(Gegenwind 391, April 2021)
Anfang März machte zunächst die BILD-Zeitung mit dem Thema auf, es folgten andere: Auf einer Telefonkonferenz hatten sich Lothar Wieler (RKI)und die Chefs mehrere großer Kliniken darüber unterhalten, wie viele Corona-Patientinnen und -Patienten in den Krankenhäusern einen Migrationshintergrund haben. Das Gespräch fand am 14. Februar statt. In dem Gespräch sagten mehrere Klinikchef, der Anteil an MigrantInnen wäre „hoch“.
In der Folge gab es Nachfragen der Medien, die solche Nachrichten zunächst auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Dabei wurde festgestellt: Fast alle Kliniken schätzen den Anteil an MigrantInnen unter den Covid-19-PatientInnen als hoch ein, keine Klinik hat einen „Migrationshintergrund“ allerdings erfasst oder statistisch ausgewertet. Es blieb ein Gefühl, bald kursierten Zahlen wie 60 Prozent oder 70 Prozent, während seriöse Medien sich auf Beschreibungen wie „auffällig hoch“ beschränkten.
Eine politische Dimension erhielt das Thema, weil Lothar Wieler es ein „Tabu-Thema“ nannte: Während er auf Presseanfragen antwortete, bemerkte er beiläufig, darüber dürfe man ja nicht sprechen - was er aber gleichzeitig tat.
Lamya Kaddor, aus Syrien stammende Islamwissenschaftlerin, warf ihm daraufhin in einer Kollumne bei t-online vor, er würde einen Diskurs über Muslime im feindseligen Sarrazin-Stil führen. Vor allem kreidete sie ihm an, dass er den Tod einer „Mutter eines Clanchefs“ aus Berlin vermeldete und „beinharte Sozialarbeit“ in den Moscheen verlangte.
Damit, so Kaddor, würden Vorurteile bedient, denn ein „Migrationshintergrund“ habe oft rein gar nichts mit dem Islam oder Moscheen zu tun, schon überhaupt nichts mit „Clans“. Für eine interne Telefonkonferenz fand sie allerdings die Erwähnung dieser besonderen Betroffenheit von MigrantInnen in Ordnung, nur die weitergehenden Hinweise auf Clans oder Moscheen unangebracht - zumal es ein gefühlt höheren Anteil ist.
Nicht einbezogen wurden in diese Betrachtungen die Gestorbenen in Pflegeheimen, wo der Anteil an MigrantInnen oft genau Null Prozent beträgt. Dort sterben aber 70 bis 80 Prozent aller Covid-19-PatientInnen, der Anteil der Gestorbenen in Krankenhäusern ist viel kleiner. Das BAMF hat 2010 eine Untersuchung der Pflegeeinrichtungen gemacht, in 27 Prozent der Pflegeheime lebten 0 Prozent MigrantInnen, in 53 Prozent lag der Anteil bei 0 bis 9 Prozent.
Nachträglich gab es dann doch eine Richtigstellung von Lothar Wieler gegenüber der Berichterstattung der BILD-Zeitung: Er habe zwar gesagt, dass auf Intensivstationen rund 50 Prozent der Covid-19-PatientInnen einen Migrationshintergrund hätten, sich aber nur auf drei Intensivstationen in Großstädten bezogen. Und ob es sich um Muslime gehandelt habe, wisse er nicht.
Das reichte Lamya Kaddor nicht, sie erhoffte sich Empörung der führenden Ärzte Deutschland darüber, dass Migrantinnen und Migranten offenbar weniger gegen Ansteckungen geschützt würden, während ihr Altersdurchschnitt in der Bevölkerung fast 12 Jahre niedriger sei als der der einheimischen Bevölkerung (35,6 Jahre zu 47,3 Jahre). Ebenso verwies sie darauf, dass es durchaus seriöse Untersuchungen gibt, wenn auch nicht in Deutschland: In Großbritannien sind unter den Toten viermal so viele Schwarze wie Weiße, und zwei Drittel aller PatientInnen auf Intensivstationen gehören einer ethnischen Minderheit an.
