(Gegenwind 436, Januar 2025)
Kinder erkennen Menschen und nicht deren Hautfarbe
Jedes Jahr werden junge Menschen, die aus Afrika stammen, in Schleswig-Holstein als „Kluge Köpfe“ ausgezeichnet. Wir stellen die Preisträgerinnen und Preisträger hier und in den nächsten Ausgaben des Gegenwind vor.
Gegenwind:
Kannst Du Dich zuerst vorstellen?
Rashida Issifou:
Ich heiße Rashida Issifou. Ich bin in Togo geboren, aber in Ghana aufgewachsen. Ich lebe seit 2005 hier in Deutschland.
Gegenwind:
Wie kam das, dass Du in Ghana aufgewachsen bist?
Rashida Issifou:
Meine Eltern sind aus Togo geflüchtet. Deshalb lebten wir im Nachbarland.
Gegenwind:
Welche Sprachen hat Du schon als Kind gelernt?
Rashida Issifou:
Ich kann Kotokoli, das ist unsere Sprache auch Togo, meine Muttersprache. Und ich kann Hausa, das ist von meinem Papa. Und Twi habe ich auch gelernt, das ist eine der häufigsten Sprachen in Ghana, daran erkennen alle, dass man aus Ghana kommt. Das haben wir Kinder einfach gelernt, weil wir mit anderen Kindern gespielt haben, man wächst einfach damit auf.
Gegenwind:
Wenn Du hier in Kiel mit jemanden Twi sprichst - hört sich das so an, als ob Du geborene Ghanaerin bist?
Rashida Issifou:
Ja.
Gegenwind:
Wie alt warst Du, als Du nach Ghana kamst?
Rashida Issifou:
Ich glaube, zwei Jahre alt. Ich habe auch meine Mama gefragt, aber wir haben es nicht so mit Daten. Wir beschreiben die Zeit, es war damals, als Queen Elisabeth gerade das und das gemacht hat.
Gegenwind:
Kannst Du auch Französisch oder Englisch?
Rashida Issifou:
Französisch leider nicht, weil ich in Ghana aufgewachsen bin. Englisch kann ich.
Gegenwind:
Englisch musst Du auch können, um in Ghana zur Schule zu gehen.
Rashida Issifou:
Ja, Englisch habe ich in der Schule gelernt.
Gegenwind:
Wie ist das Leben als Flüchtling in Ghana?
Rashida Issifou:
In Ghana habe ich als Kind gar nicht wahrgenommen, dass ich Flüchtling bin. Ich habe mich dazu gehörig gefühlt.
Gegenwind:
Was haben Dir Deine Eltern über die Regierung in Togo erzählt?
Rashida Issifou:
Sie haben mir erzählt, dass die Regierung in Togo ganz gefährlich ist. Sie suchte nach meinem Vater. Deswegen sind wir geflüchtet. Ich habe dann meinen Vater auch nicht mehr gesehen.
Gegenwind:
War der nicht in Ghana?
Rashida Issifou:
Nein, der war nicht in Ghana. Er war in Togo, aber bis jetzt wissen wir nicht, wo er ist.
Gegenwind:
Warum bist Du mit 16 Jahren nach Deutschland gekommen?
Rashida Issifou:
In Ghana hatte ich so viele Vorstellungen gehabt, weil mein Onkel hier lebte. Immer wenn er nach Ghana kam, habe ich mich gewundert, wie er ist. Jetzt kann ich sagen, dass die meisten hier in Deutschland in ähnlichen Verhältnissen leben. Für Ghana sieht es aus wie Reichtum. Man denkt, sie sind reich, und das wollte ich auch. Mit 16 Jahren habe ich gesagt, jetzt ist es Zeit. Er kam einmal nach Ghana, und er hat mir gesagt, Du bist sehr klug, Du bist gut in der Schule, und ich sehe, dass Du hier in Ghana keine Zukunft hast. Und irgendwann werde ich Dich nach Deutschland holen.
Gegenwind:
Hattest Du außer dem Kontakt mit Deinem Onkel irgendwelche anderen Quellen? Hattest Du eine Vorstellung von Deutschland?
