(Gegenwind 414, März 2023)

Graureiher
Die Graureiherpopulationen sind prinzipiell nicht gefährdet, wenn ausreichend Gewässer und Nahrung vorhanden sind. Wenn es in Ortschaften noch offene Gewässer gibt, ssind sie auch dort zu finden. Graureiher gehen einzeln auf Nahrungssuche, brüten aber in Kolonien.

Biotop- und Artenschwund ohne Ende?

Der im Februar erschienene Jahresbericht zum Artenschutz 2022 für Schleswig-Holstein hat den Titel „Zur biologischen Vielfalt“. Jahresberichte zum Artenschutz erscheinen seit Mitte der 1990er Jahre mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Titeln. Der aktuelle Jahresbericht enthält wieder eine traurige Bilanz. Biotop- und Artenverluste gehen weiter. Dieser verhängnisvolle Trend konnte nicht aufgehalten werden, obgleich 2021 sogar eine Biodiversitätsstrategie für das Land Schleswig-Holstein ausgearbeitet worden ist.

Es gibt einige Bemühungen und auch immer mal wieder neue Ansätze, um den negativen Trend aufzuhalten, doch die sind zu wenig wirkungsvoll. Es fehlt nicht nur am Geld, es fehlt am politischen Willen. Im neuen Bericht werden einige Ansätze beschrieben. Fatal, wenn Klimaschwankungen als eine der wesentlichen Ursachen benannt wird. Diese Aussage wirkt vor allem als Wasser auf die (Windkraft)-Mühlen, die auch zum Artenschwund beitragen (Fledermaus-, Insekten- und Vogelopfer). Einen großen Teil des Berichtes, ca. 40 von 154 Seiten, wird allein dem Jagdwesen gewidmet.

Der Hauptverursacher für den Biotop- und Artenschwund ist die konventionelle bzw. industrielle Landwirtschaft mit großflächigen Monokulturen, hohem Dünger- und Pestizideinsatz sein. Der zweite große Verursacher ist der Landschaftsverbrauch und die Landschaftszerschneidung durch Straßen-, Wege- und Siedlungsbau.

Aber selbst in den Schutzgebieten, die zu einem erheblichen Teil erst durch Vorgaben der Europäischen Kommission gemäß Vogelschutzrichtlinie (VSRL) und Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-RL) ausgewiesen worden sind, gibt es erhebliche Defizite. Die EU musste sogar zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen mehrerer Verstöße gegen die FFH-RL einleiten (verspätete, unzureichende Erstellung und fehlende Verbindlichkeit von Managementplänen sowie nicht ausgeglichene Flächenverluste). Inwieweit Schleswig-Holstein konkret betroffen ist, geht aus dem Bericht nicht klar hervor.

Besonders anschaulich und gleichzeitig alarmierend ist die Gegenüberstellung der Ergebnisse der Biotopkartierungen 1978 bis 1993 und 2014 bis 2020 (Angaben jeweils in Hektar). Zwar gab es sogar punktuelle Verbesserungen bei den Biotoptypen sonstige Wälder (3.354), Auwald (1.111), Strandseen (836), Strände (1.216), doch die Gesamtbilanz ist negativ. Zu beachten ist, dass in der Bilanz Intensivgrünland und Ackerflächen auf der Seite Zuwachs eingeordnet werden. Besonders große Verluste gibt es im Bereich der Sandbänke (3.244), des Sumpfwaldes (2.415), der Nieder- und Hochmoore (1.359 bzw. 2.546), der Stillgewässer (3.504) sowie der Flüsse, Bäche und Gräben (3.024). Auch beim Biotoptyp für bestimmte Regionen relevanten Biotoptyp Binnendünen gibt es über 500 Hektar an Verlusten. Insgesamt liegen die Verluste über 20.000 Hektar. Neu hinzugekommen sind ca. 17.000 Hektar. Besonders wertvolle Biotope, wie Hochmoore oder feuchte Dünentäler, sind darunter aber nur mit 388 bzw. 170 Hektar vertreten. Die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche lag demnach bei „nur“ 1.540 Hektar, die wie Intensivgrünland und Ackerflächen (ca. 5.000 Hektar), prinzipiell dem Negativkonto zuzurechnen wären, obgleich die Flächen prinzipiell nicht als ehemals besonders geschützte Biotopflächen bewertet werden können.

