(Gegenwind 388, Januar 2021)
Bei Gerichten und Staatsanwaltschaft werden DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen nach dem „JVEG“ bezahlt, dem „Jusitzvergütungs- und -entschädigungsgesetz“. Danach bekamen DolmetscherInnen jahrelang 70 Euro pro Stunde, ÜbersetzerInnen bekamen 1,75 Euro pro Zeile - das galt seit dem 1. August 2013. Diese Preise gelten nicht nur für Gerichte und Staatsanwaltschaften, für die das Gesetz gemacht ist. Alle 16 Bundesländer haben es auch in ihre Verwaltungsgesetze übernommen, Behörden und Schulen müssen sich auch nach diesem Gesetz richten. Teils wurde es auch für die Polizei übernommen, so in Schleswig-Holstein, in Hamburg nicht. Und im SGB-X ist geregelt, dass es auch für alle Bereiche der Sozialgesetze gilt, also für die Bundesagentur für Arbeit, die Jobcenter, für Krankenhäuser und Altenheime.
Die Begründung für die Neufassung des Gesetzes ist einfach: Da die Bezahlung seit langen Jahren nicht mehr angepasst wurde, wenden sich inzwischen viele DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen von der Justiz ab und arbeiten lieber für Firmen, also zum Beispiel im Import und Export. Deshalb müssen Gerichte oft auf weniger qualifizierte SprachmittlerInnen zurückgreifen, oder Verhandlungstermine müssen verschoben werden, bis jemand gefunden wird.
Die Neufassung des Gesetzes sah zunächst vor, den Stundenpreis auf 95 Euro zu erhöhen, so wollte es das Justizministerium. Nein, zuviel, meinte die Bundesregierung und legte die Bezahlung auf 90 Euro pro Stunde fest. Immer noch zuviel, beschlossen die Bundesländer im Bundesrat und änderten den Stundensatz auf 85 Euro. So beschlossen es jetzt die Abgeordneten des Bundestages im November. Am 18. Dezember ist das Gesetz im Bundesrat, wird dort voraussichtlich unverändert beschlossen, vom Bundespräsidenten unterschrieben und zum 1. Januar in Kraft treten.
Bisher ist hier geregelt, dass eine ÜbersetzerIn oder eine DolmetscherIn die Rechnung innerhalb von drei Monaten schicken muss, sie oder er ist auch dafür verantwortlich, dass sie bei der richtigen Stelle ankommt. Das wird jetzt leicht verändert: Bekam sie oder er einen Vorschuss und schickt dann die Rechnung zu spät, bekommt sie oder er den Restbetrag nicht mehr (wie bisher), darf aber den Vorschuss behalten.
Bisher konnten man bei Bestellungen, die länger dauern, einen Vorschuss berechnen, sobald man Leistungen im Wert von mehr als 2.000 Euro bereits erbracht hatte. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn eine Hauptverhandlung mehrere Monate dauert, man kann ja nicht erst am Schluss eine Rechnung schreiben. Diese Schwelle wird jetzt auf 1.000 Euro halbiert.
Der Kilometerpreis wird von 30 Cent auf 42 Cent erhöht.
Die Erstattung von Kopien wird für die ersten 50 Kopien oder Ausdrucke auf 1 Euro pro Seite, für jede weitere Seite auf 30 Cent erhöht, wenn sie farbig sind. Bei schwarzweiß bleibt es bei 50 Cent (für die ersten 50) und 15 Cent (für alle weiteren). Nur wenn die Ausdrucke größer als A3 sind, bekommt man mehr.
Bisher hat kein Anspruch auf Vergütung, wer eine „mangelhafte Leistung“ abliefert. Das wird relativiert: Man muss die Chance auf eine Mängelbeseitigung bekommen. Das ist wohl nur für ÜbersetzerInnen relevant. Die Regelung wurde auch geändert, weil sie dem Unionsrecht widerspricht.
Die Unterscheidung nach „konsekutiv“ und „simultan“ wird abgeschafft, weil man das in der Praxis kaum vorher festlegen kann. Das Honorar soll auf 85 Euro pro Stunde steigen, wobei es immer um die Gesamtzeit (Fahrtzeit, Wartezeit, Dolmetschzeit) geht - auch wenn nicht gedolmetscht wird. Die Arbeitszeitdefinition ist geblieben, Fahrtzeit und Dolmetschzeit dürfen weiterhin niemals unterschiedlich bezahlt werden.
Bei kurzfristigen Absagen werden zwei Stunden bezahlt, auch wenn eine Dolmetscherin gleichzeitig Übersetzerin ist.
In Zukunft soll es einen Sonntags- und Nachtzuschlag von 20 Prozent (also 17 Euro) pro Stunde geben. Die Nacht dauert dabei von 23.00 bis 6.00 Uhr.
Das Grundhonorar soll von 1,55 auf 1,80 Euro pro Normzeile steigen. Das sind normale Texte, die als Datei übergeben werden. Enthalten sie viele Fachausdrücke, besteht Eile oder handelt es ich um eine seltene Sprache, erhöht sich das Honorar auf 1,95 Euro (bisher: 1,85 Euro).
Bei Texten, die als Papier oder pdf-Datei übergeben werden, soll die Zeile in Zukunft 1,95 Euro kosten (bisher 1,75 Euro). Bei vielen Fachausdrücken, schwerer Lesbarkeit, Eilbedürftigkeit oder seltener Sprache erhöht sich das Honorar auf 2,10 Euro (bisher 2,05 Euro).
Das ist nicht ganz die Erhöhung wie bei DolmetscherInnen. Allerdings bekamen Übersetzer schon immer, bezeichnet als „Eilbedürftigkeit“, ein höheres Honorar, wenn von ihnen Nacht- oder Wochenendarbeit verlangt wurde. Das ist jetzt nicht, wie beim Dolmetschen, 20 Prozent höher, sondern knapp 8 Prozent.
Gemessen wird in der Zielsprache. Nur wenn die nicht mit lateinischen Buchstaben geschrieben wird, wird die Ausgangssprache gezählt. Die Normzeile hat weiterhin 55 Zeichen (einschließlich Leerzeichen).
Pro Stunde werden ÜbersetzerInnen bezahlt, wenn sie Schriftstücke überprüfen oder wenn sie Aufzeichnungen abtippen, z.B. aus der Telefonüberwachung.
Das Jusitzministerium hatte vorgeschlagen, diesen Paragraphen für DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen zu streichen. Hier wird nämlich festgelegt, dass bei häufigem Heranziehen ein niedrigerer Preis vereinbart werden kann. Das, so das Justizministerium, würde nur zum Drücken der Preise missbraucht. In den Vereinbarungen, die es gibt, wird nie ein häufiges Heranziehen zugesagt, sondern nur ein niedrigerer Preis vereinbart.
Die Begründung des Justizministeriums für die Streichung im Gesetzentwurf: „So ist zu beobachten, dass - entgegen der Intention des Gesetzgebers - Vergütungsvereinbarungen insbesondere mit Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern häufig bereits zu einem Zeitpunkt abgeschlossen werden, zu dem eine Heranziehung noch gar nicht erfolgt ist. Gerade in diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Regelung des § 14 JVEG als Druckmittel im Hinblick auf den Zugang zu Aufträgen der Justiz verwendet wird. Dass der Abschluss einer solchen Vereinbarung für die Sprachmittlerinnen und Sprachmittler dann wenigstens regelmäßig zu einer Heranziehung bzw. zu einer häufigeren Heranziehung führt, lässt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen aber auch nur eingeschränkt feststellen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass insbesondere mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie Übersetzerinnen und Übersetzern aus fiskalischen Erwägungen Vereinbarungen geschlossen werden, die Vergütungen enthalten, die weit unter den Beträgen des JVEG liegen und zumindest für hauptamtliche Sprachmittlerinnen und Sprachmittler nicht auskömmlich sind. Das wiederum birgt die Gefahr, dass diejenigen Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer, die über eine hohe Qualifikation und Erfahrung verfügen, nicht mehr bereit sind, für die Justiz tätig zu werden und es immer schwerer wird, geeignete Sprachmittlerinnen und Sprachmittler zu finden.“
Diese beabsichtigte Streichung machte die Bundesregierung, wohl auf Druck des Innenministeriums (BAMF, Bundespolizei) und des Finanzministeriums (Zoll) nicht mit, er bleibt unverändert.
In Zukunft werden DolmetscherInnen überwiegend 85 Euro pro Stunde erhalten, denn in Schleswig-Holstein gibt es selten (legale) Vereinbarungen. Es gibt wohl Missbrauch in einigen Kreisen, wo Behörden vom Landrat oder Oberbürgermeister dazu angehalten werden, Druck auf die DolmetscherInnen auszuüben und vorbei am Gesetz weniger zu bezahlen - mit der Drohung, bei Protesten andere zu nehmen. DolmetscherInnen sind FreiberuflerInnen und können deshalb leichter unter Druck gesetzt werden.
Aber wenn der gesetzlich Preis von 70 auf 85 Euro, der Zeilenpreis von 1,75 auf 1,95 Euro steigt, wird auch „unten“ etwas davon ankommen.
Reinhard Pohl