(Gegenwind 374, November 2019)
Anfang des Jahres machte es Schlagzeilen: In Kiel studiert eine Ökotrophologie-Studentin, die sich komplett verhüllt. Katharina K. (siehe auch ihr Beitrag im Anschluss) trägt einen schwarzen Umhang, der den gesamten Körper einschließlich des Gesichtes verhüllt und nur einen kleinen Schlitz für die Augen lässt. Zwar studierte sie damals schon länger, aber die Uni-Leitung wusste nichts davon, und Probleme hatte es auch nicht gegeben. Jetzt hatte jemand von den Dozenten gefragt, und die Uni-Leitung entschloss sich daraufhin, das Verschleiern des Gesichtes in Vorlesungen und Prüfungen zu verbieten. Da die Betroffene dagegen klagte, bat die Uni die Landesregierung um eine Ergänzung des Hochschulgesetzes, um das Verbot dort zu verankern. Denn nur eine Hausordnung schien dem Präsidium zu schwach.
Die Landesregierung wurde sich nicht einig. Die CDU war für ein Verbot, die FDP auch ein wenig, die Grünen dagegen. Die Grünen erläuterten dazu, als Landtagsfraktion wäre man nicht für eine Verschleierung, sondern gegen eine gesetzliche Regelung.
Dann legte die AfD, die in dieser Diskussion zwischen Regierungsfraktionen eine Chance sah, einen Gesetzentwurf vor (Drucksache 19/1290). Es sieht vor, in das Hochschulgesetz einen Absatz einzufügen, der auf dem Geländer der Universität und bei allen Veranstaltung die Verhüllung des Gesichtes verbietet. In Einzelfällen könnte die Uni Ausnahmen zulassen.
Zu diesem Gesetzentwurf setzte der Innenausschuss eine schriftliche Anhörung an, zu der 110 Organisationen und Einzelpersonen aufgefordert wurden. Rund ein Drittel der Aufgeforderten schickte dem Bildungsausschuss eine Stellungnahme.
Alle Stellungnahmen sind im Verzeichnis „Umdrucke“ auf der Seite des Landtags Schleswig-Holstein verfügbar. (Suchbegriff: Gesichtsschleier
(Umdruck 19/2355)
Der Verband der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasallehrer ist für das Verbot und begründet das mit parallelen Erfahrungen im Schulunterricht: Man müsse die Mimik im Gesicht der anderen erkennen, um erfolgreich unterrichten zu können. Außerdem widerspreche die Verschleierung von Frauen der Gleichberechtigung.
(Umdruck 19/2405)
Der frühere Jura-Professor referiert ähnliche Verbote in anderen Ländern (Frankreich, Belgien, Österreich, Dänemark), die dort allgemein bzw. in öffentlichen Gebäuden oder bei Behörden gelten. Er hält das Tragen eines Niqab für ein politisches Statement, das die Nähe der Trägerin zu der Ideologie der Salafisten ausdrückt. Wer einen Niqab träge, distanziere sich von der freien Gesellschaft, er nennt das „Selbstausgrenzung aus der sie umgebenden Gesellschaft“ und „Ablehnung der westlichen Gesellschaftsordnung“.
Die Frauen tragen nach seiner Meinung den Gesichtsschleier freiwillig, es gehe also nicht um eine Unterdrückung von Frauen, wie es in Saudi-Arabien der Fall sein könne.
Die Uni könne und dürfe das verbieten. Sachgerecht sei das aber nur in Vorlesungen und Prüfungen, nicht so allgemein wie von der AfD vorgeschlagen. Denn geschützt werden dürfe nur die offene Kommunikation, und außerhalb von Vorlesungen und Prüfungen dürfe man niemanden dazu zwingen. Außerhalb von Vorlesungen, also zum Beispiel in der Mensa, könne man den Gesichtsschleier nur verbieten, wenn durch den Schleier der Frieden an der Uni bedroht sei - das habe aber niemand vorgetragen.
Ob er den Schleier auch verbieten würde, sagt er nicht, er äußert sich nur zur Zulässigkeit eines Verbotes und hält es für sicherer, das im Gesetz zu regeln, nicht nur in einer Hausordnung.
(Umdruck 19/2486)
Die Organisation für „Menschenrechte für die Frau“ nimmt nur Stellung zu Frauen, die gezwungen werden, Burka oder Niqab zu tragen. Und diese zu schützen, befürwortet die Organisation nicht nur ein Verbot an der Universität, sondern insgesamt in der Öffentlichkeit.