Ali Ertan Toprak ist ein Politiker der CDU, außerdem ist er Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland. Er stellte sich einem Interview der Zeitschrift „FOCUS“, die zuvor über das „Tabuthema“ berichtet hatte.
Dabei stellte er die These, es handele sich bei der Berichterstattung um einen Tabubruch, nicht in Frage. „Aus meiner Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass so ein lebenswichtiges Thema tabuisiert wird“, sagte er gleich zu Beginn des Interviews.
Ausgehend davon, dass das Ansprechen ein Tabu wäre, führte er dann auch, es gäbe in Deutschland ein „Cancel-Culture-Bewegung“, die Angst verbreite. Man dürfen solche Themen nicht ansprechen, weil das als rassistisch gelte. „Es ist doch eher rassistisch, wenn Menschen mit ausländischen Wurzeln in hohem Maße am Corona-Virus sterben und niemand die Ursachen anspricht“, so Toprak weiter.
Danach wendet er sich allerdings tatsächlichen Problemen zu: Etliche Menschen sein mit Informationen zu Hygieneschutz und Warnungen noch nicht erreicht worden. Als Grund gab er an, manche ethnischen Gruppen würden normale Medienkanäle nicht nutzen, deswegen reiche es nicht aus, Informationen in anderen Sprachen auf eine Webseite zu stellen. Bei den türkischen MigrantInnen würden zwei Drittel staatliche türkische Medien nutzen, in denen Corona auch ein Thema sei, allerdings nicht die deutschen Maßnahmen dagegen. Dazu käme, dass viele MigrantInnen es gewohnt seien, in der Großfamilie zu leben. Dann müsste aber jetzt der Staat bei illegalen Trauerfeiern oder Hochzeiten härter durchgreifen.
Er beklagt, dass in die Krisenstäbe des Bundes und der Länder Migrantenverbände nicht einbezogen worden seien, obwohl viele die Mitarbeit angeboten hätten. Außerdem verlangte er in deutschen Fernsehprogrammen mehr Sendungen und Informationen auf Arabisch, Türkisch und Kurdisch.
Tatsächlich wäre es geboten, bessere Statistiken der Erkrankten und Gestorbenen zu erstellen. Dabei darf man sich gerade nicht auf wenige Intensivstationen in Großstädten konzentrieren, sondern muss versuchen, tatsächlich Informationen bezogen auf die Gesamtzahl der Erkrankten und Gestorbenen zu bekommen. Vom Beginn der Pandemie bis Mitte Februar 2021 wurden in Deutschland rund 2,5 Millionen Infektionen nachgewiesen, rund 1,5 Millionen Menschen erkrankten. Die Zahl von 1 Million Infektierten, aber nicht Erkrankten ist natürlich unsicher, weil es weitere geben könnte, die keinen Test absolvierten.
Schätzungen besagen, dass auf 1,5 Millionen Erkrankte eigentlich 1,5 Millionen „Infizierte ohne Symptome“ kommen müssten, dass also zwischen März 2020 und Februar 2021 rund 500.000 Infizierte nicht erkannt worden wären. Diese Schätzungen sind allerdings sehr grob - insofern wäre aber auch eine Zahl, welcher Anteil der Erkrankten einen „Migrationshintergrund“ habe, nur sehr eingeschränkt nutzbar.
Die Zahl der Toten ist ebenfalls bekannt, wird aber in der Statistik nur nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt. Das Robert-Koch-Institut nennt aus den Auswertungen von Todesfällen und Obduktionen außerdem Risikogruppen, außer dem Alter werden Vorerkrankungen aufgezählt, die das Risiko erhöhen an Covid-19 zu sterben. Es gibt keinerlei Untersuchungen zum Kriterium „Migrationshintergrund“, und der müsste nach „Tod im Pflegeheim“ und „Tod auf der Intensivstation“ unterscheiden, um den „Migrationshintergrund“ im Krankenhaus besser einordnen zu können.
