(Gegenwind 393, Juni 2021)


Der Bau des Höffner-Mobelhauses schreitet rasch voran, auf den Ausgleichsflächen (links) hingegen ist die Vegetation weitgehend vernichtet.

Möbel-Höffner in Kiel

Investor zerstört ökologischen Ausgleichsflächen

Stadtverwaltung und Politik fühlen sich unschuldig

In diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal der Tag, als die Kieler und Kielerinnen bei der Rückkehr aus dem Sommerurlaub erfuhren, dass die Ratsversammlung beschlossen hatte, die Kleingartenanlage Prüner Schlag an den Krieger-Konzern zu verkaufen. Die Kleingärten lagen am Westring nördlich der Autobahn 215. Der Krieger-Konzern wollte dort zwei Möbelmärkte bauen, „Möbel Kraft“ und „Sconto“.

Die Aussicht auf Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen ließen die große Mehrheit der Ratsmitglieder frohlocken, die Bevölkerung hingegen reagierte zum Teil weniger enthusiastisch und hätte im Jahr 2014 das Projekt beinahe mit einem Bürgerentscheid zu Fall gebracht.

Die Urheber dieses Projektes, der damalige Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) und sein Stellvertreter Peter Todeskino (Grüne), haben Kiel längst den Rücken gekehrt, auf die versprochenen Arbeitsplätze und Gewerbesteuern wartet die Stadt aber bis heute. Stattdessen fiel der Krieger-Konzern hauptsächlich negativ auf, indem er den Baubeginn immer wieder verschob, statt des ursprünglich vorgesehenen Möbel-Kraft-Marktes plötzlich einen Markt der Höffner-Kette ankündigte, und zuletzt im Zuge der endlich doch noch angelaufenen Bauarbeiten massiv gegen die Naturschutzauflagen des Bebauungsplanes verstieß.

In diesem Zusammenhang zeigt sich, wie verkorkst die Idee von Anfang an war, eine 18 Hektar umfassende innenstadtnahe Kleingartenanlage in ein Gewerbegebiet umzuwandeln. Um den vom Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebenen Ausgleich für die hohe ökologische Wertigkeit des Geländes zu erzielen, muss ein großer Anteil dieser Wertigkeit quasi auf einem Drittel der Ursprungsfläche zusammengezwängt werden, während die übrigen zwei Drittel bebaut und versiegelt werden dürfen. Dem Krieger-Konzern wurde aber die gesamte Fläche verkauft, in der Erwartung, er werde das betreffende Drittel - die sogenannten „Ausgleichsflächen“ - aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten in der erforderlichen Weise pflegen und aufwerten.

Dass diese Erwartung wohl zu optimistisch gewesen war, bemerkte die Umweltschutzbehörde spätestens am 11. November 2020: Der Konzern hatte ohne vorherige Kommunikation die Vegetation auf den Ausgleichsflächen, die sich seit der Aufgabe der Kleingärten 7 Jahre zuvor weitgehend ungestört entwickelt hatte, rigoros niedermähen und platt walzen lassen. Es wurde dann vermutlich beschlossen, diesen Umweltfrevel so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit zu verbergen, und als Stadträtin Grondke zwei Wochen später endlich die Ratsfraktionen informierte, fand sie dafür Worte, über die Ratsherr Weigel (CDU) später sagte, „Wir haben nicht wahr genommen, dass es um Verstöße gegen Umweltauflagen geht.“ In den öffentlichen Sitzungen der Ratsversammlung und anderer Gremien wurde monatelang kein Sterbenswörtchen über die Angelegenheit gesprochen.

Ans Licht der Öffentlichkeit kam der Frevel erst im Januar 2021 durch einen Bericht im Regionalfernsehen, ausgelöst durch Hinweise von Naturschützern. Und plötzlich war die Empörung groß, gerade auch bei den Amtsträgern und Parteien, die durch Amt und Regierungsbeteiligung doch schon im November davon gewusst haben müssen. Verwaltung und Politik fühlen sich unschuldig, alle Schuld liege beim Bauherrn, welcher wiederum die Schuld an die beauftragten Firmen und ihre Baggerfahrer, die die Karten nicht richtig gelesen hätten, weiterzureichen versucht. Oberbürgermeister Kämpfer räumt allerdings ein, es sei ein Fehler gewesen, nicht schon im November die Öffentlichkeit informiert zu haben.

Ob die zuständigen Behörden und die Parteien der Rathaus-Kooperation so leicht aus der Verantwortung herauskommen, erscheint aber fraglich. Naturschutz-Aktivisten der Bürgerinitiative „Projekt Prüner Park“ haben den zeitlichen Ablauf der Zerstörung der Ausgleichsflächen akribisch rekonstruiert und dabei Widersprüche zwischen den offiziellen Verlautbarungen und den Tatsachen nachgewiesen. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob die Umweltschutzbehörde tatsächlich am 11. November 2020 einen sofortigen Stopp weiterer Zerstörungen angeordnet hat. Noch mindestens bis zum 20. November waren Bagger auf den Ausgleichsflächen tätig. Ein im März veröffentlichtes Fachgutachten zum Ausmaß der Zerstörungen auf diesen Flächen stellt fest, dass zwischen dem 18. November 2020 und Februar 2021 mindestens 18 weitere Bäume verschwunden sind, darunter Rotfichten von über 130 cm Stammumfang.

Stadträtin Grondke scheint inzwischen von dem eigenen Versagen dadurch ablenken zu wollen, dass sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf einen neuen Gegner umlenkt: Die Ausgleichsflächen müssten nun schnellstmöglich vor „Spaziergängern, Hundebesitzern und Erholungssuchenden“ geschützt werden, von denen beständig „Vandalismus“ gegen die Natur ausgehe. Die SPD-Ratsfraktion veröffentlicht eine Pressemitteilung, in der die Problematik des von der Bevölkerung ausgehenden Vandalismus weit größeren Raum einnimmt als die Problematik der vom Bauherrn ausgehenden Zerstörungen. In eine ähnliche Richtung zielt Ratsherr Falk Stadelmann (SPD), der den Naturschützern vorwirft, das Bauprojekt „skandalisieren“ zu wollen. Ratsherr Stenger (Grüne) wünscht sich, dass ab jetzt „nur noch nach vorne geguckt und nicht noch Nebenschuldige gesucht“ werden.

Zwar wurden drei Strafanzeigen gegen Krieger eingereicht, eine davon von der Stadt Kiel selbst; allerdings wird allgemein erwartet, dass es zu keiner Anklage kommt, da keine Tötung streng geschützter Arten nachgewiesen werden kann. Die Zerstörung des Biotops an sich, mit seinen zahllosen ökologisch wertvollen Arten, ist juristisch irrelevant und wird nur zu einem Bußgeld führen.

Die Naturschützer vom „Projekt Prüner Park“ zielen inzwischen in eine ganz andere Richtung: Sie fordern, dass die gesamten Ausgleichsflächen wieder in das Eigentum der Stadt Kiel zurückkehren, da die Pflege solcher Flächen bei einem solchen Konzern offenbar in schlechten Händen sei. Tatsächlich war die Möglichkeit eines solchen Rückkaufes explizit im Kaufvertrag vorgesehen.

Andreas Galka
BI „Projekt Prüner Park“

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