(Gegenwind 181, Oktober 2003)
Im Folgenden sollen einige Auseinandersetzungen, die im Vorfeld des Bürgerentscheides stattfanden, für das Stimmverhalten gewertet werden.
Wie bei keinem anderem kommunalpolitischen Thema forcierten die Elmshorner Nachrichten mit ihrem angehenden Chefredakteur Lhotzky-Knebusch in einer Artikelserie, bei der sich die Befürworter der Aktiengesellschaft ausleben konnten und schon sehr früh ein Abkanzeln der Minderheitsfraktion von WGE/Die Grünen stattfand, ein bedenkenloses Eintreten für die Umgründungspläne.
Auf diese Weise herausgefordert veröffentlichte der Blickpunkt in seinen letzten zwei Ausgaben vor der Wahl Doppelsonderseiten. Diese waren kritisch und stützten mit Artikeln über die Privatisierung des Wassermarktes in Großbritannien ("Wenn Wasser zur Handelsware wird"), über die Stadtwerke Kiel ("Ein US-Konzern auf Einkaufstour"), und Erfahrungen mit dem gewonnen Bürgerentscheid in Glückstadt ("Dem maximalen Gewinn verpflichtet") den Minderheitenstandpunkt. Dagegen hatten die Elmshorner Nachrichten dann alle Mühe, die Gegner der Umgründung in den Leserbriefspalten zu kontrollieren. Es fand also ein sehr breiter und öffentlicher Diskurs über die Presse statt. Dies hat mit Sicherheit die Wahlbeteiligung befördert.
Die Befürworter der Umgründung versuchten ihren Schritt immer durch die für eine Aktiengesellschaft zu erlassene Satzung zu erklären. Schließlich würde die Stadt Hauptaktionär bleiben und die kommunale Daseinsvorsorge sei in der Präambel festgeschrieben. Dieses am 26. Juni beschlossene Schriftstück warf dann aber in der öffentliche Diskussion, sei es auf Veranstaltungen der Parteien oder aber in der Einwohnerfragestunde mehr Fragen auf, als es Antworten gab.
Selbstverständlich wären durch die Gründungserklärung erst einmal alle ausgegebenen Namensaktien vom Gründer, also der Stadt übernommen worden. Das ist ein formaler Akt. Dennoch hätten theoretisch und damit auch praktisch 25 % minus einer Aktie, und dieses sind Aktien mit Stimmrecht laut Satzung, zum Verkauf angestanden. Dass dann schon eine weitere Kapitalaufstockung mit der zusätzlichen Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien anvisiert wurde, die dann eine erhöhte Dividendenausschüttung garantieren sollte, und zwar für Kunden und Mitarbeiter, verstärkte das Misstrauen.
Ebenso konnten die Befürworter nicht widerlegen, dass es sich bei einer Aktiengesellschaft, die sich der Bereitstellung von Gas, Wasser, Strom im Versorgungsgebiet verpflichtet, um einen Zielkonflikt handelt. Denn neben der Satzung gilt immer auch das Aktienrecht, und das ist Bundesrecht. Dieses war einer der Kritikpunkte der Kommunalaufsicht. Die Aussage des Innenministeriums war hier deutlich: Sie gab zu bedenken, dass letztlich Berufsaktionäre die Politik der Aktiengesellschaft bestimmen. Auf der Diskussionsveranstaltung der SPD mit dem Stadtwerkedirektor Grunenberg kam es dann auch zur Glaubensfrage, ob sich große Energieversorger bei den Stadtwerken einkaufen oder auch nicht. Bekannt ist aber, das diese, wenn Interesse besteht, jeden Preis für die Aktie zahlen. Gerade die Absicht mit den Großanbietern der in Elmshorn ansässigen Filialen zu konkurrieren, hätte bei diesen ein großes Interesse an den Stadtwerken geweckt.
