(Gegenwind 391, April 2021)
Seit knapp zwei Jahren bereiten wir in Hamburg eine Volksinitiative zum Stopp der Rüstungsexporte durch den Hamburger Hafen vor. Es hat in Hamburg bereits diverse Aktivitäten dazu gegeben, doch die Stadt stellt sich seit Jahren stur! Wir Hamburger:innen sind der Überzeugung, dass sowohl die Produktion als auch der Handel ausschließlich friedlichen Zielen dienen darf. Wir nehmen die Entscheidung gegen die Transporte von Waffen, Munition und Kriegsgerät im Hamburger Hafen jetzt in unsere eigenen Hände! Die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte startete am 20. März 2021 mit der 1. Phase der Unterschriftensammlung für einen zivilen Hafen.
Wir sind ein Bündnis von verschiedenen Friedensgruppen, gewerkschaftlich (GEW und verdi) und hochschulpolitisch Aktiven, von Künstler:innen, Aktiven aus der kurdischen Community, der alevitischen Gemeinde, der Lampedusa-Gruppe, den linken türkischen Organisationen DIDF und ATIF, aus der Klima- und sozialen Bewegung, aus der Flüchtlingssolidarität und kirchlichen Zusammenhängen, IPPNW - Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs, Attac Hamburg sowie aus den Parteien DKP und Die Linke. Uns eint das Bewusstsein, dass ohne Frieden kein menschenwürdiges Leben möglich. Seit Oktober 2020 sind wir in der Stadt, in der Menschen aus nahezu 200 Ländern leben, öffentlich aktiv und es schließen sich immer mehr Menschen unserer Initiative an. Wir haben mittlerweile Kontakt nach Triest aufgebaut, wo die italienischen Mitstreiter:innen ebenso ihren Hafen für Rüstung schließen wollen. Zu unserem Sammelstart sandten sie ein Grußwort.
Mit der Volksinitiative gegen Rüstungsexporte wollen wir dazu beitragen der Präambel der hamburgischen Verfassung Geltung zu verschaffen. In ihr heißt es: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein. Durch Förderung und Lenkung befähigt sie ihre Wirtschaft zur Erfüllung dieser Aufgaben und zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs aller.“
Internationalität, Frieden und Völkerverständigung sind Werte, die Hamburg als Konsequenz aus Faschismus und zwei Weltkriegen in die Verfassung übernommen hat. In und um Hamburg produzieren momentan jedoch mehr als 93 Unternehmen Rüstungsgüter. Über den Hafen werden pro Jahr 1.000 Container mit Munition verschifft. Das sind drei Container pro Tag - dazu kommen noch Waffen, Panzerwagen, Panzer, Raketenwerfer und Kriegsschiffe. Transportiert wird zum Beispiel nach Mexiko, Brasilien oder Kolumbien - in Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Auch nach Saudi-Arabien und in die Türkei, die damit unter anderem im Jemen, in Syrien und gegen die Kurd_innen Krieg führen. Allein im ersten Quartal 2020 wurden trotz Corona Panzerkampfwagen und Kriegsschiffe im Wert von 200 Millionen Euro exportiert.
Auch der Export von Kleinwaffen, den Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts, ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Im Jahr 2017 wurden aus Hamburg Pistolen und Sturmgewehre im Wert von 500.000 Euro verschifft - 2018 für fünf Millionen und 2019 für mehr als 13 Millionen Euro! Und dieser rasante Aufstieg hält an. So stiegen die Exporte von Pistolen über den Hamburger Hafen im 2. und 3. Quartal von 2020, obwohl nach Ausbruch der Pandemie UN-Generalsekretär António Guterres zu einem globalen Waffenstillstand aufrief, auf jeweils 12,6 und 13,2 Millionen Euro!