KrankenhauspatientInnen sind übrigens nach der Statistik zwischen 50 und 70 Jahre alt, wenn sie auf der Intensivstation landen - und viele Verstorbene sind über 70 Jahre alt, sterben aber im Altersheim oder im Pflegeheim, wo es kaum MigrantInnen gibt. (siehe: The European, 1.12.2020).
Dass Migrantinnen und Migranten von Covid-19 betroffen sind, war tatsächlich noch nie ein Geheimnis oder ein Tabu-Thema, im Gegenteil. Wer mal kurz im Internet nachforschen möchte: Am 5. Juni 2020 gab es bundesweit berichte, dass mehrere Häuser in Berlin-Neukölln unter Quarantäne gestellt wurden, weil Dutzende von Erwachsenen und Kindern infiziert waren. Und keine Zeitung ließ die Hinweise darauf aus, dass praktisch alle in den nebeneinanderliegenden Häusern Einwanderer waren.
Ähnliche Berichte gab es später aus den „Ausländervierteln“ anderer Städte, seien es Hamburg oder Duisburg oder Frankfurt - und spätestens die Online-Diskussionsbeiträge zeigen, dass Hunderte von Leserinnen und Lesern sofort verstanden, dass es bei diesen Häusern in diesen Stadtteilen immer um „Ausländer“ ging. Gezeigt wurde auch im Fernsehen, wie Ordnungsämter und Polizei Gitter oder Bauzäune rund um die Gebäude aufbauten, um die Quarantäne zu überwachen, die Häuser wurden von der Polizei bewacht.
Diese Ausbrüche, am 5. Juni 2020 handelt es sich um den „größten Ausbruch in Berlin seit Entdeckung des Virus“, wurden aber nie in einen Bezug zur Gesamtzahl der Infizierten gesetzt. Die Berichterstattung zielte immer auf mangelhafte Disziplin beim Einhalten der Kontaktregeln, geschrieben wurde immer wieder von „zu großen“ Hochzeiten oder Beerdigungen. Gleichzeitig gab es aber Berichte über Ausbrüche von Infektionen in Pflegeheimen, wo die Menschen ebenfalls nicht nur dicht aufeinander leben, sondern auch das Pflegepersonal von Zimmer zu Zimmer geht und alleine wegen der Pflege keine Abstände einhalten kann, sondern nur Hygiene-Regeln.
Danach gab es immer wieder Berichte über Ausbrüche in Flüchtlingsheimen und auf Schlachthöfen oder in den Unterkünften der Arbeitskräfte, und auch hier war klar, dass es sich bei Flüchtlingen oder Schlachthofarbeitern um Ausländerinnen und Ausländer handelt - aber auch hier gab es selten einen zahlenmäßigen Vergleich mit den Ausbrüchen in Pflegeheimen, nur dass fast nie über Gestorbene berichtet wurde. Die „Linke“ konnte mal mit hohem Aufwand den Hamburger Senat zum Eingeständnis bewegen, in den Flüchtlingsheimen der Stadt wären wohl drei Flüchtlinge an Covid-19 gestorben, die entsprechenden Zahlen aus Pflegeheimen waren aber immer weitaus höher und wurden weitaus freiwilliger veröffentlicht.
Der „Tagesspiegel“ wies allerdings am 4. März 2021 darauf hin, dass der Berliner Senat im März 2020 zusätzlich zum Übersetzen von Merkblättern die Einstellung von „Corona-Lotsen“ mit den wichtigsten Sprachen der MigrantInnen in der Stadt angekündigt habe, diese aber im März 2021 immer noch nicht existierten. (siehe: „Warum Corona Menschen mit Migrationshintergrund häufiger trifft“)
Der Senat von Berlin hatte auch Zahlen zur Betroffenheit von einer Covid-19-Erkrankung veröffentlicht. In der Zusammenfassung hieß es dann:
Entsprechende Studien der EU existieren auch, danach sind EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund doppelt so oft von einer Infektion betroffen wie EinwohnerInnen ohne Migrationshintergrund.
