(Gegenwind 416, Mai 2023)

Öffentliche Ladesäule der Stadtwerke Kiel (Ahlmannstraße)
öffentliche Ladensäule der Stadtwerk Kiel (Ahlmannstraße)

Wohin wollen wir?

Der lange Weg zur Elektromobilität

Sind E-Autos Teil der Lösung?

Seit langem ist klar, dass die Atmosphäre nicht weiter aufgeheizt werden darf, das Klima nicht weiter verändert werden darf. Seit den 1960er Jahren ist das Problem bekannt, seit 1990 kann man es beziffern und kennt die Lösung. Seit 2005 gibt es konkrete Pläne. In Deutschland wurden aber im Verkehrssektor keine Verbesserungen erreicht, obwohl die Informationen bekannt sind, die Ziele in internationalen Abkommen zugesagt und in verschiedenen Koalitionsverträgen verankert sind. Verkehrsmittel mit Verbrennungsmotoren (das sind Motorräder, Autos, Schiffe, Lokomotiven und Flugzeuge) müssen abgeschafft werden.

Diese „Verkehrswende“ ist umstritten, weil vor allem umstritten ist, wie man die Verbrennung von fossilen Rohstoffen und damit die Freisetzung von Kohlendioxid ersetzen soll. Ein Vorschlag ist, die Autos mit Verbrennungsmotor durch Autos mit Elektromotor zu ersetzen. Dann sind die Autos beim Fahren emissionsfrei, die Stadtluft wird sauber. Die Stromerzeugung kann an zentraler Stelle von Kohlekraftwerken oder Gasturbinen auf Wind und Sonne umgestellt werden.

Einzelne wollen kleinere Änderungen: Sie wollen fossile Brennstoffe ersetzen, also statt Erdgas nur noch Biogas oder Wasserstoff verbrennen, statt Benzin wollen sie E-Fuels tanken, also künstliche, mit Strom erzeugte Kohlenwasserstoffe. Das erfordert teils sehr viel mehr (klimaneutralen) Strom, bei E-Fuels achtmal mehr als E-Autos brauchen. Aber man kann bisherige Autos, vorhandene Gaskraftwerke und Pipeline-Netze weiter benutzen.

Sinnvoll ist dabei, nicht eine Lösung für alle Probleme zu suchen. So ist es möglich, E-Fuels für Autos abzulehnen, weil E-Autos viel effizienter sind - E-Fuels aber für große Verkehrsflugzeuge zu befürworten, weil dort Batterien für einen elektrischen Betrieb wenig sinnvoll sind. Sinnvoll ist es aber auch, übergreifend zu denken: Autos müssen nicht durch Autos ersetzt werden, sie können auch durch Online-Konferenzen und den Ausbau der Schiene überflüssig werden. Die persönliche Bewegungsfreiheit kann auch durch Car-Sharing sichergestellt werden.

Schnelle Entwicklung

In Schleswig-Holstein hat sich die Zahl der Elektroautos innerhalb eines Jahres von 12.011 (1.1.2021) auf 24.452 (1.1.2022) verdoppelt. Gleichzeitig stieg die Zahl der Lademöglichkeiten aber nur um 20 Prozent auf 3.250 öffentliche Ladepunkte. Damit steht das Land an dritter Stelle in Deutschland, aber die Zahl der Elektroautos ist 2023 nochmal auf über 40.000 gestiegen. Das sind zwölf Auto pro Ladesäule, gewünscht werden von ADAC zehn (also 4.000 Ladestellen in Schleswig-Holstein). Bis 2030 sollen nach den Plänen der EU ein Drittel aller Autos mit Strom laufen, das wären in Schleswig-Holstein 576.000 Autos.

Allerdings gibt es in Schleswig-Holstein auch 60.000 private Ladestationen, die die E-Auto-Besitzer:innen entweder zu Hause oder auf der Arbeit haben, oft auch beides. Moderne Autos brauchen auch nur noch 30 Minuten zum Volltanken.

Auch in Hamburg hat sich die Zahl von Elektroautos vom 1. Januar 2021 auf 2022 fast verdoppelt: Von 7.035 auf 13.078. Zur Zeit sind es schon 38.000. Die Zahl der öffentlichen Ladepunkte ist mit 1.800 relativ hoch, von denen sind 1.500 städtisch und 300 gewerblich (Tankstellen). Hamburg will bis 2025 2.000 Ladestellen haben, also 20 Fahrzeuge pro Ladestation.

