(Gegenwind 370, Juli 2019)
Viel Protest gab es, von manchen auch Lob - aber es ist schwer zu durchblicken, was der Bundestag am 7. Juni beschlossen hat. Acht neue Gesetze hatte die Regierung vorgelegt, sieben sind verabschiedet worden, zwei (oder mehr?) müssen noch durch den Bundesrat. Für die einen stand das „Einwanderungsgesetz“ im Mittelpunkt, für die anderen das „Abschiebegesetz“. Die anderen sechs fanden wenig Aufmerksamkeit. Dennoch ist es für alle, die sich mit Flucht und Asyl, aber auch alle, die sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands beschäftigen, sinnvoll, etwas genauer hinzusehen.
Dieses Gesetz ist unter dem Begriff „Einwanderungsgesetz“ lange diskutiert worden. Eine ganze Zeit sah es so aus, als wollte man an die „Balkan-Regelung“ anknüpfen, die für fünf Jahre die Einwanderung für Arbeitskräfte zulässt - einzige Bedingung: Sie müssen sich selbst ernähren können. Und während der Diskussion hatte Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, auch den „Spurwechsel“ in die Diskussion gebracht: Menschen, die Asyl beantragt haben, aber keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes nachweisen können, müssten ja nicht mehr einwandern, könnten aber einen Aufenthaltstitel als Arbeitskräfte erhalten.
Schon der jetzige Titel „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ zeigt, dass sich CDU/CSU weitgehend durchgesetzt hat. Bisher können Fachkräfte nur einwandern, wenn sie ein bestimmtes Gehalt erreichen und in „Engpassberufen“ arbeiten. Jetzt können sie in allen Berufen arbeiten, auch ohne Vorrangprüfung - also auch, wenn es im jeweiligen Beruf arbeitslose Deutsche gibt. Auch dürfen sie ein Visum für sechs Monate beantragen und bekommen, ohne einen Arbeitsvertrag zu haben. Sie müssen nur ihre Fachausbildung nachweisen und müssen sich in den sechs Monaten, in denen sie Arbeit suchen, von Erspartem ernähren können.
Eine Ausnahme gibt es für IT-Fachkräfte: Sie müssen keine Ausbildung nachweisen, aber für die Aufenthaltserlaubnis brauchen sie einen Arbeitsvertrag mit einem Einkommen von mindestens 50.000 Euro im Jahr.
Für abgelehnte Flüchtlinge gibt es hier auch eine kleine Möglichkeit zum Spurwechsel. Denn für die Aufenthaltserlaubnis braucht man kein Visum, man darf also illegal gekommen sein. Man braucht allerdings eine Facharbeiter-Ausbildung oder ein Studium, beides darf man aber mit Duldung absolvieren.
Etwas versteckt im Gesetz wird endlich auch die Fortsetzung der „Drei-plus-zwei-Regelung“ (drei Jahre Ausbildung mit Duldung, zwei Jahre arbeiten mit Aufenthaltserlaubnis) geregelt. Die Aufenthaltserlaubnis, die in den ersten zwei Jahren nur zum Zweck der Arbeit im Ausbildungsberuf erteilt wird, wird dann ohne diese Auflage verlängert. Allerdings wurde auch geregelt, dass man die Aufenthaltserlaubnis verliert, wenn man die Arbeit verliert.
Verankert ist im Gesetz überdeutlich die „Nützlichkeits-Auslese“: Wer über 45 Jahre alt ist, muss entweder vorhandene Rentenansprüche oder ein Mindestgehalt von zur Zeit rund 44.000 Euro im Jahr nachweisen. Der „Spurwechsel“ soll eben nur für die jungen, leistungsfähigen Geflüchteten möglich sein.
Da aber nach wie vor Arbeitskräfte, vor allem aber Kandidatinnen und Kandidaten für eine Ausbildung fehlen, muss schon die nächste Bundesregierung hier nachbessern. So blieb denn auch die „große Koalition“ bei dieser Abstimmung alleine, die vier anderen Parteien im Bundestag stimmten gegen das Gesetz.