Zu Frauen, die sich selbst zum Tragen eines Niqab entscheiden, nimmt die Organisation keine Stellung.
(Umdruck 19/2488)
Die Universität spricht sich gegen ein Verbot aus. Dadurch würden Niqab-tragende Frauen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgegrenzt, unabhängig davon, ob sie den Niqab freiwillig oder unter Zwang tragen. Insbesondere denen, die zum Tragen gezwungen würden, würden durch den Ausschluss aus der Gesellschaft Möglichkeiten genommen, sich zu wehren. Die Demokratie sollte sich lieber Gedanken darüber machen, wie man allen eine Teilhabe ermöglichen könnte.
Die Diskussion würde außerdem verschleierte Frauen zu Objekten des Rassismus machen und sie auf ihren Körper reduzieren, das sei abzulehnen.
(Umdruck 19/2501)
Der Gesamtpersonalrat des UKSH will die Gleichberechtigung und die Religionsfreiheit. Eine Vollverschleierung beeinträchtige die Kommunikation. Deshalb empfiehlt man ein Verbot der Vollverschleierung für Lehrveranstaltungen.
(Umdruck 19/2538)
Der Rat für Migration hinterfragt zunächst den Sinn der Idee, gefragt zu werden. Die Studentin aus Kronshagen bei Kiel verschleiert sich zwar, ist aber nie migriert, sondern sie studiert nur. Mit Migration habe das nichts zu tun.
In der weiteren Stellungnahme zerpflückt man die Gesetzesbegründung der AfD: Dass die Universität weltlich sei, hieße nicht, dass Religionen unsichtbar sein müssten. Falls die Kommunikation nicht funktioniere, sollten Dozent und Studenten darüber sprechen wie Erwachsene. Und dass eine Verschleierung ein Sicherheitsrisiko sei, sei nicht nachvollziehbar - die Uni habe Hausrecht und könnte jede Person auffordern, sich auszuweisen. Eine pluralistische Demokratie brauche in solchen Fällen keine Verbote.
(Umdruck 19/2570)
Die Fachhochschule für Verwaltung in Altenholz weist darauf hin, bei ihnen würde für die Polizei, Steuerverwaltung und Rentenversicherung ausgebildet. Soweit die Absolventinnen später als Beamtinnen arbeiteten, dürften sie ihr Gesicht nicht verhüllen, das wüssten sie. Auf der Fachhochschule selbst gäbe es diesbezüglich keine Probleme und keinen Regelungsbedarf.
(Umdruck 19/2579)
Der Verein „Migration e.V.“ aus Kiel-Mettenhof nimmt nicht direkt zum Gesetzesentwurf Stellung. Man hat selbst nicht mit Niqab-tragenden Frauen zu tun, sieht sie nur gelegentlich auf der Straße. Wenn die Mimik nicht sichtbar ist, werde die Kommunikationshierarchie verändert. Die Debatte schade Mädchen, die früher oder später durch das Beispiel der eigenen Mutter mit einem Niqab zur Schule kämen, fürchtet Migration e.V.
(Umdruck 19/2582)
Der Personalrat lehnt ein Verbot der Vollverschleierung ab. Damit würde bestimmten Frauen die Möglichkeit genommen, zu studieren oder an der Hochschule zu arbeiten.
Es gäbe nur wenige Punkte, an denen eine Regelung sinnvoll sei. Das betreffe die Arbeitssicherheit oder die Kontrolle bei Prüfungen oder in sicherheitsrelevanten Laboren.
(Umdruck 19/2583)
Die Universität hält einen Eingriff in die Religionsfreiheit als Grundrecht nur dann als zulässig an, wenn es eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung dafür gibt. Die gäbe es im AfD-Entwurf nicht, aber die Universität sieht es nicht als ihre Aufgabe an, eine solche Begründung nachzuliefern.
Im Folgenden gibt die Universität ihre Stellungnahme zur bayerischen Regelung wieder, diese hält sie für angemessen. Die erforderliche Kommunikation müsse sicher gestellt werden. Sinnvoll findet die Universität eine bundesweite Abstimmung der gesetzlichen Regelungen. Eine Stigmatisierung von Musliminnen sei nicht zu befürchten, da Musliminnen in ihrer großen Mehrheit die Verschleierung des Gesichtes ablehnten und gerade kopftuch-tragende Musliminnen nicht mit denen in einen Topf geworfen werden wollten, die das Gesicht verhüllten. Es sei wünschenswert, dass das Tragen eines Kopftuches ausdrücklich ausgenommen würde.
