(Gegenwind 346, Juli 2017)
Nach der Landtagswahl am 7. Mai gab es rein rechnerisch viele Möglichkeiten: Die SPD konnte mit Grünen und FDP eine Mehrheit bilden, die CDU ebenfalls, allerdings auch mit Grünen und SSW. CDU und SPD kommen zusammen auch leicht auf eine Mehrheit. Nur politisch gab es wenige Möglichkeiten, vor allem, weil die FDP eine Zusammenarbeit mit der SPD ausschloss und der SSW sich selbst in der Opposition sah. Übrig blieben Verhandlungen von CDU, Grünen und FDP.
Die Sondierungen starteten erst eine Woche nach der Landtagswahl, nachdem auch Nordrhein-Westfalen gewählt hatte. Und Verhandlungen starteten erst zwei Wochen nach der Landtagswahl, nachdem Sondierungsgespräche mit der SPD gescheitert waren, vor allem weil die FDP es nicht versuchen mochte.
Die Verhandlungen liefen normal - mal harmonisch, mal hart, mit Unterbrechungen und bösen Kommentaren über die jeweils anderen, mit Kopieren interner Unterlagen an die Presse. Die Berichterstattung ist durch die Online-Veröffentlichungen stärker auf solche Spielchen angewiesen, die es aber bei früheren Koalitionsverhandlungen genauso gab. Robert Habeck spricht im „Zeit”-Interview vom 16. Juni davon, bei früheren Verhandlungen mit der SPD hätten die Psycho-Spielchen aus „Anbrüllen, Türenknallen und dauerndem Sichtungsunterbrechen” bestanden.
Der Vertrag sollte am 13. Juni fertig sein, war dann aber am 16. Juni fertig. Zum Redaktionsschluss ist noch nicht entschieden, ob alle drei Parteien ihn absegnen, das ist aber sehr wahrscheinlich. Ob die Koalition wirklich fünf Jahre hält, ist natürlich unbekannt. Die Vergangenheit hat gezeigt: In Schleswig-Holstein endeten die letzten Koalitionsregierungen fast immer vorzeitig.
Der Koalitionsvertrag ist 114 Seiten lang und vereinbart die Politik der nächsten Jahre in 10 Kapiteln.
Die Koalition will einen Plan aufstellen, nach dem ab 2021 die Schulden des Landes systematisch abgezahlt werden. Die Schuldenbremse soll eingehalten werden - wenig überraschend, sie steht in der Verfassung. Ebenfalls nicht überraschend: Alle Kapitel des Koalitionsvertrages stehen unter dem Vorbehalt, dass die Steuereinnahmen ausreichen.
Schon bevor der Haushalt 2018 aufgestellt wird, soll darüber entscheiden werden, wie viele Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge es geben soll und wo diese sind.
Es soll keine Investitionen in fossile Energien geben. Auch die Geldanlagen sollen auf soziale und ökologische Kriterien überprüft werden.
Die Umgehung der Grunderwerbssteuer durch große Investoren, das sind Tricks, die von den Steuergesetzen begünstigt werden, sollen nicht mehr geduldet werden. Im Wahlkampf hatte die CDU ja noch versprochen, die Grunderwerbssteuer für Eigenheim-Bauer abzuschaffen, jetzt sollen diese Käufer „unterstützt” werden.
Die Investitionen sollen gesteigert werden. Hier werden insbesondere die Krankenhäuser erwähnt. Allerdings soll es bei Investitionen in Zukunft mehr „Öffentlich-Private Partnerschaften” geben. Das ist eine Möglichkeit, mehr Mittel für Investitionen zu beschaffen, allerdings wird dadurch auch öffentliches Vermögen privatisiert.
Beim Personal sollen grundsätzlich wie von der vorigen Regierung beschlossen 2.100 Stellen gestrichen werden, davon 1.600 Lehrerinnen und Lehrer, und zwar bis 2020. Im Einzelnen soll es aber noch mal kontrolliert und korrigiert werden, hier werden vor allem PolizistInnen und LehrerInnen genannt. Denn man will gleichzeitig eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung bis 2022 erreichen. Die Polizeistellen sollen bis 2023 um 500 aufgestockt werden. Dazu sollen auch die Ausbildungskapazitäten aufgestockt werden, es ist ja bekannt, dass in Eutin gar nicht mehr PolizistInnen ausgebildet werden können als jetzt.
Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst sollen für Beamte übernommen werden, wenn der Haushalt es erlaubt - auch hier gibt es keine ausdrückliche Festlegung. Ebenso soll das „Gender Budgeting”, dass die Auswirkungen von Haushaltsentscheidungen auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann im Blick behält, fortgesetzt werden. Hier gab es ja im Wahlkampf durchaus Forderungen, das wieder abzuschaffen.
Die Kommunen sollen besser unterstützt werden, die Finanzierung der Aufnahme, Versorgung und Integration soll aufrecht erhalten bleiben.
Sportstätten sollen besser gefördert werden, kurzfristig will man praktisch sofort „Holstein Kiel” beim Fußballstadion unterstützen.
Die Kitas sollen mit 170 Millionen Euro unterstützt werden. Damit sollen auch die Elternbeiträge sinken, dann soll auch das „Kitageld” von 100 Euro monatlich wieder entfallen.
Die Straßenausbaubeiträge fallen nicht weg, wie CDU und FDP im Wahlkampf versprochen haben. Allerdings sollen die Kommunen auch nicht mehr verpflichtet werden, es kann also sein, dass das in Zukunft unterschiedlich gehandhabt wird.
Zur HSH-Nordbank schreiben die Bündnispartner relativ wenig, weil kaum noch etwas zu machen ist: Entweder gelingt der Verkauf der Bank, oder sie muss mit hohen Verlusten aufgelöst werden. Die Folgen sollen dann geklärt werden, wenn klar ist, was passiert.
Die „Alte Mu” in Kiel soll insofern erhalten werden, also die „kreative Szene” dort bleiben soll, auch wenn das Land das Grundstück verkauft.
Dem Glückspielstaatsvertrag soll nicht zugestimmt werden, wie von CDU und FDP gefordert. Außerdem sollen die Spielbanken des Landes privatisiert (verkauft) werden.
In den Schulen soll der Unterricht bis 2022 zu hundert Prozent erteilt werden. Das hatten aber vor dieser Koalition schon einige andere versprochen. Hier kommt es sicherlich darauf an, wie die Stellenpläne und die Bezahlung geregelt wird. Ein Schritt soll sein, dass die einzelnen Schulen mehr Freiraum erhalten. So könnten sie ein eigenes Budget erhalten.
Schulen sollen außerdem mehr mit gesunder Nahrung aus der Region versorgt werden.
Die Unterrichtsversorgung soll auch besser werden, indem QuereinsteigerInnen bessere Möglichkeiten erhalten, ebenso ausländische LehrerInnen, die bisher Probleme mit der Anerkennung ihrer mitgebrachten Qualifikation haben.
Zwar sollen Eltern noch immer das Recht auf freie Schulwahl haben. In Zukunft soll es aber wieder schriftliche Empfehlungen für die weiterführende Schule geben. Außerdem will man in der Grundschule zurück zur Schreibschrift, zur Rechtschreibung von Anfang an. Ab der dritten Klasse soll es wieder Zeugnisse geben, und das Sitzenbleiben soll wieder eingeführt werden. Hier hat sich die CDU überall durchgesetzt.
Im Moment gilt das System, dass in Gemeinschaftsschulen das Abitur nach neun Jahren, in Gymnasien nach acht Jahren abgelegt werden soll. Die CDU hatte gefordert, auch an Gymnasien wieder das G9-Abitur einzuführen. Dabei soll es auch bleiben, nur können die einzelnen Schulen das mit einer Mehrheitsentscheidung mit 75 % der Stimmen der Schulkonferenz abwehren. Beim G9-Abitur sollen auch einzelne SchülerInnen eine Klasse überspringen dürfen. Außerdem soll in Gemeinschaftsschulen wieder mehr differenziert werden (Hauptschulabschluss, Realschulabschluss).
Die 75-Prozent-Mehrheit soll sicher stellen, dass nicht zwei Gruppen (LehrerInnen, SchülerInnen) die dritte Gruppe (Eltern) überstimmen können. Wenn eine Gruppe den Wechsel zu G9 möchte (Eltern), dann können die beiden anderen Gruppen das nicht verhindern.
