(Gegenwind 181, Oktober 2003)
Am Wahlabend des Bürgerentscheides (24. August) sah man einen konsternierten Bürgerblock von CDU/FDP und der SPD, die in der vorausgegangenen Auseinandersetzung selbstsicher 90 % der Wähler für sich reklamierten. Und auf der anderen Seite die Wählergemeinschaft Elmshorn/Die Grünen und das Aktionsbündnis "Eigenbetrieb JA", die aus einer Minderheitenposition heraus den Bürgerentscheid für sich entscheiden konnten.
Von 37192 Wahlberechtigten gingen 9410 (25,3 %) zur Wahl. Davon stimmte eine überwältigende Mehrheit von 7924 Bürgerinnen und Bürger mit Ja für den Eigenbetrieb (84,44 %) und nur 1460 Wahlberechtigte (15,56 %) mit einem Nein für die Umgründung der Stadtwerke in eine Aktiengesellschaft. Dabei wurde erst nach der Auszählung der letzten beiden Wahlbezirke die erforderliche 20%-Mehrheit von 7439 Stimmen erreicht.
Wie schwer die Verlierer dieser Abstimmung von diesem Ergebnis getroffen wurden, zeigen die ersten Erklärungsversuche. "Viele waren nicht mehr für Argumente zugänglich gewesen" (Beate Raudis, SPD), "das war Stimmungsmache gegen die Umgründung" (Brigitte Schrammeck, FDP), und (Andreas Hahn, CDU), "hier haben wir eine Chance verpasst, die Stadtwerke in eine gesicherte Zukunft zu führen".
Dabei hatten diese bist dato nicht verstanden, dass das Ergebnis auch ein deutliches Votum gegen den Fahrplan, den die Rathausfraktionen von CDU/FDP und SPD vorgegeben hatten, war. Man beschließt eben nicht eine Änderung der Rechtsform rückwirkend zum 1. Januar dies Jahres, bestellt den Aufsichtsrat, hält Notare und Beurkundung am Wahlabend bereit, und lässt den Bürger mal so nebenbei abstimmen. Den Bürgentscheid nicht als Souverän über diese weitreichende Richtungsentscheidung zu akzeptieren ihn gleichzeitig aber mit beschlossen zu haben, kam eben nicht gut an.
Einen Strich durch die Rechnung dürfte auch das Gros der alteingesessenen Elmshornerinnen und Elmshorner gemacht haben, die nicht unbedingt Wähler der WGE/Die Grünen sind. So verzeichnete der Wahlkreis Raboisenschule, ein Stadtteil mit Einzelhausbebauung, die höchste Wahlbeteiligung mit 34,78 % und einem Votum von 86,75 % für den Eigenbetrieb. Hohe Wahlbeteiligung auch im Siedlerviertel. Bei Döllinghareico und Schule Koppeldamm wurden mit 87,2% und 89 % für den Eigenbetrieb die höchsten Ja-Stimmen-Ergebnisse bei überdurchschnittlicher Wahlbeteiligung erzielt. Diese Wählerinnen und Wähler haben allerdings schon einmal einen Bürgerentscheid gewonnen und die eher sinnvolle Baumschutzsatzung gekippt.
Aus diesem Grunde ging auch das Kalkül in den befürwortenden politischen Fraktionen, nicht in besonderer Weise zur Wahl zur mobilisieren, sondern nur die Gegner der Privatisierung anzugreifen, nicht auf. Die Traditionsbewussten, die "ihre Stadtwerke" behalten wollen, sind eben auch pflichtbewusst und gehen schon kurz nach dem Frühstück zur Urne. Alles in allem, nimmt man auch die Gespräche beim Flugblattverteilen des "Aktionsbündnisses Eigenbetrieb - Ja" zusammen, gab es eine grundsätzliche Ablehnung der Privatisierungsbestrebungen. Wie es der Redakteur des Blickpunktes ausdrückte: "Die AG-Befürworter haben offenbar die Tatsache unterschätzt, dass die Bürger bereits genug Umgründungen mitgemacht haben. Ob Post, Telekom oder Bahn - mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Betriebe sind im vergangenen Jahrzehnt privatisiert worden. War das etwa zum Besten des Verbrauchers? Schlechtere Leistungen, höhere Preise, oder Unternehmensgebaren, das an Aktionärsbetrug heranreicht, sind nur einige Stichworte. Davon hat der Bürger schlicht die Schnauze voll."
Zu dieser grundsätzlichen Ablehnung kam auch immer das Unverständnis dazu, weshalb ein gut laufender Eigenbetrieb, mit dem die Verbraucher zufrieden sind, als Aktiengesellschaft geführt werden soll.
Das von der attac-Ortsgruppe gegründete Aktionsbündnis "Eigenbetrieb - Ja" will jetzt in der zukünftigen Diskussion seinen Teil einfordern. Denn der Bürgerentscheid gilt für zwei Jahre, und neuerliche Privatisierungsideen sind mit Sicherheit zu erwarten.
Rudi Arend
Weiterer Beitrag zu diesem Thema: Auseinandersetzungen im Vorfeld des Bürgerentscheids