(Gegenwind 430, Juli 2024)

Welche Ausländerbehörde arbeiten am freundlichsten?

Wie vielen Geduldeten wird geholfen?

SSW erfragt Zahlen von der Landesregierung

Im Jahre 2023 ist die Zahl der Geduldeten in Schleswig-Holstein nach langen Jahren endlich gesunken. Grund dafür waren nicht Abschiebungen, sondern bei vielen entschied sich die Ausländerbehörde für eine humanitäre Regelung. Das hilft allen: Schleswig-Holstein braucht Einwanderung und sucht dringend Arbeitskräfte, nicht nur Fachkräfte. Und wenn diejenigen, die eine Duldung haben, eine Lösung mit der Ausländerbehörde vereinbaren können, können sie ruhig schlafen.

Duldung bedeutet: Die Abschiebung ist zur Zeit ausgesetzt, wird aber nach wie vor angedroht. Von den Geduldeten hier sind ungefähr zwei Drittel abgelehnte Flüchtlinge. Ein Drittel sind andere: Arbeitskräfte nach einer Kündigung, Ehepartner:innen nach Scheitern einer Ehe, Student:innen nach Abbruch des Studiums und so weiter. Viele reisen mehr oder weniger freiwillig aus, andere werden abgeschoben. Aus Schleswig-Holstein wurden 2023 199 Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben, 207 Asylsuchende nach einem Dublin-Verfahren in das europäische Land ihres ersten Asylantrages. 618 reisten aus. Es wurden also rund 4 Prozent der fast 11.000 Geduldeten abgeschoben, weitere 6 Prozent reisten aus. Die meisten können und dürfen gar nicht abgeschoben werden - weil andere aus ihrer Familie eine Aufenthaltserlaubnis haben, weil das Herkunftsland die Rücknahme ablehnt, weil es verschiedene Gründe gibt, die eine Abschiebung nicht zulassen. Für 90 % der Geduldeten muss also eine andere Lösung gefunden werden.

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Zuerst sind die Geduldeten selbst gefragt: Sie müssen ihre Identität klären, also nach Möglichkeit einen Pass vorlegen, den sie bei der Botschaft beantragen. Und sie müssen sich informieren, damit sie die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis erfüllen können. Beratungsstellen oder Freunde können helfen.

Aber auch Ausländerbehörden sind gefragt: Sie sollen Geduldeten mitteilen, wenn eine humanitäre Lösung für sie in Betracht kommt. Das machen viele auch, aber mit unterschiedlich viel Phantasie. Deshalb hat der SSW im Landtag nachgefragt, wie viele Geduldete in den einzelnen Kreisen leben und wie viele mit einer humanitären Regelung (zumindest vorläufig) „gerettet“ wurden.

Große Unterschiede

Dabei zeigen sich große Unterschiede. Die Tabelle auf der vorigen Seite vergleicht in jedem Kreis die Zahl der am 1. Januar 2023 Geduldeten und die Zahlen der bis 31.12.2023 mit Aufenthaltserlaubnis versehenen (teils inklusive derer, die schon 2022 die Aufenthaltserlaubnis bekamen).

Die Quote in der letzten Spalte sind nicht hundertprozentig wissenschaftlich. Denn man kann bei solch einer kleinen Anfrage nicht alles fragen, zum Beispiel sind Umzüge nicht berücksichtigt. Es kann also am 31. Dezember jemand in Kiel eine Aufenthaltserlaubnis haben, der die Duldung im Kreis Rendsburg-Eckernförde hatte. Sobald die Ausländerbehörde Rendsburg die Aufenthaltserlaubnis gibt, darf die Person ja umziehen. Insofern ist es ein bisschen ungenau.

Aber in der Tendenz stimmt die Tabelle. Wenn in Schleswig bis zum 31. Dezember 2023 nur 314 humanitäre Lösungen zustande gekommen waren (42,9 Prozent verglichen mit 732 Geduldeten ein Jahr zuvor), in Stormarn aber 750 Lösungen bei 836 Duldungen, können wir die 20 oder 50 Umzüge im Laufe des Jahres außer acht lassen: Der eine Kreis hat mehr als doppelt so viele humanitäre Lösungen erreicht wie der andere Kreis.

Wer eine Ausbildungsduldung oder eine Beschäftigungsduldung hat, hat auch die Arbeitserlaubnis für diese Stelle. Wer eine Aufenthaltserlaubnis nach den anderen Möglichkeiten bekommt, die die Tabelle zeigt, muss keine Arbeitserlaubnis mehr beantragen. Viele können sich dann teilweise oder ganz selbst ernähren. Außerdem brauchen Geduldete in der Regel alle drei Monate eine Termin zur Vorsprache - wer erlaubt hier lebt, braucht alle drei Jahre einen Termin. Die Ausländerbehörde entlastet sich selbst.

Fazit

Es wäre gut, wenn die Landtagsfraktionen und auch die Abgeordneten in Kreistagen und Ratsversammlungen der Frage nachgehen, warum in einigen Kreisen die Arbeit anscheinend weit besser geleistet wird als in anderen. Aber es sollte auch im Interesse der Landesregierung und des zuständigen Integrationsministeriums sein, für gleiche Verhältnisse in den Kreisen zu sorgen.

In der Beratung tauchen nicht nur Geduldete auf, die eine Lösung für ihre Situation suchen. Es tauchen auch Geduldete auf, die einen Tipp für einen Umzug brauchen, um ihre Möglichkeiten durch eine „bessere“ Ausländerbehörde zu steigern. Und das sollte wirklich nicht sein.

Im Gegenwind 428 (Mai 2924) haben wir uns angesehen, wie gut die 15 Ausländerbehörde in Schleswig-Holstein bei Einbürgerungen sind. Die besten Einbürgerungsbehörde war achtmal so gut wie die schlechteste. Einige Kreistagsfraktionen nahmen das zum Anlass, bei der Verwaltungsspitze nach den Gründen für gutes oder schlechtes Abschneiden nachzufragen (siehe Gegenwind 429, Seite 41/42). Jetzt sind bei Duldungen und humanitären Lösungen die gleichen Kreise, die gleichen Behörden an der Spitze oder am Schluss der Tabelle. Das Sollte das Land zum Anlass nehmen, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Reinhard Pohl

alle diese Zahlen und noch viele mehr: Landtags-Drucksache 20/2101

60c: Ausbildungsduldung / 60d: Beschäftigungsduldung / 23a: Aufenthaltserlaubnis durch Härtefallkommission / 25,5: humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach 18 Monaten Duldung / 25a: gut integrierte Jugendliche / 25b: Altfallregelung / 104c: Chancen-Aufenthaltsrecht / Die Zahlen sind der jeweilige Paragraph im Aufenthaltsgesetz.

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