(Gegenwind 425, Februar 2024)

Eröffnung des Welcome-Centers am 18. Dezember
Eröffnung des Welcome-Centers am 18. Dezember, von links: Hinrich Habeck (Geschäftsführer der WTSH), Claus Ruhe Madsen (Wirtschaftsminister), Aminata Touré (Integrationsministerin) und Markus Biercher (Regionaldirektor der Bundesagentur für Arbeit)

Landesregierung will Fachkräfte werben:

Aus aller Welt nach Schleswig-Holstein

Welcome-Center eröffnet

Aus aller Welt sollen sie nach Schleswig-Holstein kommen: Ärztinnen und Ingenieure, IT-Spezialistinnen und Betriebsleiter. Rund 15.000 benötigt Schleswig-Holstein pro Jahr, auch weil jetzt geburtenstarke Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt ausschieden. Fachkräfte können durch eine gutes Schulsystem und ein großzügiges Bleiberecht unter den Menschen gewonnen werden, die schon im Land sind. Das neue Welcome-Center in Kiel soll bei der Einwanderung beraten.

Schleswig-Holstein hat zwei Probleme: Einerseits wandern zu wenig Fachkräfte nach Deutschland ein. Und anderseits gehen sie nach einer Einwanderung oft in die großen Städte wie München, Frankfurt, Berlin oder Hamburg, aber nicht gerade in den echten Norden. Das Welcome-Center soll also nicht nur Ausländerinnen und Ausländer für die Einwanderung werben, sondern auch gucken, dass sie zu uns nach Schleswig-Holstein kommen.

Dazu kommt, dass mittlerweile wohl alle Bundesländer ähnliche Beratungsstrukturen eingerichtet haben und miteinander um Einwanderung konkurrieren.

Start der Landesregierung

Die Landesregierung lud zu einer Auftaktveranstaltung ins Landeshaus ein, in der der Wirtschaftsminister Madsen sowie Vertreter:innen aus der Wirtschaftsförderung, der Bundesagentur für Arbeit und aus der Wirtschaft die Probleme schilderten und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erläuterten, das am 18. November 2023 in Kraft getreten ist. Das erweitert die Möglichkeiten der Einwanderung, senkt den Mindestverdienst für bestimmte Aufenthaltstitel und privilegiert die Fachkräfte auch gegenüber anderen eingewanderten Arbeitskräften - Fachkräfte bekommen schneller eine unbefristete Erlaubnis und können leichter ihre Familie nachholen. Da der Familiennachzug an das Einkommen gebunden ist, dürften Fachkräfte damit sowieso wenig Probleme haben.

Am 18. Dezember, einen Monat nach Inkrafttreten des Fachkräftezuwanderungsgesetzes, wurde dann das Welcome-Center eröffnet. Da waren außer dem Wirtschaftsminister Madsen auch Aminata Touré anwesend, die als Ministerin für Soziales und Integration zuständig ist. Sie hat auch das „Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge“ in ihrem Haus, wo es schon länger eine zentrale Ausländerbehörde gibt, die Fachkräfte berät und nach Sichtung der Qualifikation eine Vorab-Zustimmung zum Visum geben kann.

Das neue Welcome-Center hat solche Möglichkeiten nicht. Sie können nur beraten und verweisen. Fragen nach dem Konzept wurden bei der Pressekonferenz zur Eröffnung ausweichend beantwortet, vor allem die, wie sie Interessierte finden und ansprechen. Noch hofft die Einrichtung, dass Interessierte sie finden und einen Termin vereinbaren.

Eine Terminvereinbarung ist übrigens einfach und schnell möglich, telefonisch oder über das Kontaktformular.

Haupthindernis

Das wichtigste Hindernis auf dem Weg ist der bürokratische Aufwand. Die Einwanderungswilligen müssen ihre Qualifikation nachweisen und anerkennen lassen, zumindest wenn sie keinen Arbeitsvertrag vorweisen können. Dieses Anerkennungsverfahren läuft bei rund 1.200 verschiedenen Stellen, wobei man erstmal die richtige Stelle herausfinden muss. Und die versprochene Bearbeitungszeit von drei Monaten wird in der Regel weit überschritten, man sollte mit einem Jahr rechnen.