Der DaZ-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache, vor allem für Flüchtlingskinder) soll flexibler werden, dass die Kinder schnell oder langsam lernen können. In Zukunft soll es auch an freien Schulen angeboten werden. Außerdem soll es Unterricht in der Muttersprache geben, unabhängig von den Konsulaten. Das wird allerdings nicht konkretisiert. Man bekennt sich zum deutschsprachigen Islamunterricht.
Die Ganztagsangebote bei den Schulen sollen verlässlicher werden. Bis 2022 soll ein landesweites Angebot bei den Grundschulen vorhanden sein. Wäre gut, wenn das klappt - das ist vor allem wichtig für Mütter, die in den Beruf zurückkehren wollen.
Freie Schulen sollen leichter zuge-lassen und besser gefordert werden, die Förderung soll auf 82 Prozent angehoben werden.
Die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt soll an Schulen thematisiert und unterrichtet werden, um Diskriminierungen zurückzudrängen. Dafür sollen auch Unterrichtsmaterialien entwickelt werden.
Der Besuch von Hamburger Schulen (und umgekehrt) soll im Grenzgebiet erleichtert werden. Dazu soll auch geprüft werden, ob man die Ferienzeiten angleichen kann.
Berufliche Bildung und Berufsschulen sollen verbessert werden, auch der Übergang zwischen Schule und Beruf. Hier wird leider nichts dazu gesagt, wie in Zukunft Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Elterngespräche finanziert werden sollen, falls die nötig sind. Das wurde von der vorigen Regierung nur für die DaZ-SchülerInnen geregelt.
Jugendliche Flüchtlinge, die bisher nur bis zum 18. Geburtstag ein Recht auf einen Platz in der Berufsschule haben, sollen in Zukunft länger zur Schule gehen dürfen, wenn nötig. Dazu werden zunächst 20 zusätzliche LehrerInnen bezahlt.
Für erwachsene AnalphabetInnen und andere, die ohne Schulabschluss sind, sollen Grundbildungskurse eingerichtet werden.
Die Hochschulen sollen mehr Autonomie erhalten - hier muss man genau hinsehen, was damit gemeint ist. Das bedeutet normalerweise auch, dass sie einen festen Geldbetrag erhalten und selbst entscheiden, wo sie kürzen, dann stiehlt sich das Land einfach aus der Verantwortung. Allerdings sollen alle Hochschulen ab 2020 jedes Jahr 5 Millionen Euro mehr erhalten. Das Promotionsrecht soll allein bei den Universitäten bleiben, hier hatten Fachhochschulen eine Öffnung erhofft.
Geflüchtete sollen leichter Zugang zur Hochschule erhalten. Ihre mitgebrachten Qualifikationen sollen schneller anerkannt werden. Außerdem soll das Studium eine Grund für eine Umverteilung sein. Schließlich will man Bafög bereits nach drei Monaten Aufenthalt geben, das allerdings kann nur mittels einer Initiative im Bundesrat gefordert werden.
In Flensburg sollen weiterhin LehrerInnen für die Gemeinschaftsschulen ausgebildet werden. Dagegen sollen in Kiel LehrerInnen für die Gymnasien ausgebildet werden. Hier war die vorige Regierung schon weiter, auf dem Weg zur einer Ausbildung für die Sekundarstufe II, aber die CDU war dagegen.
Die Koalition will verstärkt in Krankenhäuser investieren. Dort gibt es einen großen Nachholbedarf, der soll zumindest nicht größer werden. Ansonsten wird bei fast allen Punkten davon gesprochen, man wollte etwa „fortsetzen”, „verstärken” oder „prüfen”, ohne konkret zu werden. Genannt wird der Zukunft von Menschen im Asylverfahren zu Psychotherapie, der ja oft an der Ablehnung der Sozialämter für die Dolmetsch-Kosten oder die Therapie insgesamt scheitert - man will prüfen, ob man das verbessern kann.
Die von der vorigen Regierung durchgesetzte Pflegekammer soll bleiben.
