(Gegenwind 351, Dezember 2017)

Majid Jawaherian

„... verstehen, wie Deutschland funktioniert”

Interview mit Majid Jawaherian, Lehrer bei „New Ways for Newcomers”

Gegenwind:

Können Sie sich als Erstes vorstellen?

Majid Jawaherian:

Ja. Ich bin Majid Jawaherian, ich komme aus dem Iran. Ich bin seit ungefähr zwei Jahren in Deutschland. Ich bin Lehrer beim Projekt „New Ways for Newcomers”.

Gegenwind:

Wie sind Sie nach Deutschland gekommen?

Majid Jawaherian:

Ich bin über Albanien nach Deutschland gekommen. Ich habe vorher 15 Jahre im Irak gelebt. Ich habe dort Politik und Verfassungsrecht studiert. Ich kann also Persisch, Arabisch und Albanisch sprechen, außerdem Englisch und Deutsch.

Gegenwind:

Haben Sie hier Asyl beantragt?

Majid Jawaherian:

Ja, ich bin als Asylbewerber hier. Vor drei Monaten habe ich eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Der blaue Pass ist noch nicht da, soll aber im Dezember kommen. Ich bin also sicher hier und kann in Deutschland bleiben.

Gegenwind:

Erinnern Sie sich an die Zeit, als Sie gekommen sind und neu in Deutschland waren? Haben Sie in Neumünster gelebt?

Majid Jawaherian:

Ja, ich war einen Monat in Neumünster, danach in Kiel.

Gegenwind:

Gab es am Anfang Probleme? Fehlten Ihnen Informationen über Deutschland? Haben Sie Fehler gemacht?

Majid Jawaherian:

Nein, selbst hatte ich keine Probleme. Aber ich habe viele Probleme bei anderen Flüchtlingen gesehen, ich kenne die Probleme, wenn man neu in Deutschland ist. Deshalb mache ich bei diesem Projekt mit. Denn es ist ein Projekt von Flüchtlingen für Flüchtlinge.

Gegenwind:

Wie haben Sie das Projekt kennen gelernt?

Majid Jawaherian:

Ich kannte zuerst Ehsan Abri, und er erzählte mir von dem Projekt. Und ich fand und finde das Projekt sehr gut, gut für alle Flüchtlinge. Deshalb mache ich mit.

Gegenwind:

Was sind die wichtigsten Themen, die Sie als Lehrer unterrichten wollen?

Majid Jawaherian:

Die wichtigsten Themen sind das Grundgesetz und die Menschenrechte, hier besonders die Frauenrechte. Viele Flüchtlinge kommen ja aus diktatorischen Ländern. Sie kennen das Grundgesetz nicht, und sie kennen viele Gesetze nicht. Und sie kennen ihre Rechte, die Menschenrechte oft nicht. In den diktatorischen Ländern, aus denen sie kommen, gibt es Menschenrechte nicht, es gibt auch Frauenrechte nicht oder diese Rechte werden verletzt.

Gegenwind:

Gibt es Unterschiede zwischen den Ländern? Sie kennen ja den Iran und den Irak, Sie kennen vermutlich auch Flüchtlinge aus anderen Ländern. Haben die Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern verschiedene Informationen?

Majid Jawaherian:

Wir müssen Unterschiede nach der Sprache machen. Wir machen den Unterricht entweder auf Arabisch oder auf Persisch oder in einer anderen Sprache. Aber auch bei der Kultur gibt es viele Unterschiede, zum Beispiel bei der Kultur der Syrer und der Iraner. Zum Beispiel sind im Iran die Verfassung und alle Gesetze islamische Gesetze. In Syrien und Irak sind es nicht islamische Gesetze. Es gibt da aber eine starke islamische Tradition. Die Gemeinsamkeit ist, alle Länder sind diktatorische Länder.

Gegenwind:

Gibt es wichtige Unterschieden zwischen Iran und Afghanistan?

Majid Jawaherian:

Ja. In Afghanistan ist nach dem Krieg eine demokratische Regierung eingesetzt worden, im Iran ist es eine diktatorische Regierung. Aber in Afghanistan geht der Krieg trotzdem weiter.