Ein weiterer Aspekt ist die Gefahr, die für die Menschen in Hamburg von Munitionstransporten ausgehen kann. Ein Beispiel. Am 1. Mai 2013 brannte im Hamburger Hafen der Atomfrachter Atlantic Cartier. Es hatte neben Autos und hunderten Containern auch Gefahrgut geladen. So waren an Board unter anderem Uranhexafluorid, radioaktive Brennstäbe, Munition sowie Ethanol. Die Löschung des Feuers dauerte sehr lange und war mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. So darf Uranhexafluorid nicht mit Wasser in Berührung kommen, aber nirgendwo in Norddeutschland stand Kohlenstoffdioxid zum Ersticken der Flammen bereit. Weiter befanden sich am Tag der Arbeit kaum Hafenarbeiter:innen am Kai, die erst zur Hilfe gerufen werden mussten. Bis die Feuerwehr den Brand gelöscht hatte, vergingen 16 Stunden. Nur durch viel Glück entkam Hamburg der radioaktiven Katastrophe - und mit den Hamburger:innen fast 100.000 Kirchentagsbesucher:innen und tausende 1. Mai-Demonstrierende, die sich zu dem Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe zum Hafen befanden.
Weltweit heizen Rüstungsexporte bewaffnete Konflikte und Kriege an und zwingen Millionen Menschen zur Flucht. Rüstungsriesen wie Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Airbus oder die Lürssen Werften, zu denen auch Blohm und Voss gehört, machen damit Milliarden-Gewinne.
Blohm + Voss: konstruiert und baut seit über 100 Jahren Kriegsschiffe: Fregatten, Korvetten, U-Boote, Zerstörer und Schnellboote. Schon die Flotte Kaiser Wilhelms II. wurde in diesem Betrieb gebaut. In der Nazizeit koordinierte Firmeninhaber Rudolf Blohm zeitweise den gesamten Kriegsflottenbau des Deutschen Reichs. Tausende Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge mussten bei Blohm + Voss für den Krieg schuften, unzählige bis in den Tod. Bis heute erinnert keine Gedenkstätte an sie. Nach dem Krieg machten die Firmeneigentümer trotz tiefer Verstrickung in das NS-Regime ihr Unternehmen wieder profitabel. Seit den 1970er Jahren hat die Hamburger Werft mehr als 64 Kriegsschiffe entwickelt, gebaut und in die ganze Welt verkauft. Blohm + Voss gehört seit 2016 zur Lürssen-Gruppe.
Die Euler Hermes Kreditversicherungs AG ist eine Tochter des Allianz-Konzerns. Eines ihrer Hauptprodukte ist die Abwicklung von Exportkreditgarantien im Auftrag des deutschen Staates. Landläufig Hermes-Bürgschaften genannt, sind sie ein bedeutender Bestandteil der deutschen Außenwirtschaftsförderung. Staatliche Hermes-Garantien schützen deutsche Exporteure vor Verlusten durch ausbleibende Zahlungen, die in dem Fall vom deutschen Staat in Höhe von üblicherweise 90 bis 95 % übernommen werden. Diese Übernahme - finanziert durch unser aller Steuergelder - stellt eine indirekte Subvention dar. Euler Hermes versichert im großen Umfang Rüstungsgeschäfte.
Krauss-Maffei Wegmann - KMW Schweißtechnik GmbH übernahm in Hamburg 2006 den früheren Unternehmensbereich „Wehrtechnik Land“ von Blohm + Voss Industries. Der Standort Hamburg (Elbtunnel) ist das „Kompetenzzentrum für Schweißtechnologie“, etwa für Panzerwannen und Panzertürme des Kampfpanzers Leopard 2. Dieser wurde und wird unter anderem bei der völkerrechtswidrigen Besetzung Nordsyriens/Rojavas von der türkischen Armee und islamistischen Söldnern eingesetzt.
