(Gegenwind 398, November 2021)

Wahlplakat die Basis

AfD und Co. am 26. September:

Von rechts in den Bundestag?

Keine großen Erfolge, Beobachtung weiter nötig

Einen Rechtsruck gab es am 26. September nicht. Die AfD bleibt zwar im Bundestag, konnte aber von den großen Verlusten der CDU und CSU nicht profitieren. Im Gegenteil, Abspaltungen und rechte Konkurrenz konnten der AfD einige Anhänger abwerben und die Stimmen innerhalb der Fünf-Prozent-Hürde versenken.

Die AfD bekam bundesweit 10,3 Prozent der Zweitstimmen. Das ist ein Verlust von 2,3 Prozentpunkten. In Wählerinnen und Wählern ausgedrückt: 2017 waren es 5.878.115 Stimmen, damit war die AfD die größte Oppositionspartei und durfte nach Regierungserklärungen als erstes reden. 2021 waren es noch 4.802.097 Stimmen, also rund eine Million weniger. Damit ist die AfD die zweitkleinste Partei im Parlament, SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP liegen vor ihr.

Zwei Bundesländer trüben das Bild: In Sachsen blieb die AfD stärkste Partei, in Thüringen wurde sie stärkste Partei. In Sachsen gewann sie zehn Wahlkreise direkt, in Thüringen waren es vier Wahlkreise. Das stärkt innerparteilich auch den offiziell aufgelösten „Flügel“ um Bernd Höcke, im Oktober entschloss sich deshalb der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, nicht wieder zu kandidieren.

Durch die Wiederwahl wird die AfD jetzt außer den üblichen Geldern für die Partei und für die Fraktion auch Bundesmittel für ihre Parteistiftung erhalten, der „Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Die Stiftung in Lübeck wird von Erika Steinbach geleitet, die lange für die CDU im Bundestag saß. 2017 ist sie aus der Partei ausgetreten und engagiert sich seitdem für die AfD.

Die AfD hat vor allem in Ostdeutschland Erfolg. In Schleswig-Holstein bekam sie 119.566 Stimmen (6,8 %), in Hamburg waren es 50.537 Stimmen (5,0 %). Im Landtag und in der Bürgerschaft ist sie nicht besonders leistungsfähig, in der Regel stellt sie sogenannte „Fensteranträge“, bei denen es nicht um den Inhalt geht, sondern darum, sie öffentlich zu verwerten, zum Beispiel indem man Reden von Abgeordneten zum Antrag ins Internet stellt.

Generell verspricht die AfD eine Rückkehr zu früheren Zeiten, was sie natürlich nicht halten kann. Die verschiedenen Flügel konkurrieren darum, welches „Früher“ gemeint ist.

NPD

Die NPD hat ihre besten Zeiten längst hinter sich. Sie steht für die alte Form des Rechtsextremismus, verteidigt die Zeit des Dritten Reiches. Sie sank von 0,4 Prozent 2017 auf 0,1 Prozent 2021. In Stimmen ausgedruckt: 2017 hatte sie noch 176.020 Stimmen, 2021 waren davon 64.608 Stimmen übrig. In keinem Wahlkreis kam sie in die Nähe von 1 Prozent, ihr bestes Wahlkreisergebnis war 2021 ein 0,7 Prozent in einem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern.

Das bedeutet auch, dass sie keine Wahlkampfkosten-Erstattung aus Steuergeldern bekommt, sondern alles selbst bezahlen muss. Das wiederum begrenzt ihre Möglichkeiten bei den nächsten Wahlen.

In Schleswig-Holstein bekam die NPD 2034 Stimmen, in Hamburg 648 Stimmen.

Der III. Weg

Erstmals angetreten ist die Partei „Der III. Weg“. Sie fiel auf durch Plakate, auf denen zur Tötung der Grünen aufgerufen wurde - vor allem aber durch Auseinandersetzungen vor Gericht, wobei in Sachsen in erster Instanz für die Plakate Partei ergriffen wurde. Es erging nur die Auflage, nicht in hundert Meter Umkreis von grünen Plakaten zu plakatieren. Eine Reaktion der Grünen auf das Urteil ist im Gegenwind 397 Seite 30 unten zu sehen.

Die Partei konnte aufgrund ihrer geringen Mitgliederzahl nur in Bayern und Sachsen antreten und bekam deshalb bundesweit 7.803 Stimmen, was 0,0 Prozent entspricht.

„Die Basis“

... oder dieBasis, wie sie sich selbst gerne schreibt, ist auch einer Reihe von Parteigründungen der Corona-Leugner übrig geblieben, wobei zwei Abspaltungen auch antraten, allerdings nicht in Norddeutschland. Die Basis bekam 1,4 Prozent und gehört damit zu den Großen unter den Kleinen. In Stimmen ausgedrückt waren das 628.432 bundesweit. In Schleswig-Holstein waren es 23.407 Stimmen oder 1,3 Prozent, in Hamburg 13.961 Stimmen (1,4 Prozent).

Prominente Mitglieder sind Sucharit Bhakdi, der ein vielverkauftes Taschenbuch zur Verharmlosung der Corona-Pandemie geschrieben hat, der ehemalige SPD-Abgeordnete und ehemalige Leiter des Gesundheitsamtes Flensburg, Wolfgang Wodarg, und als Kanzlerkandidat der Anwalt Reiner Fuellmich. Fuellmich ist innerhalb der Querdenker durch den Aufruf zu einer „Sammelklage“ gegen Angela Merkel und Christian Drosten aufgefallen, die er in den USA einreichen wollte. Obwohl Sammelklagen in den USA kostenlos sind, forderte er von allen Anhängerinnen und Anhängern eine Gebühr von 800 Euro pro Person, womit er wohl guten Erfolg hatte. Die Klage wurde natürlich nie eingereicht, weil kein Gericht in den USA für Christian Drosten und seine Filme beim NDR zuständig ist, das Geld hat Fuellmich allerdings behalten.