Für die Besitzer:innen von E-Autos ist die Situation nach Ansicht des ADAC gespalten: In der Innenstadt gibt es ausreichend Lademöglichkeiten, außerhalb vom Ring 2 zu wenige.

2030 soll es 300.000 E-Autos in Hamburg geben, also 44 Prozent aller Autos sollen dann elektrisch laufen.

Wie viele Lademöglichkeiten es an Privathäusern und auf Firmenparkplätzen gibt, ist nicht wirklich bekannt. Geschätzt wird, dass es Anfang 2023 bundesweit rund eine Million waren - für rund 850.000 Elektroautos. Die EU schreibt jetzt vor, dass an Autobahnen und Bundesstraßen mindestens alle 60 Kilometer eine öffentliche Lademöglichkeit vorhanden sein muss.

Kritik an E-Autos

Bei der Kritik an E-Autos sollte man immer darauf achten, wer sie äußert, welche Motive dahinter stehen. Das kann man teils auch erkennen, wenn man sich die Grundlage der Kritik ansieht.

So wurde vor drei Jahren noch behauptet (heute eher nicht mehr), ein E-Auto würde mehr CO2 freisetzen als ein neues Diesel-Modell. Zugrunde gelegt wurde dabei, dass ein Großteil des Stroms mit Kohlekraftwerken erzeugt wird. Das spricht aber nicht gegen E-Autos, sondern war die Bilanz von 16 Jahren CDU-Bundesregierung, die unter tätiger Mithilfe der SPD den Ausbau der erneuerbaren Energie lange vernachlässigte und auf Gaskraftwerke setzte. Bei der heutigen Stromproduktion setzen E-Autos (die Herstellung des Autos mit gerechnet) rund ein Drittel des CO2 frei, verglichen mit Autos mit Verbrennungsmotor.

Das hängt auch damit zusammen, dass Batterien mit einer anderen Technik gebaut werden als noch vor fünf Jahren. Die neuen Batterien halten voraussichtlich 500.000 Kilometer, und auch der Rohstoffverbrauch ist viel geringer als noch vor Jahren. Die EU wird auch Vorschriften erlassen, Batterien in Zukunft so zu konstruieren, dass sie am Ende ihrer Lebenszeit auseinander genommen und die verwendeten Rohstoffe neu verwendet werden können.

Eine Zeitlang geisterte auch die Warnung vor Autobränden durch die Medien. Batterien sind generell schwerer zu löschen, aber Brände von E-Autos sind extrem selten. Außerdem: Bei Bränden von Autos mit Verbrennermotor, die viel öfter auftreten, liegt der Tank oft unter dem Rücksitz. Wer sich Sorgen machen möchte, sollte den Umstand nicht vergessen.

Ähnlich verhält es sich bei der Diskussion um Kobalt und Kinderarbeit. Seit mehr als hundert Jahren werden Autos mit Verbrennungsmotor gebaut. Das Erdöl kommt unter anderem aus Nigeria oder Venezuela, wo riesige Landstriche verseucht sind. Alle Autos enthalten Batterien, die Rohstoffe kommen aus Bergwerken, in denen teils Kinder arbeiten. Die Autos werden nach der Verschrottung teils exportiert, Altbatterien in Ghana oder Nigeria von Kindern auseinandergebaut. Darüber haben sich bestimmte Leute nie erregt, auch nicht über die Produktion von Akkus für Laptops oder Mobiltelefone. Erst als die gleichen Rohstoffe zu einem sehr kleinen Anteil für einige E-Autos genutzt wurden, kam es zur Empörung in bestimmten Medien. Kobalt wird im Kongo gefördert, teils von Kindern, und weltweit werden 5 Prozent davon für E-Autos gebraucht. 95 Prozent für etwas anderes. Die Proteste gegen Kinderarbeit sind berechtigt, die gegen E-Autos nicht.

Und auch im Kongo sind vor allem chinesische und schweizerische Konzerne im Abbau aktiv, die grundsätzlich keine Kinder in die Minen lassen. Sie fördern rund 80 Prozent des Kobalts in der Demokratischen Republik Kongo. Die Kinderarbeit ist ein Problem der „privaten“ Bergleute und ihrer Familien.

Man sollte dazu auch immer sagen, dass Elektromotoren viel weniger Teile brauchen als Verbrennermotoren und damit auch viel weniger Wartung oder Reparatur fällig wird.

Grundsätzlich: Klimaschutz!

Deutschland ist historisch einer der Staaten, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben. Deutschland hat als einer der ersten Staaten der Welt die Industrie eingeführt. Die heutige Rangfolge, bei der China, Südafrika, Russland oder Brasilien vorne dabei sind, täuscht ein wenig: Russland hat erst seit den 1940er Jahren nennenswerte Mengen an CO2 produziert, die übrigen Ländern erst seit den 1980er oder 1990er Jahren.