Rheinmetall Waffe Munition in Trittau und Rheinmetall Technical Publications GmbH in Hamburg und Rheinmetall Electronics GmbH in Wedel. Seit über einem Jahrhundert stellt Rheinmetall Kriegsmaterial her. Schon 1889 belieferte die Firma das Kaiserreich und das Ausland mit Geschützen, Handfeuerwaffen und Patronen. Der 1. Weltkrieg brachte den großen Aufschwung: die Belegschaft von Rheinmetall wuchs von 8.000 auf 48.000 Mitarbeiter:innen. Der Versailler Vertrag (1920) nach Kriegsende zwang Rheinmetall zu einer Umstellung auf zivile Produktion. Dann wurden zunächst Lokomotiven, Eisenbahnwaggons, Landmaschinen, Dampfpflüge und feinmechanische Geräte wie Schreib- und Rechenmaschinen hergestellt. Durch die Aufrüstung der Wehrmacht in den 1930er Jahren und den 2. Weltkrieg erfolgte ein neuer Boom. Produziert wurden wieder Munition und Waffen: Maschinengewehre, Kanonen, Panzerabwehrgeschütze, Minenwerfer, Flugabwehrkanonen und Eisenbahngeschütze. Aufgegangen in den Reichswerken Hermann Görings wurden in der Firma 600.000 Zwangsarbeiter:innen ausgebeutet. Nach der Befreiung vom Faschismus waren die Werke der Firma größtenteils zerstört. Einige wurden vollständig demontiert, in anderen wurden Büromaschinen sowie Fotoapparate hergestellt. Doch seit der Aufstellung der Bundeswehr 1956 produziert Rheinmetall erneut Maschinengewehre, Kanonen, Munition, seit 1964 zudem schwere Waffen. Rheinmetall ist einer der größten europäischen Rüstungskonzerne.
Airbus: In Hamburg erscheint Airbus als ziviler Flugzeugbauer. Airbus ist aber auch der zweitgrößte Rüstungskonzern in Europa. Airbus baut z.B. Eurofighter Kampfflugzeuge, A400 M Transportflugzeuge, Hubschrauber NH90. Drohnen vom Typ Heron 1 aus israelischer Produktion werden schon jetzt über Airbus an die die Bundeswehr verleast. Bei den Kampfdrohnen für die Bundeswehr vom Typ HERON TP läuft das Leasing, die Wartung ebenfalls über Airbus. Für die Entwicklung der europäischen Kampfdrohnen der Zukunft ist Airbus federführend. Auch beim europäischen Kampfflugzeugsystem der Zukunft Future Combat Aircraft System (FACS), zu dem auch Drohnen gehören, sollen ist Airbus maßgeblich beteiligt.
Weitere Unternehmen sind im Rüstungsatlas „Made in Hamburg - tödlich weltweit“ zu finden. (PDF-Datei)
Über parlamentarische Anfragen der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft ist es bereits gelungen, dass die Munitionstransporte durch den Hamburger mittlerweile quartalsweise im Transparenzportal der Hansestadt veröffentlicht werden. Zusätzlich zur Angabe der Menge wurde auf diesem Wege auch erkämpft, dass die Lade- und Löschhäfen angegeben werden. Flankiert werden die Anfragen auch durch Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag, bei denen auch grobe Angaben („Positionen“) an Panzerwagen, Schiffen oder Raketenwerfern angegeben werden. Das genaue Ausmaß lässt sich jedoch nicht ablesen. Hier ist noch viel gesellschaftlicher Druck notwendig, um auch in diesem Bereich Transparenz über genaue Mengen und Zielhäfen herzustellen, denn es wird viel dafür getan, die genauen Daten zu verschleiern.
