(Gegenwind 403, April 2022)

Eli Klouvi Nana

„... dass ich leider nicht die gleichen Startchancen hatte“

Interview mit Eli Klouvi Nana, Preisträgerin und Aktive bei „Kluge Köpfe“

„Kluge Köpfe“ ist eine Initiative in Schleswig-Holstein, die Jugendlichen mit afrikanischen Wurzeln einen Bildungspreis verleiht, wenn sie die Voraussetzungen dafür erarbeitet haben. Wir wollen die Initiative näher kennen lernen und haben deshalb Eli um ein Interview gebeten.

Gegenwind:

Kannst Du Dich als erstes vorstellen?

Eli Klouvi Nana:

Ich bin Eli Klouvi Nana. Meine Eltern stammen aus Togo in Westafrika. Ich bin hier in Deutschland, in Preetz geboren, und in Kiel aufgewachsen. Ich habe mein Abitur hier gemacht. Und dann bin ich für das Studium weggezogen.

Gegenwind:

Wir wollen heute über „Kluge Köpfe“ reden, das Projekt für junge Menschen mit afrikanischen Wurzeln. Wir würdest Du Deine afrikanischen Wurzeln beschreiben, wenn Du in Preetz geboren bist?

Eli Klouvi Nana:

Meine afrikanischen Wurzeln sind wie alle Wurzeln sehr tief. Meine Eltern stammen aus Togo, und dementsprechend habe ich die Kultur aus Togo und aus Westafrika auch von klein auf zu Hause mitbekommen. Ich bin damit aufgewachsen, mit dem Essen und mit der Kultur. Und ich durfte tatsächlich auch nach dem Abitur Westafrika erleben. Ich habe mich für ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ entschieden, und habe dort das Leben mitbekommen und geschaut, wie das da vonstatten geht, wenn das kein Urlaub ist.

Gegenwind:

Warst Du direkt in Togo?

Eli Klouvi Nana:

Ja, ich war in Togo. Ich habe dort bei einer Familie in der Zeit gelebt und habe an einer Grundschule mein FSJ gemacht. Und das war eine sehr prägende Zeit.

Gegenwind:

Welche Sprachen hast Du von Deinen Eltern gelernt?

Eli Klouvi Nana:

Die Muttersprache, die wir zu Hause bis heute sprechen, ist Ewe. Dann Französisch zum Teil, das hat sich eher verfestigt, als ich jetzt in Togo war. Das habe ich da nochmal verbessert. Und Deutsch habe ich durch mein Aufwachsen hier in Deutschland gelernt.

Gegenwind:

Was haben die Leute in Togo, mit denen Du zu tun hattest, denn zu Deinem Ewe gesagt? Und warst Du für sie eine Togoerin?

Eli Klouvi Nana:

Ja, das ist ja immer so eine Sache. Wenn man aus Deutschland oder aus Europa zurückkommt nach Hause, nach Afrika, fällt das direkt auf. Es scheint manchmal so, als könnten einige das riechen. Ich kann das gar nicht beschreiben. Dementsprechend habe ich mich eine ganze Zeit auch gar nicht richtig getraut, mit meinem Akzent zu sprechen. Es hat länger gedauert, bis ich mich getraut habe. Aber die haben direkt gemerkt, das ich nicht von dort bin.

Gegenwind:

Verhältst Du Dich auch sonst anders, dass man das merkt?

Eli Klouvi Nana:

Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich mich anders verhalte, aber viele haben es einfach direkt gemerkt. Ich kann auch gar nicht genau sagen, woran es lag. Zum Beispiel war ich auf dem Markt. Da haben viele mir direkt zugerufen „Du aus Europa kannst auch bei mir einkaufen“, total viele. Das war schon auffällig.

Gegenwind:

Du siehst ja nicht so aus wie andere Kinder aus Preetz. Weißt Du noch, wann es Dir selbst zum ersten Mal aufgefallen ist, dass Du anders aussiehst? Oder hat es Dir jemand gesagt?

Eli Klouvi Nana:

Ich hatte grundsätzlich eine schöne Kindheit. Aber in der Grundschule fing es an, dass ich bemerkt habe, dass ich anders bin. In der Klasse war ich die einzige Schwarze. Und ich habe viele Rückmeldungen bekommen. Auch Fragen wie „Warum bist Du schwarz?“ oder „Warum ist Deine Hautfarbe so und Deine Hand innen weiß?“, solche Fragen haben ich zu hören bekommen.

Gegenwind:

Hattest Du den Eindruck, dass Du benachteiligt bist? Oder hattest Du gleiche Chancen wie alle anderen?