Insofern muss Deutschland bis 2035 klimaneutral zu werden. Es geht eben nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Klimagerechtigkeit. Hier kann das E-Auto allenfalls ein Baustein sein. Es ist möglich, E-Autos klimaneutral zu produzieren und zu betreiben, dazu müssen allerdings erneuerbare Energien nahezu 100 Prozent der Energie ausmachen, inklusive möglicher Importe (zur Zeit ist Deutschland natürlich Exporteur von Strom).

Der manchmal angeführte Wasserverbrauch bei der Produktion von E-Autos ist überschaubar: In einer TeslaBatterie werden 10 Kilogramm Lithium verbaut, bei kleinen Autos entsprechend weniger. Dafür braucht man 4.000 bis 20.000 Liter Wasser (nicht: Trinkwasser). Das lässt sich durch intelligentere Produktion auf 400 bis 2.000 Liter reduzieren. Ein Auto braucht dann in der Produktion so viel Wasser wie ein Kilo Rindfleisch. Und man spart den extremen Wasserverbrauch, der bei der Ölförderung und der Produktion von Benzin und Diesel nötig ist - auch hier haben wir das Problem, dass Gegner:innen von E-Autos gerne auf die Betrachtung von Autos mit Verbrennermotoren verzichten.

Die Idee, Autos mit Wasserstoff oder E-Fuels zu betreiben, ist verrückt: Das würde fünf- bis achtmal so viel Strom brauchen, weil Wasserstoff oder künstliche Kohlenwasserstoffe ja erstmal hergestellt werden müssen. Die „Rettung“ des Verbrennungsmotors durch den Einsatz von E-Fuels ist nicht möglich, weil wir dazu seit zwanzig Jahren mit Hochdruck Windräder und Solaranlagen hätten bauen müssen.

Wasserstoff ist für LKW und Busse geeignet, E-Fuels für Flugzeuge - Autos lassen sich am sparsamsten mit Strom betreiben.

Es geht um die Organisation des Verkehrs

Autos haben generell einen hohen Verbrauch bei der Produktion und dem Betrieb. Denn zum Auto kommt noch der Flächenverbraucht dazu - Straßen, Brücken, Parkplätze.

Insofern ist es falsch, einseitig darauf zu setzen, den Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen, aber sonst alles so zu lassen. 49 Millionen PKW (Anfang 2023) für 83 Millionen Menschen in Deutschland sind zu viele. Der Verkehr muss besser organisiert werden.

  1. Vermeidung
    Wenn es in den Städten mehr erschwingliche Wohnungen und mehr Grünanlagen gibt, ziehen auch mehr Arbeitnehmer:innen in die Städte und verringern das Pendeln.
  2. Bessere öffentliche Angebote
    Stadtbahnen, Regionalbahnen und preiswerte Netzkarten können viel vom verbleibenden Verkehr vom Auto in Bus und Bahn verlagern.
  3. Attraktive Angebote für Fahrräder
    Es muss mehr und bessere Radwege und Radstationen (Wartung und Reparatur) geben.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden die Städte gezielt für Autos umgebaut. Oft wurden auch die Straßenbahnen aus den Städten verbannt, die Schienen rausgerissen. Heute bewegen sich viele Städte auf eine Sackgasse zu: Viele kleinere Straßen dienen nur noch dazu, Autos abzustellen. Die Hälfte des Autoverkehrs in der Innenstadt besteht aus Parksuchverkehr. Und die Staus im Berufsverkehr werden länger und normaler, ein Ausweichen ist nicht mehr möglich.

Alle Städte und Kommunen planen solche Veränderungen, die oft Jahre oder Jahrzehnte dauern. Fast alle planen sie auch zu spät, die nötige Klimaneutralität 2035 wird durch die jetzt ein Angriff genommenen Veränderungen nicht erreicht.

Deutschland hat sich verpflichtet, die Klimaziele von Paris einzuhalten. Sorgenkinder sind dabei das Beheizen der Wohnungen und der Verkehr, wo im Gegensatz zu anderen Bereichen (Energieerzeugung, Industrie) in den letzten 20 Jahren keine Einsparungen an klimaschädlichen Abgasen erreicht wurden. Deshalb sind die jetzt nötigen Veränderungen drastischer als in anderen Bereich und auch umstrittener. Aber sie sind nötig.

Reinhard Pohl

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