(Gegenwind 186, März 2004)
Zwischen vier und sieben Auszubildende stellt die KFZ-Werkstatt der Stadtwerke Lübeck pro Jahr ein. „KFZ-Mechatroniker” werden hier ausgebildet. Reine Mechaniker gibt es praktisch nicht mehr, der elektronische Anteil in den modernen Motoren ist so groß, dass die gesamte Ausbildung darauf umgestellt werden musste. In der KFZ-Werkstatt geht es um die Wartung und Reparatur von „Nutzfahrzeugen”, das sind bei den Lübecker Stadtwerken vor allem die Stadtbusse. Alles in dieser Werkstatt ist größer als in normalen Autowerkstätten, kein Wunder, müssen doch auch Gelenkbusse mal eben kurz hochgehoben werden, wenn Auspuff oder Achsen zu reparieren sind.
Reinhard Schulz ist Leiter der Ausbildung. 17 Auszubildende hat er im Moment, die sich auf mehrere Hallen verteilen. Auf ein halbes Dutzend Plätze bewerben sich jedes Jahr zwischen 60 und 90 junge Menschen, fast nur Jungs. Diejenigen, die geeignet erscheinen, werden zu einem sechswöchigen Praktikum eingeladen. Danach müssen die Besten noch einen Test absolvieren, dann bleiben die fünf bis zehn Prozent der Bewerber übrig, die eine der begehrten Lehrstellen erhalten.
Firat Sezer wurde als Schüler von der Türkischen Gemeinde betreut und beraten. Hier schrieb er Bewerbungen, und im Büro der Türkischen Gemeinde wurde ihm auch die Adresse der Stadtwerke gegeben. Hier zeigt sich aber auch, welche Grenzen die Beratung akzeptieren muss: Herr Schulz hat überhaupt nichts dagegen, wenn die Türkische Gemeinde ihm einen jungen Mann schickt, der sich bewirbt. Aber dann zählen nur die Ergebnisse vom Praktikum und dem Einstellungstest, wer eine Lehrstelle bekommt. Und jeden Morgen pünktlich aufstehen und im Betrieb erscheinen müssen die Auszubildenden dann auch selbst, da nützt eine Fürsprache der Türkischen Gemeinde überhaupt nichts.
Firat Sezer macht die Arbeit Spaß. Das ist die Ausbildung, die er auch wollte, auch wenn nicht alle Fächer in der Berufsschule sein Fall sind - aber es geht, er kommt gut mit. Reinhard Schulz erläutert kurz, dass Mathe-Kenntnisse sehr wichtig sind für diese Arbeit, ihm persönlich sind aber zum Beispiel Kenntnisse der deutschen Rechtschreibung ziemlich egal. Ansonsten hilft er einzelnen Auszubildenden auch nach Feierabend, wenn sie in der Berufsschule Probleme haben, sie müssen aber zu ihm kommen.
Seit dem 1. August 2003 ist Firat Sezer jetzt hier. Ich frage ihn, ob er die Ausbildung durchhalten und abschließen wird. Ja, davon ist er überzeugt. Und Herr Schulz ergänzt, dass bei ihm noch nie jemand abgebrochen hat, da achtet er schon drauf.
Eine Änderung im Privatleben hat Firat Sezer auch schon bemerkt: Wenn er jetzt in Lübeck mit dem Stadtbus fährt und hört irgend ein störenden Nebengeräusch, sagt er dem Fahrer Bescheid. Und nicht nur das, er gibt dem Fahrer auch einen Hinweis darauf, was da klappert und wie eilig es ist, den Bus in die Werkstatt zu bringen. Das machen wohl alle Auszubildenden so. Die Stadtwerke können zufrieden sein: Alle fühlen sich mit dafür verantwortlich, dass der Busverkehr läuft.
Übrigens wird solch ein Engagement auch belohnt. Die Auszubildenden dürfen durchaus auch mal mit ihrem privaten PKW zur Arbeit kommen. Und nach Feierabend dürfen sie dann gerne an diesem Fahrzeug ein bisschen rumschrauben und auch dem Freund oder der Freundin eine kostenlose Reparatur anbieten. Das, so Reinhard Schulz deutlich, ist aber immer eine Vereinbarung auf Gegenseitigkeit - wer es nicht nötig hat, morgens pünktlich zu sein, wer die Berufsschule schleifen lässt, dem werden solche Privilegien sofort gestrichen. Aber das ist selten nötig, bei Firat Sezer schon gar nicht.
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