(Gegenwind 349, Oktober 2017)
Seit Jahren wird darüber diskutiert: Wie lange dauert es eigentlich, eine Autobahn oder eine Bundesstraße zu planen? Wie lange dauert es von der Idee bis zur Fertigstellung? Im Landtagswahlkampf spielte vor allem die A20 von Bad Segeberg bis zur Elbquerung bei Glückstadt eine Rolle. Ebenso ging es darum, wie Autos und Züge weiter fahren sollen, wenn sie aus dem dänischen Tunnel unter der Ostsee auf Fehmarn an Land kommen: Bisher sieht es so aus, als könnte Dänemark mit dem Tunnel 2028 fertig sein, wenn die Bauarbeiten 2021 beginnen. Unklar ist, ob auf deutscher Seite die Anschluss-Straßen (B 207 und Autobahn 1, außerdem die neuen Bahngleise) bis dahin auch fertig werden.
Die A20 wurde in Mecklenburg-Vorpommern relativ schnell gebaut, danach dauerte es rund um Lübeck schon etwas länger, noch länger dauerte es bis Bad Segeberg. Dort steht der Bau seit Jahren still, auch weil das Bundesverwaltungsgericht die Planungen bemängelte, bei der die Fledermaus-Vorkommen auf der Trasse vergessen wurden. Im Wahlkampf versprachen CDU und FDP, nach einem Wahlsieg die A20 bis zur Elbe zu bauen, und zwar innerhalb der Legislaturperiode. Kurz nach der Wahl erklärte der Verkehrsminister Bernd Buchholz, das wäre wohl nicht zu schaffen, aber man könnte überall dort bauen, wo es einen fertigen Plan gäbe - also auch kleinere Autobahn-Stücke mitten in der Landschaft.
Im Juni 2017 legte der SSW jetzt im Landtag einen Antrag vor (Drucksache 19/14), das Planungsrecht zu beschleunigen. Es geht darum, die Öffentlichkeit frühzeitig zu beteiligen, dann Plan-ordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren zusammen zu legen und den Beschluss zum Bau im Parlament (Landtag oder Bundestag) verabschieden zu lassen. Der Antrag zielt natürlich auf das Landesrecht.
Im Juli legten die drei Koalitionsparteien CDU, Grüne und FDP einen Alternativantrag (Drucksache 19/94) vor. Der schwächt das Ansinnen sehr stark ab: „Der Landtag bitten die Landesregierung darum, neue Wege zu suchen, um Planungsprozesse effektiver gestalten zu können.”
Der Wirtschaftsausschuss des Landtages beschloss am 6. September, eine schriftliche Anhörung durchzuführen. Davon machten ein Dutzend Verbände und Vereine Gebrauch, die aber in der Regel nur kurze Stellungnahmen schicken wie der ADAC, die IHK oder Naturschutzverbände. Eine sehr lange Stellungnahme schickte Wilhelm Mecklenburg, Rechtsanwalt, der auch einige Initiativen zur „Festen Fehmarn-Belt-Querung” (FFBQ) und zur A20 gerichtlich vertritt. Er wies dabei auf eine ganze Reihe von Missverständnissen und Fehlinformationen in der öffentlichen Diskussion hin. Zur A20 bezog er sich auf die Abschnitte 3 bis 8, von Bad Segeberg bis zur Elbe, die allgemein „Nordwestumfahrung Hamburg” genannt werden.
Alle Planungsunterlagen sind über bob-sh.de öffentlich einsehbar.
Die Stellungnahme von Wilhelm Mecklenburg (Landtags-Umdruck 19/422) soll hier zusammengefasst werden:
Beschleunigungsgesetze werden schon sehr lange beschlossen, teils versteckt, teils offen. Bekannt ist vermutlich das „Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz”, das 1990 zur baulichen Begleitung der deutschen Einheit beschlossen wurde.
Mit der Aufstellung des Bedarfsplans für das Bundesfernstraßennetz übernimmt auch der Bundestag als Gesetzgeber die Beschlussfassung, die danach verbindlich für die Linienbestimmung und die Planfeststellung ist. Dieser Teil des SSW-Antrags ist also längst Realität. Damit ist das Planfeststellungsverfahren, was das „Ob” des Vorhabens angeht, gar nicht mehr „ergebnisoffen”, was aber Voraussetzung für eine echte Beteiligung der Öffentlichkeit wäre - denn diese Anhörung und Erörterung sollte dazu führen können, auch auf ein Projekt zu verzichten, was jetzt praktisch nicht möglich ist.