Rashida Issifou:
Ja. Ich hatte eine Vorstellung von Deutschland, weil ich auch online vor allem bei Yahoo mich mit ganz vielen Deutschen angefreundet habe. Von denen konnte ich auch ein bisschen Deutsch lernen. Die haben geschrieben, und ich hatte immer ein Wörterbuch liegen, da habe ich immer reingeguckt und mir alles übersetzt.
Gegenwind:
War Deutschland so wie Du gedacht hast? Oder hat Deutschland Dich auch überrascht?
Rashida Issifou:
Deutschland hat mich sehr überrascht. Ich war sehr enttäuscht, als ich nach Deutschland kam. Das erste war das Wetter. Bei uns ist es das Jahr über gleich warm, es gibt keinen Winter, keinen Herbst, keinen Frühling. Um 18 Uhr ist es dann dunkel. Man steht mit der Sonne auf und man geht im Dunklen schlafen. Aber ich kam im Januar nach Deutschland. Es hat viel geregnet. Alles war grau. Und ich hatte ganz andere Vorstellungen. Ich war sehr enttäuscht. Ich dachte, dies ist eine Art Paradies. Es war alles anders. Aber dann haben ich gesehen: So anders ist es gar nicht. Die Autos, die hier fuhren, waren genauso wie in Ghana. Die Häuser waren anders, wir haben in Ghana einen anderen Stil. Die Gebäude in Ghana sind bunt, und viele werden so gebaut, dass sie wie eine Villa aussehen. Hier waren alle gleich. Und dann kommt noch die Sprache dazu. Ich konnte mich gar nicht ausdrücken. Das verunsichert. Ich habe mich nicht einmal getraut zum Bahnhof zu gehen. Wenn ich mich verlaufe, wie komme ich dann wieder nach Hause? Deshalb bin ich immer drin geblieben.
Gegenwind:
Warst Du von Anfang an in Kiel?
Rashida Issifou:
Ja.
Gegenwind:
War Dein Onkel auch Dein Vormund?
Rashida Issifou:
Ja, für zwei Jahre, bis ich volljährig war. Er war mein Vormund, aber er hatte auch seine Probleme. Er hatte ja seine Familie, um die er sich kümmern musste, und da kam ich noch dazu.
Gegenwind:
Hat er sich gefreut, als Du kamst? Oder war es eine zusätzliche Arbeit?
Rashida Issifou:
Er war überrascht. Ich hatte ihn nicht informiert, dass ich komme. Er wollte mich herbringen, aber für mich hat das zu lange gedauert. Ich habe selbst Geld organisiert und bin gekommen. Er war sehr überrascht.
Gegenwind:
Hattest Du ein Visum?
Rashida Issifou:
Es gab Leute, die diese Visa verkaufen. Ich bin den Leuten hierhin gereist. Und dann in Hamburg haben sie gesagt, hier ist Dein Ziel, wir verabschieden uns jetzt. Ich wusste nicht, was ich jetzt machen soll. Ich hatte ein Foto von meinem Onkel, aber keine Adresse. Ich habe einen Afrikaner angesprochen, weil ich dachte, dass hier so viele Ghanaer leben. Ich habe gesagt: Ich suche diesen Mann, bist Du aus Hamburg? Er sagte, nein aus Düsseldorf, ich muss jetzt weiter. Und habe andere gefragt. Und die dritte Person kannte meinen Onkel. Und er sagte, der ist nicht in Hamburg, der ist in Kiel. Und dann hat er mich zum Zug begleitet, und ich bin mit dem Zug nach Kiel gekommen, und hier habe ich meinen Onkel angerufen.
Gegenwind:
Also Du hast nicht wie eine richtige Deutsche alles vorher geplant...
Rashida Issifou:
... nein, gar nicht. Ich wollte dann nach einer Woche wieder zurück. Er meinte dann, so einfach geht das nicht. Du bist gekommen, und Du bleibst. Aber jetzt kann ich sehr stolz auf mich sein, dass ich jetzt alles geschafft habe.
Gegenwind:
Und wenn Du jetzt was machen willst, planst Du das.
Rashida Issifou:
Ja, auf jeden Fall. Ich habe hier gelernt, dass man alles planen muss. Die Struktur ist hier ganz anders. In Ghana steht man auf und geht irgendwo hin, ohne Termin oder irgendwas. Hier muss man alles planen.