Der Zielhafen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht immer auch das Ziel. Unsere Forderung ist daher Transparenz auch in Bezug auf den Zielort. Geht zum Beispiel ein Transport in die Vereinigten Arabischen Emirate, kann das eigentliche Ziel auch die Bewaffnung eines Akteurs im Jemenkrieg sein. Geht ein Transport nach Kolumbien, wissen wir nicht genau, ob die Munition oder die Waffe, beim Militär, bei der Polizei oder Paramilitärs landet, die trotz eines Waffenstillstands mit der ehemaligen Guerilla FARC im letzten Jahr mehrere Hundert ehemalige Guerillakämpfer:innen und Oppositionelle töteten.
Eine dreiste Behauptung der Rüstungslobby ist: Rüstung schaffe Arbeitsplätze und sei damit alternativlos. Das ist schlicht nicht wahr. Das Rüstungsgeschäft macht trotz drastisch gestiegener Umsätze einen nur verschwindend geringen Teil des BIP aus (<1%) und die Anzahl der dort direkt Beschäftigten beläuft sich auf ca. 100.000 Menschen. Das sind bei 33 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigen gerade mal 0,3 Prozent. Für die gut ausgebildeten Fachkräfte aus der Rüstungsindustrie gibt es in Zeiten des galoppierenden Klimawandels und des anhaltenden Fachkräftemangels in z.B. technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen viele andere gesellschaftlich sinnvolle und zukunftsfähige Arbeitsplätze (regenerativer Energieerzeugung, Recycling, ÖPNV-Ausbau, Hochschulen etc.).
Ende der 70er, Anfang der 80er lösten bei dem britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern Lucas Aerospace Auftragsrückgänge mit Ankündigungen von Massenentlassungen eine Diskussion über Rüstungskonversion aus. Gewerkschaftsmitglieder forderten nicht nur Weiterbeschäftigung, sondern schlugen vor, die Produktion auf „sozial nützliche Produkte“ umzustellen. In betrieblichen Workshops und in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen wurden 150 Ideen und Prototypen für mögliche alternative Produkte entwickelt: medizinische Apparate wie tragbare Dialysegeräte oder neue Ultraschallapparate, alternative Energiequellen, Transport- und Bremssysteme, maritime Anlagen und telechirurgische Geräte. Im Unternehmen konnten sich diese Vorschläge nicht durchsetzen. Dennoch zeigt der Reichtum der Vorschläge, was möglich sein kann, wenn Konversion gewollt wird! Außerdem gab - und gibt - es in der Geschichte der Arbeit immer wieder Beispiele für erfolgreiche Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Fertigung (Konversion).
Vor allem nach den beiden Weltkriegen und in den 80/90er Jahren waren Unternehmen durch die Bevölkerung und die Bewegung gezwungen, ihre Fertigung zivil auszurichten. So sind in Bremen in den Jahren 1992 bis 2001 über 60 betriebliche Konversionsprojekte mit Unterstützung der Stadt (Bremisches Konversionsprogramm BKP) durchgeführt worden. Arbeitsplatzerhalt und das Bestreben, sinnvolle Produkte und nachhaltigen (Nutz-)Wert zu schaffen, war ihre Motivation. Denn Konversion bedeutet Humanisierung und Demokratisierung der Arbeit.
Um eine neue Kooperation für die zivile Produktion zu organisieren, wurden in Bremen z.B. demokratische Gremien mit Arbeiter:innen, Vertreter:innen anderer Unternehmen, Wissenschaftler:innen sowie Vertreter:innen aus Gewerkschaften und Friedensbewegung eingerichtet.
Wir wollen mit der Volksinitiative gegen Rüstungsexporte auch dazu beitragen, die Bedingungen für erfolgreiche Rüstungskonversion zu verbessern. Durch das Verbot der Rüstungstransporte über den Hafen würde sich der Druck auf die Rüstung produzierenden Unternehmen in und um Hamburg ganz massiv erhöhen, da sie ihre Rüstungsprodukte nicht mehr (einfach) umschlagen könnten! Zivil zu produzieren, würde dieses Problem lösen. Hamburg muss einen staatlichen Konversionsfonds auflegen, um derartige Projekte zu unterstützen! Zuschüsse aus Steuermitteln sollten nicht wie bisher Rüstungsfirmen subventionieren, sondern in sinnvolle Konversionsprojekte fließen!