Im ersten Gesetz wurde im Sommer 2017 verboten, den Ausreisepflichtigen das Abschiebedatum mitzuteilen. Das führte in der Praxis zur absurden Situation, dass Abschiebungen nur noch überraschend und nur noch von der Polizei vollzogen werden können. Bis 2017 war es üblich, dass „unproblematische“ Ausreisepflichtige einen Brief bekamen, wann sie sich zur Abschiebung auf dem Flughafen einzufinden haben, das funktionierte relativ einfach.
Zur Zeit scheitern viele Abschiebungen daran, dass die Polizei nicht genug Personal hat, zum Beispiel weil sie auch wichtige Aufgaben wahrnimmt. Andererseits gibt es Druck durch Boulevard-Zeitungen und AfD-Reden, dass die gesunkenen Abschiebezahlen sicherlich darauf zurückgehen, dass die abgelehnten Flüchtlinge „untertauchen“.
Im Gesetz wird es jetzt erleichtert, Abschiebungshaft zu verhängen, und die Plätze in Abschiebungshaft sollen verdoppelt werden. Das Mittel dazu ist einfach: Abschiebehaft soll auch im normalen Gefängnis möglich sein, auch wenn die EU-Rückführungsrichtlinie genau das verbietet. Erleichtert wird mit dem Gesetz auch die Verhängung des „Abschiebegewahrsams“, das bedeutet, Abzuschiebende können bis zu 10 Tagen auf dem Flughafen eingesperrt werden. Das soll der Polizei die Terminplanung erleichtern, weil sie nicht mehr am Morgen des Abfluges aktiv werden muss. Allerdings gibt es dieses Abschiebegewahrsein jetzt ein paar Jahre, schleswig-holsteinische Ausländerbehörden haben es noch nie genutzt - die Einrichtungen sind auf den Flughäfen in Hamburg, Hannover oder Frankfurt vorhanden.
Abschiebungshaft kann jetzt nicht nur verhängt werden, wenn jemand untertaucht, sondern auch, wenn jemand in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt hat und diesen Staat verlassen hat, ohne das Ergebnis abzuwarten. Das soll die europäische Rechtsprechung unterlaufen, dass bei Dublin-Verfahren Haft nicht verhältnismäßig ist.
Neu eingeführt wird die „Mitwirkungshaft“: Wer aufgefordert ist, Papiere bei der Botschaft des Herkunftsstaaten zu besorgen, das aber nicht entschlossen genug angeht, kann jetzt in „Mitwirkungshaft“ genommen werden. Die Polizei soll sie oder ihn dann zur Botschaft nach Berlin oder einen anderen Ort fahren. Die „Mitwirkungshaft“ kann auch verhängt werden, wenn das Gesundheitsamt die Reisefähigkeit untersuchen soll, die Kandidatin oder der Kandidat den Untersuchungstermin versäumt hat.
Eingeführt wird eine neue Duldung: Die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität. Diese Duldung ist mit einem Arbeitsverbot und eine Wohnsitzbeschränkung, also dem Umzugsverbot verbunden. Geregelt wurde hier auch die Zumutbarkeit, einen Pass zu beantragen: Dafür muss man die geforderten Fotos abgeben (also iranische Frauen ordnungsgemäß verhüllt), Fingerabdrücke abgeben, Gebühren bezahlen (Syrerinnen und Syrer manchmal bis 100 Euro pro Monat), die Wehrpflicht erfüllen und anderes.
Abschiebetermine sind jetzt ein „Dienstgeheimnis“: Während die Termine vorher nicht aktiv mitgeteilt werden durften, aber auf Nachfragen geantwortet werden durfte, darf jetzt auch nicht mehr auf Fragen geantwortet werden.
In mehreren Urteilen wurde in den letzten Monaten festgestellt, dass die Polizei zum Durchsuchen einer Wohnung einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss braucht, auch wenn sie einen abgelehnten Asylbewerber zur Abschiebung sucht. Das wurde im Gesetz jetzt geregelt: Auf der Suche nach abgelehnten Asylbewerbern darf die Polizei jetzt in Wohnungen eindringen.