Gegenwind:
Hast Du Dich inzwischen an Kiel gewöhnt?
Rashida Issifou:
Ja. Ich fühle mich auch inzwischen wohl in Kiel.
Gegenwind:
Bist Du hier eingebürgert?
Rashida Issifou:
Noch nicht. Ich bin noch dabei.
Gegenwind:
Was fehlt noch?
Rashida Issifou:
An den Voraussetzungen fehlt gar nichts. Aber ich hatte Probleme mit der togoischen Botschaft. Ich muss nach Togo, um einen Pass zu beantragen. Und den muss ich hier vorlegen. Mein Anwalt hat dafür gekämpft, dass ich einen Ersatzpass bekomme. Den habe ich bekommen. Aber jetzt habe ich keinen Pass mehr, der Ersatzpass ist abgelaufen und wurde nicht verlängert. Ich dachte, ich bekomme einen neuen. Aber mir wurde gesagt: Nein, Du sollst jetzt nach Togo fliegen und dort einen neuen Pass beantragen. Ich hoffte, ich könnte es über die Botschaft machen, aber die sagen das gleich. Aber jetzt habe ich keinen Ersatzpass, ich kann also nicht nach Togo fliegen. Ich versuche jetzt alles über einen Anwalt.
Gegenwind:
Lebt Deine Mutter noch in Ghana?
Rashida Issifou:
Ja.
Gegenwind:
Wie viele Geschwister hast Du?
Rashida Issifou:
Ich habe zwei Geschwister. Einer ist hier, und meine ältere Schwester lebt in Ghana.
Gegenwind:
Will sie auch auswandern? Oder ist sie zufrieden?
Rashida Issifou:
Sie ist zufrieden. Sie ist auch schon älter.
Gegenwind:
Was hast Du mit 16 Jahren hier in Kiel gemacht?
Rashida Issifou:
Mit 16 Jahren wollte ich unbedingt zur Schule gehen. Wie gesagt, ich konnte die Sprache nicht, und ohne Sprache kommt man nicht weiter. Mein Onkel hat mich in einem Deutschkurs angemeldet. Und dort habe ich gesagt, dass ich schon mit Deutschen gechattet habe. Sie haben erkannt, dass ich schon ein bisschen Deutsch konnte, und haben meinem Onkel empfohlen, ich in die Regelschule anzumelden. Ich war dann in der Hauptschule, der Fridjof-Nansen-Schule. Jetzt ist sie anders organisiert, jetzt ist es eine Regionalschule.
Gegenwind:
Hast Du dort Deinen Abschluss gemacht?
Rashida Issifou:
Ja, das hat ein Jahr gedauert. 2005 bin ich gekommen, und 2006 habe ich meinen Abschluss in der neunten Klasse gemacht.
Gegenwind:
Was hast Du danach gemacht?
Rashida Issifou:
Danach habe ich die Realschule besucht mit einem Pflege-Assistenz-Kurs. Das heißt, man bekommt beides, man bekommt den Realschulabschluss und ist zusätzlich Pflegefachassistentin. Das habe ich dann in der Berufsschule gemacht.
Gegenwind:
War das dann Dein Beruf?
Rashida Issifou:
Das der Wunsch von meinen Eltern. Bei uns wird von den Eltern alles übertragen, was man selbst nicht geschafft hat. Das wird auf die Kinder übertragen. Meine Mutter wollte, dass ich Krankenschwester werde. Und weil ich mit der Sprache noch nicht so weit war, habe ich den Abschluss als Pflegefachassistentin gemacht. So kam ich dem Beruf näher. Nach dem Abschluss habe ich ein Jahr gearbeitet, um zu gucken, ob das was für mich ist. Aber ich habe festgestellt, dass das nichts für mich ist.
Gegenwind:
Wie ging es dann weiter?
Rashida Issifou:
Ich bin dann schwanger geworden. Und damit bekam ich ein Beschäftigungsverbot. Ich wusste damals noch nicht, was das bedeutet. Aber ich durfte nicht mehr arbeiten, bis das Kind da war. Ich hatte dann Zeit zum Überlegen. Ich habe mich dann entschlossen, was anderes zu machen, aber erst, wenn das Kind da ist und später in den Kindergarten geht. Aber bevor das Kind in die Kita kam, bin ich wieder schwanger geworden mit dem zweiten Kind. Und als das zweite Kind zwei Jahre alt war, habe ich mich wieder in der Berufsschule angemeldet. Die Kindern haben mich motiviert, als Erzieherin zu arbeiten. Ich habe also mit der Ausbildung als Erzieherin angefangen. Ich habe das abgeschlossen, und seit 2018 arbeite ich bei der AWO.