Die Partei selbst gab sich vor allem esoterisch, forderte zur Achtsamkeit auf. In Bezug auf die Pandemie forderte sie ein Ende aller Maßnahmen sowie keinen neuen Lockdown. In den eigenen Foren allerdings wurde Juden die Schuld an der Pandemie und den Maßnahmen gegeben, auch wurden reichlich Verschwörungsmythen geteilt. Front machte die Partei gegen den Schutz von Risikogruppen, also älteren Menschen mit Vorerkrankungen, auf sie sollte keine Rücksicht genommen werden.

Die Partei berief sich und beruft sich auf einen „Willen des Volkes“, der sich angeblich in den Aufmärschen von Millionen Anhängerinnen und Anhängern bei Kundgebungen in Berlin, Freiburg oder Leipzig gezeigt habe. Konkret forderten sie aber eine Herrschaft durch „Expertenkommissionen“, wobei Experten der deutschen Universitäten ausgeschlossen werden sollte, es ging mehr um Experten aus den eigenen Reihen. Es fehlte aber ein Parteiprogramm, das eventuelle Widersprüche in diesen Forderungen aufheben könnte, die Partei ist relativ neu und hat auch noch mit Auseinandersetzungen der Gründungsmitglieder zu tun. Allerdings wurde den Anhängerinnen und Anhängern ein ungefähr 20mal so hohes Ergebnis versprochen, fraglich ist, ob die Partei bis zu den nächsten Wahlen durchhält.

Allerdings bekommt sie jetzt eine Wahlkampfkostenerstattung, die alle Parteien bekommen, die einen Stimmanteil von mehr als 0,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht haben. Das könnte die Strukturen stabilisieren.

Feindbild

Auffällig war und ist, dass das gemeinsame Feindbild nicht mehr Angela Merkel oder Jens Spahn waren, sondern die Grünen. Das wurde angefeuert durch rund 16.000 Falschmeldungen über die Grünen, die von (staatlichen) Akteuren vor allem aus Russland und China ins Internet gestellt und dann fleißig geteilt wurden.

Themen waren vor allem eine geschlechtergerechte Sprache, hierzu kamen Beiträge fast ausschließlich von rechtsaußen, und vor allem natürlich dagegen. Zweites Feindbild war die von der Großen Koalition eingeführte Steuer auf KohlendioxidAusstoß, die vor allem Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes folgte.

Ob diese Kampagnen den Wahlausgang beeinflusst haben, ist unklar, aber eher unwahrscheinlich. Vermutlich waren die Grünen vor allem das Ziel, weil sie mit ihrem Programm die Außenpolitik von Russland oder China stören und weil sie zeitweise Umfrageergebnisse weit über ihrer Stärke von 2017 hatten und dadurch interessant wurden.

Von Seiten der Partei „Die Basis“ wurden auch Störungen von Kundgebungen organisiert, die vor allem die Grünen trafen.

All das gab es übrigens in früheren Bundestagswahlen auch, vor allem 1972. Nur gab es damals nicht die Möglichkeit, auch vergleichsweise randständige Meinungen oder Falschmeldungen über das Internet zu verbreiten, deshalb erschienen die „unsachlichen“ Beiträge diesmal stärker zu sein. Die Urheber beschränkten sich aber auf einen sehr kleinen Kreis von Aktivisten.

Verschwörungsmythen

Schwierig ist der Umgang mit Verschwörungsmythen. Es gab aber 2021 keine zentrale Steuerung, sondern eher ein buntes Durcheinander von Verunsicherung und extremen Falschbehauptungen. So wurden „Nebenwirkungen der Corona-Impfung“ bis hin zu „Impftoten“ erfunden, von anderen Gleichgesinnten aber auch von der geplanten Ausrottung ganzer Völker schwadroniert - was im Januar 2021 als Behauptung noch bei einigen funktionierte, aber spätestens seit Mai fehlten die echten Toten, um die Thesen nachvollziehen zu können.

Wer (wie ich) mit anderem Profil in internen Gruppen der „Basis“ unterwegs war, sah schnell die Kehrseite der Verschwörungsmythen: Dort wurden in Diskussionsforen teils verzweifelt Tote gesucht, um die Thesen belegen zu können, allerdings gab es diese Toten nach einer Impfung bekanntlich nicht. Dort wurde aber auch, viel stärker als in der öffentlich Werbung, immer wieder ein Bezug der „Basis“ auf die AfD klar. Viele Funktionäre sind ehemalige AfD-Mitglieder und wollen und wollten der Partei Stimmen wegnehmen, statt sich auf Gegner der Impfungen zu konzentrieren.

Umgekehrt wurde es am Wahlabend deutlich: Alice Weidel zählte in der Diskussionsrunde in ARD und ZDF die Wählerinnen und Wähler der Basis komplett zur AfD-Wählerschaft, um zu belegen, dass die AfD überhaupt keine Verluste erlitten habe, sondern die WählerInnen sich nur auf zwei Parteien verteilt hätten. Das wiederum tut der neuen Partei unrecht, bei der enttäuschte AfD-AnhängerInnen vermutlich in der Mehrheit sind, unter den WählerInnen dürfte aber auch viele sein, die nicht rechtsextrem sind.

Fazit

Natürlich ist es wichtig, die vier Parteien im Auge zu behalten. Allerdings ist hier im Norden, im Verbreitungsgebiet des Gegenwind, die AfD eher schwach und die „Basis“ nicht etabliert.

Reinhard Pohl
Diskussionsbeiträge dazu: redaktion@gegenwind.info

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