Besonders ausführlich wird die Verstärkung der Förderung für Kitas beschrieben. Dort sollen 170 Millionen Euro mehr ausgegeben werden. Damit soll die Qualität verbessert werden, außerdem sollen die Kommunen so gefördert werden, dass die Elternbeiträge sinken. Eine Beitrags-Freiheit wird ausdrücklich nicht versprochen.
Die Zuverlässigkeit der Betreuung soll durch regionale Vertretungs-Pool verbessert werden. Außerdem soll es nicht mehr so viele Förderprogramme geben, weil die Kitas bei allen einzelne Anträge stellen müssen und das viel zu viel Arbeit ist. Die Grundfinanzierung soll dafür verbessert werden. Und die Waldkindergärten sollen abgesichert werden.
Die Mittel für die Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden ebenfalls erwähnt, ohne allerdings konkret zu werden.
Auch für die Frauenhäuser ist festgelegt, dass sie „bedarfsgerecht” ausgebaut werden sollen, ohne dass man genau weiß, was das bedeuten wird.
Bei der Förderung des Zugangs zum Arbeitsmarkt (ESF-Mittel) soll der Schwerpunkt auf Jugendlichen ohne Schulabschluss, Langzeitarbeitslosen und Geflüchteten liegen.
Die Landesregierung will gewährleisten, dass jedes Kind eine vollwertige Mahlzeit am Tag erhält.
In der Wirtschaft wird vor allem beschworen, den Mittelstand und die Gründerszene besonders zu fördern - daraus besteht die Wirtschaft in Schleswig-Holstein ja auch hauptsächlich. Das „Tariftreue- und Vergabegesetz” bleibt, das hatten CDU und FDP im Wahlkampf ja noch bekämpft. Insofern bleibt auch der Vergabe-Mindestlohn, das ist zum Teil im Internet falsch gemeldet worden. Was nicht bleibt, ist der sogenannte „Landesmindestlohn”. Der war eingeführt worden, als es auf Bundesebene noch keinen Mindestlohn gab, und das Gesetz endet 2019. Da es auf Bundesebene inzwischen einen Mindestlohn gibt, der jährlich erhöht wird, kann man das Gesetz vermutlich gar nicht neu beschließen - aber die vorige Regierung hatte das Auslaufen ja schon beschlossen.
Es geht bezogen auf den Mittelstand sehr viel um „Entbürokratisierung”. Da wird man sich in den nächsten Jahren jeweils ansehen müssen, wie weit das Ministerium versucht, auch sinnvolle Schutzvorschriften abzuschaffen.
Bei „Freihandelsabkommen” haben die Parteien vermerkt, dass sie unterschiedlicher Meinung sind. Das bedeutet im Klartext, man wird im Bundesrat dem CETA-Abkommen nicht zustimmen.
Die Ausweisung von Gewerbeflächen soll erleichtert werden.
Die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sollen in Zukunft zu 65 Prozent für Straßen und zu 35 Prozent für Fahrradwege und den Öffentlichen Verkehr eingesetzt werden. Bisher war eine Verwendung 50 : 50 vereinbart. Die Grünen hoffen aber, dass es trotzdem in Zukunft mehr Mittel für Radwege und öffentlichen Verkehr gibt, weil bisher viele Mittel mangels Planung nicht abgerufen werden konnten. Ob das stimmt, wissen wir erst in fünf Jahren.
Bei den Bundesstraßen und Bundesautobahnen haben die Koalitionspartner eine zügige Umsetzung der Planung vereinbart. Bei der A20 war ja ein Weiterbau nicht möglich, das lag allerdings an der falschen Planung durch eine frühere CDU-Landesregierung, die das Bundesverwaltungsgericht stoppen musste. Aber bisher war auch vereinbart, die A20 weiterzubauen. Jetzt wurde vereinbart, jedes Teilstück zu bauen, wenn die Planung fertig ist, auch wenn es einsam in der Landschaft liegende Autobahnkilometer und Brücken sind, alles im Bereich zwischen der A7 und der Elbe. Gleiches gilt für die A21 (Kiel/Lübeck) und der A23 / B5 (zwischen Heide und der dänischen Grenze). Es gilt auch für die Hinterlandanbindung für den dänischen Tunnel nach Fehmarn.
