(Gegenwind 424, Januar 2024)

Das Team in der Geschäftsstelle der Klima-Stiftung. Dritter von links: Erwin Sellering
Das Team in der Geschäftsstelle der Klima-Stiftung. Dritter von links: Erwin Sellering

Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern

Schlecht für das Klima

Putin, Schwesig und Schröder planten große Geschäfte

100 Milliarden Euro pro Jahr wollte die russische Regierung in zehn Jahren mit dem Export von Erdgas und Wasserstoff einnehmen. Die Pläne wurden unter maßgeblicher Mithilfe von Gerhard Schröder in Mecklenburg-Vorpommern vorangetrieben, als der Krieg gegen die Ukraine schon begonnen worden war.

In Mecklenburg-Vorpommern hat das Landesparlament im März 2022 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er soll untersuchen, was hinter der „Klimastiftung“ des Landes steckt. Diese war gegründet worden, als die USA Sanktionen gegen die Firmen verhängten, die die Erdgas-Pipeline „Nord Stream 2“ bauten. Diese sollte Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren, obwohl die Pipeline „Nord Stream 1“ nicht ausgelastet war und der Verbrauch an fossiler Energie langfristig stark zurückgeht. Aber Russland hatte sowieso andere Pläne.

Mecklenburg-Vorpommern setzte lange Zeit auf die „billige Energie“ aus Russland. Das schien erstmal logisch: Die „Große Koalition“ in Berlin hatte sich darauf geeinigt, aus Atomkraft und Kohle auszusteigen - wegen des nicht ausreichenden Ausbaus der erneuerbaren Energien sollte Erdgas als „Brücken-Technologie“ genutzt werden. Das sahen nicht nur die Regierungen in Berlin und Schwerin so, auch in Kiel oder Flensburg wurden Gaskraftwerke gebaut, um Strom und Wärme zu erzeugen.

Doch auch da war der Ausstieg beschlossen. Erdgas verbrennt zwar sauberer als Kohle, aber bei der Förderung entstehen klimaschädliche Gase, insbesondere wenn es wie in Russland üblich durch Fracking gefördert wird. Ebenso entweicht beim Transport Methan, wenn die Pipelines nicht ganz dicht sind - und das ist oft der Fall, besonders wenn auch Korruption im Spiel ist. In Russland werden Reparaturen oft nur vorgetäuscht, um Geld auf private Konten zu transferieren. Das spielt für einige Verantwortliche in Deutschland keine Rolle, weil ja die CO2-Belastung international Russland und nicht Deutschland angelastet wird, auch wenn das Erdgas in Deutschland verbraucht wird.

Plan der EU-Kommission

Die EU-Kommission hat schon lange den Plan vorgelegt, die Treibhausgase zu reduzieren. Bis 2030 müssen alle Mitgliedsstaaten die Emissionen gegenüber 1990 um 50 Prozent senken, bis 2050 soll die gesamte Europäische Union klimaneutral wirtschaften. Das heißt nicht, dass man kein CO2 mehr emittiert, sondern man will nicht mehr emittieren, als auch von Pflanzen und Meeren aufgenommen wird.

Eine Stütze dieses Systems soll dann Wasserstoff bilden. Zwar wird es nicht möglich sein, Autos mit Wasserstoff zu betreiben, auch wenn einige davon träumen. Das ist auf Dauer zu teuer. Allerdings wäre Wasserstoff oder parallel produzierte E-Fuels ein möglicher Treibstoff für Flugzeuge oder Schiffe, für die wiederum Elektroantrieb zu unwirtschaftlich wäre.

Russland ist Rohstoff-Produzent. Der Staat erzielt 70 Prozent seiner Einnahmen durch Rohstoff-Exporte, das betrifft vor allem Erdöl. Aber auch Kohle und Erdgas spielen eine Rolle. Da Europa höhere Preise zahlen kann als andere Regionen der Welt, bedeutet die Klimaneutralität der Europäischen Union für das Land einen großen Verlust.