Die größte Biotopfläche bilden in Schleswig-Holstein die naturnahen Stillgewässer (ca. 30.000 Hektar), gefolgt von naturnahen Fließgewässern, den Salzwiesen und dem arten- und strukturreichen Dauergrünland. Moore umfassen noch ca. 15.000 Hektar, Röhrichte und Küstendünen jeweils ca. 10 000 Hektar.

Die Vorstellung verschiedener „Hotspots“ durch kompetente Autoren nimmt einen größeren Teil des Berichts ein. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Informationen über Bildungsinitiativen.

Zur Bestandsentwicklung der Tierarten gibt es Beiträge zu den Kormoranen, Graureihern, Seeadlern, Schwarzstörchen, Weißstörchen, zu den Lachseeschwalben, den Trauerseeschwalben, zu den Sumpfohreulen, den Weißwangen- und Graugänsen, zu den Rotmilanen, den Dachsen, den Rotfüchsen und den Fischottern. Lediglich bei Graureihern und Weißstörchen werden positive Entwicklungen registriert. Die Zunahme von Weißwangen- und Graugänsen ist eher nachteilig zu bewerten. Die großen Gänsepopulationen treten auch in Konkurrenz zu Wiesenvögeln auf.

Im Bericht wird die Rote Liste der Brutvögel ausführlicher behandelt. Einleitend zu diesem Kapitel wird festgestellt, dass die Vögel von vielen Menschen als prägendes Element in der Landschaft wahrgenommen werden: das Vogelkonzert, die singende Feldlerche oder die Möwen an der Küste. Besonders auffällig geworden sind demnach der Rückgang von Kiebitz und Feldlerchen. Eine positive Entwicklung gab es bei den Seeadlern und den Kranichen.

Aus der Roten Liste geht hervor, dass von 216 regelmäßig in Schleswig-Holstein vorkommenden Brutvogelarten 83 Arten (38 Prozent) in eine der Gefährdungskategorien 0 bis 3 und R eingestuft werden müssen, 14 stehen in der Vorwarnliste, 119 gelten als ungefährdet. Als Brutvögel dauerhaft verschwunden sind 22 Arten (10 Prozent), diese Arten werden der Gefährdungsklasse 0 zugeordnet. 23 Arten (11 Prozent) gelten als „vom Aussterben bedroht“ (u.a. 4 Seeschwalbenarten und die Bekassine), sie werden in Gefährdungskategorie 1 eingestuft, als „starkgefährdet“ gelten 18 Arten (8 Prozent), sie werden der Gefährdungskategorie 2 zugeordnet (beispielsweise Sand- und Seeregenpfeifer, Küstenseeschwalbe und Rebhuhn), zu den „gefährdeten“ Arten, Gefährdungskategorie 3 gehören 13 Vogelarten (6 Prozent), darunter Kiebitz, Rotschenkel und Feldlerche. Zu den 7 gefährdeten Arten, die nur in lokal als Brutvögel vorkommen, z.B. auf Helgoland, zählen die Basstölpel, Trottellummen und Tordalke. Als nicht zu den Gefährdungskategorien der Roten Liste gehörend wird die Vorwarnliste genannt, in der 14 Arten (7 Prozent) aufgeführt werden, darunter die Austernfischer, Säbelschnäbler, Stare und Wiesenpieper. Vergleichszahlen enthält die Bilanz nicht, diese müssen offensichtlich der offiziellen Roten Liste entnommen werden, die angefordert werden kann.

