(Gegenwind 376, Januar 2020)

Hasso Hohmann: Jemen. Traumhafte Bauten, wilde Landschaften.
Hasso Hohmann: Jemen. Traumhafte Bauten, wilde Landschaften. Verlag der Technischen Universität, Graz 2019, 304 Seiten im Großformat, 29 Euro

Buch

Großartiges Land, wunderschöne Fotos

Aktuelle Fotos aus dem Jemen sehen oft nicht schön aus, sie zeigen Zerstörung, Krankheit, Hunger und Tod. Die Fotos in diesem Jemen-Buch sind groß und schön. Grund dafür ist, dass der Autor, ein Architekt und Ethnologe, bereits 1991/92 in diesem Land war, später dann wieder. Er interessiert sich vor allem für die Architektur der Häuser und auch der Städte, und deshalb hat er das Land bereist.

In seinem Vorwort geht er nicht darauf ein, warum Reisebericht und Fotos erst jetzt erscheinen. Er geht aber darauf ein, dass vieles jetzt zerstört wird oder zerstört ist. Er beschreibt ganz kurz auch die politische Situation - das ist aber nicht seine Kernkompetenz. So beschreibt er die Zeit nach der Vereinigung, in der er das Land bereiste, als ein friedliches Jahrzehnt und vergisst, dass bereits kurz nach seiner Abreise ein verheerender und verlustreicher Bürgerkrieg ausbrach.

Dass der Jemen keine friedliche Geschichte hat, durchzieht aber das gesamte Buch. Es zeigt die Siedlungen im Jemen, vor allem die für den Jemen charakteristischen Hochhäuser, die ersten Hochhäuser der Welt. Die ersten wurden vor 1500 Jahre, vielleicht auch 2000 oder 2500 Jahre gebaut. Bis heute werden sie in einigen Städten ständig erneuert, so sind die Städte mit ihren Hochhäusern dann 1500 Jahre alt, die einzelnen Häuser aber 300 Jahre, weil es eben Lehmbauten sind, die regelmäßig abgerissen und neu gebaut werden müssen.

Der Autor zeigt aber auch Stadtbauern, Tore, Häuser ohne Fenster im Erdgeschoss (zur besseren Verteidigung) und allerlei andere Bauten, die klar zeigen, dass man sich immer gewehrt hat und immer auf Angriffe der Nachbarn gefasst sein musste. Zwischendurch gibt es auch Fotos, die andere Bauten zeigen, so osmanische oder britische, ebenso afrikanische. Er vergleicht Bauten und bestimmte Fenster auch mit denen aus dem antiken Griechenland oder dem mittelalterlichen Marokko, zeigt Parallelen in Äthiopien, das in alten Zeiten ein gemeinsames Reich mit einem Großteil des Jemen bildete (wo heute noch eine große afrikastämmige Minderheit lebt).

Von vielen Häuser und Moscheen hat er auch außer den Fotos Grundrisse oder Zeichnungen der Konstruktion der Wände angefertigt, damit man (zumindest als Architektin) versteht, was er erklären will. Denn sein Reisebericht ist ganz klar der eines Architekten, der sich über die Statik der Häuser, die er sieht, Gedanken macht, ebenso über die Funktionen. So ist ein Kapitel mit vielen Fotos und Zeichnungen alleine den (über tausend Jahre alten) Türschlössern aus Holz gewidmet, ein Kapitel trägt den Titel „Auskragungen und Vorspanneffekte“. Dass man einige Fachausdrücke auf Anhieb nicht kennt, weil man sie noch nie gehört hat, macht nichts: Direkt daneben zeigen große farbige Fotos, was gemeint ist.

Sechzig andere Kapitel nennen einfach Ortsnamen. Dabei geht der Autor aber nicht systematisch vor, sondern folgt einfach seiner Reiseroute und seinem Tagebuch, viele Orte kommen auch mehrfach vor, weil er mehrfach da war.

Nach 250 Seiten Fotos und Beschreibungen folgt dann die Analyse der Siedlungsformen, der Bauformen und der Architekturdetails, er ist da wirklich sehr gründlich. Ach ja: Ein Kapitel handelt auch von der Kleidung der Menschen, aber das ist eben nicht sein Schwerpunkt. Vielmehr interessieren ihn handgeschnitzte Holztüren, die er in etlichen Detailaufnahmen zeigt, oder kunstvoll gestaltete Fenster und ihre Bestimmung: Fenster, aus denen Männer rausgucken, neben solche, die nur für Frauen bestimmt sind.

Wer sich für den Jemen interessiert und einfach mal ein paar Stunden pure Schönheit ohne Probleme genießen will, sollte dieses Buch griffbereit haben.

Reinhard Pohl

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