(Umdruck 19/2584-neu)
Die Vereinigung lehnt den Gesetzentwurf ab, weil er gegen Grundrechte verstößt, den Eingriff nicht begründet und technisch zu schlecht gemacht ist.
Die Religionsfreiheit decke vermutlich auch das Tragen eines Niqab. Dazu sei es nicht erforderlich, dass es eine Vorschrift für die ganze Religionsgemeinschaft sei. Dazu reiche es auch, dass die Betroffene es für ihre Pflicht hält und andere nicht widersprechen. Somit müsste das Verbot als Gesetz gefasst sein und begründet sein.
Die AfD verweist auf das entsprechende Gesetz in Bayern. Das aber verweist in seiner Begründung wieder auf das Beamtenrecht. Eine Studentin sei aber keine Beamtin und deshalb auch nicht besonders zur Neutralität verpflichtet. Die Hochschule dagegen sei dazu verpflichtet, allen Studentinnen (und Studenten) die Teilnahme an der Ausbildung zu ermöglichen und dabei auch auf die verschiedenen Glaubensüberzeugungen einzugehen. Das Tragen eines Niqab zeige die Glaubensüberzeugung der Trägerin, gefährde aber niemand anderen. Auch der Lehrbetrieb wird nicht gefährdet, vor allem nicht in einem Riesen-Hörsaal, in dem man als Dozent sowieso nur die Mimik in den ersten Reihen erkennt, aber wegen der unterschiedlichen Herkunft und Religion ohnehin nicht eindeutig interpretieren kann. Insofern sei ein Verschleierungsverbot „überflüssig und damit unverhältnismäßig“.
Rein vorsorglich geht die Autorin noch auf diejenigen Frauen ein, die gezwungen werden, einen Niqab zu tragen, denen aber gleichzeitig erlaubt wird, an der Universität zu studieren. Wenn man hier den Opfern helfen und die Täter stoppen wollte, wäre es komplett unsinnig, das Opfer durch ein solches Verbot daran zu hindern, weiter zu studieren. „Das Verbot träfe schlicht die Falschen“.
Dass die Niqab-Trägerin später im Beruf keinen Niqab tragen dürfe und im Studium darauf vorbereitet werden sollte, wie die AfD behauptet, wäre nach Ansicht der Richtervereinigung spekulativ. Man wüsste ja bei einer Studentin gar nicht, welchen Beruf sie später wählt.
Ein Gesetz müsste die Voraussetzungen zu einem Eingriff in die Grundrechte genau definieren, wenn es der Universität ein gesetzlich gedecktes Handeln ermöglichen wollte, das tut dieser Gesetzentwurf nicht.
(Umdruck 19/2589)
Die Fachhochschule spricht sich gegen ein Schleierverbot aus. Es sei nicht zwingend erforderlich, ein Gesicht zu sehen, auch sehbehinderte Menschen studieren oder lehren an Hochschule. Diese wäre auch nur demokratisch, wenn sie verschiedenen Menschen die Teilnahme ermögliche. Falls eine Frau gezwungen werden, einen Niqab zu tragen, wären Sanktionen gegen die Frau der falsche Weg. Man müsste sich gegen die Männer wenden, die den Zwang ausüben. Falls das Land etwas zur Gleichberechtigung tun wolle, müssten Einrichtungen zur Beratung und Hilfe ausgebaut werden.
(Umdruck 19/2594)
Auch der Zuwanderungsbeauftragte vermerkt, dass er eigentlich nicht der richtige Ansprechpartner sei: Die Studentin sei ja nicht zugewandert, sondern Einheimische und trägt eben ein Kleidungsstück, das ihr nach eigenen Angaben ihre Religion vorschreibt.
Dem Zuwanderungsbeauftragen sind weder in diesem noch in anderen Fällen irgendwelche Probleme in der Praxis bekannt. Das Anfang des Jahres ausgesprochene Verbot der Uni beziehe sich auch ausschließlich auf den Gesichtsschleier von Frauen, nicht auf andere Kleidungsstücke, Tätowierungen oder Ähnliches. Der Gesetzentwurf will allen an der Universität (Studierenden und MitarbeiterInnen) die Verhüllung des Gesichts verbieten, nicht wie die AfD in der Landtagsdebatte sagte, eine Rechtsgrundlage für ein Verbot durch die Universität schaffen.
