(Gegenwind 351, Dezember 2017)
Gegenwind:
Können Sie sich als erstes vorstellen?
Farzaneh Monfared:
Ich heiße Farzaneh Monfared, ich komme aus dem Iran. Ich bin 31 Jahre alt.
Gegenwind:
Wie lange leben Sie in Deutschland?
Farzaneh Monfared:
Ich bin seit zwei Jahren in Deutschland.
Gegenwind:
Wie sind Sie hergekommen?
Farzaneh Monfared:
Ich bin aus dem Iran in die Türkei zu Fuß gegangen. Und aus der Türkei nach Deutschland auch meistens zu Fuß. Das dauerte ungefähr eineinhalb Monate.
Gegenwind:
Sind Sie alleine gekommen? Oder waren andere aus Ihrer Familie dabei?
Farzaneh Monfared:
Nein, alle anderen aus meiner Familie sind im Iran. Ich bin alleine nach Deutschland gekommen.
Gegenwind:
Haben Sie dann Asyl beantragt? Und was war das Ergebnis?
Farzaneh Monfared:
Ich habe in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt. Ich bin anerkannt worden. Seit sechs Monaten haben ich eine Aufenthaltserlaubnis und einen blauen Pass. Ich habe jetzt ein gutes Gefühl, ich bin in Deutschland in Sicherheit.
Gegenwind:
Wie haben Sie den Kontakt zum Projekt "New Ways for Newcomers" bekommen?
Farzaneh Monfared:
Ich habe durch eine Freundin Ehsan kennen gelernt. Ich habe mit ihm einen Kurs über Menschenrechte und Frauenrechte gemacht. Wir haben dann eine Konferenz zusammen gemacht, das war sehr schön.
Gegenwind:
Als Sie neu nach Deutschland kamen: Welche Informationen haben sie vermisst? Haben Sie Fehler gemacht, weil Sie etwas nicht wussten?
Farzaneh Monfared:
Eigentlich hatte ich überhaupt keine Ahnung von Deutschland. Besonders die Gesetze hier in Deutschland kannte ich nicht. Ich wusste nicht, wie wichtig es hier ist, Arbeit zu haben. Ich kannte die Frauenrechte nicht. In meiner Heimat ist das ein komisches Thema. Ich hatte keine Informationen, und ich wusste auch nicht, wo ich Informationen bekomme. Jetzt habe ich natürlich viel mehr Informationen.
Gegenwind:
Wie war es denn, als Sie neu in Deutschland waren? Was hat sie besonders überrascht?
Farzaneh Monfared:
Ich war am meisten überrascht über die Kultur der Menschen in Deutschland. Es ist ganz, ganz anders als bei den Menschen in meiner Heimat. Es gibt hier viele Sachen, die für die Deutschen wichtig sind, die bei uns nicht wichtig sind. Im Iran habe ich kaum auf Ampeln geachtet, aber hier ist es sehr wichtig, vielleicht auch in ganz Europa, das weiß ich nicht. Inzwischen habe ich auch viel verstanden.
Gegenwind:
Was haben Sie am Anfang falsch gemacht?
Farzaneh Monfared:
Außer den Ampeln? Ich habe auch am Anfang nicht auf Radfahrer geachtet. Jetzt gucke ich immer, denn nicht zu gucken ist manchmal auch gefährlich.
Gegenwind:
Haben Sie am Anfang in Neumünster gelebt? Welche Probleme haben Sie bei anderen Flüchtlingen gesehen?
Farzaneh Monfared:
Ja, ich habe viele Sachen gesehen, von denen ich jetzt weiß, dass sie falsch sind. Viele haben Wasser getrunken und die Becher einfach weggeworfen. Und immer wurden wir Frauen angemacht, und oft wurde gesagt, diese Frau ist sehr schön. Aber das ist hier nicht gut, für eine Frau ist das ein schlechtes Gefühl. Für mich ist das eine schlimme Sache, vor allem weil ich als Frau alleine dort war. Manchmal fühlte ich mich nicht sicher. Aber ich glaube, jetzt ist das Jahr 2017, und wir Flüchtlinge haben viel gelernt. Ich fühle mich sehr gut, viel besser als 2015.
Gegenwind:
Sie machen jetzt einen Kurs, um Lehrerin für andere Flüchtlinge zu werden. Was sind die wichtigsten Themen?
Farzaneh Monfared:
Ich habe ja schon letztes Jahr einen Kurs in Menschenrechten gemacht. Es gibt viele Probleme in meiner Heimat, besonders die Frauen haben viele Probleme. Ich habe im Fernsehen jedes Tag etwas über die Menschenrechte und die Frauenrechte gesehen und gehört, aber das war nicht wichtig für mich. Dann hatte ich selbst Probleme, und ich wusste nicht warum. Aber in diesem Kurs über Menschenrechte habe ich verstanden: Was sind Menschenrechte? Was ist ein Mensch? Was bedeutet es, eine Frau zu sein oder ein Mann zu sein? Ich habe viel gelernt und war überrascht, was ich alles nicht wusste. Ich habe vorher nicht genug gelesen.