Die Erklärungen laufen allerdings nicht auf den Migrationshintergrund hinaus. Betroffen sind nämlich die Berufe, die in direktem Kontakt zu Erkrankten stehen, also das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, und hier arbeiten vor allen Dingen Menschen (Frauen) mit Migrationshintergrund.
Betroffen sind weiterhin Berufe, die nicht von zu Hause aus übers Internet arbeiten können, und das betrifft auch wieder vor allem Menschen mit Migrationshintergrund. Beispiel: Schlachthof-Mitarbeiter können sich eben nicht die Schweine zum Töten mit nach Hause nehmen, auch weil sie kein Zuhause haben.
Auch die OECD, also die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit von 37 Industrieländern, sieht einen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Migrationshintergrund: Es gäbe eine „systematische Überrepräsentanz von Migranten bei Covid-19-Fällen und bei der Sterblichkeit“, erklärte ihr Ökonom Thomas Liebig schon im Herbst 2020. Seine Begründung war allerdings nicht der Migrationshintergrund, sondern: Armut, beengter Wohnraum, häufigere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie Jobs, in denen Arbeit auf Distanz nicht möglich seien.
Immer wieder gab es in der Presse auch Berichte über Familienfeiern von MigrantInnen, manchmal auch als „Großfamilien“ notiert (wobei man sich darauf verließ, die gewünschten Assoziationen angestoßen zu haben). Ebenso gab es aber Berichte über (freikirchliche) Gottesdienste und auch Feiern von deutschen Wirten. Insofern: Die Berichterstattung war immer da, die Zahlen fehlten. Klar war auch immer, dass es in großen Familien mehr Infektionen vor der Entdeckung der Infektionen gibt als in Single-Haushalten.
Dass MigrantInnen in Deutschland betroffen sind, zeigen schon die Übersetzungen von Merkblättern auf praktisch allen Seiten zu Corona. Alle Städte und Kreise informieren in fünf oder sechs Sprachen, größere auch in 20 oder 30 Sprachen.
Wenig Differenzierungen gab es allerdings in der Frage der „Reise-Rückkehrer“. Meine Rückfragen bei Gesundheitsämtern ergeben öfter, dass Reiserückkehrer häufiger eine Infektion mitbrachten, wenn sie die eigene Familie im Kosovo, Türkei oder Russland besucht hatten als wenn sie in einem Hotel in Spanien, Griechenland oder der Türkei gewesen waren. Auch hier war klar: Hotels haben klare Hygiene-Vorschriften, haben auch die Angebote (Frühstücks-Buffet, Nutzung des Pools) entsprechend umgestellt. Beim Besuch der Familie ist es eher enger als normal.
Anpassungsschwierigkeiten hatten allerdings alle, auch Kirchen wehrten sich anfangs dagegen, Gottesdienste ausfallen zu lassen, und Pastoren hatten genauso wenig Erfahrung mit digitalen Formaten wie Imame. Das Fastenbrechen war im Mai 2020 nicht einfacher zu organisieren als der Ostergottesdienst im April 2020.
Im „Forum für MigrantInnen“ (Kiel) wurde die stärkere Betroffenheit von MigrantInnen in der Pandemie im Dezember 2020 vom Sozialdezernenten der Stadt angesprochen, keine Spur von Tabu.
In der Pandemie ist es wichtig, Kontakte zu verfolgen und Quarantäne anzuordnen. Deshalb habe ich in den sieben Bezirken Hamburgs sowie in den Landkreisen und den kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein angefragt, in welchen Sprachen die Verfolgung der Kontakte möglich ist.