Der Zuwanderungsbeauftragte bezweifelt, dass ein solches Verbot die Kommunikation erleichtert. Denn die Betroffenen können ja nicht mehr zur Universität kommen. Insofern würde das Verbot die Kommunikation unmöglich machen. Außerdem richtet sich das Gesetz ausschließlich gegen Frauen, auch hier wird die Zulässigkeit vom Beauftragten bezweifelt.
Der Beauftragte weist außerdem darauf hin, dass ein solches Verbot nicht rückwirkend verhängt werden könnte, es müsste den Studienbewerberinnen schon vor ihrer Bewerbung um einen Studienplatz bekannt sein. Wer studiert, müsste noch zuende studieren dürfen.
Für Prüfungen empfiehlt der Beauftragte, eine Methode zur Identifikation individuell abzusprechen.
Die Betroffene hat sich selbst entschlossen, den Niqab zu tragen. Wenn die Universität die Kommunikation fördern wollte, müsste sie selbst auch zur Kommunikation bereit sein. Beide müssten also offen zur Diskussion sein. Es dürfte aber kein Druck ausgeübt werden, den Niqab abzulegen, ebenso wie kein Druck auf andere Frauen ausgeübt werden darf, einen Niqab zu tragen.
Letztlich empfiehlt der Beauftragte der Gesellschaft, Verschiedenheit auszuhalten. Er kritisiert, dass die Debatte über diesen Gesetzentwurf im Landtag nach dem Punkt „Extremisten entwaffnen“ und dem Punkt „Lagebericht zum Terrorismus“ stattfand, das rücke die Betroffenen in ein merkwürdiges Licht.
(Umdruck 19/2595)
Der AStA lehnt das Gesetz ab. Die Hörsäle wären voll, insofern die Mimik ohnehin nicht erkennbar. Viele wären anders sozialisiert, deren Mimik sagt bei gleichen Aussehen etwas anderes. Bei vielen Veranstaltungen gäbe es auch keine Anwesendheitspflicht.
Da sich der Gesetzentwurf einseitig gegen bestimmte muslimische Frauen richte, vermutet der AStA andere Motive als die angegebenen.
(Umdruck 19/2597)
Das Aktionsbündnis, ansässig in Wesseling bei Köln, legt eine sehr umfangreiche Stellungnahme vor.
Zunächst geht es um die Religionsfreiheit. Dazu gehört das, was die einzelne Trägerin der Grundrechte zu ihrer Religion rechnet, auch wenn es innerhalb der Glaubensgemeinschaft verschiedene Auffassungen dazu gäbe. Die Autorinnen gehen davon aus, traditionell wäre der Niqab Pflicht gewesen, erst in der Kolonialzeit habe es Verschleierungsverbote gegeben. Ein Eingriff in diese Religionsfreiheit müsste durch andere gleichwertige Rechte begründet werden.
Die Freiheit der Dozenten zu lehren wird nicht beeinträchtigt, nur weil sie ein Gesicht einer Studentin nicht sehen könnten. Das begründen die Autorinnen auch mit Urteilen zu anderen Störungen von Vorlesungen, die die Dozenten hinzunehmen hätten. Auch andere Studentinnen und Studenten würden nicht so sehr gestört, dass sie ein Recht auf ein solches gesetzliches Verbot hätten.
Einen Vergleich mit Schulen lehnen die Autorinnen ab: Diese haben einen „Erziehungsauftrag“, den hätten Universitäten nicht. Dort wäre es also egal, wenn einer Studentin nicht anzusehen ist, ob sie die Vorlesung versteht oder nicht. Sie selbst habe da auch eine „Eigenverantwortung“ und könnte sich melden.
Selbst wenn es Einschränkungen der Funktionalität der Hochschule gäbe: Ein allgemeines Verbot, dass dann auch in überfüllten Hörsälen, in der Bibliothek oder in der Mensa gilt, wäre übertrieben. Dafür gäbe es keine Rechtfertigung, die aber für einen Eingriff in die Grundrechte nötig wäre.
Bei speziellen Situationen (mündliche Prüfung, Versuche im Labor) wäre es denkbar, dass ein Niqab stört, da müssten aber sachliche Lösungen gefunden werden.
Die amf-Frauen beschäftigen sich im Anschluss noch mit der europäischen Rechtsprechung, die das französische Verhüllungsverbot akzeptiert hat. Sie diskutieren außerdem das Verhältnis zwischen europäischen Urteilen und dem Bundesrecht, das an das Grundgesetz gebunden ist.