Die jetzige Forderung der regierungstragenden Fraktionen, die Landesregierung möge nach neuen Wegen suchen, ist allerdings das Eingeständnis, dass alle Beschleunigungsgesetze der letzten 30 Jahre nichts beschleunigt haben, denn sonst müsste man keine neuen Wege suchen (lassen).
Schon bei früheren Gesetzen wurden Schritte zusammengelegt und die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgezogen. Das Ergebnis war aber nicht eine Beschleunigung der Planung hin zum Baubeginn, sondern eine höhere Klagerate. Das lag vor allem daran, dass die Beteiligung von den Behörden nicht ernst genommen wurde.
Der Autor der Stellungnahme weist auf den Brandschutz des A20-Tunnels bei Glückstadt hin: Die Beteiligung geschah frühzeitig und war ausführlich. In der Planfeststellung findet sich aber nichts davon wieder, alles was festgestellt wurde, wurde ignoriert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil diese Nicht-Beachtung akzeptiert. Gerade die Geschichte der Brandschutz-Diskussion auf dem Flughafen BER in Brandenburg zeigt aber, dass das Ignorieren von Einwänden solch ein Projekt gerade nicht beschleunigt, sondern nur die gründliche und fehlerfreie Bearbeitung.
Die A20-Planungen in Mecklenburg sind damals, kurz nach der Vereinigung, tatsächlich beschleunigt worden. Die Planungen gingen schnell, die Einwände wurden schnell zurückgewiesen, die Firmen schnell beauftragt - und auch der Bau ging schnell.
Naturschutzverbände hatten damals gegen die Querung von Tribsees (Landkreis Vorpommern-Rügen) protestiert. Dort besteht der Untergrund aus Moor, genauer: einer Moorlinse. Dort ist die Autobahn jetzt auf 40 Meter Länge um 5 Meter abgesackt. Eine schnelle Reparatur kommt nicht in Frage, weil der nicht abgesackte Teil der Autobahn direkt dahinter bei Wiederinbetriebnahme der Autobahn über kurz oder lang auch absacken würde. Um alles richtig zu reparieren, zum Beispiel eine richtige Brücke zu bauen, muss für einige Jahre eine Umleitungsstrecke eingerichtet werden. Die soll im Sommer 2018 fertig sein und zwei bis drei Jahre lang halten - in der Zeit soll dann der gesamte Autobahnabschnitt, der gegen den Protest von Naturschützern gebaut wurde, neu gebaut sein. Aber: Schnell ging es damals.
Der SSW baut bei seinem Beschleunigungsplan darauf, dass die Öffentlichkeit frühzeitig beteiligt wird, dann aber ein Parlament entscheidet. Gegen Behördenentscheidungen kann man klagen, und zwar als Anlieger oder auch als Naturschutzverband. Gegen einen Parlamentsbeschluss kann man nur agieren, indem man in einigen Jahren andere wählt, nur das neue Parlament könnte alte Beschlüsse ändern.
Bereits in der Landtagsdebatte haben andere Parteien Zweifel geäußert, dass eine solche Übertragung der Entscheidungskompetenz an das Parlament mit der Verfassung vereinbar ist. Denn dadurch würde die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes ausgehebelt. Deshalb haben die regierungstragenden Fraktionen auch den einigermaßen aussagelosen Alternativantrag formuliert, der um eine Suche bittet.
Im Falle der A20-Planung kann man auch keine Schritte zusammenlegen, denn ein Raumordnungsverfahren hat es gar nicht gegeben, nur ein Planfeststellungsverfahren. Und das vorgeschaltete Linienbestimmungsverfahren lässt sich mit dem Planfeststellungsverfahren nicht zusammenlegen, weil ja zuerst die verschiedenen Varianten untersucht werden müssen, bevor man konkret plant.
Für die aktuelle Diskussion gilt außerdem: Sowohl die A20 als auch die Hinterlandanbindung der Festen Fehmarnbelt-Querung sind Projekte des Bundes, darüber kann der Landtag gar nicht beschließen.
Darüber hinaus gab es ja direkt nach der Vereinigung das „Investitionsmaßnahmengesetz”, das solche Genehmigungen durch das Parlament vorsah, die auch erfolgt sind. Das Ganze war vor dem Bundesverfassungsgericht, das es erlaubt hat - allerdings als Ausnahme in besonderen Situationen, wie es die Vereinigung war. Als Regel kommt es also nicht in Frage, das hat auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags am 25. Oktober 2016 in einer Stellungnahme so gesehen.