Geregelt wurde außerdem die „unabhängige Beratung“ von Geflüchteten in der Erstaufnahme: Beraten werden sie vom BAMF, das dann auch über den Asylantrag entscheidet, das BAMF soll allerdings „unabhängig“ beraten. Dafür sollen Geflüchtete ohne Kinder jetzt bis zu 18 Monaten dort leben, nach einer Ablehnung des Asylantrages unbegrenzt.
Asyl-Anerkennungen sollen in Zukunft nach fünf Jahren, nicht wie bisher nach drei Jahren überprüft werden. Das ist einerseits eine Reaktion auf die hohe Arbeitsbelastung des BAMF, das zur Zeit mehr als 200.000 Anerkennungen überprüft (Stand: 31. Mai 2019). Es ist aber auch der Wunsch des BAMF, weil auch nach drei Jahren der Krieg in Syrien noch nicht zu Ende ist, Anerkennungen also nicht widerrufen werden können. Geregelt werden auch Leistungskürzungen, wenn jemand abgelehnt ist, nach Meinung der Behörden ausreisen könnte, aber nicht ausreist.
Beschlossen wurde das Gesetz von den beiden Fraktionen der „großen Koalition“. Viele Abgeordnete von FDP und AfD haben aber nicht dagegen gestimmt, sondern sich enthalten. Linke und Grüne haben dagegen gestimmt.
Die Berufsausbildungsbeihilfe können jetzt alle Gestatteten und Geduldeten erhalten, die Aufzählung der Berechtigten wurde ersatzlos gestrichen. Das Arbeitslosengeld wird jetzt bei Besuch von Sprachkursen weiter gezahlt, obwohl die Deutsch-Schülerinnen und -Schüler in der Zeit keine Arbeit annehmen können. Hier haben sich die bisherigen Regelungen als kontraproduktiv erwiesen, weil bei vielen hier lebenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Fortbildung und Qualifizierung völlig ohne Sinn behindert wurde.
Bei den Integrationskursen gibt es wieder eine halbherzige Lösung: Sie werden für Gestattete geöffnet, wenn für diese ein dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist. Dann werden sie aber auch für Geduldete geöffnet, meistens also Geflüchtete, deren Asylantrag abgelehnt wurde, wenn sie vor dem 1. August 2018 eingereist sind. Alle, die später eingereist sind, dürfen nur teilnehmen, wenn aus ihrem Herkunftsland mehr als 50 Prozent der AntragstellerInnen anerkannt werden. Eine ähnliche Regelung gibt es für die berufsbezogene Sprachförderung.
Die gesamte Regelung ist unnötig kompliziert: Zwar dürfen in Zukunft mehr Einwanderer Deutsch lernen. Dafür soll es auch 2020 zusätzlich 43 Millionen Euro geben. Allerdings gibt es wieder aufwändige Einzelfall-Entscheidungen und Ablehnungen, eine völlig unnötige Bürokratie. Welchen Nutzen soll es bringen, Einwanderer am Deutschlernen zu hindern?
Insgesamt soll es in Zukunft vier Duldungen geben: Neben der „normalen“ Duldung die schlechtere Duldung für Menschen ohne klare Identität, zusätzlich die Ausbildungsduldung und, jetzt neu, die Beschäftigungsduldung. Jede Duldung bekommt einen eigenen Paragraphen im Aufenthaltsgesetz.
Die Ausbildungsduldung wird jetzt auch für Helferberufe geöffnet. Allerdings werden die Regelungen zur Klärung der Identität strenger geregelt, andererseits die Ausschlussregel „wenn die Abschiebung schon vorbereitet wird“ klarer definiert. Die Duldung kann jetzt sechs Monate vor Beginn der Ausbildung schon gegeben werden, damit ist man vor Abschiebung geschützt.
