(Gegenwind 408, September 2022)
Florence Brokowski-Shekete war die erste Schwarze Lehrerin auf der Fachhochschule in Lüneburg, wurde später die erste Schwarze Schuldirektorin und dann die erste Schwarze Schulamtsdirektorin. Ihre Autobiographie habe ich bereits vorgestellt (Gegenwind 386, November 2020, Seite 65). Auch meine Veranstaltung mit ihr am 17. Dezember letzten Jahres war sehr gut besucht. Und jetzt hat sie ein neues Buch vorgelegt. Darin stellt sie Schwarze Deutsche vor, auch um das Schubladendenken zu überwinden, dass diese nur bei der Gebäudereinigung oder im Paketversand beschäftigt sind.
Die Autorin startet mit Sylvie Brou. Sie stammt aus Cotê d'Ivoire in Westafrika, arbeitet aber wie die Autorin in der Schule. Sie ist Schulsekretärin in Heidelberg, und nach Aussagen glaubwürdiger Zeuginnen und Zeugen die gute Seele der ganzen Schule. Sie beschreibt ihre erste Begegnung, als die Autorin als Schulrätin die Schule aufsuchen musste. Sie kennt das, als einzige Schwarze Frau bei einer weißen Schulleitung zu sein, das ist normal. Doch dann ging die Tür auf, und sie waren zu Zweit. Mit beiden geschah etwas, sie waren plötzlich neben dem Schulleiter die Mehrheit im Raum.
Keno Veith ist vermutlich vielen bekannt, auch er wird vorgestellt. Er schreibt oft auf Facebook und im eigenen Block unter dem Namen „De Schwatten Ostfrees Jung“. Geboren wurde er in Wittmund in Ostfriesland, seine Mutter stammt aus Kamerun. Er war Bundeswehrsoldat, dann KFZ-Mechaniker. Als einziger Interviewte gibt er an, keine Erfahrung mit Alltagsrassismus zu haben. Er führt das darauf zurück, dass er in einem kleinen Dorf aufgewachsen ist, wo er immer Einheimischer war.
Die übrigen Schwarzen, die vorgestellt werden, sind Industriekaufmann, Rechtsanwältin, Metzgermeister, Bildungswissenschaftlerin, Kinderkrankenpflegerin, Hochschullehrer, Bürgermeister, Altenpflegerin, Projektmanagerin und Gynäkologin. Alle leben im Umkreis von Heidelberg oder in Heidelberg, die Autorin kann natürlich nicht kreuz und quer durch ganz Deutschland reisen. Es sind spannende und sehr abwechselungsreiche Biografien. Teils kommen die Schwarzen Deutschen aus verschiedenen Staaten in Afrika, teils sind sie hier als Kinder mit einem oder zwei Eltern aus verschiedenen afrikanischen Ländern aufgewachsen. Die Biografien sind nicht immer gerade verlaufen, manche wollte ursprünglich etwas anderes werden - aber alle sind jetzt erfolgreich und anscheinend auch zufrieden mit dem Erreichten, zumindest für den Moment.
Zum Beispiel Ingrid Adjoa Yaboah, Rechtsanwältin in Berlin. Hier ist die Autorin doch quer durch Deutschland gereist, aber zu einer Lesung in Berlin. Und die Rechtsanwältin saß einfach im Publikum, und hinterher sprach die Autorin sie auf ihr geplantes Buch an. Ingrind Adjoa Yaboah ist als Tochter ghanaischer Eltern in Hamburg geboren. Sie erlebt durchaus Alltagsrassismus, ihr wird das N-Wort hinterhergerufen. Ihre Eltern trennen sich, ihre Mutter hat einen neuen Freund, der sich als Gewalttäter herausstellt. Einmal wird ihre Mutter so sehr verprügelt, dass sie daran stirbt - da ist Ingrid gerade 17 Jahre alt. Ein Jahr später stirbt auch ihr Vater. Sie erlebt dann die Gerichtsverhandlung um den Tod ihrer Mutter - und entscheidet sich, Rechtsanwältin zu werden. Das Studium wird schwer, und erst ein Praktikum in New York gibt ihr die nötige Kraft, weil sie dort plötzlich andere schwarze Juristinnen und Juristen kennen lernt. Und jetzt ist sie erfolgreiche Rechtsanwältin in Berlin, wobei sie den Schritt in die Selbständigkeit erst wagte, also sie 38 Jahre alt war.
Anderen geht es ebenso - nicht jeder Schritt gelingt sofort, aber alle Schwarzen Deutschen in diesem Buch zeigen, dass sie ihren Weg gefunden haben.
Reinhard Pohl