Eine Schlüsselrolle hat wie die Biodiversitätsstrategie ausweist, nach wie vor die Landwirtschaft, auch wenn das im Jahresbericht nicht so klar wie in der Biodiversitätsstrategie zum Ausdruck kommt. Die Bereitschaft, ökologischer zu wirtschaften, ist massiv bewerben und zu fördern. Gleichzeitig müssen aber auch die Kommunen in die Pflicht genommen werden. Der Flächenverbrauch ist drastisch zu verringern und schließlich in absehbarer Zeit zu stoppen. Öffentliches Problembewusstsein kann und muss begleitend mit Kampagnen wie beispielsweise einer Kampagne „Mehr Natur in Dorf und Stadt“, mit der vor ca. 40 Jahren schon einmal beachtliche Erfolge erzielt worden sind, gestärkt werden. Ein weiteres Instrument wäre die Stärkung der Position des Landesnaturschutzbeauftragten, doch dies wird wohl ebenfalls so schnell nicht passieren. Die Umsetzung der Gesetzesinitiative der Landesregierung zur Einschränkung der Bürgerbeteiligung würde sich wiederum auch negativ auf den Natur- und Umweltschutz auswirken.

Klaus Peters

Anmerkungen:

1. Diese Flächenangabe ergibt sich vermutlich ohne die Versiegelung von Flächen für nicht genehmigungsbedürftige Gartenhäuser und -wege sowie ohne Flächenbeeinträchtigungen durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie den entsprechenden Zuwegungen.

2. In der Landtagsdrucksache 16/2272, 2011-05-12, werden 17.500 Hektar als naturnah benannt. Die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V., die Succow-Stiftung und Partner im Greifswald Moor Centrum haben 2023 einen Mooratlas herausgegeben, der auf 50 Seiten Daten und Fakten über Moore in Deutschland, Europa und weltweit enthält.

3. Hierzu verweist der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) auf die Vorgaben der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und hält Maßnahmenvorschläge bereit.

4. Siehe hierzu auch Gegenwind Nr. 412 vom Januar 2023: „Offener Brief an die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein“ vom 6. Dezember 2022, der von über 20 Organisationen, Vereinen, Bürgerinitiativen und Parteien, unterzeichnet worden ist.

Zur Biodiversitätsstrategie „Kurs Natur 2030, Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein“

Die Biodiversitätsstrategie für Schleswig-Holstein ist 2021 vom Ministerium für Energiewende, Landwirtshaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung vorgelegt worden. Offensichtlich war dies eine Folge der 2020 von der EU-Kommission veröffentlichten Biodiversitätsstrategie für die Mitgliedstaaten. Vorab waren durch wissenschaftliche Studien fortlaufende Negativtrends festgestellt worden. Wesentliche Ziele und Inhalte der Biodiversitätsstrategie der EU bis 2030, die teilweise übernommen wurden, sind u.a.:

Als Treiber der Gefährdung der Biodiversität werden in der Strategie des Landes genannt (hier nur Landflächen):

Für Schleswig-Holstein stellt sich die Frage, ob alle Ministerien und Landesbehörden bei der Umsetzung mitziehen. Inzwischen ist die Landwirtschaft wieder in ein eigenes Ressort übergeführt worden. Im dritten Teil der dreiteiligen Strategie, die in den ersten beiden Teilen ein Netzwerk Natur und ein Netzwerk Bildung enthält, wird zwar ein Netzwerk der Akteure Biodiversität vorgestellt, doch wer dabei ist und welche Aufgabenverteilung erfolgen soll, bleibt vorerst relativ unklar. Im Ehrenamt Tätige, also Vertreter von Umweltorganisationen, sollen wohl dabei sein, aber auch die Teilnahme von Städten und Gemeinden wäre sinnvoll.

Generell müsste vielmehr bei den Eingriffen in Natur und Landschaft angesetzt werden. Sich nur auf Reparaturmaßnahmen zu beschränken, reicht nicht. Bei den Maßnahmen sollen sich die Akteure, und hier doch wieder in erster Linie das Ministerium mit den angeschlossenen Behörden und der Stiftung Naturschutz, vor allem auf sogenannte Kernaktionsräume (KAR) konzentrieren. 20 terrestrische und 5 marine KAR sind vorgesehen. Maßnahmen in weiteren 27 KAR sollen folgen. Es wird allerdings vorsichtig nur eine Umsetzung bzw. „Einleitung“ der Maßnahmen bis 2030 angekündigt. Es sind im Wesentlichen Maßnahmen, die auch bei der Ausweisung von Schutzgebieten erfolgen. Neue Ausweisungen von Schutzgebieten sind allerdings gar nicht vorgesehen.

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