Wir sagen Ja zum Leben und tun dies im Bewusstsein vieler Kämpfe, die bereits vor uns gefochten wurden. Denn wo Rohheit herrscht, da war und ist immer auch Widerstand! Wir erinnern uns an die Hamburger Hafenarbeiter:innen, die nach der Machtübergabe an die Nazis in den Widerstand gingen. Wie heute war Hamburg damals einer der großen Umschlagplätze für Waffen. Seeleute, Werft- und Hafenarbeiter vernetzten sich damals über die Internationale Transportarbeitergewerkschaft weltweit. Sie belieferten fast alle deutschen Hochsee- und Rheinhäfen mit illegaler Literatur und veröffentlichten Informationen über die Lieferung von Kriegsmaterial und Truppentransporte aus Deutschland. Sie riefen zur Solidarität mit den Kämpfenden in Spanien auf und sabotierten die Kriegslieferungen für den faschistischen Diktator Franco, indem sie die Waffen ins Hafenbecken warfen oder sich weigerten, Munitionsladungen zu befördern. Sie schrieben damit Geschichte. An ihren Mut wollen wir anknüpfen!
In Hamburg ermöglicht der „Volksentscheid“ der Bevölkerung, wichtige Anliegen über den Weg der direkten Demokratie zu entscheiden. Wie funktioniert das?
Ein erfolgreicher Volksentscheid muss drei Stufen nehmen. In der ersten Phase der Volksgesetzgebung müssen wir innerhalb von sechs Monaten mindestens 10.000 Unterschriften sammeln, im zweiten Schritt, dem Volksbegehren dann rund 65.000 in drei Wochen. Die dritte Stufe, der Volksentscheid, wird dann an eine hamburgweite Wahl gekoppelt - hier bedarf es 50% plus eins der abgegebenen Stimmen. Wenn wir diese Stufe gewinnen, sind Bürgerschaft (Landtag) und Senat verpflichtet, das Anliegen umzusetzen.
In letzter Zeit versucht der Senat jedoch fast jede Volksinitiative juristisch schon im Keim zu unterbinden. Zuletzt klagte er mit einer hanebüchenen Argumentation gegen die Volksinitiative gegen die Schuldenbremse - und das Hamburgische Verfassungsgericht folgte dieser Vorgabe. Aus unserer Sicht eine klar politisch motivierte Entscheidung. Für uns heißt das, den Druck weiter zu erhöhen, denn auch Gerichtsentscheidungen orientieren sich an der gesellschaftlichen Situation und Kräfteverhältnissen.
Es braucht den politischen Willen. Die Hamburger Landesregierungen versuchen seit Jahrzehnten die Verantwortung für eine friedliche Politik auf die Bundesebene zu schieben. Wir sind juristisch gut aufgestellt. Uns liegen zwei Gutachten von Anwält:innen vor, die bestätigen, dass die Rüstungsexporte durch den Hamburger Hafen per Landesrecht unterbunden werden können.
Und es gibt positive Beispiele: So entschieden sich die Hamburger:innen 2015 trotz massivem propagandistischem Wind in einem Bürgerentscheid gegen eine Ausrichtung der Olympischen Spiele in der Hansestadt. Die NOlympia hatte einfach die besseren Argumente und konnte durch gesellschaftlichen Druck und überzeugtes Handeln den Bürgerentscheid gewinnen.
„Wenn zwei sich treffen, ist jeder der andere.“ (Uwe Schloen, Künstler)
Sicherheit entsteht durch das friedliche Zusammenleben der Bevölkerungen weltweit. Frieden entsteht durch Dialog, Verständnis und Respekt vor der jeweiligen Kultur, Religion und Gesellschaft. In vielerlei Hinsicht ist ein guter Rahmen für Sicherheit in der Charta der Vereinten Nationen geregelt.
