ebenfalls die Todesstrafe, und zwar durch Steinigung. Und da der betrogene Ehemann zudem Polizist war, tauchte Fatemehs Mann sofort unter und verließ das Land, ohne seine Frau zu informieren. Sie erfuhr es von der Schwiegermutter.
In dieser Zeit ist Fatemeh regelmäßig in eine christliche Kirche zu einem Pastor gegangen. Dieser wollte in mehreren Gesprächen feststellen, ob es ihr mit dem Religionswechsel wirklich ernst war. Dabei wurde sie von der Polizei beobachtet und bedroht, sie dürfe als islamische Frau nicht in diese Kirche gehen. Da die Polizei bereits mehrfach bei ihrer Schwiegermutter aufgetaucht war, versteckte sie sich bei einem Freund ihres Vaters, bis die Flucht organisiert war, und verließ Ende 1995 das Land. In Lübeck stellte sie einen Asylantrag, ihr Mann wohnte damals in Sachsen, wo er ebenfalls Asyl beantragt hatte. In Norderstedt trafen sie sich schließlich wieder.
Hier in Deutschland tat Fatemeh endlich das, was sie lange geplant hatte: Anfang 1997 trat sie in der Anschar-Kirche in Neumünster zum Christentum über. Aber auch politisch blieb sie aktiv, nahm an Demonstrationen in Hamburg, München, Bremen, Düsseldorf und Berlin teil, wo sie auch Flugblätter verteilte und Reden hielt.
Dennoch wurden ihr Asylantrag und Folgeanträge abgelehnt, die Ausländerbehörde forderte sie jetzt auf, einen iranischen Pass zu beantragen und Deutschland zu verlassen. Doch sie will und kann nicht zur iranischen Botschaft gehen, die Angst ist zu groß. Sie glaubt auch nicht an eine Reform des Regimes dort, obwohl Sprecher der Regierung behaupten, sie hätten die Botschaft der studentischen Proteste verstanden. Denn viele Studentinnen und Studenten sind im Gefängnis gelandet, gerade wurde wieder eine Reihe von Zeitungen verboten. Und Folter gibt es nicht nur im Verborgenen, politische Gefangene werden zur Abschreckung öffentlich verprügelt und ausgepeitscht. In der Zeitung ihrer Organisation, der monarchistischen CPI, erscheinen auch immer wieder lange Listen von ermordeten Regimegegnern.
Ihre Arbeitserlaubnis hat sie inzwischen verloren. Zuvor hatte sie vier Jahre lang im Restaurant "Nordsee" gearbeitet, mehrere Jahre außerdem bei Obi und Minimal. Noch läuft auch ein Asylantrag ihres Mannes, so dass die Ausländerbehörde noch nicht mit der Abschiebung droht. Aber bereits jetzt bekommt sie durch das Arbeitsverbot zu spüren, dass man dort erwartet, dass sie selbst bei der Botschaft einen Pass beantragt.
Weiter mit Portrait "Gefängniszelle in Teheran statt Wohnung in Bad Schwartau?"...
Portraits: Reinhard Pohl