(Gegenwind 412, Januar 2023)
Die Fußball-Weltmeisterschaft hat ein Land in den Mittelpunkt gerückt, dass die meisten vorher nicht kannten: Katar. Das Emirat am Golf ist klein und reich, wurde aber von vielen mit Kuwait, Bahrein oder anderen Emiraten verwechselt. Die Kritik, die im rahmen der WM aufkam, ist häufig auch pauschal und verwechselbar geblieben.
Zwischen Oman und Kuwait liegen neun Emirate. Sieben haben sich am Ende der Kolonialzeit zu den "Vereinigten Arabischen Emiraten" zusammengeschlossen, Abo Dhabi und Dubai sind die beiden größten. Und zwei wollten lieber alleine selbständig werden, das sind Bahrein und Katar - das als neuntes Emirat eine Fahne mit neun Zacken hat.
Es handelt sich um eine Diktatur. Das Parlament mit teils gewählten, teils ernannten Abgeordneten fungiert faktisch als Beratungsgremium für dem Emir. Und es ist eine krasse Zwei-Klassen-Gesellschaft. Rund 300.000 Einheimischen stehen rund 2,7 Millionen Gastarbeiter:innen gegenüber. Und diese 90 Prozent der Bevölkerung sind weitgehend rechtlos.
Der Autor möchte allerdings, dass Katar differenziert zur Kenntnis genommen wird. Der Status der Gastarbeiter:innen wurde in den letzten Jahren verbessert, zumindest auf dem Papier bekamen sie mehr Rechte, und teils wird das auch erfolgreich eingeklagt oder von den Arbeitgeber:innen umgesetzt. Katar hat (im Gegensatz zu den anderen Emiraten) einen Mindestlohn eingeführt. Der ist zwar im Vergleich mit dem Reichtum des Landes und der Herrscherfamilie relativ niedrig, aber es gibt ihn wenigstens
Umfangreich wird der Reichtum des Landes dargestellt. Das kleine Land verfügt über einen Teil eines Ölvorkommens, allerdings unter der Grenze zu Saudi-Arabien. Und es verfügt über einen Teil eines Gasvorkommens, allerdings unter der Grenze zum Iran. Insofern müssen die Beziehungen zum Iran und zu Saudi-Arabien stets gut sein, um beides gemeinsam ausbeuten zu können. Katar nutzt den Reichtum aber nicht nur dazu, alle Staatsbürger:innen im Wohlstand leben zu lassen. Das Geld wird auch investiert - in Firmenbeteiligungen weltweit, aber auch in die Umstellung des Landes auf die Zeit nach der fossilen Energie. So soll die Gasverflüssigung demnächst mit Hilfe des größten Solarparks der Welt geschehen, bisher erzeugen Gaskraftwerke den nötigen Strom.
Ansonsten wird viel Geld in die Diplomatie gesteckt. Katar ist einerseits an vielen internationalen Konflikt-Vermittlungen beteiligt, andererseits finanziert es Sportvereine und eben die eigene Fußball-WM. Und das Land kauft Trainer und Politiker ein, so steht Sigmar Gabriel auf der Lohnliste des Emirs, um sich für Katars Ruf einzusetzen.
Der Autor übt natürlich harte Kritik an der diktatorischen Politik, der teils unmenschlichen Behandlung der Gastarbeiter und vor allem der Gastarbeiterinnen, die als Hausangestellte oft alleine sind und sich schon deshalb schwerer wehren können als Bauarbeiter. Aber er plädiert auch dafür, die Veränderungen der letzten Jahre zur Kenntnis zu nehmen und mit den Nachbarstaaten zu vergleichen, die teilweise Katar jahrelang mit Sanktionen und Grenzschließungen bestraft haben, als Katar aus dem Jemen-Krieg ausgestiegen ist. Nicht alles ist nur schwarz oder nur weiß, und nicht jede Kritik prallt am Emir von Katar ab.
Reinhard Pohl