Das hat auch damit zu tun, dass mit einem Planfeststellungsbeschluss auch mögliche Enteignungen von Grundstücken passieren können. Wenn ein Parlament das beschließt, kann man auch dagegen nicht mehr klagen. Und das geht nach unserem Grundgesetz nicht, wobei die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch an die Enteignungen in der Nazi-Zeit dachten. Hier unterscheidet sich die Situation in Deutschland von der in Dänemark.
Zur Fehmarnbelt-Querung, also dem dänisch finanzierten Tunnel und der deutsch finanzierten Hinterland-Anbindung in Ostholstein gibt es zur Zeit den Staatsvertrag. Der gilt in Deutschland wie ein Gesetz. Im Staatsvertrag ist allerdings nicht festgestellt, dass die Fehmarnbelt-Querung gebaut wird. Es ist dort nur geregelt, dass Dänemark den Tunnel auf dänischer und auf deutscher Seite alleine bezahlt, falls er gebaut wird. Deshalb konnte der Vertrag auch vom Bundestag verabschiedet werden. Aufgrund des Vertrages kann niemand enteignet werden. Das ist erst möglich, wenn auf deutscher Seite das Planfeststellungsverfahren mit allen Klagemöglichkeiten abgeschlossen ist.
Die teils sehr komplexen Fragen, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens von der Behörde untersucht und bei Anhörungen diskutiert und vertieft werden, sind für einen Parlamentsbeschluss in der Regel auch zu kompliziert. Es gab im dänischen Parlament auch einen Antrag von Rot-Grün, eine Anhörung mit Experten für Umweltschutz und Europarecht zu machen, das wurde von der Mehrheit abgelehnt. Auch das zeigt, dass die Mehrheit wohl ahnte, dass das Vorhaben komplizierter ist als für ein Parlament zu bewältigen.
Übrigens: Bei den ersten Planungen hatten dänische Politiker noch verkündet, dass sie mit den Bauarbeiten 2015 starten und 2021 fertig sind. Man kann insofern nicht sagen, dass dänische Planungen immer schneller sind als deutsche Planungen, auch wenn das in den Verlautbarungen so aussieht.
Früher war alles besser? Die Startbahn II des Hamburger Flughafens wurde in weniger als einem Jahr ge-plant und genehmigt. Das war allerdings 1962: Der Planfeststellungsbeschluss umfasste 11 Seiten. Berücksichtigt wurde die Sicherheit der Anwohnerinnen und Anwohner, vor allem der in und um Quickborn (die Startbahn führt auf schleswig-holsteinisches Gebiet). Es ging aber weder um Lärm noch um Umweltschutz, zum Beispiel Luftreinhaltung oder Wasserrecht. Insofern ist die Frage, auch an die Anwohner, ob sie wirklich ein kurzes Verfahren wollen.
Die beiden Planfeststellungsverfahren zur A20 südlich von Lübeck waren aber auch nicht sehr lang: Der Abschnitt 1 (Travequerung) dauerte 1996/97 rund 15 Monate, der Abschnitt 2 (Wakenitzquerung) dauerte 1999 bis 2001 rund 24 Monate. Gegen beide Beschlüsse wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt, trotzdem ging es schnell.
Gegenüber 1962 kam inzwischen das Bundesnaturschutzgesetz (1976) und die Vogelschutzrichtlinie der EU (1979) hinzu. Zur Vogelschutzrichtlinie legte der Europäische Gerichtshof fest, dass man bei einer Schädigung von geschützten Vögeln nachweisen muss, dass man das Gebiet insgesamt verbessert oder Leib und Leben von Menschen schützen muss. Außerdem ist inzwischen klar: Auch wenn Vogelschutzgebiete nicht ausgewiesen worden sind, aber wegen der dort vorkommenden Vogelarten hätten ausgewiesen werden müssen, müssen diese Gebiete bei Planungen berücksichtigt werden.
Es gibt noch verschiedene andere Vorschriften, die alle ihren Sinn haben, auch wenn Planer von Autobahnen sie lästig finden. Sie bei den Planungen einfach zu ignorieren, wie es manchmal geschieht, macht die Verfahren in der Regel gerade nicht kürzer. Sie werden dann nur später von einem Gericht gestoppt und müssen nachgebessert werden. Das geschieht teilweise während der Gerichtsverfahren, wenn das Problem deutlich wird und die Verzögerung absehbar ist.
