(Gegenwind 340, Januar 2017)
Soll Kunst links sein? Können Karikaturen ein wichtiges Medium fortschrittlicher politischer Arbeit sein? Bis vor einigen Jahren hätte dies kein Mensch verneint - möglicherweise täten die meisten es auch heute nicht. Und doch: die kulturelle Realität sieht anders aus. Sicher - Gerhard Seyfried, der linksradikale Cartoon-Zeichner der 70er bis 90er Jahre, dessen Zeichnungen jedes zweite Flugblatt der Hausbesetzer- und anderer Szenen zierten, lebt; und auch Harm Bengens humorvolle und bissige Zeichnungen treffen den Nagel oft auf den Kopf. Die meisten - durchaus sich selber als politische ZeichnerInnen sehende - KünstlerInnen kommen jedoch meist recht zahnlos daher. Es ist (wenn auch durchaus wichtig) ja recht billig auf denen rumzuhacken, auf die selbst das bürgerliche Feuilleton eindrischt: Trump, Putin, Erdogan & Konsorten.
Nicht so die Kieler Zeichnerin Erika Anna Kolaczinski (KOLA). Auch in ihrem gerade erschienenen, sehr bemerkenswerten Buch „Karikaturen von KOLA - Von der Aktivistin zur Karikaturistin” legt sie die Finger auf die „Kapitalistische Wunde”. Und das oft mit Humor - auch wenn einem dabei das Lachen mitunter schnell vergeht. Ihre politischen Zeichnungen sind zutiefst humanistisch, wenn sie sich für unterdrückte Menschen, gequälte Tiere oder die geschundene, durch kapitalistische Raubwirtschaft zerstörte Natur einsetzt. Und KOLA tut dies auch oft voller Wut, wenn sie die grauenhaften Auswirkungen einer imperialistisch beherrschten Welt kaum aushält: Zehntausende von Menschen die täglich durch Hunger, Krieg, Flucht und Ausbeutung krepieren. Die Lügen der Herrschenden, die den Kapitalismus zynisch „Demokratie” nennen und diese Gesellschaftsform dann als „die beste aller möglichen Welten” bezeichnen. Wut auch über die bürgerlichen Medien, die lügen, weglassen, heucheln; und über die meisten Politiker in Deutschland die genau dies auch tun.
Die Themen von KOLAs Zeichnungen sind vielfältig: Krieg & Flucht, Faschismus, Umweltzerstörung. Viele davon sind in direkter politischer Zusammenarbeit mit linken Gruppen & Organisationen wie der BI Kiel gegen Atomanlagen, BUND, Arbeiter- Kunst- & Kulturverein AKKU (jüngst wiederbelebt) oder der KPD entstanden. Andere sind in Publikationen wie taz, titanic, Roter Morgen oder Evrensel Kültür erschienen, ebenso wie in der Kieler Rundschau, der Linkskurve oder der Rote-Hilfe-Zeitung. Und nicht zuletzt sind ein Gutteil der besten Titelblätter des Gegenwind von KOLA!
Erika Anna Kolaczinski, eine echte, wenn auch in Kronshagen aufgewachsene „Kieler Pflanze”, nennt sich selbst Autodidaktin. Das trifft auf die früh von den „Simplicissimus”-Zeichnern faszinierte, sich später an revolutionären Künstlern wie George Grosz & John Heartfield orientierende Künstlerin jedoch nur bedingt zu. Wenngleich sie nie Kunst studierte, hatte sie jedoch eine fundierte (bau-) zeichnerische Ausbildung in einem Architektur-Büro. Und auf dieser Grundlage entwickelte sie Teils für sich allein, teils mit anderen fortschrittlichen KünstlerInnen in der „Graphik-Gruppe Kiel” (GrGr) eine sehr gradlinige, präzise Art des Zeichnens. Wer das Gesicht eines von KOLA portraitierten Menschen vor Auge hat, wird es sofort wiedererkennen. Durch diese bemerkenswerte Fertigkeit des photorealistischen Darstellens wurde sie auch hauptberuflich zu einer hochgeschätzten Handwerkerin wissenschaftlichen Zeichnens.
In „Karikaturen von KOLA” sind, wie auch schon in ihrem ersten Buch „Rewolotion & Wirklichkeit” (Verlag Roter Morgen 1991) viele Facetten ihres Schaffens versammelt, zu denen neben den politischen Arbeiten auch bibliophile, augenzwinkernde Werke, für FreundInnen liebevoll gestaltete Zeichnungen & Buchumschläge für den Verlag Roter Morgen oder den kieler agimos verlag gehören. Ein rundum gelungenes Buch von KOLA bis ins Detail hervorragend konzipiert und gestaltet - und vom Frankfurter Verlag dvs liebevoll gedruckt und herausgebracht!
Im Buchladen ZAPATA sah ich von beiden Büchern sogar signierte Exemplare!
Else Monstique