(Gegenwind 364, Januar 2019)
VONOVIA gerät immer wieder in die Schlagzeilen, weil der Konzern über die gewöhnlichen und zum Teil deftigen Mieterhöhungen hinaus durch Tricksereien versucht, seine Profite zu erhöhen. Davon sind auch viele Mieter*innen in Kiel betroffen, besonders, wenn ihre Wohnungen künftig aus der Mietpreisbindung fallen.
VONOVIA ist mit einem Bestand von rund 400.000 Wohnungen Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen mit rund einer Million Mieter*innen. Der Konzern gehört zum DAX mit seinen 30 größten deutschen Aktienunternehmen. In Schleswig-Holstein hat VONOVIA 36.000 Wohnungen.
Diese Aktiengesellschaft ist faktisch eine Kapitalsammelstelle, die das Kapital ihrer Aktionär*innen sammelt, um es mit möglichst hohen Renditen in der Wohnungswirtschaft anzulegen. Über 70% der VONOVIA - Aktien befinden sich im Streubesitz. Der größte institutionelle Anleger ist Black-Rock mit 8,2 Prozent. Das Gesamtvermögen des Konzerns beträgt 37,5 Milliarden.
Was hier so technisch klingt, ist in der Realität ein ungeheurer Vorgang.
Das Grundbedürfnis der Menschen auf guten und bezahlbaren Wohnraum wird völlig dem Shareholder Value untergeordnet. Denn das Einzige, was Aktienbesitzer*innen interessiert, ist eine möglichst hohe Rendite. Das ist nun einmal die Logik in diesem Monopoly.
Anders als bei Mietverhältnissen mit privaten Vermieter*innen besteht keine persönliche Beziehung zwischen den Aktienbesitzer*innen und Mieter*innen. Auch die Frage, ob die Wohnungen in einem guten und zumutbaren Zustand sind, ob es schimmelt, der Wind durch die Ritzen pfeift oder die Heizung immer wieder ausfällt, ist den Aktienbesitze*innen in der Regel gleichgültig, denn sie sehen das Ganze nur als Kapitalanlage und kennen ihre Mieter und Mieterinnen nicht.
Nach diesen Spielregeln ist VONOVIA höchst erfolgreich. Laut Geschäftsbericht stieg der Aktienkurs von 17,13 Euro im Jahr 2013 auf 41,39 Euro im Jahr 2017. Das bedeutet einen Kursgewinn von rund 140 Prozent.
Auch das Jahresgehalt des Vorstandsvorsitzenden Rolf Buch stieg in diesem Zeitraum erheblich von 4 Millionen Euro auf 5,7 Millionen Euro. Damit erhält er das 135-fache vom Durchschnittsgehalt seiner Mitarbeiter*innen. Deren Einkommen liegt dagegen 18 Prozent unter dem Durchschnitt der Branche. [1]
Ein wesentliches Element der Gewinn- und Umsatzsteigerung des Konzerns ist die starke Expansion auf dem Wohnungsmarkt. Die „Deutsche Anington” und heutige VONOVIA ging in den letzten 20 Jahren erfolgreich auf Einkaufstour. Im Zuge der Privatisierungswelle bei öffentlichen Einrichtungen kaufte sie zahlreiche kommunale Wohnungsgesellschaften auf. Dazu kamen Werkswohnungen und die Übernahme anderer Wohnungsgesellschaften. Über diverse Verkäufe landete auch ein hoher Bestand der ehemaligen Kieler kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die einst in Kiel über rund 11.000 eigene Wohnungen verfügte, bei VONOVIA.
Der letzte spektakuläre Kauf erfolgte im Herbst 2018 mit dem Kauf der österreichischen BUWOG, die einen Bestand von 49.000 Wohnungen mitbrachte.
Nachdem VONOVIA am deutschen Wohnungsmarkt erfolgreich abgraste, geht der Konzern jetzt in Frankreich, Österreich und Schweden verstärkt auf Einkaufstour.