Neu ist die Beschäftigungsduldung, die allerdings schwer zu bekommen ist. Man muss seine Identität klären und 12 Monate lang eine „normale“ Duldung haben, in dieser Zeit kann die Ausländerbehörde die Abschiebung versuchen. Man bekommt die Beschäftigungsduldung dann erst, wenn man bereits 18 Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, und zwar mindestens 35 Stunden pro Woche. Und wenn man dann 30 Monate lang die Beschäftigungsduldung hatte, also nach insgesamt fünf Jahren, bekommt man dann die Aufenthaltserlaubnis, mit der man endgültig in Deutschland bleiben darf.
Die Regelung gilt aber nur für Geflüchtete, die vor dem 1. August 2018 eingereist sind, und sie gilt nur befristet bis 2023. Es handelt sich also nicht um den erhofften Spurwechsel für viele, sondern nur für wenige. Die Koalitionsfraktionen haben dafür gestimmt, die vier Oppositionsfraktionen dagegen.
Das Positive gleich vorweg: Bisher werden Asylbewerberleistungen und ALG-II oft eingestellt, wenn Geflüchtete eine Ausbildung oder ein Studium anfangen. Der Grund ist: Bafög-Leistungen sind vorrangig, und bisher sollten Leistungen schon eingestellt werden, wenn man einen Antrag auf Bafög stellen kann. Diese wurden aber meistens abgelehnt, weil die erforderlichen Aufenthaltszeiten noch nicht erreicht waren oder ein entsprechend positiver Bescheid für den Asylantrag fehlte. Diese Regelung wird jetzt - für Gestattete und Geduldete - ersatzlos gestrichen, die Leistungen als weiter gezahlt.
Die Leistungen selbst werden als Anpassung an gestiegene Lebenshaltungskosten leicht erhöht. Das wurde die letzten Jahre versäumt, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu verpflichtet hat. Sie werden auch nicht ausreichend erhöht. Außerdem werden großen Gruppen die Leistungen gekürzt: Das betrifft alle, die im Flüchtlingsheim leben, sie bekommen in Zukunft den zehn Prozent niedrigeren Satz für Verheiratete, auch wenn sie ledig sind. Das geringere Satz für Jugendliche gilt in Zukunft nicht mehr bis zum 18., sondern bis zum 25. Geburtstag. Und allen, die im Flüchtlingsheim leben, werden nochmal pauschal 10 Euro abgezogen, unter anderem deshalb, weil sie ja gemeinsam kochen können und dadurch Geld einsparen können.
Positiv wiederum ist, dass die „Übungsleiterpauschale“, die viele Sportvereine an Ehrenamtliche bezahlen, in Zukunft ohne Anrechnung ausgezahlt werden darf.
Da Flüchtlinge jetzt bis zu 18 Monate in der Erstaufnahme leben müssen, gelten die Sätze aus dem Asylbewerberleistungsgesetz auch für die ersten 18 Monate in Deutschland. Erst danach werden „Analogleistungen“ nach den Bestimmungen des SGB-II und SGB-XII gezahlt.
Das Gesetz wurde von den beiden Koalitionsfraktionen verabschiedet. Linke, Grüne und AfD stimmten dagegen, die FDP enthielt sich.
Im Integrationsgesetz von 2016 wurde vor allem die „Wohnsitzauflage“ eingeführt: Die vielen Flüchtlinge, die 2014 bis 2016 kamen, sollten nach ihrer Anerkennung nicht frei umziehen dürfen, sondern für drei Jahre im Bundesland des Asylverfahrens bleiben. Umziehen dürfen sie seitdem nur, wenn sie woanders Arbeit finden oder ein Studium beginnen. Die Wohnsitzauflage sollte bis 2019 bei allen Anerkennungen in die Papiere eingetragen werden.
Jetzt wurde beschlossen, dass die dreijährige Wohnsitzauflage auch nach 2019 weiter gilt. Der offizielle Grund, nämlich eine Ghetto-Bildung durch Zuzug bestimmter Nationen in bestimmte Städte zu vermeiden, wurde allerdings bisher nicht überprüft.
