(Gegenwind 352, Januar 2018)

Asylanträge:

Wenn der Krieg zu Ende ist...

Anerkennung wird zurückgenommen

Im Moment drängeln die AfD im Bundestag und dem Landtag: Syrische Flüchtlinge sollen endlich zurück nach Syrien, weil (!) Assad den Krieg angeblich gewonnen hat. Ebenso drängen die Bundesländer Sachsen und Bayern darauf, den Abschiebestopp für Syrien nicht um 12, sondern nur noch um 6 Monate zu verlängern. Das ist bei der Innenministerkonferenz Anfang Dezember abgelehnt worden. Aber grundsätzlich müssen Flüchtlinge und subsidiär Geschützte im Auge behalten: Der Schutz, den das Bundesamt ihnen zugestanden hat, gilt für die Situation, aus der sie geflohen sind. Die Aufenthaltserlaubnis ist zunächst zeitlich befristet. Wenn sie über drei Jahre hinaus verlängert wird, ob befristet oder unbefristet, muss das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge” die Entscheidung überprüfen. Wird der Schutz nicht mehr benötigt, wird die Entscheidung widerrufen.

Hier soll es nur um positive Entscheidungen des Bundesamtes gehen. Davon gibt es vier verschiedene:

  1. Asyl: Die Asylberechtigung kann nur bekommen, wer direkt nach Deutschland gekommen ist, z.B. mit einem Visum, und eine persönliche Verfolgung glaubhaft machen kann. 2017 waren es in den ersten zehn Monaten 0,7 Prozent der Antragstellerinnen und Antragsteller, die meisten vermutlich nachgezogene Familienangehörige.
  2. Flüchtlingsschutz: Wer persönlich verfolgt ist, muss nach der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz erhalten. Dieser Flüchtlingsschutz hat rechtlich die gleichen Auswirkungen wir die Anerkennung des Asylantrags, heißt nur anders. Die-se Entscheidung erhielten in den ersten zehn Monaten 2017 ziemlich genau 20 Prozent der AntragstellerInnen.
  3. subsidiärer Schutz: Wer nicht persönlich verfolgt worden ist, aber durch einen Krieg, durch drohende Folter oder drohende Todesstrafe gefährdet ist, bekommt diesen untergeordneten Schutz, den Deutschland seit 2015 eingeführt hat. Deutschland setzt damit eine EU-Richtlinie um, ähnliche Bestimmungen sind in allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft. Subsidiären Schutz erhielten vom Januar bis Oktober 2017 rund 16,5 Prozent aller AntragstellerInnen.
  4. Abschiebungsschutz: Wem bei einer Rückkehr Gefahr droht, z.B. durch eine Krankheit, die sich verschlechtern würde, oder eine schlimme soziale Situation, bekommt ein „Abschiebungsverbot” als Entscheidung zum Asylantrag. In 5,5 Prozent aller Entscheidungen der ersten zehn Monate 2017 war der Abschiebungsschutz das Ergebnis.

Jede positive Entscheidung wird anders begründet: Die eine mit der Verfolgung durch eine bestimmte Regierung oder eine bestimmte Gruppe, andere mit einer bestimmten Gefahr, z.B. einen Krieg, oder mit einer bestimmten Krankheit und benötigten Behandlungsmethoden, die es im Herkunftsland nicht gibt. Wer also eine positive Entscheidung hat, muss die Begründung dafür gut kennen und sich laufend informieren, ob diese Begründung noch so gilt.

Die Ausländerbehörde verlängert die Aufenthaltserlaubnis, solange die positive Entscheidung nicht widerrufen worden ist.

Rücknahme

Falls allerdings später herauskommt, dass die Entscheidung falsch war, weil die Identität gefälscht wurde oder falsche, gefälschte Dokumente vorgelegt wurden, dann kann das Bundesamt sie zurücknehmen. Das bedeutet, dass sie nie galt. Eine solche Rücknahme wegen eines Betruges kann dann auch zu Rückforderungen von öffentlichen Kassen führen, die die Lebenshaltungskosten oder Unterbringungskosten finanziert oder bezuschusst haben.

Einen Schutz soll auch nicht erhalten, wer selbst an schweren Menschenrechtsverletzungen teilgenommen hat. Wer sich also in einem Krieg oder Bürgerkrieg an Aktionen beteiligt hat, mit denen zum Beispiel Zivilisten verletzt oder getötet wurden, kann kein Asyl oder Flüchtlingsschutz erhalten - und wenn solche Informationen erst später bekannt und belegt werden, kann die positive Entscheidung zurückgenommen werden.