Gegenwind:
Wie groß sind die Kinder jetzt?
Rashida Issifou:
Der erste ist 11, der zweite ist im Oktober 10 Jahre alt geworden. Sie sind in der vierten und in der sechsten Klasse.
Gegenwind:
Sind Deine Kinder deutsch? Oder togoisch? Oder ghanaisch?
Rashida Issifou:
Von jedem ein bisschen. Aber deutsch ist dominant. Sie haben deutsche Freunde, sie fühlen sich deutsch. Aber sie haben auch ganz viel Kontakt mit afrikanischen Kindern, das ist mir auch wichtig.
Gegenwind:
Egal aus welchem Land die anderen Kinder sind?
Rashida Issifou:
Ja, das ist egal.
Gegenwind:
Hattest Du auch Probleme als Afrikanerin?
Rashida Issifou:
Ja. Ich hatte ganz viele Probleme, schon in der Schule. In Ghana merkt man das gar nicht, dass man Ausländerin ist. Hier war das ganz stark ausgeprägt. Hier bekommt man das in der Schule ganz stark zu spüren. Erstens beherrschte ich die Sprache nicht, der Kontakt mit andern Kindern war schwierig. Und man merkt auch die Ablehnung. Ich wurde abgelehnt.
Gegenwind:
Mehr von den anderen Schülerinnen und Schülern? Oder von den Lehrerinnen und Lehrern?
Rashida Issifou:
Von manchen Lehrern, nicht von allen. Und von den Schülerinnen und Schülern. Ich habe es auch erlebt, dass ein Lehrer vor der Klasse geweint hat meinetwegen, weil er das ganz schlimm fand, wie die Kinder sich mir gegenüber verhielten.
Gegenwind:
Gab es auch Lehrer, die Dich unterstützt haben?
Rashida Issifou:
Ja, es gab eine Lehrerin, die mich ganz stark bei allen schulischen Wegen unterstützt hat. Auch privat war sie immer für mich da. Sie hat mich begleitet, als ich einen Praktikumsplatz gesucht habe. Sie war immer an meiner Seite.
Gegenwind:
Hast Du heute noch Kontakt mit jemandem aus der Schule?
Rashida Issifou:
Mit der Lehrerin hätte ich gerne Kontakt, aber leider ist der verloren gegangen. Ich weiß nicht, ob sie noch lebt. Ich würde ihr gerne meine Dankbarkeit zeigen. Aber leider finde ich sie nicht mehr.
Gegenwind:
Bist Du zufrieden mit Deinem Beruf und den Kindern im Kindergarten?
Rashida Issifou:
Ja, ich bin sehr, sehr zufrieden. Vor allem kann ich manchmal Eltern inspirieren, dass sie trotz einiger Hindernisse alles schaffen können. Und auch einige Kinder sehen mich als Vorbild, das beruhigt auch. Für mich ist das auch eine Berufung, mehr als ein Beruf. Ich mache das sehr gerne. Ich kann die Kleinen stärken und motivieren, dass sie etwas schaffen können.
Gegenwind:
Ist es für die Kinder wichtig, wer von den Erzieherinnen schwarz oder weiß ist?
Rashida Issifou:
Für die Kinder ist das gar nicht wichtig. Die Kinder erkennen Menschen und nicht deren Hautfarbe. Man muss nur sein Herz für die Kinder öffnen. Die Kinder geben uns ganz viel, und schon wenn man etwas Kleines mit den Kindern macht, geben sie uns viel zurück.
Gegenwind:
Sind viele Kinder bei Euch im Kindergarten aus Einwanderer-Familien?
Rashida Issifou:
Ja, ungefähr 80 Prozent. Ich arbeite ja in Gaarden, und Gaarden ist ein Einwanderungsgebiet.