Schließlich beklagen die Autorinnen, dass es seit Jahren Verbotsdebatten auf unterschiedlichen Ebenen gäbe. Es wären vorwiegend muslimische Frauen betroffen. Diese Debatten führten nicht nur zu einer Klimaverschlechterung in der Einwanderungsdiskussion, sondern auch zu konkreten Übergriffen. Diskriminiert würden immer die Frauen, insofern wäre es auch kein Beitrag zur Emanzipation.
Dabei verweisen die Unterzeichner auch auf die Unterschriftensammlung von „Terre des Femmes“ für ein Kopftuchverbot für Mädchen: Das ursprüngliche Ziel von 100.000 Unterschriften sei bald auf 10.000 Unterschriften reduziert worden, auch die seien nicht erreicht worden. Muslimische Organisationen hätten gleichzeitig mehr als 160.000 Unterschriften gegen ein Kopftuchverbot gesammelt.
Die Autorinnen halten das verlangte Verbot (das sie fälschlich als „Planung der Landesregierung“ bezeichnen, obwohl es ein Entwurf der AfD ist) für verfassungswidrig und kontraproduktiv für die Integration.
(Umdruck 19/2598)
Die Autoren halten den Gesichtsschleier für einen Teil der grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit. Insofern halten sie auch die Änderung der Hauptordnung der CAU für verfassungswidrig, solche Einschnitte könne nur der Gesetzgeber, also das Parlament vornehmen.
Die Autoren kritisieren das angestrebte allgemeine Verbot, das auch für Bibliotheken, Flure und Treppenhäuser gelten sollte, dort gäbe es aber überhaupt keine Begründung dafür. Sie empfehlen, zunächst Gesetzentwurf und Begründung entsprechend zu überarbeiten, damit der Eingriff auch begründet wird.
(Umdruck 19/2599)
Die Geschäftsführerin Seyran Ates führt aus, dass der Koran keine Pflicht kennt, sich ein Tuch um die Haare zu binden, einen Niqab kenne der Koran überhaupt nicht, und in Mekka sei er beim Besuch der Heiligen Stätten verboten.
Die Autorin geht davon aus, dass die Verschleierung die Frau unsichtbar machen soll, weil die Männer ihre Begierden nicht in den Griff bekommen. Insofern liegt ihr eine einseitige Sichtweise auf die Sexualität zugrunde.
Die Betroffene folge einer radikalen, salafistischen Auslegung der Religion. Sie gehöre deshalb einer als Religion getarnten politischen Bewegung an. Das sei auch daran zu erkennen, dass die Betroffene - Katharina K. - vom Verein „Föderale Islamische Union“ unterstützt würde, der Verein sei salafistisch und werde vom Verfassungsschutz beobachtet.
Die Autorin empfiehlt, das Tragen eines Niqab als politischen Extremismus zu verstehen und zu verbieten. Sie unterstellt der unterstützenden Organisation, eine Strategie zu verfolgen.
(Umdruck 19/2606)
Der Landesverband erklärt, dass er den Niqab grundsätzlich ablehnt, weil er eine besonders schwerwiegende Form der Diskriminierung von Frauen darstelle. Gleichzeitig sei man gegen die Diskriminierung von Frauen, die einen Niqab tragen oder tragen müssten.
Ob ein Verbot des Niqab in der Universität Frauen stärkt, werde unterschiedlich beurteilt.
Der Landesverband wünscht sich eine klare Haltung gegen patriarchale Gewalt.
(Umdruck 19/2607)
Das Landesdemokratiezentrum, das unter anderen religiösen Extremismus bekämpfen soll, hält das Tragen einen Niqab für einen Bestandteil der Religionsfreiheit. Es gäbe allerdings keine „oberste Autorität“ im Islam, die hier eine Pflicht feststellen könnte.
Zitiert wird zunächst der Koran, wobei die genutzte Übersetzung nicht von einem Tuch über den Haaren, sondern von einem „Schal“ ausgeht, der die Brüste bedecken soll - die Übersetzung „Tuch“ wäre erst viel später aufgekommen. Ein anderer Absatz gelte nur den Ehefrauen des Propheten, es wäre unzulässig, daraus eine Pflicht für alle Frauen abzuleiten. Ebenso bezöge sich die Pflicht, den „gilbab“ zu schließen, auf das Obergewand, ob damit auch die Haare zu bedecken seien wäre ungeklärt. Eine Überlieferung des Propheten (Hadith) sagt dagegen klar, Gesicht und Hände sollten nicht bedeckt werden.
Insofern wäre es strittig, ob das Tragen eines Niqab zur Religion gehörte.