Die Antworten:
Das Gesundheitsamt in Kiel kommuniziert in allen benötigten Sprachen: „Die Telefonate mit den Betroffenen, die in Quarantäne sind, erfolgen vor allem in deutscher Sprachen, zusätzlich in Türkisch, Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch - in Einzelfällen werden Dolmetscher eingesetzt, wenn es sich um Sprachen handelt, die nur in Einzelfällen auftauchen.“
Auch in Lübeck ist man vorbereitet: „Im Corona-Team des Lübecker Gesundheitsamtes arbeiten Mitarbeitende mit folgenden Sprachkenntnissen: Englisch, Rumänisch, Bulgarisch, Russisch, Türkisch und Finnisch. Je nach Bedarf wird die Kontaktverfolgung durch Dolmetscher unterstützt, um die fehlerfreie Kommunikation zu gewährleisten.“
In Flensburg ist man natürlich besonders betroffen, aber auch besonders gut vorbereitet: „Sobald wir in den Gesprächen sprachliche Barrieren feststellen, werden Dolmetscher*innen hinzugezogen, die einen von uns entwickelten Gesprächsleitfaden an die Hand bekommen. Derzeit können wir 18 Sprachen abdecken. Bei darüber hinausgehendem Bedarf könnten weitere Dolmetscher ermittelt werden. Folgende Sprachkompetenzen können eingesetzt werden: Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Dänisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kurdisch, Niederländisch, Paschtu, Persisch/Dari, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Schwedisch, Serbo-Kroatisch, Spanisch, Urdu.“
Aus Neumünster erhielten wir keine Antwort.
Das Gesundheitsamt im Kreis Stormarn fühlt sich gut vorbereitet: „Unsere Mitarbeitenden sprechen außer Deutsch noch Englisch, Farsi, Dari, Tadschikisch, Russisch, Polnisch, Ungarisch und Finnisch.“
Das Gesundheitsamt im Kreis Schleswig-Flensburg tut alles Nötige: „Es werden immer die Sprachen eingesetzt, die benötigt werden. Das bedeutet, das ggf. Dolmetscher*innen vom Kreis eingesetzt werden.“
Auch das Gesundheitsamt Rendsburg-Eckernförde nutzt alle erforderlichen Sprachen: „Wir können hier im Gesundheitsamt auf Mitarbeiter mit folgenden Fremdsprachenkenntnissen zurückgreifen: Englisch, Dänisch, Türkisch, Kurdisch, Arabisch, Russisch, Polnisch, Rumänisch. Sollte das nicht ausreichend sein, so würden wir Dolmetscher bestellen.“
Das Gesundheitsamt für den Kreis Segeberg setzt ebenfalls auf viele Sprachen: „Zu Ihrer Frage, welche Sprachen im Gesundheitsamt des Kreises Segeberg bei der Kontaktermittlung, Anordnung von Quarantänemaßnahmen etc. eingesetzt werden: Im Moment sind das Englisch, Polnisch, Russisch, Türkisch, Arabisch, Farsi und Rumänisch.“
Das Gesundheitsamt im Kreis Herzogtum Lauenburg sieht da weniger Probleme: „Die Telefonate werden in deutscher Sprache geführt. Sofern die betroffene Person kein oder nur sehr schlecht Deutsch spricht/versteht, kann sie in der Regel aus der eigenen Familie oder dem Freundeskreis einen Dolmetscher stellen. (Das ist der Regelfall.) Sofern dies nicht möglich ist, bedienen sich die Kontaktpersonenermittler in seltenen Fällen externen Dolmetschern. Das Gesundheitsamt setzt neben Deutsch keine weiteren Sprachen ein. Sofern einzelne Mitarbeitende über erweiterte Sprachkenntnisse verfügen, in der Regel wird dies Englisch sein, bei manchen aber auch weitere Sprachen, benutzen sie diese bei Bedarf natürlich auch.“