Unklar blieb die Stellung des Stadtverordnetenkollegiums. Da diese das Stimmrecht des Hauptaktionärs wahrnehmen sollte, hätten Satzungsänderungen nur mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen werden können. Was wäre aber, wenn sich Uneinigkeit über solche Richtungsentscheidungen herausstellt? Wäre dann nicht auch der Druck zum weiteren Verkauf von Aktien gewachsen, um Stimmenmehrheiten zu gewinnen? Nach den verlorenen Kommunalwahlen im März ist die SPD nicht mehr die Mehrheitsfraktion. Möglicherweise haben auch sozialdemokratische Wähler sich aus diesem Grunde gegen die AG ausgesprochen.
Mit der Sondersitzung des Stadtverordnetenkollegiums eineinhalb Wochen vor dem Bürgerentscheid und der Bestellung des Aufsichtsrates verstärkten sich die Vorbehalte. Von der Behauptung, dass das Stadtverordnetenkollegium seinen Einfluss über den Aufsichtsrat wahrnehmen würde, wurde mit der Bestellung von zwei Wirtschaftsvertretern abgewichen.
Um ein praktisches Beispiel für den Zielkonflikt zu nennen: Der Stadtwerkedirektor führte in der Öffentlichkeit als einen Grund für die Aktiengesellschaft an: Der Bau einer Erdgastankstelle hätte sich verteuert, weil Formalienfehler und Verwaltungsvorschriften den Vertragsabschluss verzögert hätten. Aber mit einem örtlichen Energieunternehmer im Aufsichtsrat, nämlich Erdöl-Eggert, hätte es noch größere Schwierigkeiten geben können, weil bei ihm möglicherweise Eigeninteressen bestehen. Ebenso ist Sparkassendirektor Reinhard Boll nicht unangefochten. Als mögliches Aufsichtsratsmitglied und damit Befürworter der Privatisierung muss er sich der Position des Präsidenten des schleswig-holsteinischen Sparkassenverbandes stellen, der das Ergebnis des Bürgerentscheides begrüßt.
Während das "Aktionsbündnis Eigenbetrieb - Ja" mit eher geringen finanziellen Mitteln seinen Aufruf im Stadtgebiet verteilte, flatterte am Sonnabend vor der Wahl der Brief "einer Gruppe von Bürgern" in alle Briefkästen. Diese Ansammlung örtlicher Unternehmer, angefangen von Ernst-Friedrich Baumer (Nutznießer des Subzentrums Elmshorn Süd), über den Präsidenten des schleswig-holsteinischen Unternehmensverbandes, Hans-Heinrich Driftmann, hatten dann den Personalrat der Stadtwerke sowie den Juso-Vorsitzenden (Sohn der Bürgermeisterin) im Schlepptau. Erklären konnten aber auch alle sie nicht, weshalb ein gut funktionierender Eigenbetrieb privatisiert werden sollte. Dieser Brief alarmierte eher diejenigen, die kritisch gegenüber dem Einfluss privater Interessen standen.
Der Eigenbetrieb Stadtwerke steht deshalb so gut dar, weil behauptete Reibungsverluste durch eine angeblich schwerfällige Verwaltung bisher gar nicht eingetreten sind, und die Bürgermeisterin in Abstimmung mit der jahrelangen Mehrheitsfraktion Eilentscheidungen treffen konnte. Diese Zustimmung für Eilentscheidungen hätte es jetzt bei der hohen Übereinstimmung der Befürworter doch auch geben können. Diesen entscheidenden Punkt, den die Bürgermeisterin in einer Stellungnahme von 1999 immer gegen eine Umgründung in eine GmbH ins Feld geführt hatte und bis heute nicht entkräftet ist, wurde eben auch zum Stolperstein.
Ein Ergebnis des Bürgerentscheides ist ein gewachsenes Interesse für den Eigenbetrieb. Es gewährleistet ein hohes Maß an Kommunikation zwischen Dienstleister und Verbraucher. Diese Identifikation und der öffentliche demokratische Diskurs sollten als einen Vorteil, als sogenanntes soziales Kapital, das bei einer Aktiengesellschaft eben anders strukturiert wäre und zwar zum Nachteil der öffentlichen Daseinsvorsorge, verstanden werden. Mit diesem Pfund könnte in der zukünftigen Debatte weiteres Feld gut gemacht werden. Sonst bleibt ein gewonnener Bürgerentscheid, das zeigen die Erfahrungen, ein zeitlich begrenzter Erfolg.
Rudi Arend
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