Gegenwind:

Welche Unterschiede gibt es für den Unterricht für Frauen aus dem Iran und Männer aus dem Iran? Brauchen die verschiedene Kurse? Oder den gleichen Kurs?

Majid Jawaherian:

Ich glaube, sie brauchen gleiche Kurse. Iranische Frauen und Männer können das gemeinsam machen.

Gegenwind:

Was sind für Frauen und Männer die wichtigsten Unterschiede? Was ist hier in Deutschland anders?

Majid Jawaherian:

In Deutschland ist das Verhältnis von Frauen und Männern komplett anders als im Iran. Deutschland hat eine demokratische Regierung, es sind demokratische Gesetze hier. In Deutschland werden Frauenrechte respektiert, im Iran überhaupt nicht.

Gegenwind:

Wenn Frauen in Deutschland mehr Rechte haben - haben dann Männer weniger Rechte?

Majid Jawaherian:

Nein, gar nicht. Wenn Frauenrechte respektiert werden, haben Männer trotzdem genauso viele Rechte. Die Frauenrechte müssen aber von den Männern komplett respektiert werden. Das ist wichtig. In der Geschichte hatten Frauen oft keine Rechte oder minimale Rechte, und das ist heute anders.

Gegenwind:

Wie lange dauert es, bis Flüchtlinge verstehen, was in Deutschland anders ist?

Majid Jawaherian:

Ich glaube, in diesem Projekt schaffen wir das mit einem Kurs über neun Monate. Danach können alle Flüchtlinge verstehen, wie Deutschland funktioniert und wie hier die Gesetze sind, wie die Menschenrechte sind, die Frauenrechte und das Grundgesetz. Das geht in neun Monaten.

Gegenwind:

Sollten diese Kurse für alle Flüchtlinge Pflicht sein? Oder sollten sie freiwillig sein?

Majid Jawaherian:

Ich glaube, dieser Kurs sollte die Alternative für den Integrationskurs sein. Ich finde, dieses Projekt ist besser als der Integrationskurs. Denn wir unterrichten in der Muttersprache, so können wir alle Flüchtlinge erreichen und alle Flüchtlinge können alles verstehen. Im Integrationskurs werden alle auf Deutsch unterrichtet. Auch wenn ich einige Zeit hier bin und Deutsch gelernt habe, kann ich dann wirklich das Grundgesetz verstehen? Es ist besser, das in der Muttersprache zu unterrichten.

Gegenwind:

Wollen Sie auf Persisch unterrichten? Oder wollen Sie auch auf Arabisch unterrichten?

Majid Jawaherian:

Ich will als Lehrer mit Arabisch arbeiten. Ich kann Arabisch und Persisch. Jetzt in der Ausbildung für die Lehrerinnen und Lehrer bin ich auch manchmal Dolmetscher zwischen Arabisch und Persisch. Ehsan Abri unterrichtet auf Deutsch, aber manchmal erklärt er etwas auf Persisch. Und das dolmetsche ich ins Arabische.

Gegenwind:

Wenn Sie Arabisch unterrichten: Kennen Sie alle Länder, aus denen Flüchtlinge kommen? Die meisten kommen ja aus Syrien, Irak und Jemen.

Majid Jawaherian:

Ja, ich kenne die Länder und ihre Probleme. Ich habe auch schon TeilnehmerInnen aus Algerien und Tunesien kennen gelernt, andere kamen aus Irak oder Marokko. Im Irak habe ich 15 Jahre gelebt, aber ich kenne auch die Probleme aus den anderen Ländern.

Gegenwind:

Was haben Sie bisher im Projekt gemacht?

Majid Jawaherian:

Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren im Projekt und bereite alles vor. Bei der Herstellung der Filme habe ich schon zwischen Arabisch und Persisch gedolmetscht.

Gegenwind:

Was sind Ihre Ziele im Projekt?

Majid Jawaherian:

Im Jahre 2015 sind sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die Polizei hat gesagt, dass sie mit 250.000 Flüchtlingen Probleme hatten. Deshalb brauchen wir das Projekt, damit die Flüchtlinge rechtzeitig die Unterschiede zwischen den Gesetzen in ihren Diktaturen und den Gesetze im demokratischen Deutschland verstehen. Deshalb mache ich bei dem Projekt mit.

Interview: Reinhard Pohl

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