Das gesamte Schienennetz soll so modernisiert werden, dass die Züge überall 120 Stundenkilometer fahren können. Die Strecke bis Elmshorn soll dreispurig werden, die Strecke nach Westerland zweispurig.
Im gesamten Planungsrecht sollen die Klagemöglichkeiten beschränkt werden. Das ist ein Punkt, gegen den die Grünen sich lange gewehrt haben.
In den Häfen soll Landstrom installiert werden.
Die Landesregierung bekennt sich zu dem Ziel, die Erwärmung der Atmosphäre auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Das ist eine relativ schwache Aussage, da sich dazu so ziemlich alle bekennen - die Erwärmung müsste deutlich unter zwei Grad liegen, wenn auch Schleswig-Holstein gerettet werden soll. Klar ist aber: Fracking und CCS lehnt die neue Regierung ab. Dass erneuerbare Energie günstiger werden soll, ist wiederum kritisch zu sehen: Besser wäre, die konventionelle Energie nicht mehr zu subventionieren, dann wäre sie ja jetzt schon sehr viel teurer als Windstrom. Und kosten soll die Energie eigentlich gerne, was sie kostet, damit das Einsparen von Energie sich auch lohnt.
Gewürdigt wird allerdings das viele Geld aus dem EEG, das bundesweit eingesammelt und dann nach Schleswig-Holstein geleitet wird, gewürdigt werden auch die vielen Arbeitsplätze hier, die vom Windstrom geschaffen wurden. Allerdings soll die Versorgung durch erneuerbare Energie erst Mitte des Jahrhunderts erreicht werden. So stand das auch im CDU-Programm. Die Grünen wollen es eigentlich bis 2030. Immerhin ist man sich einig, dass man das letzte Kohlekraftwerk Schleswig-Holsteins in Wedel schließen will, auch will man keine Ölheizungen in Wohnhäusern mehr fördern.
Die Elektromobilität soll gefördert werden, indem mindestens 20 Prozent der neu angeschafften Autos des Landes Elektroautos sein sollen.
Die Windenergie soll in ähnlicher Geschwindigkeit wie in den letzten Jahren ausgebaut werden. Das Ziel sind zehn Gigawatt bis 2025. Dazu sollen wie bisher geplant 2 Prozent der Landesfläche eingesetzt werden. Falls möglich sollen die Abstände zu Wohnhäusern vergrößert werden, Faustregel ist das fünffache der Höhe der Windenergieanlagen. Durchschnittlich sind neue Anlagen in Schleswig-Holstein 150 Meter hoch, das wären dann 750 Meter Abstand. Die vorige Regierung hatte aber schon mit 800 Metern ge-plant. Theoretisch: Wenn jemand eine höhere Anlage plant, es gibt auch solche mit 200 Meter Höhe, dann dürfte die nicht am Randes des Gebietes stehen, sondern muss in die Mitte.
Die CDU hat allerdings auch zugestimmt, beim Repowering, also dem Ersatz alten Anlagen durch neue, die Abstände gleich bleiben können - in der Regel wohnen bei den alten Anlagen keine Gegner der erneuerbaren Energie, sondern eher diejenigen, die an den Anlagen verdienen oder damit im Tourismus Werbung machen.
Die Blinklichter auf den Windrädern soll umgestellt werden auf „bedarfsgerechte Befeuerung”: Das bedeutet eine Kopplung mit Radaranlagen. Die Anlagen blinken dann nur noch, wenn wirklich ein Flugzeug kommt. Das soll bis 2022 geschehen.
Der Ausbau der Offschore-Windenergie soll auch weitergehen, hier halten sich die Koalitionspartner aber kurz, weil das Bauen in der Nordsee Bundespolitik und keine Landespolitik ist.
Allerdings sollen die Kosten für die Leitungen, die jetzt sehr unterschiedlich (und in Schleswig-Holstein relativ hoch) sind, möglichst bundesweit gleich werden. Das ist allerdings ein Punkt, wo sich schleswig-holsteinische Parteien leicht einigen können. Problem sind die anderen Bundesländer.