Klargestellt wurde jetzt, dass die Wohnsitzauflage auch für junge Erwachsene gilt, die als Kind anerkannt wurden, dann aber mit dem 18. Geburtstag einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten. Und geklärt wurde, was passiert, wenn die Wohnsitzauflage wegen eines Arbeitsplatz im anderen Bundesland aufgehoben wurde, im neuen Bundesland aber die Arbeit verloren ging: Dann soll die Ausländerbehörde eine neue Wohnsitzauflage für das neue Bundesland verhängen. Nicht geregelt wurde, wie die Ausländerbehörde vom Arbeitsplatzverlust erfährt und ob sie wirklich genug Zeit für die neue Aufgabe hat.
Dieser Regelung stimmten die Koalitions-Fraktionen gemeinsam mit der AfD zu.
Im Ausländerregister sind alle Ausländerinnen und Ausländer gespeichert, die sich in Deutschland aufhalten oder aufgehalten haben, auch als Besucherinnen oder Besucher. Außerdem sind hier alle gespeichert, die reisen wollten, also ein Visum beantragt haben. Und es sind alle gespeichert, die beim Visumantrag geholfen haben. Dazu sind Eingebürgerte gespeichert, weil sie ja mal Ausländerinnen oder Ausländer waren: Die größte Datenbank der Welt.
Die soll jetzt erweitert werden. Wurden jetzt Flüchtlingen ab 14 Jahren die Fingerabdrücke abgenommen, wird das auf Flüchtlinge ab sechs Jahren ausgedehnt. Außerdem soll das BAMF unbegleitete Minderjährige registrieren, auch wenn diese keinen Asylantrag stellen. Ferner sollen jetzt alle Förderungen von freiwilligen Ausreisen gespeichert werden.
Mehr als 1800 Behörden erhalten zusätzlich Zugriff auf die Daten. Außerdem erhalten sie das Recht, diese Daten auch untereinander weiterzugeben.
Die AZR-Nummer soll in etliche Papiere, zum Beispiel die Gestattung oder eine Fiktionsbescheinigung, aufgenommen werden, um schneller auf die Datensätze zugreifen zu können.
Jugendämter werden in Zukunft verpflichtet, die Datensätze „ihrer“ Jugendlichen zuverlässig einzugeben und ständig zu aktualisieren.
Die „Fundpapier-Datenbank“ wird abgeschafft. Damit sollten „gefundene“ Papiere den AsylbewerberInnen, die sich möglicherweise unter falschem Namen registriert haben, zugeordnet werden, um sie zu „entlarven“. Diese Bestimmung war 2005 mit großer Öffentlichkeitsarbeit angekündigt worden, damit sollte die Identifizierung erheblich vorangetrieben und „Asylbetrug“ gezielt aufgedeckt werden. Nach 14 Jahren lautet das Ergebnis: Null. Mehr als 78.000 Papiere wurden untersucht, keine einzige falsche Identität gefunden. Jetzt sollen gefundene Papiere einfach ihrem Eigentümer zurückgegeben werden, der sie wiederum dem Besitzer aushändigen kann.
Bisher wurden Strafurteile dem BAMF und der Ausländerbehörde mitgeteilt. In Zukunft sollen auch die Einleitungen von Strafverfahren, auch wenn diese später im Sande verlaufen, mitgeteilt werden. Und es soll eine zusätzliche Bestrafung geben: Das BAMF soll Dublin-Verfahren und Asylverfahren bei Einleitung eines Strafverfahrens prioritär bearbeiten.
Das ganze Gesetz ist sehr umfangreich, 12 Artikel auf 104 Seiten. Die AfD stimmte wieder mit der großen Koalition für das Gesetz.
Am wichtigsten und am stärksten öffentlich kommuniziert wurde, das Freiwillige beim „Islamischen Staat“ ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können. Nicht so stark wurde kommuniziert: Nur die, die sich dem IS in Zukunft anschließen, nur die Doppelstaatler - und bei der Kostenabschätzung steht ganz klein, es handele sich in den nächsten Jahren vermutlich um eine niedrige zweistellige Zahl von Betroffenen, insofern entstünden kaum Kosten.