Sicherheit entsteht durch Solidarität auf Grundlage der Menschenwürde. Einen gesellschaftlichen Ausdruck findet dieses Wissen in den Menschenrechtskonventionen und erkämpften Arbeits-, politischen sowie Grund- und Freiheitsrechten sowie in solidarischem Zusammenleben.
Krieg und Abschreckung sind dagegen auf materieller Ebene Konzepte zur Absicherung von Herrschaft und Ausbeutung. Auf geistiger Ebene sind Krieg und Abschreckung die Armut an Einsicht in die eigene und anderer Stärke und Schwäche und ein Mangel an Erkenntnis in Bezug auf die Gleichwertigkeit allen Lebens.
Trotz technologischer und materieller Fortschritte im 20. Jahrhundert müssen wir uns deshalb mit der vollkommen inakzeptablen Tatsache auseinandersetzen, dass Krieg, Armut und Umweltzerstörung weiterhin das Leben von Millionen Menschen bedrohen.
Mit unserer Volksinitiative wollen wir genau dagegen ein Zeichen für das Leben und Solidarität setzen.
Wir sind der Ansicht, dass Frieden nicht nur die Abwesenheit von Krieg bedeutet, sondern darüber hinaus, das solidarische und respektvolle Zusammenleben von Menschen weltweit, das Lernen vom Reichtum der Kulturen und das Recht auf Persönlichkeitsentfaltung eines jeden Menschen. Kunst ist in diesem Rahmen ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Bei jeder Veranstaltung und Kundgebung ist Kunst anwesend. Wir gestalten Performances und Theater, es spielen Bands und Liedermacher:innen, es werden Gedichte gelesen, Filme gezeigt und Friedenstauben auf Häuser projiziert. Die Arbeit mit Homepage und Social Media begreifen wir ebenfalls als Kunst.
„Was könnte überhaupt der Sinn der Kunst sein, wenn es nicht die humanitäre Frage wäre, wenn sie nicht etwas liefern kann, was substantiell für den Menschen unentbehrlich ist!“, sagte Joseph Beuys. Sein universelles Denken, das politische, soziale, wirtschaftliche und ökologische Prozesse berücksichtigt, ist heute mehr denn je vonnöten.
Die Sprache der Kunst ist national unabhängig. Sie ist universal und transkulturell. Für Kunst ist keine rationale und sprachliche Analyse erforderlich, sie vereinfacht die Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und überwindet Sprachbarrieren. Sie berührt - sensibel oder schockierend. Durch Bilder, Skulpturen, Installationen, durch Tanz und Musik werden Emotionen geweckt, die nicht selten unbewusst mit eigenbiographischen Erlebnissen in Resonanz gehen.
Kunst kann Menschen für ein kompliziertes, vielleicht auch mit Abwehr besetztes Thema öffnen. Schlichte informative Aufklärung in Form von Wissensvermittlung kann nicht die gleiche Wirkung entfalten. Viele Menschen sind auf Grund jahrzehntelanger Informationsflut und vermehrt durch das neue digitale Zeitalter bereits desensibilisiert worden.
Wir sehen in der Verbindung von Kunst eine wunderbare Möglichkeit, das Friedensthema in einen öffentlichen Diskurs einzubringen. Künstlerische Prozesse sind transformative Prozesse. Es geht darum, zu berühren und berührt zu werden und dadurch Selbstwirksamkeit zu erfahren. Dafür sind Experimentierfelder, Wahrnehmungsräume und Zeit erforderlich, in denen utopiefähige Alternativen für eine zukunftsfähige, solidarische Welt von morgen erdacht, diskutiert und erprobt werden können.
Der gerechte Friede kann nur gelingen, wenn er radikal gedacht und durch konkrete Handlungsoptionen mit entsprechender Wirksamkeit umgesetzt wird. Deshalb sind künstlerische Prozesse für den Menschen unentbehrlich.
