(Gegenwind 401, Februar 2022)


Hamburg: Bündnis für profitorientiertes Bauen

Die rotgrüne Baupolitik in Hamburg schafft vor allem hochpreisige Wohnungen

„Hamburg stellt sich immer gern als die Musterschülerin dar, die ja so viel Sozialwohnungen bauen würde“, so Heike Sudmann im Gespräch mit dem Autor: „Dabei fallen in Hamburg wesentlich mehr Sozialwohnungen aus der Bindung als neu gebaut werden.“

Die wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft erklärt explizit: „Das ‚Bündnis für das Wohnen’ ist für die Wohnungswirtschaft klasse, für Menschen, die günstige Wohnungen brauchen, aber ein Desaster.“ Denn das „Bündnis für das Wohnen“ ist vor allem eines der Landesregierung mit der Wohnungswirtschaft. 2011 vom damals frisch gewählten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und der SPD initiiert, sitzt dort der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, der Grundeigentümer-Verband Hamburg als auch der Immobilienverband Deutschland mit dem Hamburger Senat und den Bezirken an einem Tisch, um die Rahmenbedingungen für den Hamburger Wohnungsbau abzusprechen. Die beiden Mietervereine - der „Hamburger Mieterverein“ und „Mieter helfen Mietern“ - sind zwar auch dabei, aber nur zur „partnerschaftlichen Beratung“. Am 23. Juni 2021 haben die „Bündnispartner aus Senat, Wohnungswirtschaft und Bezirken die Vereinbarung für die laufende 22. Legislaturperiode unterzeichnet“, wie die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen am gleichen Tag verkündete. Der Unterschied zu 2011: Damals regierte die SPD alleine und der Bürgermeister hieß Olaf Scholz, jetzt unterschrieb auch ein grüner Umweltsenator und der Bürgermeister aus der SPD heißt Peter Tschentscher. Ansonsten wird ist die Bereitstellung möglichst günstiger Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft weiterhin das große Thema des Bündnisses.

2011 wurde das Hamburger „Bündnis für Wohnen“ gestartet, seitdem wurden rund 100.000 Wohnungen gebaut. „Der Erfolg ist messbar“ jubelte im Februar Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der im „Bündnis für das Wohnen“ sitzt. Aber: Von allen gebauten Wohnen waren nur 28% öffentlich geförderte Sozialwohnungen, 72% dagegen teure Eigentums- oder freifinanzierte Wohnungen. Und auch weiterhin sollen von den 10.000 jährlichen Wohnungsbaugenehmigungen nur 3.000 öffentlich geförderte sein. Der jetzt verkündete erhöhte Anteil von 35 Prozent Sozialwohnungen bezieht sich nur auf Mehrfamilienhausbauten ab 30 Wohneinheiten.

Es wird am Bedarf der unteren und mittleren Einkommen vorbei geplant. 45 % der Hamburger Haushalte haben Anspruch auf eine Sozialwohnung. Aber der aktuellen Anzahl von 413.000 förderberechtigten Haushalten stehen nur insgesamt 78.000 geförderte Wohnungen gegenüber. Selbst bei Berücksichtigung der nichtgeförderten, günstigen 216.000 Wohnungen des städtischen Wohnungsunternehmens SAGA und der Genossenschaften fehlten immer noch 119.000 Wohnungen für niedrige und mittlere Einkommen.

„In Hamburg laufen jährlich etwa 4000 Wohnungen aus der Preisbindung, mindestens diese Zahl müsste neu errichtet werden“, fordert Sylvia Sonnemann im Gespräch mit dem Autor: „Hamburg ist Spitzenreiter in Sachen sozialen Wohnungsbau, aber es sind eben auch hier nur 3000 geförderte Wohnungen im Jahr“, führt die Geschäftsführerin des Vereins „Mieter helfen Mietern“ aus, „so dass der abgeschmolzene Bestand dringend aufgestockt werden muss“.

18.245 Wohnungen fallen in den vier Jahren 2021 bis 2025 aus der Sozialbindung raus, wie der Hamburger Senat im Dezember in der Bürgerschaftsdrucksache 22/1595 auf Anfrage von Heike Sudmann von der Fraktion Die Linke selbst eingestand. Da aber nur 15.000 Sozialwohnungen neu gebaut werden sollen, wird sich die Konkurrenz auf dem Markt für günstige Wohnungen weiter verschärfen.

Aber wer hochpreisige Immobilien sucht, hat in Hamburg in exklusiven Wohnlagen mit Blick auf Alster oder Elbe eine große Auswahl. Direkt an der Außenalster auf der Uhlenhorst wechselte laut „Immowelt“ für 8,9 Millionen Euro die teuerste Eigentumswohnung Deutschlands den Besitzer: Sechs Zimmer auf 430 Quadratmeter. Auch über der Elbphilharmonie wurden teure Eigentumswohnungen gebaut - dank für die Stadt schlechter Bauverträge unfreiwillig subventioniert aus dem Haushalt.