Das Demokratiezentrum empfiehlt, über ein mögliches Verbot breit und ergebnisoffen mit muslimischen Einrichtungen zu diskutieren. In Frankreich habe das Niqab-Verbot zu einem Ausschluss der betroffenen Frauen aus der Öffentlichkeit geführt, das wäre nicht wünschenswert.
(Umdruck 19/2611)
Historisch sei der Gesichtsschleier bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in der islamischen Welt die Norm gewesen, dann hätte sich aber mehr und mehr die europäische Kleidung durchgesetzt. Angefangen hätten die Verhüllung und das Kopftuch erst in den 1970er Jahren wieder, nur in Saudi-Arabien wäre es nie verschwunden gewesen.
In Deutschland würde der Gesichtsschleier nur von bestimmten wahabitischen Salafistinnen getragen, die meisten nicht-wahabitischen Salafistinnen (und alle anderen Frauen sowieso) lehnten ihn ab. Dazu gehöre auch, dass die Betroffenen die Integration in die Gesellschaft ablehnten.
Ein Verbot würde in dieser Szene als Teil des Kampfes der Ungläubigen gegen die Gläubigen, Teil des Kampfes gegen „den Islam“ interpretiert. Das Institut empfiehlt, den Gesichtsschleier nicht zu verbieten, sondern öffentlich zu diskutieren. Dadurch würden die wenigen sehr konservativen Muslimas nicht zu Opfern gemacht, sondern müssten sich zu ihrer Haltung zur Gesellschaft äußern.
(Umdruck 19/2613)
Der Landesfrauenrat ist gegen den Gesetzentwurf der AfD. Sie sind gegen Gewalt gegen Frauen, ein Niqab könnte Ausdruck einer solchen Gewalt sein. Ein Verbot würde allerdings die Frauen aus der Uni ausschließen, und das Recht auf Bildung wäre gerade für sie wichtig.
Wenn Frauen den Niqab freiwillig trügen, wollte der Landesfrauenrat darüber nicht urteilen.
Ansonsten empfiehlt der Landesfrauenrat, die Anlaufstellen für Frauen zu stärken.
(Umdruck 19/2614)
Das Institut, namentlich Professor Christian Huck, übt Kritik daran, dass die CAU ein Niqab-Verbot erlassen hat, ohne das zuvor an der Uni zu diskutieren. Das Verbot hieße „Niqab-Richtlinie“, doch von der Unileitung würde so getan, als ginge als allgemein um die Sicherstellung der Freiheit von Forschung und Lehre.
Über die Offenheit einer Kommunikation entscheiden keine Äußerlichkeiten, sondern die innere Bereitschaft und das Vertrauen. Gerade in der Uni sollte das äußere Erscheinungsbild oder der Gesichtsausdruck für eine Beurteilung keine Rolle spielen.
Professor Huck plädiert dafür, eine Niqab-Trägerin persönlich anzusprechen. Ein generelles Verbot würde seine Freiheit als Hochschullehrer beschränken, das zu tun.
Ein Verbot wäre für ihn auch sinnlos, ob die Niqab-Trägerin dann Vorlesungen fernbliebe oder sich anders kleide, hätte ja keine Auswirkungen auf das Studium. Grund für das Verbot wäre, dass ein einzelner Dozent Unbehagen geäußert habe.
In einem Exkurs geht der Autor dann auf Bekleidungsvorschriften aus früheren Zeiten ein, in denen bestimmte Farben für bestimmte Gruppen verboten wurden, um Adlige zu schützen, ebenso waren Bekleidungsvorschriften Teil der Kolonisierung. Auf der anderen Seite war die Vollverschleierung in bestimmten Kreisen auch ein Teil des Widerstandes gegen die (europäische) Kolonialmacht. Für ihn ist der Wunsch, den Schleier runterzureißen, um der muslimischen Frau ins Gesicht zu blicken, Teil einer Herrschaftsphantasie.
Er gibt allerdings zu bedenken, dass der Niqab anti-emanzipatorisch sei und nicht unkritisch gesehen werden dürfte. Er empfiehlt aber, kein Verbot zu beschließen, sondern eine Beratungsstelle für etwaige Konflikte einzurichten.
(Umdruck 19/2615)
Der DHV hält die Debatte für notwendig. Er geht davon aus, dass die Kommunikation an der Uni erfordert, dass man sein Gegenüber sieht. Er befürwortet eine klare gesetzliche Regelung und möchte nicht, dass das Gesetz es den einzelnen Hochschulen überlässt, wie mit Gesichtsschleiern umgegangen wird.