Bei der Gelegenheit wurde noch eingefügt, dass Einbürgerungs-Bewerber sich „in die deutsche Rechtsordnung eingefügt“ haben müssen, womit vor allem Männer ausgeschlossen werden sollen, die in Mehrfachehe leben. Bei solch einer allgemeinen Formulierung kann das allerdings auch weiter ausgelegt werden, das muss die Praxis zeigen. Viele KritikerInnen sehen darin die Einführung einer „Leitkultur“.
Die Identität, auch das wurde von SPD und CDU/CSU nachträglich eingefügt, muss vor der Einbürgerung restlos geklärt sein - und kommt später heraus, dass es eine Täuschung gab, kann die Einbürgerung innerhalb der ersten zehn Jahre widerrufen werden. So etwas Ähnliches stand bisher schon im Gesetz, allerdings war ein Widerruf nur fünf Jahre möglich.
Da CDU/CSU und SPD beim Einbringen des Gesetzentwurf in die Beratungen formelle Fehler gemacht hatten, was eine Abstimmung am 7. Juni nicht möglich. Sie soll Ende Juni nachgeholt werden.
Die Änderungen sind für die Betroffenen teils positiv, teils negativ. Es gibt bei der Bundesregierung keine klare Linie. Öffentlich erklärt man, dass man die Zahl der Abschiebungen erhöhen will.
Für die Unterstützungs-Szene ist das Hauptproblem, dass „Abschiebungen“ an sich als positiv und erstrebenswert dargestellt werden, je größer die Anzahl, desto besser. Das wird von der Bundesregierung unter Beteiligung der SPD so dargestellt, aber auch von einem großen Teil der Presse.
Konkret bedeuten die Gesetzesänderungen jetzt aber wieder, dass Ausländerbehörde und Polizei stärker belastet werden und damit die Zahl der Abschiebungen eher sinkt. Auch gibt es zusätzliche Möglichkeiten, durch Ausbildung oder Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, auch wenn die Hürden dafür höher sind als zuvor gehofft und teils auch in Aussicht gestellt. Zwar könnte eine Erleichterung der Abschiebungshaft oder Abschiebegewahrsam die Zahl erhöhen, das ist aber relativ unwahrscheinlich, weil die Kapazitäten fehlen.
Kaum kommuniziert werden die globalen Zahlen. In den Jahren 2013 bis 2018 haben 1.825.638 Menschen einen Asylantrag gestellt, davon die meisten aus Syrien, Afghanistan und Irak. Von ihnen haben 581.627 eine Anerkennung und einen blauen Pass erhalten, 209.744 bekamen subsidiären Schutz, dürfen also als Kriegsflüchtlinge bleiben, bei weiteren 65.668 wurde die Abschiebung verboten, meistens aus medizinischen Gründen. Aber es ist kaum bekannt, dass 383.826 Menschen ausgereist sind - da ist der Streit um 21.000 oder 23.000 Abschiebungen pro Jahr relativ unwichtig. Und um mehr als um die Erhöhung der Zahl um 3.000 oder 5.000 pro Jahr geht es überhaupt nicht.
Die neuen Gesetzesänderungen können allerdings wieder dazu führen, das war schon 2015, 2016 und 2017 so, dass viele Angestellte in Ausländerbehörden die Versetzung in eine andere Behörde beantragen, weil der Fortbildungsbedarf bei den immer wieder geänderten Vorschriften einfach zu viel ist. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörden neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen und einarbeiten müssen - und es bedeutet, in der Zwischenzeit gibt es weniger Beschäftigungserlaubnisse, weniger Zustimmungen zu Visumanträgen und auch weniger Abschiebungen.
Wer die Arbeit der zuständigen Behörden effektiver machen will, muss sie manchmal auch einfach in Ruhe arbeiten lassen, ohne in jedem Wahlkampf Gesetzesänderungen einzubringen und eilig durch das parlamentarische Verfahren zu hetzen. Eilig sind in Wirklichkeit Klimaschutzgesetze. Das zeigen auch die Wahlergebnisse: SPD, CDU und AfD können mit Gesetzesverschärfungen zur Steigerung der Zahl der Abschiebungen nicht wirklich punkten.
Reinhard Pohl