(Gegenwind 179, August 2003
Anfang Juli spekulierten verschiedene Wirtschaftsblätter und auch einige Tageszeitungen eifrig über die künftige Eignerschaft der Kieler Werft HDW. Einiges deutet daraufhin, dass hinter den Kulissen eifrig gepokert wird. HDW war im Sommer letzten Jahres an den US-amerikanischen Investor One Equity Partner (OEP) gegangen, der Verbindung zur US-Rüstungsindustrie hat (vgl. Gegenwind 174, Seite 36). ThyssenKrupp und Ferrostaal war eine Option auf den Kauf von je 15 Prozent der HDW-Anteile zugesagt worden, nach dem OEP 75 Prozent minus einer Aktie vom Vorbesitzer Babcock übernommen hatte. Daraus wurde bisher allerdings nichts. Stattdessen hat OEP auch die restlichen HDW-Aktien vom maroden Babcock-Konzern übernommen.
Spätestens seit dem Frühjahr ist allerdings bekannt, dass man bei ThyssenKrupp die Hoffnung auf eine "nationale Werftenlösung", wie es die Springer-Zeitung Welt nennt, nicht aufgegeben hat. Der Essener Mischkonzern, der mit Blohm &Voss in Hamburg sowie der Thyssen Nordseewerke in Emden selbst im Kriegsschiffbau aktiv ist, strebt nun mehr eine Mehrheitsbeteiligung bei HDW an. Das Frühjahr 2004 wird dafür als Ziellinie anvesiert. Ende Juni berichteten US-amerikanische Zeitungen, dass man mit einer Einigung zwischen ThyssenKrupp und OEP in den nächsten Wochen rechne.
Das sah vor einem halben Jahr noch ganz anders aus. Verschiedene Zeitungen hatten im Dezember noch berichtet, dass man sich nicht über das 15-Prozent-Paket einigen konnte. Doch offensichtlich sind die Verhandlungen weitergeführt worden. Der Appetit der Essener wurde auch durch "Signale" angeregt, dass es einen Abbau der Belegschaft geben würde, wie das für die Verhandlungen zuständige Vorstandsmitglied Olaf Berlien im April gegenüber Journalisten in Köln durchblicken ließ.
Inzwischen hat Thyssen-Krupp auch offiziell bestätigt, OEP ein Kaufangebot gemacht zu haben. Die Welt will erfahren haben, dass es "im mittleren dreistelligen Millionen-Bereich" liegt. Genau dort dürfte jedoch für OEP das Problem liegen. Rund 800 Millionen Euro hatte man im letzten Jahr für HDW ausgegeben, doch das ThyssenKrupp-Angebot scheint deutlich darunter zu liegen. Das entspräche zwar der Marktentwicklung und auch den Problemen, die nach anderen Presseberichten aus dem April bei ausländischen HDW-Neuerwerbungen aufgetreten sein sollen, doch nicht den Renditeerwartungen von OEP. Die hatten zuvor schon einen Dämpfer bekommen, als sich herausstellte, dass sich die deutschen Exportbeschränkungen wohl doch nicht so leicht wie erhofft umgehen lassen würden. Die Bundesregierung scheint entschlossen, sich ihre hervorragenden Beziehungen zur Volksrepublik China (einem der vielversprechendsten Absatzmärkte für deutsche Waren aller Art) nicht durch U-Boot-Lieferungen an Taiwan gefährden zu lassen.
Bei OEP, der nach eigenem Bekunden HDW lediglich als Geldanlage gekauft hatte, scheint daher die Neigung zum Verkauf zuzunehmen und die offenbaren Stockungen in den Verhandlungen mit ThyssenKrupp mögen auch daher rühren, dass die Essener nur 50,1 Prozent kaufen wollen und nicht das volle Paket. Dazu scheint indes die französische Direction des Constructions Navales (DCN) bereit, eine Staatswerft, die gemeinsam mit dem ebenfalls französischem Rüstungskonzern Thales ein Angebot über 800 Millionen Euro für HDW abgegeben hat.