Wer sich das genauer ansehen will, sollte sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Januar 1998 (BVerwG 4 VR 3.97) raussuchen. Da hatte die zuständige Planungsbehörde ein Schutzgebiet nach der FFH-Richtlinie der EU einfach nicht ausgewiesen und die A20 durch dieses Gebiet geplant, da musste einiges nachgeholt werden - schneller ging es nicht, und billiger wurde es auch nicht. Wegen ähnlicher Fehler ist die A20-Elbquerung vom Gericht zur Zeit gestoppt worden - auch das wegen Fehlern im Planungsverfahren.
Die jetzigen Planungsverfahren betreffen sechs Abschnitte der A20:
Während also die beiden Planfeststellungsverfahren zur A20 südlich von Lübeck nacheinander abgearbeitet wurden, versucht die zuständige Behörde jetzt sechs Verfahren gleichzeitig zu schaffen. Seit 2013 muss die Behörde zusätzlich die Anbindung der Fehmarnbelt-Querung und die Stromleitungen für die Energiewende planen.
Allerdings lassen sich weder die Kapazitäten für die Planung noch für die Gutachten beliebig vermehren. Es dauert also heute auch länger, weil die Behörde mehr gleichzeitig schaffen muss. Das ist damals von der Landesregierung unter Peter-Harry Carstensen, Ministerpräsident von 2005 bis 2012, so beschlossen worden. Sicherlich hatte das auch mit den Wahlterminen 2009 oder dem geplanten Termin 2010 sowie den Terminen 2012 oder dem geplanten Termin 2014 zu tun. Im Wahlkampf wollte man schließlich nachweisen, dass man „alles tat”, um mit der Autobahn voranzukommen.
Klüger wäre es sicherlich gewesen, 2006 und 2009 jeweils nur ein Planfeststellungsverfahren einzuleiten und das zunächst ordentlich zuende zu bringen, bevor man das nächste startet.
Man muss auch bedenken: Die Südumgehung Lübecks der A20 führt durch ein Gebiet, das verkehrsmäßig gut erschlossen ist. Dort gibt es logische Abschnitte von einer Bundesstraße zur nächsten, die jeweils relativ kurz sind. So war die Travequerung 6,5 km lang.
Die A20 zwischen der A7 und der Elbe führt durch ein Gebiet, in dem es kaum große Straßen gibt - wozu auch, so viel ist zwischen Bad Bramstedt und Itzehoe nicht los. Es gibt dort einfach kein Fernstraßennetz, mit der man die geplante A20 verknüpfen könnte. So ist der oben aufgeführte Abschnitt 4 der Planung 18,5 km lang, da dauert die Planung selbstverständlich länger als bei einem Abschnitt von 6,5 km.
Außerdem gibt der Bund die finanziellen Mittel für den Bau. Im Durchschnitt sieht die Planung in Berlin vor, dass jedes Jahr rund 60 Millionen Euro für Bundesstraßen und Bundesautobahnen in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen, soweit es sich um den Neubau handelt. Für Erhaltung oder Ausbau steht nochmal ungefähr das Gleiche zur Verfügung. Der Bau der A20 von Bad Segeberg bis zur Elbe wird aber nach der bisherigen Planung 1,143 Milliarden Euro kosten: Abschnitt 3 150 Millionen, Abschnitt 4 126 Millionen, Abschnitt 5 129 Millionen, Abschnitt 6 86 Millionen, Abschnitt 7 172 Millionen und Abschnitt 8 480 Millionen, wobei davon 60 Prozent auf Niedersachsen entfallen und 40 Prozent auf Schleswig-Holstein. Das sind also die Mittel, die Schleswig-Holstein in 19 Jahren vom Bund bekommt.
Schleswig-Holstein muss also entweder 19 Jahre lang alles Geld vom Bund in den Bau der neuen A20 stecken und die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung auf später verschieben, die Autos und vor allem LKW aus Dänemark würden dann im Stau landen, oder den Bau der A20 auf später verschieben. Beide Varianten lassen offen, warum die Planung denn beschleunigt werden soll.
Genannt wird in der öffentlichen Diskussion immer der Naturschutz oder der Vogelschutz, der die Planungen verlängert. Selten genannt wird die Agrarstruktur.
So wird in einem Planungsordner die Struktur in der Marsch beschrieben: Es gibt dort eine „Beetstruktur”. Danach gibt es bis zu 1000 Meter lange Flächen beidseits eines Entwässerungsgrabens. Sobald diese Struktur von einer Autobahn zerschnitten wird, kann auch die restliche landwirtschaftliche Nutzfläche, die vom Autobahnbau nicht direkt betroffen ist, nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.
Eine Lösung für dieses Problem ist bei der Planung nicht gefunden worden. Es wird in der Planfeststellung einfach offen gelassen. Das kann auch daran liegen, dass es politisch gewollt ist, bestimmte Planfeststellungsbeschlüsse rechtzeitig zu Wahlterminen zu veröffentlichen.