Die vorgeschlagene Regelung der AfD hält der DHV für verfassungswidrig. Der Gesetzentwurf verbietet den Schleier für alle und überall an der Uni, ohne das zu begründen, das ginge bei einem Eingriff in die Religionsfreiheit aber nicht.
Denkbar wäre ein Verbot in Seminaren, Übungen und Praktika. Außerdem müsste die Identifizierung bei Prüfungen geregelt werden. Für Vorlesungen wäre ein solches Verbot zweifelhaft, in der Bibliothek oder der Mensa nicht zu rechtfertigen.
(Umdruck 19/2620)
Der Antidiskriminierungsverband lehnt das Niqab-Verbot ab.
Das Argument der notwendigen „Offenen Kommunikation“ kontert er mit dem Argument, dann wäre auch die Verwendung von Telefon und Email nicht möglich, und Seebehinderte könnten gar nicht studieren.
Für die Identifkation vor Prüfungen will der advsh eine pragmatische Lösung, zum Beispiel die Identifizierung durch eine weibliche Angestellte in einem Nebenraum.
Sofern die Niqab-Trägerinnen dazu gezwungen werden, wäre es sinnvoll, sie zu unterstützen. Sofern feministisch argumentiert wird, fordert der advsh, sich um die Rechte aller Frauen in Deutschland zu kümmern und sich nicht auf eine kleine Gruppe zu beschränken. Ein Ausschluss der Frauen aus Bildungseinrichtungen wäre für die Frauen keine Hilfe, sie könnten in der Folge auch schwerer ökonomisch unabhängig werden.
Ein Verbot wäre eine sexistische Diskriminierung.
(Umdruck 19/2621)
Der AStA lehnt es ab, Niqab-tragenden Frauen den Zugang zu einem Studium zu versperren. Wenn es dem Präsidium um die Kommunikation ginge, wären andere Möglichkeiten vorhanden.
Ausgeschlossen werden sollen nur Frauen. Männer und andere, die die Überzeugungen teilten, die zum Tragen eines Niqab führten, wären nicht betroffen.
In Vorlesungen wären bis zu 400 Studierende, da wäre die Mimik ohnehin für den Dozenten nicht zu beobachten. In Seminaren, Praktika oder Übungen wären es weniger, allerdings wäre die Anwesenheitspflicht ja abgeschafft - damit muss niemand mehr seine Mimik zeigen.
Soweit Frauen dazu gezwungen würden, einen Niqab zu tragen, würde durch das Verbot nur erreicht, dass sie noch abhängiger vom jeweiligen Unterdrücker würden.
(Umdruck 19/2622)
Die Beauftragte lehnt das Verbot und den Gesetzentwurf ab. Die „offene Kommunikation“ hält sie für nicht stichhaltig und auch diskriminierend. Denn Dozenten sollten nicht Gesicht und Mimik beurteilen, sondern Leistungen. Die Abschaffung der Anwesendheitspflicht bedeute auch, dass Studierende niemandem ihre Mimik zeigen müssten.
Auch Seebehinderte dürfen lernen und lehren, sie würden vom Verbot nicht erfasst - wäre das Verbot objektiv begründet, müssten sie genannt werden.
Den Gesetzentwurf charakterisiert sie als antimuslimischen Entwurf einer antimuslimischen Partei. Der Entwurf enthalte den Vorwurf, bei Tragen eines Gesichtsschleiern verweigere man den „offenen Meinungsaustausch“. Die Beauftragte beobachtet allerdings viel häufiger, dass unverschleierte Menschen die Kommunikation mit Muslimas verweigerten, nicht umgekehrt.
Besonders kritisiert sie, dass das Tragen eines Niqab zu einer „Sicherheitsfrage“ gemacht wird. In der Diskussion innerhalb der Uni habe es dazu geführt, dass in mündlichen Äußerungen auch angesprochen würde, die Trägerin eines Niqab könnte eine Bombe mit sich führen. Einige Uni-Angehörige hätten sich an die Beauftragte gewendet, weil sie nach Internet-Beiträgen gegen ein Verbot Morddrohungen erhalten hätten.