Eli Klouvi Nana:

Gerade durch meine Schulzeit habe ich zu spüren bekommen, dass ich leider nicht die gleichen Startchancen hatte wie die anderen. Ich habe auch deutliche Rückmeldungen bekommen. Zum Beispiel hatte ich in der vierten Klasse, wo es darum ging, auf die weiterführende Schule zu gehen, obwohl meine Leistungen eigentlich recht gut waren, nur eine Realschul-Empfehlung bekommen. Ich wollte selbst gerne aufs Gymnasium. Ich hatte mich vorher auch schon informiert. Ich hatte auch mit meinen älteren Geschwistern gesprochen. Da habe ich gemerkt, dass solche Entscheidungen schon von vornherein sortieren können. Zum Glück hat es dann doch geklappt, dass meine Eltern mich dann am Gymnasium angemeldet haben. Aber tatsächlich habe ich das so schon zu spüren bekommen.

Gegenwind:

Wie viele Geschwister hast Du denn?

Eli Klouvi Nana:

Ich habe sechs Geschwister. Ich bin in der Mitte. Ich habe zwei ältere Geschwister, und die anderen vier sind nach mir gekommen.

Gegenwind:

Das heißt ja, bei Dir kannten sich Deine Eltern mit solch einer Schulempfehlung schon besser aus.

Eli Klouvi Nana:

Ja, bei den Älteren gab es noch größere Probleme. Da wussten sie noch gar nicht, dass man gegen eine solche Schulempfehlung auch selbst vorgehen kann, und das selbst auch anders entscheiden kann. Und bei meiner älteren Schwester haben sie das auch noch gar nicht durchsetzen können. Da war noch das, was die Schule gesagt hat, Gesetz.

Gegenwind:

Wie war denn Dein Weg bis zur Uni? Welche Widerstände gab es? Welche Unterstützung?

Eli Klouvi Nana:

Zu den Widerständen würde ich sagen, es gab immer mal wieder Rückschläge. Da wurde ich selbst zurückgeworfen oder bekam die Rückmeldung, ich kann nicht mehr. Aber auf der anderen Seite gab es auch total viel Unterstützung. Ich habe auch tolle Lehrkräfte gehabt, die mich unterstützt haben. Viele aus dem Bekanntenkreis, die mich unterstützt haben. Die haben alle auch dazu beigetragen, wo ich heute stehe.

Gegenwind:

War es in der Klasse alles harmonisch? Habt Ihr zusammengehalten?

Eli Klouvi Nana:

Es gab tatsächlich schon ein bisschen Differenzen in der Klasse, die man gespürt hat. Es waren keine dollen Streitigkeiten, aber es gab immer mal Spannungen, dass einige nichts mit mir zu tun haben wollten.

Gegenwind:

Musstest Du Dich durchsetzen?

Eli Klouvi Nana:

Ja. Ich hatte und habe immer noch das Gefühl, manchmal das Doppelte geben zu müssen, damit die Leistung, die ich erbringe, ein bisschen anerkannt wird. Damit habe ich versucht mich durchzusetzen, aber auch immer die gesunde Mitte zu finden. Dass man jetzt nicht in dem Wahn verrückt wird.

Gegenwind:

Hattest Du später Bekanntschaft mit anderen schwarzen Jugendlichen gemacht?

Eli Klouvi Nana:

Ja, auf der weiterführenden Schule waren wir dann schon mehr schwarze Schülerinnen und Schüler, allerdings in meiner Klasse war ich immer die einzige. Wenn dann mal Kurse zusammengemischt wurden, dann waren wir zu Zweit. Aber es waren auf der Schule nur zwei, drei plus meine Geschwister.

Gegenwind:

Gibt es sowas wie einen automatischen Zusammenhalt, dass man sich freut, andere Schwarze zu sehen?

Eli Klouvi Nana:

Ja, schon, definitiv. Da habe ich bis heute das Gefühl, dass wir zusammenhalten müssen. Und gerade in solchen Bildungseinrichtungen und in der Gesellschaft muss man beweisen, dass man zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt, sich gegenseitig Strategien vermittelt, „wie gehst Du denn damit um“ und „was hast Du denn in dem Fall gemacht“. Auch wenn die Geschichten individuell sind.

Gegenwind:

Jetzt will der Preis „Kluge Köpfe“ Jugendliche mit afrikanischen Wurzeln herausheben. Was ist aus Deiner Sicht das Wichtige an diesem Preis?

Eli Klouvi Nana:

Das Wichtige ist zum einen, das ist auch die Idee dahinter, dass viele junge Erwachsene hier mit afrikanischen Wurzeln gar nicht gesehen werden. Es wird ihnen viel zu wenig Wertschätzung entgegengebracht, so fehlt einigen vielleicht auch die Motivation. Das ist total wichtig, und das möchte der Bildungspreis „Kluge Köpfe“ vorantreiben. Damit wollen wir auch ein Zeichen setzen, dass wir mit afrikanischer Herkunftsgeschichte, dazu mit unserer Hautfarbe, die wir nicht einfach ablegen können - dass wir nicht nur das Äußere sind, sondern viel mehr - und viel mehr in uns steckt, was wir auch in der Bildung zeigen können.