Auch in Steinburg setzt man vor allem auf Deutsch und Englisch, nutzt aber auch Dolmetscher*innen: „In der Regel erfolgen die Telefonate mit den genannten Personen auf Englisch. Ist eine Kommunikation auf Englisch nicht möglich, werden entsprechende Dolmetscher beauftragt, die den Kontakt herstellen.“
In Nordfriesland geht man davon aus, dass die Kommunikation gut klappt: „Wir kommunizieren in bzw. auf Arabisch / Hocharabisch, Paschtu, Türkisch/ Kurdisch, Russisch, Polnisch und Rumänisch. Für all diese Sprachen haben wir Dolmetscher/innen vor Ort. Die meisten sind Muttersprachler (manche sind als Asylbewerber eingereist), die die deutsche Sprache inzwischen gut beherrschen und uns gern unterstützen. Personen, deren Muttersprachen eher seltener gesprochene Sprachen vom afrikanischen Kontinent sind, beherrschen das Englische meist zumindest soweit, dass eine Verständigung möglich ist.“
Auch in Dithmarschen achtet man darauf, verstanden zu werden: „Im direkten täglichen Kontakt decken wir im Corona-Team des Gesundheitsamtes gängige europäische Fremdsprachen wie Englisch und Französisch ab. Zusätzlich haben wir Kolleg*innen im Team, die Russisch, Rumänisch und Türkisch sprechen. Jederzeit können wir Unterstützung der Migrations- und Integrationsberatung des Kreises anfordern und weitere Sprachen wie Arabisch, Georgisch, Albanisch, Spanisch und Italienisch abdecken. In schwierigen Fallverläufen setzen wir nötigenfalls auch zertifizierte Dolmetscher*innen ein. Aufklärungsschreiben, die bei Quarantäneanordnungen versandt werden, werden soweit nötig muttersprachlich beigefügt.“
Der Kreis Pinneberg legt ebenfalls Wert darauf, verstanden zu werden: „Die Kollege*innen aus dem Infektionsschutz haben ein sehr großes Interesse daran, dass die Gesprächspartner sie gut verstehen. Reichen dafür die deutschen Sprachkenntnisse nicht aus, wird auf andere Sprachen ausgewichen. Neben den gängigen Sprachen Englisch und Französisch können weitere - teilweise muttersprachliche - Kolleg*innen in Telefonkonferenzen hinzugezogen werden, die z.B. Russisch, Arabisch, Türkisch und einige andere seltenere Sprachen übersetzen. Ggf. werden kurzfristig Gesprächstermine vereinbart, zu denen externe Sprachmittler hinzugezogen werden.“
Der Kreis Ostholstein setzt Sprachkenntnisse und DolmetscherInnen ein: „Auf Ihre Anfrage kann ich Ihnen mitteilen, dass im Fachdienst Gesundheit des Kreises Ostholstein die Kontaktpersonennachverfolgung und Aufklärungsgespräche außer in Deutsch in verschiedenen Sprachen geführt werden können neben Englisch u.a. Arabisch, Syrisch, Russisch und Polnisch. Bei Bedarf werden Dolmetscher hinzugezogen oder Kontakt zu den Migrationsberatungsstellen in den Kommunen aufgenommen.“
Aus dem Kreis Plön bekamen wir bis zum Druckbeginn keine Antwort.