Gegenwind:
Hast Du eine Übersicht, aus wie vielen verschiedenen Ländern die Eltern kommen?
Rashida Issifou:
Ich denke, aus mindestens zwanzig Ländern.
Gegenwind:
Und die Kinder vertragen sich?
Rashida Issifou:
Ja, die Kinder erkennen keine Unterschiede. Ich bin ein Mensch, Du bist ein Mensch.
Gegenwind:
Hattest Du schon Kinder, die Deine Sprachen aus Togo oder Ghana kannten?
Rashida Issifou:
Ja, viele. Als ich angefangen habe, waren viele aus Nigeria da. Die sprachen aber Englisch. Ich habe zu ihnen gesagt, hier kein Englisch, zu Hause Englisch. Bei mir ist es auch wichtig, dass sie Deutsch lernen. Zu Hause Englisch, damit sie das gut können. Die Muttersprache ist ja auch wichtig für die Zweitsprache. Ich empfehle auch den Eltern, dass sie zu Hause mit den Kindern die Muttersprache sprechen. Sie müssen ihre Wurzeln und ihre Muttersprache kennen, das ist auch gut für die Zweitsprache. Aber wenn sie in der Schule sind, müssen sie alles verstehen, dann müssen sie gut Deutsch sprechen.
Gegenwind:
Hast Du hier Kontakt mit Leuten aus afrikanischen Ländern?
Rashida Issifou:
Ganz viel Kontakt. Ich habe den Preis bekommen, weil ich sehr engagiert bin. Ich bin in unterschiedlichen Vereinen aktiv. Ich vertrete jetzt fünf Vereine. Das ist der Afro-Deutsche Verein, da bin ich im Vorstand. Ich bin im „Haus der Vielfalt“ gerade in den Vorstand gewählt worden. Und „MEN“ haben wir vor zwei Wochen gegründet, das „Migrantische Eltern-Netzwerk“. Ziel ist, die Eltern mit Migrationshintergrund zu unterstützen und zu begleiten. Dann bin ich in der Ghana-Union sehr aktiv, und bei den Klugen Köpfen.
Gegenwind:
Hat auch einer Deiner Vereine etwas mit Togo zu tun?
Rashida Issifou:
Ich bin bei den „Sisters“ aktiv, der Verein ist offen für alle Frauen, und da habe ich auch Kontakt mit einem Togo-Verein. Und ich habe noch einen Verein, der heißt „Masjid Bilal“, da sind viele Frauen mit Kopftüchern, es ist ein muslimischer Verein. Und da ist auch der Nachwuchs dabei, mit denen bin ich auch aktiv.
Gegenwind:
Wann hast Du das erste Mal von der Initiative „Kluge Köpfe“ gehört?
Rashida Issifou:
Die „Klugen Köpfen“ habe ich 2021 kennen gelernt. Rose Sekoh hat mich auf einem Afrika-Tag angesprochen, ob ich teilnehme. Ich war erst nicht sicher, aber dann habe ich zugesagt. 2022 war ich im Landeshaus dabei bei der Preisverleihung. 2023 war ich auch dabei. Und diesmal habe ich mich beworben. Aber ich hätte auch ohne das weiter mitgemacht und mit organisiert. Aber der Verein hat dann entschieden, dass ich einen Preis bekomme für mein Engagement in mehreren Vereinen.
Gegenwind:
Die meisten, die den Preis bekommen, bekommen ihn für einen Abschluss, also eine Ausbildung oder ein Studium. Du hilft schwerpunktmäßig anderen. Hältst Du dabei auch Ausschau nach Preisträgerinnen und Preisträgern?
Rashida Issifou:
Ja. Ich spreche viele an. Bei der letzten Verleihung 2024 habe ich auch die drei angesprochen, damit sie sich bewerben.
Gegenwind:
In der Initiative habt Ihr einen Schwerpunkt Westafrika und Kamerun, zwei kamen aus Ostafrika.
Rashida Issifou:
Aber wir sind offen für alle. Wir sind nicht nur für die Westafrika da.
Gegenwind:
Versucht Ihr denn, auch Kandidatinnen und Kandidaten aus Nordafrika oder dem südlichen Afrika zu finden?