Die Rücknahme wird in einem neuen Bescheid mitgeteilt, auch gegen die-se Rücknahme kann man mit einer Klage beim Verwaltungsgericht vorgehen.

Erlöschen

Der Schutzstatus und damit auch die Aufenthaltserlaubnis erlöschen, wenn der Betroffene selbst sich wieder „unter den Schutz des Staates” stellt, aus dem er oder sie geflohen ist. Das betrifft eine Heimatreise, wobei die internationalen Grenzen zugrunde gelegt werden. Auch wer als Syrer nach Idlib oder Rojava reist, reist nach Meinung des deutschen Gesetzgebers nach Syrien.

Die zweite Möglichkeit ist die Inanspruchnahme der Dienste der Botschaft. Wer also einen Pass oder ein anderes Dokument bei der Botschaft beantragt, gefährdet seinen Schutz ebenfalls.

Wichtig ist: Das gilt für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge („Flüchtlingseigenschaft”), nicht für subsidiär Geschützte - diese flohen ja vor dem Krieg, nicht vor der Regierung. So jedenfalls steht es im Bescheid des Bundesamtes, und der Krieg droht ja auch, wenn man in der Botschaft war.

Das „Erlöschen” ist im Einzelfall problematisch: Man kann ja als irakischer Flüchtling in die Türkei reisen, dort etwas unternehmen, und aus der Türkei nach Deutschland zurückkehren. Dann zeigt man bei der Einreise nach Deutschland den Flüchtlingspass und die Aufenthaltserlaubnis, alles scheint in Ordnung. Erst später könnte die Ausländerbehörde von einem Ausflug in den Irak erfahren, und dann ist mit der Reise in den Irak der Flüchtlingspass und die Aufenthaltserlaubnis erloschen. Damit war die Einreise nach Deutschland ebenso unerlaubt wie der Aufenthalt hier, weil man der Bundespolizei ja „erloschene” Dokumente vorgezeigt hat. Wer „erloschene” Urkunden in den Verkehr bringt, also die Gültigkeit vortäuscht, begeht eine Urkundenfälschung.

Widerruf

Ein Widerruf wird drei Jahre nach dem Bescheid geprüft. Dabei verwendet das BAMF ein Computerprogramm, dass täglich in tausende Akten am „Stichtag” einträgt, das kein Widerrufsverfahren durchgeführt wird, wenn bestimmte Parameter gegeben sind. Zum Beispiel herrscht zur Zeit im Jemen Krieg, also werden Anerkennungen vom Dezember 2014 (die jetzt drei Jahre alt werden) im Dezember 2017 nicht widerrufen. Dieses Computerprogramm zählt allerdings nicht, es gibt also keine Transparenz über die Zahl der der Nicht-Widerrufe. Hier kommt bei den Ausländerbehörde keine Mitteilung des BAMF an, auch die Betroffenen erhalten keine Mitteilung. Also wird der Aufenthaltstitel auf Antrag verlängert.

Bei anderen wird ein Widerrufs-Prüfverfahren und danach eventuell ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Das kann auch im Einzelfall eingeleitet werden, wenn ein anerkannter Flüchtling oder subsidiär Geschützter nach einer Straftat verurteilt wird oder es neue Informationen gibt, dass eine Person selbst verantwortlich für schwere Menschenrechtsverletzungen ist, also z.B. vor der Flucht bei einer bestimmten Miliz mitgemacht hat. Ein Widerruf wird auch geprüft, wenn eine Familienzusammenführung beantragt wird.

Wird ein Widerrufsverfahren eingeleitet, bekommt die Ausländerbehörde eine Mitteilung. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert, insbesondere wird aber keine Niederlassungserlaubnis gegeben und keine Einbürgerung zugelassen.

Dann bekommt die oder der Betroffene die Mitteilung, dass ein Widerrufsverfahren beabsichtigt wird. Sie oder er erhält eine Frist von vier Wochen, dazu Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme sollte man dann unbedingt schreiben, und zwar so ausführlich wie möglich. Es gibt keine weitere Anfrage und keine Anhörung, sondern diese schriftliche Stellungnahme ist die einzige Einflussmöglichkeit auf das Verwaltungsverfahren.

In dieser Stellungnahme sollte man sich auf zwei Punkte konzentrieren:

  1. Wird immer noch Schutz benötigt? Dies kann der Schutz sein, der ursprünglich als notwendig anerkannt worden ist. Es kann aber auch durch Veränderungen im Herkunftsland ein neuer Schutzbedarf entstanden sein.
  2. Ist die Rückkehr ins Herkunftsland zumutbar? Hier geht es um sämtliche Umstände, die das Leben im Herkunftsland unzumutbar machen, ebenso um die Verwurzelung hier. Auch hier gilt: Nicht einige Punkte auswählen, man muss sich nicht zwischen mehreren Punkte entscheiden, sondern alles anführen, was für einen selbst zählt.

