(Gegenwind 195, Dezember 2004)
Derzeit spielt die DVU in Schleswig-Holstein eine untergeordnete Rolle im Spektrum der extremen Rechten; zwar trifft sich ein Teil der in Schleswig-Holstein etwa 50 Mitglieder starken Partei bei den wenigen noch existenten "Stammtischen" der Kreisverbände, nach außen tritt die Partei jedoch kaum auf. Lediglich zu den partei-internen Weihnachtsfeiern, Landesparteitagen und zur zentralen jährlichen Veranstaltung im bayerischen Passau, wo einige tausend DVUlerInnen zusammenkommen, fahren Busse aus Schleswig-Holstein. Aufgrund der von Parteichef Frey herausgegebenen neofaschistischen Wochenzeitung "Deutsche Nationalzeitung" und seines beträchtlichen Finanzvermögens ist für die Zukunft jedoch nicht ausgeschlossen, dass sie auch im Norden wieder eine bedeutendere Rolle spielen wird.
Unter Umständen wird es der Partei im kommenden schleswig-holsteinischen Wahlkampf sogar gelingen, aus ihrer momentanen Schwäche neue Bedeutung herzuleiten: nach dem Wahlsieg der NPD in Sachsen hat die Partei beschlossen, auf eine Kandidatur in Schleswig-Holstein zu Gunsten der Kandidatur der NPD zu verzichten. Partei-Konzern-Chef Frey, der seit der Sachsen-Wahl in engem Kontakt zur NPD-Führung steht, ist für Uneigennützigkeit nicht bekannt; es ist daher zu erwarten, dass entweder Frey Einfluss auf die NPD-Politik oder ein Kandidatur-Verzicht der NPD in DVU-Hochburgen wie Brandenburg und Bremerhaven versprochen wurde. Der erneute "Schulterschluss" zwischen NPD und DVU sollte nicht als bloße Schwäche der DVU verstanden werden. Ihr Einfluss über Freys Medienkonzern auf eine große Zahl von Menschen kann sich schnell wieder in Wahlstimmen und Parteimitglieder umwandeln, sollte der momentane Höhenflug der NPD ein Ende nehmen. Insbesondere weil die NPD momentan stark auf das militante neonazistische Spektrum zielt, kann ihr die DVU, die stark für ein "seriöses", und eher "spießiges" Auftreten steht, das entsprechende Wählerspektrum sichern, soweit sie sich für eine Wahl der NPD ausspricht.
Erst wenige Jahre ist es her, dass im Landtag Schleswig-Holsteins Abgeordnete faschistischer Parteien saßen. Im Jahre 1992 hatte sich die "Deutsche Volksunion" (DVU) des Münchner Multimillionärs Gerhard Frey erfolgreich an den Landtagswahlen beteiligt und konnte sechs Abgeordnete stellen. Die DVU hatte landesweit in großem Umfang rassistische und nationalistische Wahlwerbung verbreitet und konnte so von einem gesellschaftlichen Klima profitieren, das von den vermeintlich von Flüchtlingen ausgehenden Bedrohungsszenarien geprägt war, die zunächst die CDU/CSU, später auch die SPD massiv in der Öffentlichkeit verbreiteten. Einen Höhepunkt erreichte diese Politik mit der Änderung des Artikels 16 des Grundgesetzes, d.h. mit der faktischen Beseitigung des individuellen Rechts auf Asyl.
Die DVU, die in Schleswig-Holstein über einige Kreisverbände verfügt(e), machte im Landtag im Wesentlichen durch rassistische und nationalistische Reden, Kleine Anfragen, undurchsichtige Verwendung der beträchtlichen aus Steuermitteln bereitgestellten Finanzmittel und ihre Spaltung im Jahr 1993 von sich reden. Vier ihrer Abgeordneten verließen zeitweise die Partei und bildeten eine Landtagsfraktion der "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Diese war auf Bundesebene Ende 1990 mit dem Ziel gegründet worden, die extreme Rechte in einer Wahlpartei zusammenzuführen; als gleichberechtigte Vorsitzende des im Frühsommer 1992 in Meldorf gegründeten Landesverbandes Schleswig-Holstein fungierten zunächst Klaus-Michael Gräf, Friedrich Riedel und Hans-Jürgen Sabrautzky. Ähnlich wie die DVU sorgte die DLVH im Landtag - an ihrer Spitze Ingo Stawitz (der im Wahlkampf 2005 an der Spitze der NPD-Landesliste stehen wird) - mit provokativem Auftreten für Schlagzeilen, z.B. mit einem antisemitischen Brief an die Jüdische Gemeinde im Mai 1995. Damals forderte der SPD-Politiker Börnsen ein Verbot der Partei; bereits im Februar 1994 war eine in Heide geplante öffentliche DLVH-Veranstaltung verboten worden. Mit dem internen Rundbrief "Die Nordlichter", dessen erste Ausgabe im August 1993 erschien, und den in hoher Auflage verbreiteten Flugschriften "DLVH-direkt" versuchte die Partei, sich in Schleswig-Holstein eine flächendeckende Basis zu verschaffen. In dieser Zeit entstanden die noch heute engen Verbindungen zwischen Ingo Stawitz, militanten Neonazis und der schleswig-holsteinischen NPD (vgl. den Artikel zur NPD in der November-Ausgabe des Gegenwind), bei dessen Versuch, diese Kräfte für die DLVH zu gewinnen. Zwar nahm die DLVH mit Unterstützung ihres Hamburger Landesverbandes an der Landtagswahl im Frühjahr 1996 teil, scheitert aber mit 0,2 % der abgegebenen Stimmen deutlich. Für die DLVH hat das schlechte Abschneiden in Schleswig-Holstein stark zur Entscheidung beigetragen, nicht mehr als Partei, sondern nur noch als Verein tätig zu sein. Damit entfiel auch die Teilnahme an Wahlen.