Gegenwind:

Ist der Preis in Schleswig-Holstein schon bekannt genug?

Eli Klouvi Nana:

Leider nicht, muss man zugeben. Leider nicht, wir haben 2019 begonnen, ich durfte da eine Preisträgerin sein. Ich habe mich total geehrt und gesehen gefühlt. Und 2020 wollte ich weiter mit dazu beitragen, damit das Ganze nicht nur weiter geht, sondern auch größer wird. Da haben wir geplant und geplant und gearbeitet, und leider konnte es durch Corona so nicht stattfinden. Aber umso schöner, dass es dann im Jahre 2021, wenn auch im kleineren Kreis und unter besonderen Bedingungen wieder stattfinden konnte. Aber wir wären sehr dankbar, wenn da ein bisschen mehr Wind um uns gemacht wird.

Gegenwind:

Gibt es genug Vorschläge, wen man auszeichnen kann? Gibt es eine echte Auswahl?

Eli Klouvi Nana:

Das ist auch noch relativ knapp. Wir würden uns freuen, wenn mehr Vorschläge kämen und wir dann auch wirklich sagen können, wir können eine richtige Auswahl treffen. Ich denke, bisher haben viele davon noch nicht gehört. Viele haben noch nicht genug Informationen bekommen, was das überhaupt ist und dass sie sich auch bewerben können.

Gegenwind:

Wer wird denn gesucht? Was muss diejenige geleistet haben?

Eli Klouvi Nana:

Wir suchen junge Menschen mit afrikanischer Herkunftsgeschichte, die in Schleswig-Holstein eine Ausbildung abgeschlossen oder nach dem Abitur ein Studium begonnen haben. Wir nehmen jetzt auch gerne Anmeldungen von Leuten entgegen, die nach Schleswig-Holstein gekommen sind, um zu studieren. Das sind so die Leute, die sich bitte bei uns melden sollen.

Gegenwind:

Was ist denn für Dich wichtiger: Der Preis oder das große Zusammentreffen?

Eli Klouvi Nana:

Auf jeden Fall das Zusammentreffen. Der Preis oder die Preisverleihung ist ja kurz, das ist ja eigentlich was Symbolisches. Das soll die Wertschätzung symbolisieren. Darum geht es nicht nur, sondern es geht darum, was danach passiert. Was die Preisverleihung für Auswirkungen hat und was man damit weiter vorantreiben kann.

Gegenwind:

Versucht Ihr, gezielt die Gäste dazu zu animieren, jüngere Kinder mitzubringen?

Eli Klouvi Nana:

Ja, das versuchen wir. Wir haben die letzten Mal auch sehr drauf herumgeritten, eingeladen dazu, junge Geschwister oder Kinder aus dem Bekanntenkreis, auf die die Bedingungen zutreffen wurden, mitzubringen. Wir bemühen uns auch, ein Programm zu gestalten bei der Preisverleihung, dass es nicht so langweilig wird.

Gegenwind:

Beobachtest Du das auch in der eigenen Familie? Sieben Kinder, und zwei haben den Preis, fünf noch nicht. Bemühen die sich jetzt?

Eli Klouvi Nana:

Ja, die jüngeren Geschwister definitiv. Meine kleine Schwester, die jetzt in der 11. Klasse ist, ist jetzt dabei, ihr Abitur zu machen. Sie hat es sich schon 2019 angeschaut, war immer mal dabei, hat letztes Mal bei der Organisation mitgeholfen, die Listen korrigiert am Eingang. Die wird da schon langsam mit eingebunden.

Gegenwind:

Fühlst Du Dich als Vorbild?

Eli Klouvi Nana:

Ja, irgendwo habe ich sowas wie eine Verpflichtung. Ich finde schon, dass ich als ältere Schwester eine Vorbildfunktion einnehmen muss. Und ich muss ihr auch mitteilen, wenn sie sich bemüht, kann sie sowas auch schaffen.

Interview: Reinhard Pohl

Vorschläge für die Preisverleihung

geplant für August 2022:

Du bist ein junger Mensch mit afrikanischer Migrationsgeschichte, lebst in Schleswig-Holstein und hast trotz schwieriger Umstände eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen oder mindestens ein Jahr erfolgreich studiert? Dann bewirb dich als Kandidatin oder Kandidat bei „Kluge Köpfe - Bildungspreis für afrikanische Migranten in Schleswig-Holstein“.

Bitte per Mail an: info@klugekoepfe-sh.org

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