Die meisten der VONOVIA-Wohnungen liegen im mittleren und unteren Mietpreissegment. Viele davon werden oder wurden staatlich gefördert und können mit einem Mietberechtigungsschein gemietet werden. Salopp gesagt verfährt VONOVIA hier nach dem Motto: „Kleinvieh macht auch Mist. Die Menge bringt's”.
Dabei führt ein hoher Anteil an Sozialmieter*innen und Mieter*innen mit einem Wohnberechtigungsschein zu sicheren Mieteinnahmen, die wiederum für VONOVIA faktisch als staatlich finanzierte Sicherheit bei der Aufnahme günstiger Kredite eine äußerst wichtige Rolle spielen.
Immer wieder gerät VONOVIA in die Schlagzeilen, weil der Konzern durch aufwändige Wohnungssanierungen die Mieten erheblich erhöht. Damit werden die betroffenen Mieter*innen oft zum Auszug gezwungen, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Die Wohnungen werden im Anschluss zu hohen Mieten an zahlungskräftige Mieter*innen vermietet oder teuer als Eigentumswohnungen verkauft.
In diesem Zusammenhang sind VONOVIA wiederholt Tricksereien nachgewiesen worden. Denn Renovierungen und Reparaturen dürfen nicht auf die Mieten umgelegt werden.
Für Modernisierungen können dagegen die Mieten zeitlich unbegrenzt bis11 Prozent und künftig bis 8 Prozent erhöht werden. Indem VONOVIA nachweislich Renovierungen als Modernisierung ausgegeben hat, konnte der Konzern erhebliche Zusatzgewinne verbuchen.
In Bremen kam es beispielsweise zu Mieterhöhungen aufgrund von angeblichen Modernisierungen von 40 %. In zweiter Instanz wurde das vom Landgericht Bremen einkassiert, weil die Abgrenzung von Renovierung und Modernisierung nicht transparent war. Nun wird nicht jede Mieterin oder jeder Mieter unter dem Druck einer Mieterhöhung klagen, wenn er oder sie befürchten muss, ohne den geforderten Aufpreis die Wohnung räumen zu müssen. Der Klageweg ist in der Regel sehr aufwändig und lang. Auf die-se abschreckende Wirkung kann und wird VONOVIA setzen.
In den letzten zehn Jahren hat VONOVIA ein sogenanntes „Insourcing” vorgenommen und für die Bewirtschaftung und Pflege des eigenen Wohnungsbestands Tochterfirmen gegründet. Das heißt, dass Winterdienste, Gartenpflege, Handwerksleistungen und Hausmeistertätigkeiten von konzerneigenen Firmen übernommen werden. Dadurch fließen nicht nur zusätzliche Gewinne in die Konzernkasse, sondern dadurch werden auch dubiose Leistungsnachweise und Kostenabrechnungen ermöglicht.
Die privaten Vermieter, die die Nebenkostenabrechnungen von externen Firmen an die Mieter weiterreichen, sind in der Regel an niedrigen und transparenten Nebenkosten interessiert, damit sie mehr Spielraum für die Kaltmiete haben, die sie einnehmen. Das ist bei VONOVIA anders. Inzwischen bringen die Gewinne aus der Immobilienbewirtschaftung dem Konzern mehr als die Vermietung (siehe SPIEGEL ONLINE 19.11.2018).
Nach Recherchen des SPIEGELs ergibt sich der Verdacht, dass fehlerhafte Abrechnungen zuungunsten der Mieter*innen zum System gehören.
So kam es beispielsweise in einer Münchner Wohnanlage zu erhöhten Stromkosten von 40 Prozent und die Kosten für den Winterdienst verdreifachten sich. Bei VONOVIA-Anlagen in Dresden verteuerte sich der Winterdienst sogar um 1.000 Prozent.