Übergang zur Wasserstoff-Wirtschaft

Die Lösung sah und sieht auch die russische Führung darin, Wasserstoff zu exportieren. Noch kann Russland das nicht: Wasserstoff wird weder hergestellt noch exportiert. Aber es ist möglich, und dazu wollte Russland eben diese Pipelines nutzen, in denen bis 2030 Erdgas transportiert werden sollte. Das ist möglich, man muss allerdings oft die Pipelines überarbeiten: Wasserstoff-Pipelines müssen hochwertiger sein als Erdgas-Pipelines. Allerdings verfügt Deutschland schon über Wasserstoff-Netze, zum Beispiel im Ruhrgebiet oder in Sachsen, eine Pipeline führt auch durch Dithmarschen. Um das Erdgas-Netz für den Transport von Wasserstoff zu nutzen, müssen nur wenige Pipelines neu gebaut werden, im Allgemeinen reicht eine Überarbeitung der vorhandenen Stränge.

Wasserstoff ist aber nicht gleich Wasserstoff. Wasserstoff kann durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden. Wird der Strom für diesen Prozess aus Windkraft gewonnen, spricht man von „grünem Wasserstoff“. Der verbrennt wieder zu Wasser, ist also klimaneutral, man muss nur die Windenergie erzeugen.

Wasserstoff kann allerdings auch aus Erdgas gewonnen werden, dann fällt aber viel CO2 an. Das nennt sich „blauer Wasserstoff“. Das anfallende CO2 kann man in die Atmosphäre entlassen oder in den Boden verpressen, beide Methoden sind umstritten. Wird das Kohlendioxid in den Boden verpresst, gilt der Wasserstoff auch als klimaneutral, was je nach Sorgfalt bei der Verpressung allerdings nur mehr oder weniger stimmt. Und was die Verpressung, CCS genannt, später für Folgen hat, ob CO2 wieder freigesetzt wird, ist nicht bekannt bzw. umstritten. Russland hat Mecklenburg-Vorpommern angeboten, das anfallende CO2 über einen der Nord-Stream-Stränge wieder nach Russland zu leiten.

Das ist der Weg, den Russland gehen will. Die Pläne sahen 2020 vor, später Wasserstoff durch die Nord-Stream-Pipelines zu leiten - oder weiterhin Erdgas, aus dem dann in Mecklenburg-Vorpommern Wasserstoff gewonnen wird. Beim „Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum“ im Dezember 2020 in Leipzig kündigte Industrieminister Denis Manturow jedenfalls an, dass Russland „globaler Führer in der Produktion und Export von Wasserstoff werden“ solle, was der Berliner Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit Beifall bedachte.

Doch noch gab es keine Wasserstoff-Wirtschaft, das war 2020 nur ein Plan. Aber darum kümmerten sich einige, erst der SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering, dann ab 2017 seine Nachfolgerin Manuela Schwesing, beide unterstützt von Gerhard Schröder.

Gerhard Schröder war damals Aufsichtsratschef der „Nord Stream AG“ und Präsident des „Nord Stream 2“-Verwaltungsrates, außerdem Aufsichtsrat des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft. Mit Geld von Gazprom gründete man 2020 die Klimastiftung, die auch die Pipeline „Nord Stream 2“ zuende bauen sollte.

Die gemeinsame Tochter-Gesellschaft von Gazprom und der deutschen Wintershall „Gascade“ rüstete schon mal die Erdgas-Pipeline von Rostock nach Leipzig so um, dass sie auch Wasserstoff transportieren konnte. Gazprom bot an, in Lubmin am Ende der Nord-Stream-Pipeline eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff aus Erdgas zu bauen. Der damalige Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, inzwischen Innenminister, hatte schon die Klimastiftung konzipiert. 2021 entwickelte er in seinem Ministerium das Projekt „Wasserstoff-Hanse“ als Klimainitiative der Landesregierung.