Die Stilllegung des Atomkraftwerks Brokdorf wurde jetzt endlich zum Ziel erklärt. Das Atomkraftwerk darf bis 2021 laufen, danach dürfen aber „überschüssige” Stommengen anderer Atomkraftwerke auf Brokdorf umverteilt werden - also von Atomkraftwerken, die durch Störfälle zwischendurch länger stillstanden. Diese Übertragung lehnt die neue Regierung jetzt ab.
Das Landesnaturschutzgesetz bleibt, wie es ist - es wird nicht verschärft, aber auch nicht durchlöchert, wie es CDU und FDP im Wahlkampf noch wollten.
Die Gewässer will man schützen, konnte sich aber nicht darauf einigen, auch das Düngen und den „Pflanzenschutz” (Giftsprühen) zu begrenzen. Da muss man in den nächsten Jahren gucken, ob und wie das zusammenpasst. Letztlich kann es bedeuten, dass die Trinkwasseraufbereitung teurer wird.
Für den Meeresschutz soll ein Verbot von Mikroplastik angestrebt werden. Für den Schutz der Fischbestände sollen Zonen mit Fischereiverbot eingerichtet werden. Außerdem soll es eine „nationalparkverträgliche Ausgestaltung der Krabbenfischerei” geben, alles allerdings immer „im Dialog” mit den Fischern.
Ansonsten gibt es viele kleine Vereinbarungen, z.B. Ökolandbau als Unterrichtsfach im dritten Berufsschuljahr, die alle Teil der Vereinbarung sind, den Umweltschutz nicht auf breiter Front zurückzunehmen. Wenn allerdings davon die Rede ist, dass der Weidegang von Kühen zum „Vertragsnaturschutz” gehört, dann sieht man, dass die Hürden sehr, sehr niedrig liegen.
Die unterschiedlichen Auffassungen zur Gentechnik werden im Koalitionsvertrag festgehalten, das sollte dazu führen, dass entsprechenden Gesetzen im Bundesrat nicht zugestimmt wird.
Beim Tierschutz will man tierschutzgerechte Haltung, zum Beispiel Freilandhaltung von Hühnern fördern. Auch soll es in Zukunft einen Tierschutzbeauftragten geben. Dagegen überlegt man, das Verbandsklagerecht einzuschränken - zumindest ist eine Überprüfung im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Ebenso soll die Kormoran-Verordnung überprüft werden. Das Landesjagdgesetz bleibt allerdings, das wollte die CDU eigentlich auch nicht.
Das „Bündnis Eine Welt” soll weiter gefördert werden, ebenso das „Freiwillige Ökologische Jahr”.
Die Koalition will bis 2023 jährlich 400 Polizistinnen und Polizisten ausbilden und 500 neue Stellen bei der Polizei schaffen. Nur zur Erinnerung: In ihrer letzten Regierungszeit hatte die CDU bei der Polizei Stellen gestrichen und wollte lieber mehr Video-Überwachung. Zusätzlich können Angestellte eingestellt werden, um Verwaltungsarbeit bei der Polizei zu machen, es soll aber keine „Hilfspolizisten” mit Kurz-ausbildung (Bürgerwehr) geben. Allerdings soll mehr Videoüberwachung an „Gefahrenschwerpunkten” geprüft werden.
Ansonsten bleibt die Kennzeichnung von Polizisten ebenso wie die Polizeibeauftragte.
Zur Terrorismus-Bekämpfung sollen „Zentren religiöser Gruppen” stärker überwacht werden - da sollte man im Blick behalten, wie die Sicherheitsbehörden das verstehen. Gefährder sollen abgeschoben oder mit Fußfesseln überwacht werden. Der Verfassungsschutz wird nicht in Frage gestellt.
Zu Flüchtlingen bekennt man sich zu einer Verbesserung der „Sicherung der EU-Außengrenzen”.
Man will ein „Landesintegrationsgesetz” schaffen, dazu wird aber nicht viel mehr gesagt. Bei den Integrationskursen soll es eine bessere Kinderbetreuung geben, damit Frauen leichter teilnehmen können.
Die Kommunen sollen weiterhin die Integrationspauschale bekommen, die soll in Zukunft auch zur Kostenerstattung für EhrenamtlerInnen eingesetzt werden.
