(Gegenwind 418, Juli 2023)
Landesweit sinkt die Zahl der Abgeordneten der Partei DIE LINKE von 32 auf 17. In keinem der Kreise oder Kreisfreien Städte kann sie eigenständig Fraktionen bilden. Nach altem Recht wäre dies nur in Kiel, Lübeck, Flensburg und im Kreistag von Pinneberg der Fall mit jeweils 2 Mandaten.
In einer ersten Stellungnahme des Landesvorstandes zum Ergebnis der Kommunalwahl heißt es:Etwas Entscheidendes war kurz vor der Kommunalwahl geschehen. Dazu Folgendes aus der Sicht eines Kreistagsabgeordneten des Kreistages Schleswig-Flensburg.
„Wie bekannt ist, soll laut Gesetzesvorlage der Landesregierung (CDU, Grüne) die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Kommunal- und Kreisparlamente bestimmen sollen, ob eine Fraktion aus 2 oder 3 Abgeordneten bestehen soll. Damit wird entgegen der bisherigen Regelung, nämlich 2 Abgeordnete, den Mehrheitsfraktionen die Möglichkeit geschaffen den Einfluss von kleinen Fraktionen einzuschränken. Sie würden keine Fraktionsgelder erhalten, keine bürgerschaftlichen Mitglieder in die Ausschüsse entsenden können. Die Wähler würden dahin gehend beeinflusst, dass sie nur Parteien wählen, die erwarten lassen, dass sie die Mindestanzahl von Abgeordneten erreichen. Damit wäre die demokratische Willens- und Entscheidungsbildung stark eingeschränkt.“
Während SSW, DIE LINKE und weitere Einzelabgeordnete die Resolution unterstützten, wurde sie nur in Teilen von Grünen und SPD geteilt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD gab aber bekannt, dass die SPD eine Anhebung der Abgeordnetenzahl für eine Fraktion nicht zustimmen werde. Die CDU begründete ihre Ablehnung mit möglichen Weimarer Verhältnissen oder der Situation im dänischen Folketing mit 13 Parteien. (Ich stellte dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Walter Behrens, die Frage: Fungerer den danske demokrati ikke? Funktioniert die dänische Demokratie nicht?)
Der Antrag wurde mit 19 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.
Zu diesem Zeitpunkt konnte man davon ausgehen, dass die Gemeindevertretungen und Kreistage selbst darüber beschließen können, ab wann eine Fraktion gebildet werden kann. Dies wurde aber mit dem Beschluss der Mehrheit des Landtages bestehend aus CDU und Grünen geändert und damit die Anforderungen verschärft. Somit wurde noch kurz vor der Kommunalwahl festgelegt, dass eine Fraktion erst bei mindestens 3 Abgeordnetenmandaten besteht.
Erreicht eine Partei nur 2 Mandate, hat sie keine Möglichkeit bürgerschaftliche Mitglieder in die Ausschüsse zu senden. Es gibt keine Fraktionsaufwandsentschädigung mehr und keine Wahl für Kontrollorgane der Kommunalunternehmen. Die mögliche Anmietung eines Büros für die Fraktionsarbeit ist ebenfalls ausgeschlossen.
Ich habe versucht, das Auf und Ab bei den verschiedenen Wahlen zu dokumentieren. Die Zahlen selbst haben nur begrenzte Aussagekraft über das Wirken der Partei in Schleswig-Holstein.
Als wir mit 6,9% in 2008 in die Kreis- und Kommunalparlamente einzogen, traf dieses auf eine Partei ohne parlamentarische Erfahrung. Und - es entwickelten sich schnell Begehrlichkeiten für Posten, die mit Geldtransfers verbunden waren. Es kam zu Streitigkeiten und schnell kam es zu Abspaltungen bis hin zu Auflösungen von Fraktionen.
Dies hat sich bis in jüngster Zeit ständig wiederholt.
Mit der Landtagswahl 2009 wurden 5,4% erreicht und es zogen 5 Abgeordnete in den Landtag. Bei der Kandidatenaufstellung für die Liste kam es nicht dazu, die qualifiziertesten Genossinnen und Genossen zu nominieren. Auf Grund von Positionierung und Absprachen mehrerer Kreisverbände konnte der damalige Landesvorsitzende keinen vorderen Listenplatz erreichen, obwohl er von allen Kandidatinnen und Kandidaten der geeignetste war.