Beispiel:

Eine Jesidin aus Shingal erlebte am 2. August 2014 den Angriff des „Islamischen Staates” mit, konnte über das Gebirge in den Norden Syriens entkommen und gelangte von dort aus über die Türkei nach Deutschland. Hier kam sie im März 2015 an, stellte im April 2015 einen Asylantrag und wurde im Mai 2015 anerkannt. Begründung: Sie wäre durch den Vormarsch des „Islamischen Staates” direkt in Gefahr, zum Opfer des Genozids zu werden, und kann und konnte keinen Schutz durch die irakische Armee oder Polizei bekommen.

Im April 2018 wird das Widerrufsverfahren angekündigt und vier Wochen Zeit für eine Stellungnahme gegeben. Man ahnt: Das Bundesamt glaubt, dass der Genozid durch den „Islamischen Staat” nicht mehr droht. Außerdem hat die Regierung in Bagdad bekannt gegeben, dass „Regierungstruppen” das Gebiet der Provinz Shingal wieder kontrollieren. Alles in Butter also, die Jesidin soll nach Hause.

Eine Stellungnahme würde zunächst die Verankerung des „Islamischen Staates” in der arabisch-sunnitischen Bevölkerung der Region thematisieren: Diese Menschen leben ja immer noch dort, viele haben beim Genozid zugesehen oder mitgemacht. Auch gibt es noch Zellen von IS-Milizen, die versteckt in der Gegend warten. Ebenso würde die Jesidin auf die hinterlassenen Gefahren, also Sprengfallen, Minen und Blindgänger verweisen.

Als nächstes würde sie die Regierungstruppen thematisieren: Zu einem großen Teil sind es Freiwillige, die als schiitische Milizen unter iranischem Kommando kämpfen. Was machen sie konkret mit der jesidischen Bevölkerung, gibt es Rückkehrer aus Dohuk oder anderen Regionen? Wer schützt die Jesidin im Falle einer Rückkehr bei Konflikten mit diesen Milizen?

Danach geht sie auf die Situation einer alleinstehenden Frau im Irak und in der jesidischen Gesellschaft ein, auf ihren bestandenen Deutschkurs und ihren hiesigen Freundeskreis, auf die Wohnorte ihrer Familienangehörigen, auf ihre begonnene Ausbildung und so weiter.

Wie viele betrifft es?

In Deutschland leben fast eine Million Menschen, die aufgrund ihres Asylantrags geschützt werden, also eine Aufenthaltserlaubnis deswegen haben (in Klammern die Zahl für Schleswig-Holstein):

Die Zahlen kommen aus dem Ausländerzentralregister und geben den Stand am 30. September 2017 wieder. Damit werden also nicht alle (anerkannten) Flüchtlinge erfasst: Wer inzwischen einen Aufenthaltstitel aus einem anderen Grund hat, wer eine Niederlassungserlaubnis hat, wer eingebürgert wurde, ist nicht enthalten. Aber die sind ja auch nicht von einem Widerrufsverfahren bedroht, wir können sie also außer Acht lassen. Aber wer einen Aufenthaltstitel aufgrund einer BAMF-Entscheidung hat, lebt mit dem Risiko, dass das BAMF die positive Entscheidung widerruft.

Am 30. September liefen 34.953 Widerrufsverfahren des BAMF. Die Herkunftsländer der Betroffenen waren

Die meisten Widerrufsverfahren ziehen sich hin. Zwischen Januar und Oktober wurden nur in 1.799 Fällen entschieden. Das betraf 520 Menschen aus dem Irak und 468 Menschen aus Syrien. Dabei wurde in 56 Fällen das Asyl widerrufen. In 165 Fällen wurde der Flüchtlingsschutz widerrufen. In 28 Fällen wurde der subsidiäre Schutz widerrufen. In 86 Fällen wurde das Abschiebungsverbot widerrufen. In 1.464 Fällen, das sind 81,4 Prozent, wurde entschieden, dass der Schutzstatus nicht zurückgenommen wird.