Heute untersucht der Untersuchungsausschuss, ob die „Wasserstoff-Hanse“ wirklich von Pegel und nicht doch von Schröder initiiert worden war. Denn die Klimastiftung sollte sich finanziell beteiligen, Wasserstoff oder Erdgas als Rohstoff sollten aus Russland kommen, und das Projekt wurde nicht in der Fachabteilung des Energieministeriums entwickelt, sondern im Ministerbüro. Wichtigstes Unternehmen der „Wasserstoff-Hanse“ sollte die „Euref AG“ aus Berlin sein, der Geschäftsführer Reinhard Müller ist mit Gerhard Schröder gut bekannt. Und in der Tochterfirma „Euref Energy Innovation GmbH“ sitzt Gerhard Schröder im Beirat.

„Weiße Flotte“

In Mecklenburg gibt es die „Weiße Flotte“: Acht Fahrschiffe transportieren Tourist:innen in Stralsund und an der Küste zu den Inseln Rügen oder Hiddensee. Diese sollten, so die Klimastiftung, in Zukunft mit E-Fuels oder Wasserstoff betrieben werden - es ging ausdrücklich immer um „blauen Wasserstoff“, also Wasserstoff aus Erdgas. Ein Konzept dazu ging an Schwesig und Pegel persönlich. Daraufhin traf sich Pegel im März 2021 mit Müller und Schröder in Berlin. Seitdem tauchten auch Fotos von Schiffen der „Weißen Flotte“ auf den Internet-Seiten auf, wo die „Wasserstoff-Hanse“ vorgestellt wurde.

Der ehemalige Ministerpräsident Sellering, jetzt Chef der Klimastiftung, sprach in Interview von „unternehmerischen Planungen großen Stils“ beim Einsatz von Wasserstoff. Im Mai 2021 stellte Sellering das Projekt, eine Fähre nach Hiddensee auf Wasserstoff umzurüsten auch öffentlich vor.

Später gab es einen gemeinsamen Besichtigungstermin von Pegel und „Euref“-Verantwortlichen im Rostocker Hafen und auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Lubmin, um einen Standort für die Wasserstoff-Herstellung zu suchen. Es wurde eine „Rostocker Erklärung“ über eine „deutsch-russische Klima-Partnerschaft“ vorbereitet, daraus wurde im Sommer 2021 die Gründungserklärung der „Wasserstoff-Hanse“. Im August 2021 wurde die Fähre „Breitling“ mit E-Fuels betankt, dem ökologischen Ersatz für Diesel, damals noch pro Liter fünf- bis achtmal so teuer wie Dieseltreibstoff. In der Erklärung dazu wurde allerdings nicht auf Russland, immerhin seit 2014 im Krieg gegen die Ukraine und seit 2015 im Krieg gegen Syrien, eingegangen.

Mit der Landtagswahl 2021 wurde die Regierung neu gebildet, Pegel wurde Innenminister, das Energieministerium wurde aufgelöst, die Zuständigkeit für Wasserstoff liegt im Wirtschaftsministerium von Reinhard Meyer (SPD). Dieser lud zur weiteren Vertiefung der Pläne Gerhard Schröder und Pavel Sorokin, Vize-Energieminister in der Regierung Putin, zu einer Konferenz ein.

Die „Wasserstoff-Hanse“ wurde dann zum 1. Oktober 2021 als Wort- und Bildmarke mit Logo beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen. Die Eintragung nahm das Anwaltsbüro Handtke Svensson & Partner vor - ein Partner ist übrigens Christian Pegel, der vor seiner Karriere in der Landesregierung als Rechtsanwalt arbeitete. Nachdem das bekannt wurde, ist Pegel im April 2023 aus der Firma ausgeschieden.

Nach dem Angriff

Nach dem Angriff der russischen Armee auf Kiew und der Ausweitung des Krieges auf das ganze Land stieg die „Euref AG“ aus der Wasserstoff-Hanse aus. Die Landesregierung beschloss, die Klimastiftung aufzulösen. Gerhard Schröder verzichtete auf einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom und gab seinen Aufsichtsratsposten bei Rosneft auf.

Sanktionen gab es allerdings seit Kriegsbeginn 2014, als Russland die Krim und die Ostukraine angriff. Nur nicht von Mecklenburg-Vorpommern.

Reinhard Pohl

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