(Gegenwind 186, März 2004)
Die Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein ist Trägerin verschiedener Projekte, die sich um die Ausbildung drehen. Relativ lange wird schon die Beratung von Betrieben durchgeführt, die von MigrantInnen geleitet werden. Dabei ist es egal, ob diese türkischer Herkunft sind oder aus anderen Ländern einwanderten, eine ganze Reihe von Firmen-GründerInnen und LeiterInnen sind auch in Deutschland geboren. Praktisch ist es aber so, dass Kontakte hauptsächlich zu türkische geführten Betrieben bestehen. Sie werden beraten, wie man die Erlaubnis erhält, ausbilden zu dürfen. Dieses Projekt AIM feiert inzwischen den fünften Geburtstag, und es wurden durch die Beratung nicht nur über 220 Ausbildungsplätze neu geschaffen, die ersten sind bereits das zweite Mal mit einer oder einem Auszubildenden besetzt. Allein 2003 wurden fast achtzig Betriebe besucht und beraten.
Seit zwei Jahren wendet sich die Türkische Gemeinde auch der anderen Seite zu: Sie berät Jugendliche dabei, wie sie sich orientieren sollten. Das beginnt mit der Beratung, welche Berufe es überhaupt gibt, welcher Schulabschluss für die Wunschausbildung empfehlenswert ist, und geht bis hin zur konkreten Hilfe beim Suchen von Betrieben und Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen. In Lübeck und seit einigen Monaten in Elmshorn sprechen die Beratungsbüros, die dort ebenfalls unter dem Titel AIM in Trägerschaft der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein firmieren, sowohl ausländische geführte Betriebe als auch Jugendliche an. In Kiel wurde für ein Jahr vom Arbeitsamt ein eigenes Projekt finanziert, das unter dem Namen IBB Jugendliche ansprach und beriet.
Auch hier werden Jugendliche mit Migrationshintergrund unabhängig von ihrer konkreten Herkunft beraten. Da die meisten ProjektmitarbeiterInnen außer Deutsch auch Türkisch sprechen, kommt die Mehrzahl der beratenen Jugendlichen aus türkisch-stämmigen Familien. Die ProjektmitarbeiterInnen warten aber nicht nur, dass Jugendliche die Beratung aufsuchen, sie gehen selbst in Schulen, Jugendeinrichtungen, Sportclubs etc. Die Beratenen sind zwischen 15 und 25 Jahre alt.
Hauptproblem ist die fehlende Motivation, sich um Ausbildungsplätze zu bewerben. Dieser Mangel an Motivation ist keineswegs angeboren, sondern meistens durch lange Phasen des Frustes erzeugt worden: Viele Jugendliche haben sich etliche Male beworben, ohne Antworten zu erhalten. Andere haben in der Schule bereits so viele Misserfolgserlebnisse gehabt, dass sie sich keine Chancen ausrechnen. Anderen fehlt einfach die Information - wenn die Eltern sich im System der dualen Berufsausbildung nicht auskennen, weil sie ihre Ausbildung nicht in Deutschland absolviert haben, haben die Jugendlichen sehr viel schlechtere Voraussetzungen als gleichaltrige Deutsche. Viele haben auch schon so viel Diskriminierung erfahren, dass sie nicht mehr an einen Erfolg in der Schule oder Ausbildung glauben.
Die ProjektmitarbeiterInnen beraten nicht nur im Büro, sie machen auch Hausbesuche und achten in bestimmten Fällen darauf, die gesamte Familie mit einzubeziehen. Das ist besonders dann nötig, wenn die Jugendlichen Berufswünsche entwickeln, die den Vorstellungen der Eltern oder anderer Familienangehöriger zuwider laufen, insbesondere wenn z.B. Mädchen „untypische” Berufe lernen wollen. Fehlende bzw. „abtrainierte” Motivation der Jugendlichen wirkt sich oft so aus, dass die ProjektmitarbeiterInnen an vereinbarte Beratungstermine mehrfach telefonisch erinnern müssen - eine Arbeit, die die Beratung des Arbeitsamtes nicht übernimmt.
In einem Projektjahr wurden in Kiel 125 Jugendliche beraten, von diesen gehen heute die meisten auf weiterführende Schulen, um bestimmte Abschlüsse zu machen. Etwa 15 wurden erfolgreich in Ausbildungsstellen vermittelt.
Von den Jugendlichen war ein Drittel deutscher Herkunft, einige persisch, serbisch oder auch irakisch, mehr als die Hälfte türkisch-stämmig.
Unklar ist die Zukunft: Bewilligungen gibt es immer nur für ein Jahr, für die Büros werden unterschiedliche Kombinationen von Fördermitteln genutzt. Geldgeber sind im Wesentlichen das Arbeitsamt (direkte Projektförderung oder personengebundene SAM-Mittel) und das Wirtschaftsministerium. Die Beratung für Jugendliche im Kieler Büro ist bis Ende Januar 2004 gefördert worden, über die Verlängerung des Projektes ist seitens der Geldgeber noch nicht entschieden worden. So sitzen nicht nur die ProjektmitarbeiterInnen auf der Straße, auch die betreuten Jugendlichen fallen in ein Loch.
Reinhard Pohl
Wir stellen einige Betriebe aus Elmshorn, Lübeck und Kiel vor, die vom Projekt AIM beraten worden sind.
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