Es sollen mehr DAZ-Lehrkräfte ausgebildet werden, Prüfungen sollen auch auf Englisch abgelegt werden können.
Die Ausbildungsduldung soll es in Zukunft geben, wenn der Ausbildungsvertrag registriert ist, nicht erst, wenn die Ausbildung startet. Außerdem sollen nach Möglichkeit berufsvorbereitende Maßnahmen, Erstqualifizierungen und Praktika in diese Anspruchsduldung (meistens für abgelehnte Flüchtlinge) einbezogen werden. Auch Menschen mit Aufenthaltsgestattung, die also noch im Asylverfahren sind, sollen bei Bedarf umverteilt werden, um einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz besser erreichen zu können. Dazu sollen Flüchtlinge bis zum Alter von 27 Jahren die Berufsschule besuchen dürfen, bisher sind 18 Jahre die Grenze. Die 3+2-Regelung soll nach Möglichkeit auch auf das Studium oder die Arbeit ausgeweitet werden. „Mehr Land in Sicht” soll stärker gefördert werden.
Die Koalition will sich für ein Einwanderungsgesetz auf Bundesebene einsetzen.
Der Flüchtlingsbeauftragte soll gestärkt werden, der Flüchtlingsrat weiter gefördert werden.
Es sollen zusätzliche Stellen beim Verwaltungsgericht geschaffen werden.
Aus den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen „Landeskompetenzzentren” werden, hier sollen alle neu ankommenden Flüchtlinge in sechs Wochen einen Grundkurs Deutsch und Orientierung erhalten, danach sollen sie umverteilt werden. Auf jeden Fall soll der Verbleib nicht länger als drei Monate dauern. Das gilt nicht für alle aus „sicheren Herkunftsstaaten”: Sie sollen in der Erstaufnahme bleiben und nach der Ablehnung des Asylantrages von dort aus ausreisen.
Sprachkurse sollen für alle Flüchtlinge geöffnet werden. Das steht nicht so deutlich im Vertrag, wie die Grünen es gefordert haben. Es soll „Sprachförderung” für alle „Schutzsuchenden” geben, ihnen soll „nach ihrer Kreisverteilung” der Zugang „ermöglicht” werden.
Für abgelehnte Flüchtlinge sollen die Ausländerbehörden in Zukunft von sich aus andere Möglichkeiten des Aufenthalts aus humanitären Gründen prüfen. Dabei soll auch die „Mitwirkungspflicht”, das betrifft meistens die Beantragung von Papieren durch die abgelehnten Flüchtlinge selbst, mit einem Erlass klarer definiert werden. Für Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea soll es einfacher einen deutschen Pass-ersatz geben.
Um die Zahl der Klagen zu senken, sollen die Beratungsstellen für Flüchtlinge besser finanziert werden, auch eine mobile Beratung.
Die Wartezeit von subsidiär Geschützten für die Familienzusammenführung soll verkürzt werden. Wenn das nicht möglich ist, soll sie jedenfalls auf keinen Fall verlängert werden. Außerdem soll bei anerkannten Jugendlichen der Nachzug von Geschwistern erleichtert werden.
Bei abgelehnten Flüchtlingen soll die freiwillige Ausreise gefördert werden, allerdings soll auch abgeschoben werden. Dazu soll wieder ein „Ausreisegewahrsam” und eine Abschiebehaftanstalt eingerichtet werden. Es soll nicht das alte Gefängnis in Rendsburg reaktiviert werden, sondern eine neue Einrichtung gebaut werden, möglicherweise zusammen mit den anderen Bundesländern.
Bei Abschiebungen in Länder mit „unübersichtlicher Sicherheitslage wie derzeit in Afghanistan” sollen die Ausländerbehörden jede Akte dem Innenminister vorlegen, der den beabsichtigten Abschiebungen zustimmen muss.
Die unterschiedlichen Meinungen über „sichere Herkunftsstaaten” werden im Vertrag festgehalten, so dass es da keine Zustimmung im Bundesrat geben wird.
Schleswig-Holstein will 500 besonders schutzbedürftige Personen direkt aus Herkunftsländern oder Transitländern aufnehmen. In fünf Jahren wären das 100 pro Jahr oder acht pro Monat - das scheint machbar. Dennoch ist es für CDU und FDP ein großer Fortschritt, dem zuzustimmen.