Es zogen 5 Individualisten in den Landtag. Eine wirkliche kollektive Zusammenarbeit entwickelte sich nicht. Themen, die auch für die Kreis- und Kommunalpolitik von Relevanz sind, wurden nicht angepackt. Versuche für einen Arbeitskreis Kommunalpolitik verliefen im Sande.
Im gleichen Jahr dann die Bundestagswahl. In Schleswig-Holstein erreichten die Kandidaten Cornelia Möhring und Raju Sharma immerhin 7,1%.
Wer jetzt geglaubt hatte, dass die Landespartei in einem solidarischen demokratischen Prozess übergeht und die Einrichtung von Wahlkreisbüros den Erfordernissen der Parteientwicklung in der Fläche einordnet, der wurde eines "Besseren" belehrt. Denn - es gab Versorgungsansprüche zu befriedigen. So wurden dort Büros eingerichtet wo es den Abgeordneten "passte". Kein Parteitag und kein Landesrat haben zur Parteientwicklung jemals einen Beschluss gefasst.
Das Personal, dass in den Büros angestellt wurde, war so gut wie nicht ausgebildet für diese Art der Tätigkeit. Die Versorgung von Genossinnen und Genossen aus Transferleistungen des Staates für parlamentarische Tätigkeit war vorrangig. Abhängigkeiten wurden geschaffen und Parlamentarier machten Parteistrukturen zu ihrem privaten Einflussbereich.
Alle zwei Jahre wurden auf den Landesparteitagen neue Leitanträge geschrieben, die nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Es wurde appelliert, es wurde geschrieben, was wir machen sollten. Aber kein einziger Leitantrag beinhaltete Handlungszeiträume, Termine, Verantwortlichkeiten und Ziele. Man klopfte sich selbst auf die Schulter und vernachlässigte die Niederungen der Mitgliedschaft.
Nachdem der Landesverband nicht mehr im Landtag vertreten war, wurde ein bezahlter Parteientwickler ohne Konzept und ohne Diskussion vom Parteivorstand installiert.
Es gab und gibt kein Parteientwicklungskonzept. Es gibt keine innerparteiliche Bildung. Es gibt keine Informationserfassung über die inhaltliche Tätigkeit in den Kommunalparlamenten.
Sowohl in Flensburg als auch in Schleswig sind die Parteibüros nicht mehr finanzierbar.
Der Niedergang der Landespartei ist zum größten Teil selbstverschuldet. Die Plakat-Kampagne zur Kommunalwahl mit den Plakatentwürfen des verlorenen Landtagswahlkampfes war kontraproduktiv.
Allein die Stellungnahme der Landessprecher zum Ausgang der Kommunalwahl ist ein Armutszeugnis. Die Bundesebene ist das Problem. Wer sind die Spalter? Wer sind die Erpresser? Wer stellt welche unhaltbaren Forderungen? Der Landesverband ist sauber und rein wie ein Neugeborenes?
Natürlich gibt es auch einen bundesweiten Aspekt, der die Aufweichung unseres Parteiprogrammes in Bezug auf Frieden, Antimilitarismus und Antiimperialismus beinhaltet. Der Bundesvorstand ist mit der Vorbereitung der Europawahl beschäftigt, siehe dazu die Einladung zu Regionalkonferenzen für die Erarbeitung des Europawahlprogramms.
Was interessiert schon die Niederung von Kommunalpolitik im Landesverband Schleswig-Holstein?
Glaubwürdige und verlässliche Politik sieht anders aus.
Wie man gewinnen kann, haben uns die Genossinnen und Genossen in Bremen gezeigt (gegen den "Trend"), oder man lernt ein wenig vom SSW, der Partei der dänischen Minderheit, die in der Stadt Flensburg mit 24,8% der Stimmen und elf Mandaten zur stärksten Partei geworden ist.
Meenhard Smit
Mitglied im Kreisvorstand Schleswig-Flensburg
Kreistagsabgeordneter Kreis Schleswig-Flensburg (bis Mai 2023)