Rashida Issifou:
Ja. wir sind immer dabei, wir machen viel Werbung. Aber mir ist auch schon aufgefallen, dass viele davon nichts wissen. Ich finde das schade, auch wenn afrikanische Veranstaltungen vorbereitet werden, nehmen oft wenig Afrikanerinnen und Afrikaner teil. Oft gibt es zu wenig Kontakt untereinander.
Gegenwind:
Bei den Veranstaltung der Klugen Köpfe sind ja fast nur Afrikanerinnen und Afrikaner. Geht es Dir besonders gut, wenn der Raum voll ist mit schwarzen Menschen.
Rashida Issifou:
Ja, klar. Darum geht es ja auch. Ziel ist es, die afrikanische Bevölkerung hier sichtbar zu machen. Diese Preisträger:innen haben das Richtige getan, sie haben etwas erreicht, und das muss anerkannt werden. Deutschland ist durch die Einwanderung ein anderes Land geworden. Und wir müssen zeigen, dass diese Einwanderung eine Chance ist. Denn alle, die hierher kommen, kommen auch mit ihren Kompetenzen. Das muss anerkannt werden.
Gegenwind:
Bei der Veranstaltung im Landeshaus gab es eine Video-botschaft von der Sozialministerin. Freust Du Dich darüber besonders?
Rashida Issifou:
Ja, das ist die Sichtbarkeit, die ich meine. Man freut sich, wenn ein Frau aus Afrika Ministerin ist und gesehen wird. Sie hat das trotz vieler Hindernissen geschafft, und das ist hervorragend.
Gegenwind:
Kennst Du sie persönlich?
Rashida Issifou:
Ja, Aminata Touré kenne ich, und sie mich auch. Aber leider war sie bei den letzten Veranstaltungen nicht dabei.
Gegenwind:
Versucht Ihr denn jetzt gezielt, Interessierte aus anderen Ländern anzusprechen? Oder macht Ihr Werbung und guckt was kommt?
Rashida Issifou:
Wir versuchen, so viele wie möglich zu erreichen, nicht nur aus Westafrika, auch aus Nordafrika. Es wird ja oft vergessen, dass die Ländern auch zu Afrika gehören, also Algerien oder Marokko bis zum Sudan. Wir versuchen, alle zu erreichen.
Gegenwind:
Hatten denn alle den Preis verdient, die ihn 2024 bekommen haben? Die Preisträger:innen waren ja sehr verschieden.
Rashida Issifou:
Auf jeden Fall. Und wir sind alle verschieden. Jede hat eine andere Art und auch eine andere Erfahrung. Die, die hier geboren sind, haben immer einen Vorteil: Sie können die deutsche Sprache. Ich sehe sie als deutsch, sie haben wenig Schwierigkeiten, sich zu integrieren. Diejenigen, die später gekommen sind, haben ganz andere Probleme. Viele kommen traumatisiert, viele haben familiären Stress, haben vielleicht Probleme mit der Kindererziehung oder dem Schulbesuch, das ist alles nicht einfach. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen. Man kommt hier an, ich bin mit 16 gekommen, ich war alleine. Ich hatte keine Mama und keinen Papa. Ich musste alles machen und mich auch noch auf die Schule konzentrieren. Das ist nicht einfach.
Gegenwind:
Aber jetzt, 20 Jahre später, bist Du deutsch, Du musst nur noch eingebürgert werden.
Rashida Issifou:
Genau. Ich fühl mich auch deutsch. Und auch wenn ich in Ghana bin, bin ich doch anders. Dieser unangekündigte Besuch - ich freue mich, wenn jemand kommt. Aber wenn es ohne Anmeldung ist, bin ich auch ein bisschen genervt. Aber muss so tun als freue ich mich. Meine Mama meckert dann mit mir: Stell Dich nicht so an. Du bist keine Deutsche, Du bist eine von uns.
Gegenwind:
War Deine Mutter schon mal hier?
Rashida Issifou:
Nein.
Gegenwind:
Aber sie weiß sicherlich, wie Du hier lebst, und sieht Handyfilme von Deinen Kindern.
Rashida Issifou:
Ja. Sie sieht alles. Und sie hat Bilder und Videos von allen.
Gegenwind:
Vielen Dank!
Interview: Reinhard Pohl
Mehr Informationen zum Projekt: www.klugekoepfe-sh.org