Für eine Berliner Wohnanlage wurde der Hausmeisterservice pauschal mit 43.000 Euro berechnet. Nach einem angeforderten Tätigkeitsnachweis wurde aber nur 49 Tage gearbeitet. Das ergibt einen Tagessatz von 930 Euro. In einer Anlage in München betrug er sogar 1000 Euro ( SPIEGEL s.o.).
Das sind nur spektakuläre Beispiele. In vielen weiteren Fällen sind die Beträge durch fehlerhafte Abrechnungen niedriger aber in der Masse sehr profitabel. So erklärt der Geschäftsführer des deutschen Mieterbunds Ulrich Topertz: „Überall, wo VONOVIA Bestände hat, gibt es Probleme ... Jede zweite Abrechnung ist falsch.” Auch hier gilt, dass Beschwerdeverfahren und Klagen so kompliziert und langwierig sind, dass viele Mieter*innen davor zurückschrecken.
In Kiel hat VONOVA rund 11.000 Wohnungen. Der größte Teil liegt davon im unteren und mittleren Mietpreisbereich. Viele dieser Wohnungen befinden sich in großen Wohnanlagen in Gaarden und Mettenhof.
Auch in Kiel klagen viele Mieter*innen über undurchsichtige und hohe Nebenkostenabrechnungen, über unzulängliche Instandhaltungen der Wohnungen, über Schimmel und nicht funktionierende Fahrstühle.
In die Schlagzeilen geriet VONOVIA in Kiel zuletzt mit der Absichtserklärung, in Gaarden nach der Aufhebung der Mietpreisbindung 600 ihrer 3000 Wohnungen „vergleichsweise aufwändig” sanieren zu wollen (VONOVIA-Chef Nils Bartels). Das bedeutet absehbar für viele Mieter*innen dieser Wohnungen, ausziehen zu müssen, weil sie sich die Mieterhöhung nicht leisten können. Da in Kiel bis zum Jahresanfang rund 4.000 Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen, sind weitere deftige Mieterhöhungen infolge von „aufwändigen Sanierungen” zu befürchten.
Allerdings hat VONOVIA-Chef Buch im Dezember 2018 angekündigt, deutschlandweit 40 Prozent weniger energetisch zu sanieren. Er begründet das mit der „dramatisch zurückgegangenen Akzeptanz ... Es nutzt nichts, wenn die Leute das nicht wollen” („Kieler Nachrichten” vom 7. Dezember). Inwieweit das nur ein verbales Placebo für die Kritiker*innen und die Betroffenen ist, wird sich zeigen. Die Aussage beschränkt sich auch nur auf die energetischen Sanierungen. Ob und wieweit die genannten 300 Wohnungen in Gaarden dazugehören ist völlig offen.
Andererseits wird bei diesem „Rückzug” aber auch deutlich, dass Mieterproteste und Klagen zu einer zunehmenden öffentlichen Kritik an dem Geschäftsgebaren von VONOVIA geführt haben, und dass das Image dieses Konzerns dadurch stark beschädigt wurde.
Dieser Erfolg darf allerdings nicht dazu führen, VONOVIA nicht weiterhin kritisch auf die Finger zu schauen und sich gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen, gegen undurchsichtige hohe Nebenkostenabrechnung und schlampige Instandhaltungen möglichst kollektiv zu wehren.
Das geschieht am besten, indem Mieter*innen in gemeinsamen Versammlungen ihre Erfahrungen austauschen und ihren Protest und Widerstand gegen ungerechtfertigte Mieterhöhungen und andere Missstände kollektiv organisieren. Dass das ein erfolgreicher Weg ist, zeigen Beispiele aus Bremen, Berlin und München. Natürlich geht das auch in Kiel!
Andreas Meyer
Anmerkung: 1) Prof. Bontrup "Finanzinvestor mit angeschlossener Immobilienwirtschaft". Gutachten im Auftrag der LINKEN Bundestagsfraktion