Beim Naturschutz ist wichtig zu wissen, dass die Planer die Vorkommen bestimmter Arten auf der Trasse untersucht haben. Es gibt in der Region aber kein flächendeckende Beobachtung von Natur und Naturschutz. Das liegt daran, dass der Naturschutz vielerorts Ehrenamtlichen überlassen bleibt. Jede Beschleunigung würde eine noch höhere Unsicherheit bedeuten, ob man überhaupt die benötigten Informationen hat. Schon jetzt, nach der angeblich zu langen Planung, sind die Informationen sehr, sehr lückenhaft. Das ist ein rechtliches und damit auch zeitliches Risiko, denn bestimmte Fehler müssen später wieder korrigiert werden, bevor man bauen darf. Die Planer riskieren das aber, weil dann die Wahlen gerade vorbei sind und man Wahlkampfversprechen, irgend etwas „fertig” zu bekommen, wieder einsammeln kann.
Wenn die Autobahn bei Glückstadt in einem Tunnel unter der Elbe durch nach Niedersachsen geführt wird, muss dafür Vorsorge getroffen werden, dass ein mögliches Feuer im Tunnel auch gelöscht wird. Das gleiche gilt, wenn bei einem Unfall jemand in einem Auto eingequetscht wird und das Auto aufgeschnitten werden muss, auch dafür und für viele weitere Aufgaben ist die Feuerwehr zuständig. Zuständig bedeutet in Schleswig-Holstein: die Feuerwehr der zuständigen Gemeinde, also die Feuerwehr von Kollmar.
Sieht man sich den Elbtunnel der A7 in Hamburg an, brennt es dort mehrmals im Jahr, aber darüber hinaus gibt es im dortigen Tunnel jedes Jahr eine dreistellige Zahl von Feuerwehr-Einsätzen. Eine (hauptamtliche) Feuerwache am Tunnel würde nach einer Schätzung 2 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde angesprochen, dass das Problem bekannt ist, im Planfeststellungsbeschluss aber keine Lösung steht. Das Land Schleswig-Holstein hat dort nur erklärt, es würde das Problem lösen und auch finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Es fehlt allerdings eine Erklärung, wie viel Geld vom Land kommen soll. Das Bundesverwaltungsgericht war aber zufrieden und erklärte im Urteil, die Klage würde abgewiesen, unter anderem weil das Land erklärt habe, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Es führte außerdem aus, der Kreis Steinburg habe einen Haushalt von 192 Millionen Euro, da könnte man 2 Millionen Euro für den Brandschutz unterbringen. Problem ist: Zuständig ist wie gesagt die Gemeinde, hier die Gemeinde Kollmar. Kollmar hat einen Gemeindehaushalt von 2 Millionen Euro und nur eine Freiwillige Feuerwehr, niemand löscht dort hauptberuflich. Und Kollmar kann auch nicht mal kurz 2 Millionen Euro pro Jahr opfern, das wäre der gesamte Haushalt der Gemeinde.
Möglicherweise wird das Problem tatsächlich später gelöst. Aber eigentlich sollte das Planfeststellungsverfahren solche Probleme lösen. Was eine ungeklärte Frage beim Brandschutz für Auswirkungen haben kann, könnten die schleswig-holsteinische Planungsbehörde am Beispiel des BER-Flughafens in Brandenburg studieren.
Das Verkehrsministerium hat kurz vor Erscheinen dieser Stellungnahme, die dem Landtag am 30. Dezember 2017 zuging, entschieden: Die gesamte Planung der A20 wurde der zuständigen Planungsbehörde weggenommen und der Firma „DEGES” (Deutsche Einheit Fernstraßen-planungs- und -bau GmbH) übergeben. Das ist eine Privatfirma, die aber dem Bund und den Ländern gehört. Das Land Schleswig-Holstein bezahlt der „Deges” bis 2020 rund 17 Millionen Euro, so gab das Verkehrsministerium am 17. Dezember bekannt. Die Planungen hat „Deges” zum 1. Januar 2018 übernommen.
Damit hat das Land faktisch eingestanden, dass es nicht an den Gesetzen zum Naturschutz oder anderem liegt, dass Planungen lange dauern, sondern an der eigenen Behörde.
Reinhard Pohl
siehe: Dr. Wilhelm Mecklenburg: „Planungsbeschleunigung”, Stellungnahme an den Wirtschaftsausschuss des Landtages vom 30. Dezember 2017, Umdruck 19/422