(Gegenwind 409, Oktober 2022)


Premiere in Rendsburg:

Beeindruckender Streit

„Wüstenblumen“ zur Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern

Es war voll. Das ist heute, unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, nicht selbstverständlich. Aber mehr als 100 Menschen, vermutlich ungefähr 140, waren ins Hohe Arsenal gekommen, um die Premiere des neuen Films der Wüstenblumen mit zu erleben.

Was nicht zu vermeiden ist: Die meisten der Besucherinnen und Besucher kannten sich. Das liegt daran, dass die „Wüstenblumen“ und die Rendsburger Gleichstellungsbeauftragte eingeladen hatten, die schon längere Zeit zusammenarbeiten und die Verteiler sich überschneiden.

Das Buffett war schon eröffnet, als die ersten Besucher:innen kamen, und Stehtische sorgten dann dafür, dass viele kleine Gruppen zusammenstanden, viele auch mehrmals die Gruppe wechselten.

Der Film

Der Film zeigt überwiegend die Diskussionen, den Streit eines Ehepaares. Die Ehefrau hat sich beworben, und sie bekommt die Stelle. Das Problem: Ihr Ehemann weiß nicht, dass sie sich beworben hat. Sie weiß nicht, wie sie ihm erzählen soll, dass sie eine Stelle bekommen hat. Er geht davon aus, dass sie nicht arbeiten gehen muss, weil er arbeitet und Geld verdient. Aber arbeiten soll sie schon, denn sie haben ein Kind, und es gibt den Haushalt.

Sie dagegen möchte selbständig sein. Sie möchte, dass beide die Verantwortung für Kind und Haushalt übernehmen, dass beide die Angelegenheiten der Familie besprechen. Das ist für ihn schwer, weil er das nicht normal findet. Er ist in einer Welt aufgewachsen, in der der Mann für die Familie verantwortlich ist - für seine Frau und das Kind sorgt. Nicht nur für das Geld, sondern auch für die Entscheidungen. Sie muss sich keine Gedanken machen.

Der Film ist fast wie ein Kammerspiel inszeniert. Nur wenige andere tauchen auf. Die Ehefrau trifft im Stadtpark eine Bekannte, die auch meint, das Kind brauche die Mutter, die Mutter dürfe das Kind nicht in eine Betreuung „weggeben“. Am Schluss gibt es noch eine Diskussion mit der Gleichstellungsbeauftragten über den Stellenwert der Sorgearbeit in der Gesellschaft.

Wesentlich ist aber die langsame Entwicklung des Ehemannes, der beginnt, seine Frau zu verstehen. Das passiert nicht schnell, er verlässt die Wohnung, braucht einen langen Spaziergang. Sie treffen sich wieder, diskutieren weiter, streiten sich. Sie ist alleine, überlegt, ob sie Fehler gemacht hat. Er ist alleine, lässt sich die Argumente seiner Frau nochmal durch den Kopf gehen.

Diskussion

Nach einer Stunde Film war viel Diskussionsbedarf entstanden. Doch zunächst wurden die Beteiligten vorgestellt: Nicht nur diejenigen, die alle vor der Kamera gesehen hatten, sondern auch diejenigen, die hinter der Kamera gearbeitet hatten. Und dazu wurde gesagt, dass es noch viel mehr Menschen waren, die ihre Beiträge geleistet hatten, sei es zum Film, sei es sonst zur Vorbereitung der Premiere.

Dann schloss sich eine Diskussion an, bei der es zunächst um den Film ging. Dazu stand die Hauptdarstellerin Zhanna Baghdasaryan auf der Bühne, im Programm als „Alleinerziehende“ vorgestellt, außerdem Beraterinnen, die Bürgermeisterin von Rendsburg Janet Sönnichsen, die Direktorin einer Grundschule und einige mehr, geleitet wurde die Diskussion von der Gleichstellungsbeauftragten. Aber schon nach der ersten Runde von Fragen und Antworten ging es um mehr Themen. Nicht nur die Aufteilung der Sorgearbeit, sondern auch die Rahmenbedingungen wurden diskutiert. Kann eine Alleinerziehende ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagiert sein? Reichen die Öffnungszeiten der Kitas aus? Welche konkrete Unterstützung gibt die Schule, und was lernen die Kinder dort über Männer und Frauen? Viele aus dem Publikum konfrontierten die Podiumsteilnehmerinnen auch mit ihren persönlichen Erfahrungen, ohne direkte Fragen zu stellen.

Nach zwei Stunden Veranstaltung waren fast alle zufrieden, einige wollten sich vielleicht noch melden. Aber es gab dann noch einen langen Ausklang, alle konnten im Foyer noch in größeren oder kleinen Gruppen weiter diskutieren.

Wie weiter?

Ein paar Tage später wurde der Film bei Youtube eingestellt, er kann jetzt also ohne Probleme nicht nur gesehen, sondern auch bei Veranstaltungen gezeigt werden. Gut wäre es, vor Veranstaltungen mit den „Wüstenblumen“ Kontakt aufzunehmen, weil die natürlich gerne wissen möchten, wie ihr Film ankommt.

Wir haben die Gelegenheit genutzt, mit der Hauptdarstellerin zu sprechen - nicht nur über den Film, sondern auch über die Gruppe, die dahinter steht.

Reinhard Pohl

Geschlechtergerechtigkeit. Das schaffen wir nur gemeinsam.

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