(Gegenwind 373, Oktober 2019)
Schon mehrere Jahre gibt es Auseinandersetzungen im Landesverband Schleswig-Holstein, in der Landtagsfraktion und zwischen beiden der „Alternative für Deutschland“. Das ist jetzt weiter eskaliert. Protagonisten der Flügelkämpfe sind Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein, vor kurzem als Landesvorsitzende wiedergewählt, und Jörg Nobis, früherer Landesvorsitzender und aktuell Fraktionsvorsitzender im Landtag.
Aus der Fraktion wurde Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein schon vor einigen Monaten ausgeschlossen. Seitdem sitzt sie als Einzelabgeordnete im Landtag, ein paar Zentimeter hinter der nur noch vierköpfigen Fraktion.
Früher war Jörg Nobis Landesvorsitzender, bis Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein ihn mit einer Kampfabstimmung ablöste. In der Fraktion wurde Jörg Nobis zum Vorsitzenden gewählt, und Ende 2018 gelang es ihm, Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein auszuschließen. Begründung dafür war ihre Nähe zum Holocaust-Leugnungsverein „Gedächnisstätte“, dort war sie entweder Spenderin oder Mitglied oder beides. Der Ausschluss aus der Faktion wurde von Sayn-Wittgenstein vor dem Landesverfassungsgericht angefochten. Das urteilte am 29. August 2019: Der Ausschluss war rechtmäßig. Dabei ging es vor allem darum, ob eine Fraktion eine Abgeordnete mit solch einer Begründung ausschließen darf, das darf eine Fraktion.
Die Gründe für den Fraktionsausschluss hatte die Fraktion aber Anfang Dezember 2018 auch dem Bundesvorstand mitgeteilt. Der hielt eine Zusammenarbeit mit dem Holocaust-Leugner-Verein für unvereinbar mit der AfD-Mitgliedschaft, leitete ein Ausschluss-Verfahren ein und verpasste der Gräfin ein Funktionsverbot. Kurz nach Weihnachten 2018 trat sie als Landesvorsitzende zurück.
Am 17. Dezember 2018 leitete der Bundesvorstand ein Parteiausschlussverfahren gegen sie ein. Derweil hob das Landesschiedsgericht das Funktionsverbot gegen sie wieder auf. Die Begründung: Nach der Satzung der AfD Schleswig-Holstein wäre die Holocaust-Leugnung nicht verboten und die Unterstützung des besagten Vereins nicht unvereinbar mit der Mitgliedschaft. So kandidierte sie am 29. Juni 2019 wieder als Parteivorsitzende und wurde mehrheitlich gewählt. Am 28. August wurde sie aus der AfD ausgeschlossen.
Der Landesvorstand und damit wohl auch die Mehrheit des Landesverbandes halten an ihr als Vorsitzender fest, sie will auch Landesvorsitzende bleiben. Auf der Facebook-Seite gab es einige Diskussionen: Sie selbst stellte eine Erklärung zum Verbleib als Landesvorsitzende online. Dafür wurde sie teils gefeiert, teils wurde auch gefragt, wieso sie als Nicht-Mitglied überhaupt noch Schreibrechte hat, Nicht-Mitglieder können nämlich ansonsten nur kommentieren.
Die Landtagsfraktion erklärte zum Ausschluss durch das Bundesschiedsgericht: „Das ist eine gute und richtige Entscheidung“. Man hält sie dort auch nicht mehr für die Landesvorsitzende, wobei die Konsequenzen dieser Nicht-Anerkennung nicht klar sind. Am 29. August bestätigte aber das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein den Fraktionsausschluss, so dass Jörg Nobis gleich doppelt feiern konnte - durch Presseerklärungen, auch auf der Facebook-Seite der Landtagsfraktion, wo sich mehrheitlich seine Anhängerinnen und Anhänger tummeln.
Es handelt sich aber nicht um einen „gemäßigten Flügel“ und einen „radikalen Flügel“. Beide Seiten lehnen Migration ab, verteufeln den Islam und vertreten ein rassistisches Menschenbild. Noch auffälliger: Beide Seiten stellen sich selbst immer wieder als Opfer dar, Opfer der Kritik aus der Bevölkerung und Opfer der anderen AfD-ler.
Allerdings erzielen die Vertreterinnen und Vertreter des „Flügels“, der sich auch so nennt, zur Zeit weit bessere Wahlergebnisse als diejenigen, die sich gemäßigt geben. Insofern ist es wahrscheinlich, dass sich der Flügel von Bernd Höcke mit der Zeit durchsetzt und damit auch Doris Fürsten von Sayn-Wittgenstein mit ihrem Verbleiben an der Spitze des AfD-Landesverbandes erfolgreich pokert.
Reinhard Pohl