Das zeigt also: Auf die Stellungnahme kommt es an, in der Regel bleibt der Schutzstatus. In der Vergangenheit kamen die meisten Betroffenen, deren Schutzstatus widerrufen wurde, aus Kosova, Irak oder Türkei. Es betraf also Menschen, die vor dem Krieg Serbiens geflohen waren, meistens 1991 bis 1999. Oder Menschen, die vor der Verfolgung durch Saddam Hussein geflohen waren. Betroffen waren oft auch Menschen, die vor dem Krieg der türkischen Militärdiktatur gegen die kurdische Minderheit geflohen waren. Hier kam das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge später zur Einschätzung, die damalige Gefahr wäre vorbei, der Schutz würde nicht mehr benötigt.

Wen es in der Zukunft betrifft, hängt von den politischen Vorgaben ab. Mit Aufnahme der Abschiebungen nach Afghanistan im Herbst 2016 hat das BAMF auch damit begonnen, positive Entscheidungen afghanischer Flüchtlinge zu widerrufen. So kann es sein, dass nach der Zunahme von Ablehnungen für jesidische Flüchtlinge aus dem Irak irgendwann auch damit begonnen wird, die Anerkennungen von 2014 bis 2017 zu widerrufen. Ebenso hat die AfD bereits gefordert, die Anerkennungen aller syrischen Flüchtlinge zu widerrufen, weil Präsident Putin das Ende des Krieges angekündigt hat.

Was passiert nach dem Widerruf?

Zunächst gibt es, wie bei anderen Bescheiden des BAMF auch, eine Klagefrist von zwei Wochen. Eine Begründung soll innerhalb von vier Wochen eingehen, die meisten Verwaltungsrichterinnen und -richter erlauben auch ein Nachreichen von Gründen.

In der Wartezeit auf eine gerichtliche Entscheidung behält man den Aufenthaltsstatus mit allen Rechten.

Wird die Anerkennung widerrufen, kann ein damit begründeter befristeter Aufenthaltstitel nicht mehr verlängert werden. Die Ausländerbehörde kann den Aufenthaltstitel auch verkürzen, falls er zum Zeitpunkt des Widerrufs noch längere Zeit gültig ist.

Wer zum Zeitpunkt des Widerrufs eine Niederlassungserlaubnis hat, behält diese dagegen. Eine Niederlassungserlaubnis hat ja keinen bestimmten Zweck, der wegfallen könnte, sondern ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel.

Ansonsten sollte man sich rechtzeitig darum kümmern, einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck zu bekommen. Zwecke können die Ausbildung oder das Studium sein, außerdem die Arbeit. Außerdem gibt es eine Reihe von familiären Gründen, aus denen man eine Aufenthaltserlaubnis bekommen kann. Bei den humanitären Gründen ist vor allem die Härtefall-Kommission zu nennen.

Vorbeugen durch den Wechsel zur Niederlassungserlaubnis

Zehn Jahre lang galt jetzt die Logik des Aufenthaltsgesetzes: Anerkannte Flüchtlinge bekommen nach dem Bescheid eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahren, danach wird der Widerruf geprüft, danach bekommen sie eine Niederlassungserlaubnis. Kriegsflüchtlinge, deren Status des „subsidiären Schutzes” es erst seit Ende 2013 gibt, bekamen eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr mit einer Verlängerung von zwei Jahren, womit sie insgesamt auch drei Jahre erreichten. Danach sollte der Widerruf geprüft werden.

Das „Integrationsgesetz” vom Herbst 2016 hat diesen klaren Ablauf durcheinander gebracht. Im Zuge der Diskussion um die AfD-Forderungen entschlossen sich CDU und CSU dazu, die „automatische” Niederlassungserlaubnis für anerkannte Flüchtlinge nach drei Jahren und nach der Prüfung des Widerrufs abzuschaffen und durch zwei Möglichkeiten zu ersetzen, eine Niederlassungserlaubnis zu bekommen:

Nach fünf Jahren Aufenthaltserlaubnis bekommen anerkannte Flüchtlinge (Asylberechtigte und Konventionsflüchtlinge) eine Niederlassungserlaubnis, wenn sie arbeiten und die A2-Prüfung bestanden haben. Allerdings werden die Zeiten des Ankunftsnachweises und der Aufenthaltsgestattung, also die Zeiten des Asylverfahrens, auf die fünf Jahre angerechnet. Wer also mit Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren schon fünf Jahre im Asylverfahren zubringt, kann mit der Anerkennung praktisch sofort eine Niederlassungserlaubnis erhalten - und damit läuft ein späteres Widerrufsverfahrens ins Leere.