Den Verbot-Vertretern unterstellt die Beauftragte, sie wollen den visuellen Zugriff auf den Körper der anderen haben, das sei rassistisch und kolonial gedacht. In Deutschland gäbe es nun mal kein Recht darauf, das Gesicht einer anderen Person sehen zu dürfen. Die einzige Ausnahme sei die Identitätsfeststellung vor einer Prüfung. „Die AfD verteidigt die historisch gewachsenen Herrschaftsstrukturen Rassismus und Patriarchat.“
(Umdruck 19/2623)
Die Gewerkschaft lehnt ein Niqab-Verbot und überhaupt eine gesetzliche Regelung ab. Bei der Niqab-Trägerin handele es sich um einen Einzelfall, mögliche Probleme könne man individuell lösen.
An Schulen lehnt die GEW einen Niqab ab, es gibt aber auch keinen „Fall“. Außerdem fragt die GEW hier danach, wie ein Verbot umgesetzt werden könnte. Der Ausschluss einer Niqab-Trägerin vom Unterricht nach einem Verbot kollidiere mit der Schulpflicht.
Walter Blender vom Landesverband der jüdischen Gemeinden hat nur eine kurz Mail geschickt, nach der er ein Verbot zu zulässig hält, wenn die Religionsfreiheit nicht eingeschränkt wird (Umdruck 19/2302).
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultur zitiert die entsprechenden bayerischen Gesetze. Diese verbieten Beamtinnen, Schülerinnen und Lehrerinnen das Verhüllen des Gesichts. Probleme bei der Anwendung seien nicht bekannt (Umdruck 19/2407).
Die Universität zu Lübeck (Präsidium) sieht die Regelung eines grundgesetzlich geschützten Bereiches kritisch und lehnt pauschale Verbote ab. Sie sieht dafür weder einen Grund noch wäre das Verbot ausreichend klar, die Formulierung nennt die Uni „irritierend“ (Umdruck 19/2465).
Das niedersächsische Bildungsministerium verweist auf das eigene Schulgesetz: Danach dürfen Schülerinnen und Schüler durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung die Kommunikation nicht erschweren. Ob und wie die-se Regelung wirkt, wisse man nicht. An den Universitäten gäbe es einzelne Studentinnen, die sich verschleiern, das wäre aber kein Problem (Umdruck 19/2536).
Professor Hans Michael Heinig von der Uni Göttingen hält die Religionsfreiheit aus dem Grundgesetz für ein mögliches Hindernis, den Gesichtsschleier zu verbieten. Er empfiehlt eine Regelung im Hochschulgesetz, nach dem die Hochschule Regelungen nur erlassen darf, wenn der Lehrbetrieb tatsächlich gestört wird (Umdruck 19/2537).
Die Nordkirche schließt sich der Stellungnahme von Professor Heinig an (Umdruck 19/2574).
Die „Alevitische Gemeinde Kiel e.V.“ betont die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Ein Gesichtsschleier mache Mädchen und Frauen gesichtslos und werde deshalb von den Aleviten abgelehnt. Zum Gesetz selbst äußert sich die Gemeinde nicht (Umdruck 19/2580).
Udo Beer, Präsident der Fachhochschule Kiel, hält eine Vorschrift für Prüfungen für ausreichend: Gesicht und Hände müssten während einer Prüfung sichtbar bleiben (Umdruck 19/2581).
Die Muthesius-Kunsthochschule glaubt nicht, dass es überhaupt einen Konflikt zwischen der Wissenschaftsfreiheit und der Religionsfreiheit gibt. Sie hoffen, dass die Betroffenen sich intern einigen können, falls es Probleme gäbe. Nur wenn ein Niqab tatsächlich ein Symbol der Unterdrückung oder des Salafismus sei, müsste man sich über ein Verbot Gedanken machen (Umdruck 19/2596).
Der AStA der TH Lübeck kennt selbst keinen Fall einer Niqab-Trägerin und hält das für äußerst selten. Er nimmt ein konservatives Frauenbild als Motiv an. Ein Verbot und somit den Ausschluss vom Studium hält er aber für diskriminierend und ist strikt dagegen (Umdruck 19/2600).
Die Europa-Universität hat das Schreiben falsch verstanden: Sie verzichtet auf eine schriftliche Stellungnahme und will sich mündlich äußern. Es gibt aber nur diese schriftliche Anhörung (Umdruck 19/2603).
Das UKSH empfiehlt, das bayerische Niqab-Verbot in Schleswig-Holstein zu übernehmen (Umdruck 19/2612).
Ende Oktober wird der Parteitag der GRÜNEN über ein Niqab-Verbot beraten. Danach muss im Innenausschuss diskutiert werden, wie mit dem Antrag verfahren wird. Es ist zu erwarten, dass die drei Regierungsfraktionen nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Reinhard Pohl