Die DVU hatte mehr als 2 Millionen Mark in den 1996er Wahlkampf gesteckt. Ihr Ziel: der Wiedereinzug in den schleswig-holsteinischen Landtag. Dafür tat sie einiges: Hunderte von Großplakatwänden warben für die "Liste 3" der DVU; mit Lautsprecherwagen wurde die DVU-Hetze in die Stadtviertel getragen. Mehrere Postwurfsendungen hetzten gegen Flüchtlinge und mobilisierten nationalistischen Hass. Besonders widerlich: die DVU-Plakate an der Wand des von Neonazis in Mölln in Brand gesteckten Hauses und die Ausnutzung der Brandtragödie in Lübeck (DVU-Parole: "Ihr Protest gegen den Lübeck-Schwindel"). "Mehr Schutz für den Bürger durchsetzen" hieß/heißt für die DVU Aufrüstung der Polizei und rassistische Schuldzuweisung an Flüchtlinge und MigrantInnen. Außer der Forderung nach Apartheid im Schulsystem ("Entflechtung von Schulklassen nach Sprachgruppen") fanden sich auch revanchistische Forderungen wie "Wiederbelebung der schleswig-holsteinischen Patenschaft für Ostpreußen; Partnerschaft mit Königsberg" oder etwa "Hilfe des Landes, damit endlich auch eine schleswig-holsteinische Mannschaft in der Ersten Fußball-Bundesliga verteten ist".
Die DVU, die immerhin noch 257.000 Mark an Wahlkampfkostenrückerstattung kassierte, machte für das Wahlergebnis der Landtagswahl 1996, das knapp unter 5 % blieb, u.a. die DLVH ("Dolchstoß-Aktion") sowie das erstmalige Antreten der "Wählergemeinschaft Schleswig-Holstein" (WSH) verantwortlich. Schließlich jammerte die "Deutsche National-Zeitung", die während des Wahlkampfes begeistert von "einstweiligen Verfügungen" der DVU gegen AntifaschistInnen berichtet hatte: "Öffentlich angekündigte rechte Veranstaltungen sind angesichts des ausufernden Terrors in Schleswig-Holstein ohnedies nicht möglich. Antifa- und Chaoten-Banden hatten ganz unverbrämt in ihren Organen und Flugblättern mitgeteilt, dass sie weiterhin DVU-Manifestationen jeder Art zerschlagen würden." Ein von der DVU eingelegter Widerspruch wegen angeblicher Wahlmanipulationen blieb erfolglos.
Nachdem die DVU bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg im Jahr 1997 trotz einer massiven nationalistischen und rassistischen Wahlkampagne nur ganz knapp an der 5-%-Hürde gescheitert war, gelang ihr 1998 in Sachsen-Anhalt mit 12,9 % der Einzug in den Landtag mit 16 Abgeordneten. Auch dort kam es allerdings rasch zu Zerwürfnissen innerhalb der Fraktion und gegenüber dem in München residierenden Parteivorsitzenden, dessen Rücktritt als Bundesvorsitzender von einigen Abgeordneten gefordert wurde. Zur Landtagswahl im Jahr 2002 trat die sachsen-anhaltinische DVU in Folge dieser Streitigkeiten nicht mehr an. Die "Schill-Partei", die sich angestellt hatte, die DVU hier zu beerben, scheiterte knapp an der 5-%-Hürde.