Dazu gibt es noch eine Niederlassungserlaubnis für ganz schnelle: Wer drei Jahre hier ist, aber das C1-Zertifikat besitzt und von der eigenen Arbeit leben kann, bekommt da schon die Niederlassungserlaubnis. Auch hier werden die Zeiten des Asylverfahrens, also die Zeiten des Ankunftsnachweises und der Aufenthaltsgestattung angerechnet. Während aber bei der „langsamen” Niederlassungserlaubnis Ausnahmen möglich sind, im Einzelfall kann der Nachweis aussichtreicher Bewerbungen oder einer Ausbildung reichen, gibt es bei der schnellen Niederlassungserlaubnis keine Ausnahmen.

Damit ist das Erreichen der Aufenthaltszeiten unabhängig von der Aufenthaltserlaubnis - die reguläre Widerrufsprüfung hängt nach wie vor und seit 2005 an der Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis ist jetzt davon losgekoppelt an die Aufenthaltszeiten seit der Ausstellung des Ankunftsnachweises geknüpft.

Anders ist es bei subsidiär Geschützten und Personen mit einem Abschiebungsverbot: Sie können die Niederlassungserlaubnis nur unter den regulären Bedingungen bekommen. Sie müssen also die Aufenthaltserlaubnis fünf Jahre besitzen, vor allem müssen sie aber fünf Jahre lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben.

Der Sinn dieser Änderung, mit der der AfD ja Stimmen weggenommen werden sollten, erschließt sich logisch nicht: Jetzt gibt es immer wieder anerkannte Flüchtlinge, die eine Niederlassungserlaubnis bekommen, bevor der Widerruf routinemäßig geprüft wurde. Die AfD-Diskussion im Herbst 2016 hatte zum Thema, die Niederlassungserlaubnis würde ja „bedingungslos” gegeben, auch denen, die „gar nicht Deutsch lernen wollen”. Das war allerdings kein Problem, sondern ein Vorurteil - und damit die Änderung des Gesetzes keine Lösung, sondern eine missglückte Kampagne.

Die Bedingungen für die Niederlassungserlaubnis führen jetzt dazu, dass die eher „nützlichen” Flüchtlinge ein Widerrufsverfahren leichter ins Leere laufen lassen können, wenn sie sich auskennen und gezielt auf die Niederlassungserlaubnis hinarbeiten. Dazu muss man manchmal nach dem Deutschkurs und dem Erreichen des C1-Zertifikats das angestrebte Studium verschieben und erstmal einen Arbeitsplatz finden, von dem man den Lebensunterhalt bestreiten kann. Damit bekommt man die Niederlassungserlaubnis, kann die Arbeit kündigen und das geplanten Studium aufnehmen. Das nützt niemandem, aber bei hirnlosen Gesetzentwürfen der Großen Koalition und nächtlichen Kompromiss-Verhandlungen im Bundesrat kommen leider immer wieder solche Bestimmungen heraus.

Widerruf und keine Alternative?

Wird die Anerkennung oder der subsidiäre Schutz widerrufen, ohne dass man Aussicht auf eine Aufenthaltshaltserlaubnis mit anderem Zweck hat, muss man ausreisen. Das haben viele bereits erfahren, die als Schutzbedürftige während der Kriege auf dem Balkan (Bosnien, Kosova) aufgenommen wurden.

Aber während von den Balkan-Flüchtlingen die „Nützlichen” in der Regel ein Visum von Kanada, den USA oder Australien bekamen, blieben die Alten und Kranken mit einer humanitären Aufenthaltserlaubnis oder Ketten-Duldungen hier. Die jetzigen Änderungen im Bereich der Niederlassungserlaubnis können dafür sorgen, dass in Zukunft auch mehr Arbeitsfähige hier bleiben. Die Idee der SPD, die Unterscheidung zwischen „nützlich” und „unnütz” in einem neuen Einwanderungsgesetz zu treffen, wird noch länger auf sich warten lassen.

Die Zahlen aus dem Ausländerzentralregister zeigen, dass zur Zeit 20.439 Personen in Deutschland leben, deren Anerkennung widerrufen wurde. Von ihnen haben 79,4 Prozent einen unbefristeten und 16,8 Prozent einen befristeten Aufenthaltstitel. Von ihnen kommen 7.148 aus Kosova, 3.588 aus dem Irak, 2.840 aus der Türkei und 1.359 aus Serbien. Berücksichtigt man, dass das BAMF im Jahre 2017 rund 400 Anerkennungen widerrufen hat oder widerrufen wird, entsprechen diese mehr als 20.000 Personen den aus Sicht des BAMF erfolgreichen Widerrufsverfahren aus 50 Jahren.

Aber nach dem Sinn zu fragen ist hier, wie bei vielen Bestimmungen im Flüchtlingsbereich, der falsche Ansatz.

Reinhard Pohl

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