Auch in der Arbeit untereinander ist eine demokratische, auf Kooperation gerichtete Kultur von unschätzbarem Wert. So arbeiten wir in verschiedenen Arbeitsgruppen (Publikation, Organisation, Sammlung, Social Media, Veranstaltungen), um die Volksinitiative strategisch und strukturell voranzubringen. Jede und jeder kann sich mit seinen Ideen, Fähigkeiten und Interessen einbringen. Wir treffen uns regelmäßig im Gesamtplenum und das Öffentlichkeits-Team vertritt die gemeinsam beschlossenen Positionen nach außen. Wir lernen voneinander, im kulturellen, religiösen, musikalischen und politischen Austausch.
Ein gemeinnütziger Verein, der zur Unterstützung der Volksinitiative notwendig ist, befindet sich in Gründung. Wir starten mit der Unterschriftensammlung - trotz bzw. gegen Corona!
Im Schatten der Coronakrise drohen die nötige Wende in der Klima- und in der Flüchtlingspolitik sowie die weltweite Verschärfung der sozialen Ungleichheit und die zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen in den Hintergrund zu treten. Unsere Kampagne ist eine Alternative zur Ohnmacht; sie bedeutet Solidarität entgegen verordnetem Stillschweigen und Vereinzelung. Jede Stimme zählt - nicht nur die Stimme auf der Unterschriftenliste, sondern unser lauter Chor gegen Unterdrückung und für Völkerverständigung! Darin haben wir alle Bedeutung.
Nach der ersten großen Veranstaltung auf dem Rathausmarkt im Oktober 2020, die mit einem hohen öffentlichen Interesse verbunden war, haben wir am 20. März 2021 mit der Auftaktveranstaltung zur 1. Phase der Unterschriftensammlung begonnen. Die Zeit für gesellschaftlich sinnvolles Wirken ist reif, das bestätigen schon jetzt viele Gespräche auf der Straße.
Wir werden zudem in den Stadtteilen an zentralen Orten Veranstaltungen zu friedenspolitischen Themen durchführen. Dazu zählen: Konversion, Krieg als Hintergrund von Vertreibung und Flucht, der Bedeutung von Begriffen wie Abschreckung und Sicherheit, dem Völkerrecht, Militär und Klimakatastrophe sowie der Außen und „Verteidigungs“politik der der Bundesregierung und EU.
Wir sind uns sicher, dass die Mehrheit der Hamburger:Innen und die Menschen weltweit sich Frieden wünschen und somit auch ihre Stimme gegen Rüstungsexporte erheben werden. Wir wissen, dass die Rüstungslobby und herrschende Politiker:innen versuchen werden den Erfolg unserer Initiative zu verhindern. Darauf sind wir vorbereitet. Wir stehen auf der richtigen Seite - auf der Seite des Lebens. Wir sagen: „Hier nicht, weil im Frieden Würde liegt“.
Begeistert haben wir zwischen Mai und Juni 2019 die Kämpfe der streikenden Hafenarbeiter:innen in Marseille, Le Havre, Santander und Genua verfolgt, die sich weigerten, saudi-arabische Schiffe mit Waffen für den Jemenkrieg zu beladen. Wir wollen ebenso ein kraftvolles Signal in die Welt senden. Stoppen wir die Rüstungsexporte!
Wir verbinden Politik und Kultur, haben Spaß bei der politischen Arbeit und freuen uns über jede/n neue/n Mitstreiter:in in Hamburg und über Hamburg hinaus.
Axel Richter
www.ziviler-hafen.de (allgemein)
https://www.youtube.com/watch?v=idrYUzIRVdc (Kampagnenvideo)
https://www.youtube.com/watch?v=2NUOmuEbUAU (Dokumentation der Veranstaltung auf dem Rathausmarkt am 20.10.2020)