Gegenwind:
Was wollen Sie anderen Flüchtlingen vermitteln?
Farzaneh Monfared:
Sie müssen Bescheid wissen über das Leben in Deutschland. Wir haben eine andere Kultur. Man muss verstehen, was die Deutschen wollen und wie die Deutschen leben. Neue Flüchtlinge müssen erfahren, wie man in Deutschland leben kann, wie man arbeiten kann, wie man mit anderen in Kontakt kommt. Und welche Gesetze gibt es in Deutschland? Das ist ein totaler Unterschied zum Iran und auch zu Afghanistan. Die neuen Flüchtlingen müssen das wissen, damit sie keine Fehler machen oder weniger Fehler machen. Wenn sie das nicht verstehen, gibt es immer Probleme, sie machen Fehler und große Fehler.
Gegenwind:
Sie wollen ja auf Persisch unterrichten. Sie unterrichten dann Flüchtlinge aus Iran und aus Afghanistan. Haben die verschiedene Informationen? Sind sie verschieden?
Farzaneh Monfared:
Sie sprechen alle Persisch, aber Afghanen haben einen anderen Dialekt, aber sie können alles verstehen. Es gibt aber viele Unterschiede. Es gibt aber auch im Iran viele Afghanen, die leben dort als Flüchtlinge. In meiner Stadt lebten bestimmt 500 oder 1000 Afghanen. Wir kennen also die Afghanen, und viele Afghanen kennen auch die Perser.
Gegenwind:
Brauchen Männer und Frauen verschiedene Kurse?
Farzaneh Monfared:
Sie brauchen bestimmt verschiedene Informationen. Die Frauen in Afghanistan dürfen nicht zur Universität, im Iran ist es normal. Im Iran geht eine Frau genauso wie ein Mann nach dem Abitur normalerweise zur Universität, leider dürfen die Frauen in Afghanistan vieles nicht machen. Sie haben also oft weniger Informationen über die Welt und über die Menschen. Man muss ihnen bestimmt mehr Informationen geben, mehr als den Persern.
Gegenwind:
Möchten Sie Kurse für Afghanen und Iraner getrennt? Oder sollen die Gruppen gemischt sein?
Farzaneh Monfared:
Es geht auch in gemischten Gruppen. Aber ich glaube, getrennt ist es besser. Man kann dann die Informationen besser weiter geben.
Gegenwind:
Möchten Sie in Ihren Kursen Männer und Frauen zusammen unterrichten oder getrennt?
Farzaneh Monfared:
Besser ist, wenn sie den Kurs zusammen machen. Wir sind alle Menschen, egal ob Frauen oder Männer. Und alle müssen das lernen. Im Integrationskurs sind auch alle zusammen. Nur so verstehen die Männer die Frauen, und die Frauen verstehen die Männer. Das ist zusammen besser.
Gegenwind:
Haben Sie selbst in Neumünster Probleme gehabt, alleine als Frau? Wer hat Ihnen dort geholfen?
Farzaneh Monfared:
Als ich nach Deutschland kam, war ich zuerst in Halle (Saale). Dort gab es viele Probleme, und es gab keine persischen Leute. Alle waren aus Syrien oder Algerien oder sie waren kurdisch, und viele Männer. Ich hatte immer Angst. Sie haben mich immer schlimm angeguckt, das war eine Katastrophe. Dann bin ich nach Neumünster gekommen, da war ich dann in einem Frauenheim angemeldet. Dort haben sie mir viel geholfen. Sie haben immer gesagt, wenn es Probleme gibt, sind wir für Dich da. Und sie sagten, dass ich hier sicher bin. Sie haben mir gesagt, niemand darf Dich ärgern oder Dir etwas tun. Aber ich glaube, 2015 hatten viele Probleme.
Gegenwind:
Ist es wichtig, solche Kurse für diejenigen zu machen, die gerade erst gekommen sind? Oder ist es besser, ein paar Monate zu warten?
Farzaneh Monfared:
Ich meine: Wenn man es früh machen kann, ist es besser. In sechs Monaten kann man viele Fehler machen, vielleicht auch große Fehler, vielleicht einen Fehler, durch den ein anderer Mensch stirbt. Dann bekommt man auch viele Probleme. Je früher, desto besser.
Gegenwind:
Was ist das Ziel? Was möchten Sie erreichen?
Farzaneh Monfared:
Wir hoffen, dass die Menschen verstehen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Wir wollen zeigen, was Deutschland ist. Wir wollen auch erklären, was Höflichkeit ist, welche Bedeutung die Arbeit hat. Sie müssen alles verstehen. Sie müssen die Gesetze verstehen, sie müssen wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Wenn man das versteht, kann man hier bestimmt besser leben. Und man kann besser Kontakt mit anderen haben. Und man findet schneller Arbeit.
Interview: Reinhard Pohl