In der DVU Schleswig-Holstein gab es 1999 Auseinandersetzungen um eine mögliche Kandidatur zur Landtagswahl im Frühjahr 2000. Im Herbst hatte man in der Münchner DVU-Parteizentrale beschlossen, nicht an den Wahlen teilzunehmen. Begründung: es bestehe die Gefahr, die Verschuldung der Partei noch zu erhöhen. Wichtige Funktionäre aus dem schleswig-holsteinischen Landesvorstand, wie z.B. der schleswig-holsteinische DVU-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl 1998, Dr. Klaus Sojka, traten in Rundschreiben an die Parteimitglieder dennoch für eine Kandidatur ein. Gegenseitig warf man sich daraufhin parteischädigendes Verhalten vor. Schließlich kam Sojka einem Parteiausschluss durch Austritt zuvor.
Um die eigenen Reihen fest hinter DVU-Chef Frey zu schließen, reiste dieser im Frühjahr 2000 durch die Lande. Im Norden trat er gleich doppelt auf. In über 20 Städten Schleswig-Holsteins machten die Busse Station, die die DVU-AnhängerInnen am 1. April kostenlos zum Veranstaltungsort nach Hausbruch im Süden Hamburgs karrten. An einzelnen Abfahrtsorten behinderten AntifaschistInnen diese Aktion. Auf dem Programm des DVU-Treffens stand vor allem die Selbstbeweihräucherung der DVU und ihres Vorsitzenden. Das Bundesvorstandsmitglied Hans Weidenbach sprach zum Thema "Die DVU steht hinter Dr. Frey und gegen Verrat" und der Hamburger DVU-Landesvorsitzende Rudolf Reimers durfte über "die erfolgreiche DVU-Parlamentsarbeit in Hamburg" berichten. Allerdings kam es während der Veranstaltung, an der ca. 300 Leute teilnahmen, zu Auseinandersetzungen mit etwa 30 Neonazis aus dem Umfeld des sog. "Aktionsbüro Norddeutschland" (vgl. Artikel in der Gegenwind-Septemberausgabe 2004 zu den "Freien Kameradschaften"). Die Neonazis verteilten ein Flugblatt gegen Frey, den sie in einer Erklärung als einen "der sattsam bekanntesten Vertreter dieser widerwärtigen Gattung" von "feiste(n) Geschäftemacher(n) und machtgierigen(n) Funktionäre(n)" bezeichneten, und wollten zudem in den Besitz des Rednermikrophons gelangen.
Der chaotische Ablauf der Veranstaltung veranlasste die DVU schließlich dazu, am 16. April noch einmal zu einer Versammlung mit Frey einzuladen. Dieses Mal durfte der Bremerhavener DVU-Fraktionsvorsitzende Tittmann über das Thema "Die DVU steht hinter Dr. Frey und gegen Verrat" schwadronieren. Wie üblich wurde die Veranstaltung von der DVU in ihrer Presse hochgejubelt; der DVU-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein Henftling wurde wiedergewählt. Die Propagandarundfahrt Freys konnte womöglich die Auflage und Abonnentenzahl für seine Publikationen sichern, den Niedergang der schleswig-holsteinischen DVU zumindest als Wahlalternative konnte er jedoch nicht aufhalten. Aktuell scheint der bereits geschwächte Landesverband sich erneut mit internen Problemen zu entzweien: der langjährige Landesvorsitzende Henftling trat zum 1. November von seinem Amt zurück, bzw. wurde, so die Parteizentrale in München, abgesetzt. Die Hintergründe sind unklar. An politischen Differnenzen betreffend der kommenden Landtagswahl kann es nicht liegen: noch in der ersten Oktoberhälfte hatte Henftling über ein gemeinsames Antreten gegenüber der Presse erklärt: "So eine Absprache halte ich für sinnvoll. Getrennt marschieren, vereint schlagen." Aus Solidarität mit Henftling sollen weitere DVU-Funktionäre aus Bad Segeberg und Ostholstein ihren Parteiaustritt erklärt haben.
Was im Flächenland Schleswig-Holstein misslang, gelang allerdings im Stadtstaat Bremen. In der dortigen Bürgerschaft ist die DVU aufgrund einer Sonderregelung durch eine stabile Parteibasis in Bremerhaven seit 1987 mit nur einer Legislaturperiode Unterbrechung vertreten. Diese Sonderregelung garantiert einer Partei, die in Bremerhaven mindestens 5 % der Stimmen erhält, eine Vertretung in der Bremer Bürgerschaft. Die auch hier auftretenden parteiinternen Querelen wurden brachial beendet. Bei der Landtagswahl 2003 erhielt die DVU in Bremerhaven 7,3 % der Stimmen. Auch in Brandenburg ist die Partei bei der diesjährigen Landtagswahl erneut mit 6,1 % in den Landtag eingezogen und hatte damit ihr Ergebnis gegenüber der Wahl im Jahr 1999 prozentual sogar erhöht.
Avanti - Projekt undogmatische Linke
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