Auf der kommunalen Ebene sollen Schulbegleitung, Schulassistenz, SchulpsychologInnen und SchulsozialarbeiterInnen möglicht zu einem System zusammengefasst werden.
Eine Kommunalreform wird abgelehnt. Die wäre eigentlich nötig, weil jetzt in über 1000 Gemeinden die Gemeinderäte gewählt werden, aber die Entscheidungen in rund 250 Amtsverwaltungen fallen (ohne demokratische Kontrolle). Das ist aber mit der CDU nicht zu machen, der SSW hatte das im Wahlkampf am konsequentesten vertreten.
Es soll einen Staatsvertrag mit islamischen Verbänden und islamischen Religionsunterricht geben. Außerdem sollen jüdische Gemeinden gefördert werden, hier soll auch die Renovierung der Synagoge in Lübeck abgesichert werden.
Beim Haushaltsbeitrag (früher GEZ-Gebühr) sollen Auszubildende und StudentInnen befreit werden.
Es soll ein Modellprojekt für die Freigabe von Canabis geben.
Es wurde vereinbart, im Wesentlichen die bisherige Politik fortzusetzen. Vor allem konnten die Grünen durchsetzen, dass der Denkmalschutz bleibt - das betrifft ja auch oft Gebäude im Privatbesitz.
Allerdings wird die Kulturpolitik wieder ins Bildungsministerium verlegt, bisher war sie ja fast ein eigenes Ministerium (im Justizministerium).
Auch hier soll die Politik der vorigen Regierung im Wesentlichen fortgesetzt werden. Große Differenzen gab es im Wahlkampf auch nicht. Vereinbart wird die Fortsetzung der Zusammenarbeit rund um die Nordsee, rund um die Ostsee, mit Dänemark und mit Großbritannien.
Wichtig ist, dass auch die Minderheitenpolitik nicht angerührt wird. In der letzten Phase der CDU-Regierung ging es ja immer um die Finanzierung der dänischen Schulen, diese Diskussion gibt es nicht mehr.
Die Digitalisierung hat ein eigenes Kapitel im Koalitionsvertrag bekommen, und es wird auch ein Ministerium dafür geben. Das soll zu Umwelt und Landwirtschaft kommen. Es geht dabei vor allem um den Ausbau der digitalen Infrastruktur, also das schnelle Internet auf dem Lande.
Da gab es auch in der Vergangenheit wenig Streit drum, es geht hier vor allem um den Stellenwert: Sollen neue Kabel bis 2020 oder 2030 verlegt werden? Die neue Regierung will doch schneller machen als die vorige Regierung, auch sollen alle Schule WLAN bekommen.
Es gibt einige Veränderungen. Am wichtigsten ist vermutlich, dass es in Zukunft einen Staatssekretär für Integration (Torsten Geerdts) und einen für die HSH-Nordbank (Philipp Nimmermann) geben wird.
Im Koalitionsvertrag gibt es mehr Kontinuität und mehr „Grünes” als erwartet. Bei den Grünen entscheidet ein Mitgliederentscheid, aus Satzungsgründen „verbindliche Mitgliederbefragung” genannt, das Ergebnis soll nach Druckbeginn feststehen. Ein Landesparteitag empfahl allerdings mit ungefähr 80 Prozent der Delegiertenstimmen die Annehme. Bei der FDP gab es eine telefonische Mitgliederbefragung, an der rund die Hälfte der Mitglieder teilnahmen, mehr als 90 Prozent stimmten zu. Nach Druckbeginn entscheidet der Landeshauptausschuss. Bei der CDU entschied am 23. Juni ein Parteitag, er stimmte dem Koalitionsvertrag einstimmig zu (bei einer Enthaltung).
Am 28. Juni (nach Druckbeginn) wird der Ministerpräsident gewählt, dann konstituiert sich die neue Landesregierung.
Und dann kommt erstmal die Sommerpause.
Genug Gelegenheit also für alle, die noch Kommentare zum Koalitionsvertrag schreiben wollen.
Reinhard Pohl