Während die Baukräne rotieren, viel Wohneigentum geschaffen wird und die Immobilienwirtschaft Extraprofite einfährt, werden in Hamburg günstige Mietwohnungen immer teurer: Mitte Dezember veröffentlichte die Stadt den „Mietenspiegel 2021“, aus dem hervorgeht, dass die Mieten in Hamburg massiv erhöht werden: Um 7,3 % stiegen die Mieten bei Neuvermietungen seit 2019, die durchschnittliche Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter damit auf 9,29 Euro. Massiv verteuerten um 10, 6% sich die großen Mietwohnungsbestände der Nachkriegszeit, die Mietskasernen, die zwischen 1948 und 1960 gebaut wurden und 30% des Hamburger Mietmarktes ausmachen.

„Das ist natürlich viel, das ist schon klar, und das kann auch überhaupt gar nicht beschönigt werden“, musste Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt zugeben, um aber im nächsten Atemzug am „Bündnis für das Wohnen“ festzuhalten: Weiter Bauen, Bauen, Bauen.

Die Ampelkoalition verspricht, auf Bundesebene die so erfolgreiche Hamburger Baupolitik zu übernehmen. Der „Vorwärts“, die Parteizeitung der SPD, jubelte unter der Überschrift „Koalitionsvertrag“ „Wie die SPD 400.000 neue Wohnungen schaffen will“ über die Hamburger Baupolitik: „Möglich gemacht hat das ein von Scholz initiiertes Bündnis fürs Bauen.“ Jetzt gelte es auf Bundesebene „zu einem ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum’ mit allen wichtigen Akteur*innen nach Scholz' Hamburger Vorbild einladen zu wollen“.

Kaum verwunderlich, dass der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, BFW, Zustimmung signalisierte: „Wir unterstützen die Idee für ein ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum’, das in Hamburg unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz zusammen mit dem BFW bereits sehr erfolgreich war“, erklärte BFW-Präsident Andreas Ibel. Und Franziska Giffey erklärte für den neuen Berliner Senat: „Wir werden unverzüglich ein Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten gründen.“

Klingt so, als setze sich auf Bundesebene die Hamburger Baupolitik fort: Gerade mal ein Viertel der 400.000 Neubauwohnungen sollen öffentlich gefördert. „Nach Hamburger Vorbild werden die restlichen 300.000 Wohnungen teuer werden und den Mietenspiegel in die Höhe treiben“, so Heike Sudmann: „Die Benennung in ein ‚Bündnis für bezahlbarer Wohnraum’ ist reiner Etikettenschwindel - nur wer viel Geld hat, für den sind auch Luxus- und Eigentumswohnungen bezahlbar.“

Weihnachten wurde durch eine kleine Anfrage der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft und die Antwort des Senats in der Drucksache 22/6744 bekannt, wie desaströs die Lage für Geringverdienende auf dem Hamburger Wohnungsmarkt nach 10 Jahren „Bündnis für Bauen“ ist: Um eine Sozialwohnung bekommen zu können, ist in Hamburg ein Wohnberechtigungsschein nötig. Fast 12.000 Haushalte haben im Jahr 2020 einen solchen erhalten, und mehr als 5.800 im ersten Halbjahr 2021. Doch nur 21 Prozent von ihnen konnten auch eine Sozialwohnung beziehen.

Auch bundesweit wird der Bau von 100.000 geförderten Wohnungen jährlich den Wegfall der Sozialbindung in den städtischen Ballungsräumen nicht ausgleichen können, wie Marc Meyer im Gespräch mit dem Autor ausführt: „Nein, ein solcher ewiger Nachbau von Sozialwohnungen, als Ersatz für die Bestehende, die aus der preis- und Belegungsbindung gefallen und nicht mehr sozial sind, kann keine wirklich nachhaltige Lösung des Wohnungsproblems sein“, so der Sprecher der Hamburger Volksinitiativen „Keine Profite mit Boden & Miete“: „Einmal mit Steuergeld geförderte Wohnungen müssen auch in Deutschland ewig preiswert bleiben, alles andere ist im Ergebnis letztlich private Eigentumsförderung für Immobilienunternehmen. Dagegen richtet sich die zweite Volksinitiative von ‚Keine Profite mit Boden & Miete’“. In städtischen Ballungsräumen wären weitaus mehr Sozialwohnungen mit Preisbindung nötig, fordert auch Sylvia Sonnemann: „Das ist auch Antrieb der beiden Hamburger Volksinitiativen ‚Keine Profite mit Boden & Miete’, die wir mitinitiiert haben, um öffentlichen Grund auf Dauer für eine soziale Wohnungspolitik zu sichern“. Die von den beiden Hamburger Mietervereinen und Stadtteilinitiativen unterstützten Volksinitiativen sind ein Versuch, die Hamburger Politik zu wirklichen Mietbegrenzungen und einer Abkehr von der Privatisierung der Stadt zu bewegen. Das Hamburger „Bündnis für Bauen“ bewirkt das Gegenteil - steigende Mieten und noch mehr privates Wohneigentum.

Gaston Kirsche

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