Das Gebot aus Paris hat eine interessante Vorgeschichte: Mitte Juni hatte der französische Verteidigungsminister Michèle Alliot-Marie vor "dem Risiko" gewarnt, dass das US-Engagement in der europäischen Rüstungsindustrie darstelle und dabei Ausdrücklich die Übernahme HDWs durch OEP erwähnt. Die Zeitung Le Monde, der er seine Befürchtungen in den Stift diktierte, schlug daraufhin vor, die französische DCN und der deutsche ThyssenKrupp-Konzern könnten im maritimen Bereich ein Äquivalent zur EADS schaffen. In der waren vor einigen Jahren die französische, spanische und deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie zusammengefasst worden. Die Kontrolle haben deutsche und französische Kapitalgruppen, wobei DaimlerChrysler, die ihre DASA eingebracht hatte, zumindest nominell ein leichtes Übergewicht hat.
Doch in der Essener ThyssenKrupp-Zentrale kann man einem solchen Vorschlag gar nichts abgewinnen, sondern sieht "die Bundesregierung am Zug, um einen Ausverkauf der deutschen Rüstungstechnologie zu verhindern". "HDW ist jetzt zu hundert Prozent in amerikanischer Hand. Wenn die Werft von Franzosen übernommen würde, wäre das nur ein gradueller Unterschied", zitiert die Wirtschaftswoche einen überhaupt nicht europäisch gesinnten Konzernsprecher.
Die Reaktion der Bundesregierung auf diese nationalistischen Töne von der Ruhr scheint unterdessen zwiespältig. Zum einen betont man die europäische Kooperation, was darauf hindeutet, dass man dem Vorschlag des französischen Verteidigungsministers zuneigt. Einige Zeitungsberichte sprechen allerdings davon, dass man in Berlin bereits nach Wegen suche, gegen einen Verkauf an CDN und Thales ein Veto einzulegen. Bereits seit dem Winter arbeitet man im Wirtschaftsministerium an Gesetzesänderungen, die der Regierung künftig Mittel an die Hand geben, bei Bedarf den Einstieg ausländischer Unternehmen in deutsche Rüstungsbetriebe zu verhindern. Eine Initiative übrigens, die Alliot-Marie im besagten Le Monde-Artikel lobend erwähnt, was wiederum dagegen spricht, dass sich die Bundesregierung tatsächlich gegen einen Einstieg von CDN versperren wird. Wahrscheinlicher ist da schon, dass mit den neuen Paragraphen ein anderer Mitbewerber, der US-Rüstungsriese Northrop Grumman, abgewehrt wird.
Wie auch immer das Gezerre um den zukünftigen Besitz der Rüstungsschmiede ausgehen wird: Jeder neue Besitzer wird versuchen, aus der Belegschaft das Möglichste herauszupressen. Auch würden die U-Boote und das andere Mordswerkzeug, das in Kiel, Rendsburg, Malmö und anderswo auf HDW-Werften gebaut wird, mit einem deutschen, französischen oder deutsch-französischen Besitzer keinen Deut harmloser: Demnächst wird man uns im Kongo und Uganda vorführen, dass die deutsch-französische Waffenbrüderschaft um kein Gramm friedlicher ist als der US-amerikanische Militarismus. Dieser Tage sollen die ersten Bundeswehrsoldaten nach Uganda abreisen, um in einer waren Schatzkammer für Rohstoffe aller Art, in der seit über einem Jahrzehnt Stellvertreterkriege für französische und US-amerikanische Interessen geführt werden, angeblich die Konfliktparteien auseinander zu halten. Gemeinsam mit ihren französischen Kollegen, die in der gleichen Region vor etwas mehr als einem Jahrzehnt die ruandischen Massenmörder ausgerüstet haben.
Wolfgang Pomrehn