Möglich ist dann auch eine Teil-Anerkennung, man muss also Zusatzqualifikationen ablegen. Das kann nochmal ein oder zwei Jahre dauern, ist aber immerhin in Deutschland möglich.

Dann dauert das Visumverfahren teils lange. Im Gesetz steht das Prinzip der „zwei Warteschlangen“, Fachkräfte sollen in wenigen Tagen oder Wochen einen Termin bekommen, während das bei „normalen“ Antragsteller:innen je nach Land bis zu eineinhalb Jahren dauern kann.

In der Regel bewerben sich Einwanderungswillige dort, wo Verwandte oder Bekannte leben, die ihnen bei den ersten Schritten helfen. Das sind auch diejenigen, die stellvertretend die Beratung in Anspruch nehmen. Aber es gibt auch Familien, egal ob aus Indien, Iran, Kenia oder Peru, die Verwandte in mehreren Ländern haben. Solch ein Anerkennungsverfahren entschiedet dann darüber, wo sie einwandern - oft dort, wo sie am schnellsten die Zusage erhalten. Da hat Deutschland noch schlechte Chancen.

Allerdings ist Deutschland sehr beliebt, was viele dieser Nachteile ausgleichen kann. In der EU gibt es für Fachkräfte mit einem bestimmten Mindesteinkommen (zur Zeit rund 45.000 Euro) eine „Blaue Karte“ als Aufenthaltstitel, der in allen Mitgliedsstaaten gilt. Davon hatte die EU 2022 genau 81.851 ausgegeben, von den Inhaber:innen lebten 63.242 in Deutschland. Mit großen Abstand folgen Polen (4.931), Litauen (3.924) und Frankreich (3.876). Für Ungarn haben sich 18 entschieden, für Malta immerhin 21.

SPD und FDP im Landtag kritisierten, dass das Welcome-Center eine reine Beratungsstelle geworden ist. Sie hätten sich ein Büro gewünscht, das auch Aufenthaltstitel vergibt, Kindergartenplätze vermittelt, bei der Wohnungssuche unterstützt. Es kommt eben darauf an, wie man „Welcome“ interpretiert.

Besser als nichts

Mit der Einrichtung des Welcome-Centers dokumentiert Schleswig-Holstein immerhin, dass Einwanderung erwünscht ist. Dazu kommen soll noch, wie die Integrationsministerin erläuterte, eine bessere Dokumentation von ankommenden Asylbewerber:innen hinsichtlich der mitgebrachten Qualifikationen und der Lebensplanung. Das Konzept dafür soll im April vorgelegt werden.

Die Landesregierung hat die Latte vorsichtshalber niedrig gelegt: Bisher kommen 300 bis 400 Fachkräfte pro Jahre nach Schleswig-Holstein, zumindest mit diesem Visum und Aufenthaltstitel. Zusätzlich gibt es natürlich Familienangehörige hier lebender Einwanderer oder anerkannte Asylbewerber:innen, die „nebenbei“ Fachkraft ist, auch wenn sie einen anderen Aufenthaltstitel haben.

Das Ziel ist es, 15.000 Fachkräfte pro Jahr zur Einwanderung zu überreden. Um diese Zahl zu erreichen, müssten vermutlich 25.000 kommen, denn jedes Jahr verlassen auch Tausende von Fachkräften Deutschland wieder, weil sie bei näherem Hinsehen in Großbritannien, USA oder Dubai bessere Bedingungen vorfinden. Man will also siebzigmal so viele anwerben wie aktuell.

Das Ziel für das Welcome-Center ist es, die Zahl der einwandernden Fachkräfte auf 1.600 zu vervierfachen. Da es noch kein überzeugendes Konzept gibt, wie man die Interessierten findet, ist das schon sehr hoch gegriffen. Auf der Pressekonferenz wiegelte Minister Madsen auch ab: Man werde jetzt nicht die Zahl der Beratungen zählen, sondern gucken, dass das Gesamtergebnis stimmt.

Reinhard Pohl

welcomecenter-sh
Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum