(Gegenwind 386, November 2020)
„Das SEK hat wieder die Tür eingetreten und die Cops haben alles mitgenommen. Also bin ich nicht unter meiner Nummer zu erreichen erst mal“, teilte Halil Simsek am 31. August lakonisch mit: Bereits 2017 verschaffte sich das SEK, das Spezialeinsatzkommando der Hamburger Polizei zweimal durch Eintreten der Wohnungstür um sechs Uhr morgens Zutritt zur Wohnung von Halil Simsek. Er tritt als Sprecher der antiimperialistischen Organisation „Roter Aufbau“ (1) auf, 2017 auch von dem Bündnis „G20 entern“ und dem Camp während der Gipfelproteste im Volkspark.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat jetzt gegen achtzig Beschuldigte Anklage erhoben wegen Teilnahme an einer Demonstration, die am 7. Juli 2017 morgens im Volkspark aufbrach, um an den Blockaden auf den Protokollstrecken der Delegationen von ihren Hotels zum G20-Gipfel in den Hamburger Messehalten teilzunehmen. Dazu kam es nicht, in einem Industriegebiet ohne viel Publikum wurden die 200 Teilnehmenden an der Demonstration in der Straße Rondenbarg von der berüchtigten Einheit „Blumberg“ der Bundespolizei gestoppt und viele von ihnen gewaltsam festgesetzt oder zumindest verletzt - 14 Personen mussten in ärztliche Behandlung, 80 werden aufgeteilt auf acht Prozesse in Gruppen angeklagt. Der erste Prozess soll am 3. Dezember beginnen und vor einer Jugendstrafkammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden - die fünf Angeklagten waren zum Zeitpunkt ihrer Festnahme unter 18 Jahre alt.
Für den Samstag vor Prozessbeginn, den 28. November, rufen Solidaritätsgruppen in vielen Städten zu Solidaritätsdemonstrationen auf.
Auch Halil Simsek vom „Roten Aufbau“ wurde bei der G20-Demo am Rondenbarg verhaftet. Er hält einen Zusammenhang zwischen der Razzia und den Ermittlungen nach § 129 StGB gegen den „Roten Aufbau“: „Es kann aber auch sein, dass man uns so einen Vorwurf macht, um über diesen Umweg eine passende Stimmung für die Rondenbarg-Prozesse vorzubereiten und damit den G-20-Protest insgesamt zu delegitimieren.“ In der Tat verknüpfen der Hamburger Staatsschutz und der Inlandsgeheimdienst gerne verschiedene Vorwürfe gegen radikale Linke miteinander.
Der Hamburger Inlandsgeheimdienst prangerte vor dem G20-Gipfel auf seiner Internetseite drei Personen als Organisator*innen radikalerer Proteste an: Emiliy Laquer von der Interventionistischen Linken, Andreas Blechschmidt von der Roten Flora - und Halil Simsek vom „Roten Aufbau“. Der Verfassungsschutz beobachtet nicht nur ihn seit Jahren. Aber jetzt ist die gesamte Organisation im Fokus eines Ermittlungsverfahrens nach Paragraf 129 StGB, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, in einigen Durchsuchungsbeschlüssen soll sogar der Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung erhoben werden, also Ermittlungen nach Paragraf 129a STGB.
„Der Staat schickte am 31. August etwa 200 Polizisten, um uns zum Teil mit dem SEK und Maschinengewehren aus dem Bett zu holen“, so der „Roter Aufbau“ in einem Solidaritätsaufruf: „Der Vorwurf ist, dass sie Mitglieder des Roten Aufbau Hamburgs wären und zusammen eine kriminelle bzw. terroristische Vereinigung gebildet hätten.“
28 Durchsuchungsbeschlüsse wurden vollstreckt, die meisten davon betrafen die Wohnungen von 22 namentlich Beschuldigten, fast alle wohnhaft in Hamburg. Auch ein vom „Roten Aufbau“ unterstützter Stadtteilladen im Arbeiterstadtteil Veddel, der „Lütje Lüüd“ (Kleine Leute), wurde durchsucht, so die Ladengruppe: „Die Polizei hat unsere Räumlichkeiten im Rahmen der Operation gegen den Roten Aufbau Hamburg durchsucht. Unser PC wurde beschlagnahmt und weitere Technik.“. Der „Rote Aufbau“ schilderte die Durchsuchungen so: „Heute Morgen hatten wir und Leute, die sie uns zuordnen, mal wieder Besuch. Teilweise kamen sie wieder mit SEK-Einheiten und haben Leute mit Maschinengewehren aus dem Bett gezogen. Es gibt ein Verfahren gegen unsere Struktur wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 StGB. Wir können aktuell das Ausmaß der Operation gegen uns nicht überblicken, aktuell gehen wir von etwa 10-15 Hausdurchsuchungen aus. Außerdem wurde der linke Stadtteilladen Lüttje Lüüd durchsucht. Es wurde jegliche Technik und Notizen mitgenommen, sowie einzelne Kleidungsstücke. Wir wissen, dass der 129 StGB berühmt ist als Schnüffelparagrafen, selten kommt es überhaupt zur Anklage, weil das primäre Ziel ist unsere Strukturen zu durchleuchten.“
Zwei durchsuchte Wohnungen liegen knapp außerhalb Hamburgs in Tornesch und Stelle, ein Beschuldigter wohnt in Siegen in NRW. „Die Beamten des Staatsschutzes führen im Auftrag der Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg seit 2019 ein Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 22 Mitglieder einer linksextremen Gruppe wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung“, so René Schönhardt, Pressesprecher der Hamburger Polizei: „Im Rahmen der Durchsuchungen wurden mehr als 200 Beamte eingesetzt, umfangreiche Beweismittel wurden sichergestellt, deren Auswertung andauert.“ Dass die „Ermittlungen andauern“, hätte er nicht zu betonen brauchen.
„Dies ist eine größere Aktion gegen unsere Strukturen, solche Angriffe hat es lange nicht gegen eine Gruppe der radikalen Linken gegeben“, erklärte der „Roter Aufbau“ bereits am Tag der Razzia.
Die teilweise martialische Durchführung der großen Anzahl an Durchsuchungen erinnerte eher an die Verfolgung terroristischer Attentäter als an die Ahndung von Sachbeschädigungen und Ordnungswidrigkeiten. Die bekannt gewordenen konkreteren Vorwürfe beziehen sich auf Sachbeschädigungen in Bussen und Bahnen. Und in einem aufwendig konstruierten Vorwurf einer Brandstiftung 2016 in einem Carport neben einem Wohnhaus.
Am 23. September 2016 gab es einen Brandanschlag auf den SUV des Polizeidirektors Enno Treumann und das Auto seiner Frau in ihrem Carport. Es gab ein Bekennerschreiben: Der „Menschenjäger“ Treumann sei gezielt attackiert worden, weil er mit racial profiling „eine Hetzjagd auf vermeintliche Dealer_innen“ leite: die „Task Force Drogen“ der Hamburger Polizei. Die Ermittlungen des Staatsschutzes verliefen im Sande, obwohl es nicht an tiefschürfenden Erkenntnissen bei den Ermittlern mangelte: „Die Dimension der Tat in Verbindung mit dem Bekennerschreiben, das ergab für uns in der Bewertung eine Steigerung der Intensität.“ So flüsterte ein - selbstverständlich anonymer - Staatsschützer Anfang Juni einem Reporter der Hamburger Morgenpost weltexklusiv zu: „Von der Professionalität der Vorgehensweise gibt es kaum ein Unterschied zur organisierten Kriminalität“.
Aber dann, Jahre später, stößt der Staatsschutz zufällig auf ein anonymisiertes Interview von zwei Vertretern des „Roten Aufbau“ in der taz, in dem diese zu einer Brandstiftung an einer Messehalle im Vorfeld des G20-Gipfels bemerken: „Das Wort Anschlag finde ich ein bisschen hochtrabend. Das ist auch ein legitimer Widerstand“ und: „Das ist medial sehr aufgebauscht worden.“ Was für eine heiße Spur! Wer so redet, zündet bestimmt auch ständig Carports an. Der Staatsschutz hat bereits bei zwei Mitgliedern des „Roten Aufbaus“ Hausdurchsuchungen durchgeführt, von denen die Interviewäußerungen stammen sollen. Wie ist der Staatsschutz auf die beiden Männer gekommen? Das Interview fand in den Redaktionsräumen der taz statt und die Interviewerinnen - Lena Kaiser und Katharina Schipkowski - haben den Quellenschutz gewahrt, also: die Namen nicht offengelegt. Der Verdacht liegt nahe: Die beiden Männer vom „Roten Aufbau“ wurden bereits zum Zeitpunkt des Interviews, Anfang Dezember 2016, rund um die Uhr observiert. Vermutlich auch bereits drei Monate vorher, so dass ihre Beteiligung an der Brandstiftung an Treumanns Autos nahezu ausgeschlossen werden kann.
Aber bei der Razzia wegen des Interviews wurde bei Halil Simsek - einer der beiden angeblich Interviewten - laut Darstellung der Polizei in einer kleinen Dose zufällig ein Notizzettel mit der Adresse und dem Autokennzeichen von Enno Treumann gefunden. Nur leider nicht in der Handschrift von Halil Simsek.
Trotzdem wurde im Juni 2020 bei der Vorstellung der ungelösten Autobrandstiftung von 2016 in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst...“ suggeriert, Halil Simsek sei der Tat verdächtig. Und am 31. August bei der Großrazzia gegen den „Roten Aufbau“ wird diese Autobrandstiftung als schwerster Tatverdacht reaktiviert.
Und wieder wurden bei der Großrazzia Computer, Mobiltelefone, Speichermedien und Kleidungsstücke beschlagnahmt. Irgendetwas wird sich schon finden, scheint die Devise zu sein. Zumal der Vorwurf der angeblichen Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Vordergrund zu stehen scheint und nicht konkrete Tatnachweise. Es sieht so aus, als ob hier eine ganze politische Gruppe kriminalisiert werden soll. Und durchleuchtet: Ein anonymer Staatsschützer erklärte gegenüber der „Welt“, die Organisationsstruktur des „Roten Aufbaus“ sei für sie schwer zu durchschauen. Durch die große Razzia kommt der Staatsschutz, Hamburger LKA die Abteilung 7, jetzt an viele geschützte Daten und Dokumente.
„Bei den Razzien handelt es sich um die größten Angriffe der letzten Jahre auf organisierte linke Strukturen“, kritisiert Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe: „Nur zwei Tage nachdem Neonazis die Stufen des Reichstages erklimmen konnten, ohne nennenswert daran gehindert worden zu sein, haben die Repressionsbehörden nichts Besseres zu tun, als eine aktive linke Gruppe zu kriminalisieren“.
Für den 12. September rief der „Rote Aufbau“ zu einer Demonstration „Standhalten gegen Repressionswelle und Klassenjustiz“ um 18 Uhr auf der Hamburger Reeperbahn auf. Etwa 1200 Leute folgten dem Aufruf, so Halil Simsek vom „Roten Aufbau“. Die Demonstration gab ein recht geschlossenes Bild entschiedenen Protestes, wie auf den hier abgedruckten Bildern der Demo von Taro Tatura zu sehen ist. Neben vielen roten Fahnen wurden rote Transparente mit Aufschriften wie vorneweg „Standhalten gegen Repression!“, „Solidarität aufbauen - gegen Klassenjustiz und Repression!“, „Kriminell ist das System“ oder „Wir sind alle 129“oder „Kampf der Polizei - Tod der Klassenjustiz“ getragen, jeweils mit Hammer und Sichel daneben. Auffällig in einem anderen Stil war ein großes weißes Transparent mit der Forderung: „§§ 129 abschaffen!“ Das Auftreten war recht offensiv: So wurde etwa gerufen: „Roter Aufbau - lässt sich nicht verbieten!“. Viele Demonstrierende riefen auch: „All Cops are Bastards“ oder „Bullenschweine“. Die Botschaft dürfte rübergekommen sein - die Polizei, der Feind und Gegner. Wie sinnvoll es ist, sich so in die Konfrontation zu begeben mit einer hochgerüsteten Polizei, sei mal dahingestellt. Die Polizei machte es dem „Roten Aufbau“ aber auch einfach: Hunderte Beamten in voller Kampfmontur mit Helm gingen neben der Demo her. Mehrere Wasserwerfer, ein Räumpanzer und die Hamburger Reiterstaffel standen bereit - eine Machtdemonstration der Polizeiführung.
Bereits zu einer ersten Spontandemo am 31. August gegen die Ermittlungen war es dem „Roten Aufbau“ wichtig, dass diese „spektrenübergeifend“ sei. Die Hamburger Gruppe GROW, Teil des Bündnisses „Ums Ganze“ rief auf: „Lassen wir uns nicht einschüchtern - unsere Solidarität gegen ihre Repression!“ und die Interventionistische Linke Hamburg: „Wir sind uns in Vielem uneinig, aber: Solidarität, wenn staatliche Repression zuschlägt!“ Auch aus der trotzkistischen SAV gab es Beteiligung an der ersten Spontandemo. Aber das Spektrum auf der ersten Demo war nicht sehr breit, viele der mehren Hundert Teilnehmenden kamen aus dem Umfeld des „Roten Aufbau“.
Die Geschichte des „Roten Aufbau“ erleichtert eine breite Solidarisierung nicht gerade. Im Internet findet sich unter chronikroteraufbau.blackblogs.org ein Text „Warum der Rote Aufbau Hamburg kein Teil der emanzipatorischen Linken sein sollte“, eine Chronik von 2009 bis 2019 „über Gewalt, Antisemitismus, autoritären Marxismus und Sexismus“. Insbesondere die Vorläufergruppe „Rote Szene Hamburg“, RSH, welche sich 2015 als „Roter Aufbau“ neu konstituierte, werden in dieser Chronik zahlreiche gewalttätige Angriffe auf als antideutsch identifizierte Linke vorgeworfen (2). Aber auch aus den letzten Jahren werden Gewaltandrohungen geschildert. Bereits an der antisemitischen Blockade der Vorführung von „Warum Israel?“ 2009 wurde sich seitens der RSH beteiligt. 2012 reichte es dem Plenum der Roten Flora: „In der Konsequenz lehnen wir eine Zusammenarbeit mit der RSH, der TAN (heute Assoziation Dämmerung) und der Sozialistischen Linken (SoL) ab. Hintergrund dieser Entscheidung sind nicht nur die wiederholten gewaltsamen Angriffe auf politische Gegner_innen, sondern auch die Blockade und Verhinderung des Claude Lanzmann-Filmes ‚Warum Israel’ im B-Movie Ende 2009.“ In der langen Erklärung heißt es etwa: „Es ist Aufgabe der gesamten Linken, ein politisches Klima zu schaffen, in dem innerlinke Gewalt nicht zur Form der Auseinandersetzung gehört. Mit Gruppen, die für solche Aktionen stehen, werden wir nicht zusammenarbeiten. Jenseits sonstiger möglicher politischer Gegensätze halten wir es zudem für wichtig, sich mit Betroffenen von gewaltsamen Übergriffen zu solidarisieren“ (3).
So richtig es ist, sich gegen die Kriminalisierung einer linken Gruppierung als angeblich krimineller oder gar terroristischer Vereinigung zu stellen und sich dagegen zu solidarisieren, so notwendig ist es auch, andere linke Aktive nicht als Klassenfeind zu betrachten - und israelsolidarische Linke und den Staat Israel nicht als rassistisch zu bekämpfen. Auch Kritik von anderen Linken an Mackergehabe und Sexismus muss ernst genommen werden. Hier ist es am „Roten Aufbau“, sich zu bewegen. „Getroffen hat es uns, gemeint ist aber die gesamte radikale Linke“ schreib der „Rote Aufbau“ in der ersten Reaktion auf die Großrazzia am 31. August. Ein Grund mehr, die gesamte Linke als gleichberechtigten Bündnispartner zu akzeptieren.
Die AG Shalom NRW steht beispielhaft für Linke, welche dem politischen Ansatz des „Roten Aufbau“ ablehnend gegenüberstehen, aber unabhängig davon gegen die Repressionsmaßnahme der Ermittlungen nach § 129 und 129 a protestieren. Sie schrieben am 2. September: „Wir werden niemals mit Schlägerbanden kooperieren, die unsere Genoss*innen angreifen. Mit derartigen Lumpen verbindet uns nichts. Der „Rote Aufbau“ Hamburg muss aus der politischen Linken vollständig ausgeschlossen werden.“ Die AG Shalom NRW schreibt ausdrücklich: „Unsere Sorge richtet sich auf die Anwendung der Repressionsmaßnahme an sich... Die Repressionsmaßnahme, mit der der bürgerliche Staat gegen den Roten Aufbau Hamburg vorgeht, ist der Paragraf 129a, der die Bildung terroristischer Vereinigungen betrifft. Der Paragraf 129 ist gemeinhin als Schnüffelparagraf bekannt, da er oft angewendet wird, jedoch nur selten zu tatsächlichen Verurteilungen führt.“ Sie betonen die Bedeutung des § 129: „Bei Betrachtung der Geschichte des Paragrafen 129 wird deutlich, dass er ein Instrument zur Zerschlagung linker Opposition darstellt. Rechte haben von ihm, wie das bei Gesinnungsparagrafen in bürgerlichen Staaten meist ist, wenig zu befürchten“. Sie verweisen auf eine Broschüre der Roten Hilfe zum Thema (4).