In Wandsbek achten man darauf, verstanden zu werden: „Das Wandsbeker Gesundheitsamt versucht in Fällen ohne deutsche Sprachkenntnisse jemanden in der Landessprache oder gemeinsam verstandener Sprache zu finden, damit die Nachverfolgung mit richtigen Daten vorgenommen werden kann und die Maßnahmen und Quarantäne-Anordnungen auch richtig verstanden werden. Zurzeit deckt der Mitarbeiterkreis des Gesundheitsamtes (der aufgrund der Pandemie personell deutlich verstärkt wurde) folgende Sprachen ab: Türkisch, Serbisch, Kroatisch, Rumänisch, Englisch, Schwedisch, Russisch, Belarussisch, Polnisch, Farsi (Persisch, Dari), Thailändisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Niederländisch, Vietnamesisch, Afghanisch, Urdu, Paschtu, Tajki (Kasachstan), Twi (Ghana), Norwegisch und Griechisch.“
In Eimsbüttel beruft man sich auf die Amtssprache, setzt sich aber dennoch für eine gute Verständigung ein: „Rein rechtlich ist es so, dass in der Behördenkommunikation die „Amtssprache“ Deutsch ist. In der Realität ist es bei uns so, dass in den allermeisten Fällen die Kommunikation auch tatsächlich auf deutsch läuft. Wenn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger kein oder wenig deutsch sprechen, läuft die Kommunikation meist auf englisch. Zudem verfügt das Bezirksamt über Listen von Mitarbeitenden des Bezirksamtes, die weitere Sprachen sprechen, so dass wir im Bedarfsfall auch hier aushelfen können. Insgesamt können wir derzeit folgende Sprachen bedienen: Englisch, Spanisch, Türkisch, Italienisch, Russisch, Malaiisch, Isländisch, Spanisch, Französisch, Swahili, Hindi, Polnisch, Arabisch, Farsi.“
Das Bezirkamt Bergedorf kommt gut zurecht: „Mit den meisten Migrantinnen und Migranten können wir in deutscher Sprache in Kontakt treten, weil oft mindestens ein involviertes Familienmitglied deutsch spricht. Darüber hinaus haben wir Gespräche bereits in den folgenden Fremdsprachen geführt: Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Arabisch, Afghanisch und Farsi.“
Auch in Altona kann man nicht nur eine Sprache: „Neben Deutsch werden vom Gesundheitsamt noch unter anderem die Sprachen Englisch, Spanisch, Türkisch und Französisch eingesetzt.“
Die Bezirke Hamburg-Nord, Hamburg-Mitte und Harburg antworteten bis Druckbeginn nicht.
Alle Kreise oder Bezirke, die geantwortet haben, kennen das Problem und sind bemüht, dass ihre Hinweise, Informationen oder Anordnungen verstanden werden. Die Bezahlung von MitarbeiterInnen, die mit Sprachkenntnissen aushelfen, ist in den Tarifvertragen geregelt. Auswärtige DolmetscherInnen, ÜbersetzerInnen und SprachmittlerInnen müssen nach den Verwaltungsgesetzen Schleswig-Holstein und Hamburgs nach einem festen Tarif bezahlt werden: 85 Euro pro Stunde bzw. 1,95 Euro pro Zeile.
Wir haben nicht danach gefragt, ob alle Gesundheitsämter sich an das Gesetz halten, gehen aber davon aus.
MigrantInnen sind stärker betroffen, obwohl sie im Schnitt jünger und gesünder sind. Aber sie sind ärmer, leben in beengteren Verhältnissen und haben oft Arbeitsstellen, bei denen eine Distanz kaum möglich ist.
Außerdem bekommen MigrantInnen weniger Informationen, weil die meisten Behörden auf das „Abholen“ der Informationen von ihrer Internet-Seite setzen und selbst kaum Kontakt mit Migranten-Selbstorganisationen haben.
DolmetscherInnen werden in der Regel erst eingesetzt, wenn es bereits Infektionen gegeben hat, wenn die Infektion durch Kontaktnachverfolgung eingedämmt werden soll. Und selbst dann werden teils „billigere“ Möglichkeiten (Familienangehörige, BehördenmitarbeiterInnen mit Fremdsprachenkenntnissen) gesucht.
Allerdings bleibt ein Problem: Gezählt hat es noch niemand. Man ahnt, dass Migrant*innen schlechter geschützt werden, schlechter informiert werden als Einheimische. Es handelt sich im Wesentlichen um Beobachtungen und Schätzungen.
Reinhard Pohl