Konflikte unter Linken sind das Eine, demokratiegefährdende Repression das Andere: „Dem Staat ist es egal, ob der Rote Aufbau oder ähnliche Gruppen Linke angreifen. Der Staat scheißt auf uns und unsere Genoss*innen. Was der Staat im Roten Aufbau sieht, sind keine gewalttätigen antisemitischen Schläger, sondern eine kommunistische Gruppe. Für diese Tatsache ist es auch egal, ob israelsolidarische Linke dem Roten Aufbau absprechen wollen, links zu sein - ob diese Gruppe nicht in euer Bild von Links-Sein passt, ist dem Staat egal. Für ihn sind es Linke, für ihn sind es Kommunist*innen.“ Die Kriminalisierung des „Roten Aufbau“ mit dem § 129 ist eine gravierende Repression, die zurückgewiesen werden muss: „Es ging und geht uns nicht um Solidarität mit dem Roten Aufbau, sondern um Solidarität gegen den Paragrafen 129. Die Stimme gegen diesen Paragrafen muss auch dann erhoben werden, wenn er unliebsame Gruppen trifft.“ Die Ermittlungsverfahren gegen den „Roten Aufbau“ laufen zwar bereits seit 2019, aber ein Ende ist nicht abzusehen - vergleichbare Fälle, etwa gegen die Antifa (M) aus Göttingen, zogen sich über mehrere Jahre hin.
Auch die „Rote Flora“ hat sich Ende September mit einer längeren Stellungnahme zu der Kriminalisierung des „Roten Aufbau“ an die leider wenig interessierte Öffentlichkeit gewandt. Unter der Überschrift „Gegen jede repressive Hetze und Angriffe auf die Radikale Linke!“ (5). Das Plenum des Autonomen Zentrums betont: „Immer, wenn sich staatliche Repression gegen einzelne Betroffene bzw. Gruppen richtet, sind in der Konsequenz aber alle gemeint.“ Es sei wichtig, sich gegen Einschüchterung zu wehren. Aber Solidarität?
Dazu schreibt die Rote Flora: „Solidarität bedeutet für uns, mit gegenseitigem Respekt und Wohlwollen über eben bestehende inhaltliche Differenzen hinweg sich politisch aufeinander zu beziehen. Angesichts der Tatsache, dass es von Seiten des Roten Aufbaus bisher keinerlei erkennbare Bereitschaft gab, sich mit dem eigenen Agieren der letzten 11 Jahre (selbst)kritisch auseinanderzusetzen, fehlt uns das nötige Maß an gegenseitigem Respekt und Wohlwollen, um mit dem Roten Aufbau als politische Struktur solidarisch zu sein. Dessen ungeachtet sind wir aber ausdrücklich mit den betroffenen Menschen des Staatsschutzangriffs solidarisch.“
Die Rote Flora tritt gegen die Kriminalisierung durch den Staatsschutz ein, ohne etwas von ihrer Kritik am „Roten Aufbau“ zurückzunehmen: „Dieser Widerspruch, gleichzeitig Solidarität mit den Betroffenen von Repression zu fordern und sich vom Roten Aufbau zu distanzieren, ist auszuhalten. Die Kritik an politischen Inhalten und Gebaren dieser Struktur finden wir daher weiterhin richtig und wichtig.“
Angesichts der Tragweite einer Verfolgung nach § 129 eine Position, der sich auch andere linke Gruppierungen anschließen können, welche dem politischen Ansatz und dem Auftreten des „Roten Aufbau“ ablehnend gegenüberstehen. Denn die Kriminalisierung geht weiter:
Der Hamburger Senat erklärte laut „Hamburger Morgenpost“ vom 17. September in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten der CDU, Dennis Gladiator, bei der Razzia seien gefunden worden: „Schreckschuss-, Schlag- und Stichwaffen sowie Pyrotechnik, Zwillen und Benzinkanister. Außerdem wurden Unterlagen, Farbeimer, Spraydosen, Maskierungsmaterial und mutmaßliche Drogen sichergestellt. Insgesamt ein durchaus beunruhigender Fund“, so die Hamburger Boulevardzeitung. Bei Benzinkanistern könnte auch auf Autofahren geschlossen werden. Und Schreckschusspistolen sind eigentlich nicht die üblichen Waffen krimineller Banden oder terroristischer Gruppen. Erschreckend ist vielmehr, dass die Morgenpost daraus schließt: „‚Roter Aufbau’ hortet Waffen und Pyro-Technik“. Es können noch weitere Razzien und eine Ausweitung der Ermittlungen auf mehr Personen folgen. Zeit für eine Zurückweisung dieser Inszenierung einer Gefährdung durch eine angebliche kriminelle/ terroristische Vereinigung. Die wirkliche Gefahr für die Demokratie ist der Schnüffelparagraf 129.
Gaston Kirsche
Anmerkungen