(Gegenwind 331, März 2016)

NOZ Medien

Die Freude wird sich bei den KollegInnen in Grenzen halten

Größter schleswig-holsteinischer Zeitungsverlag an NOZ-Medien verkauft

„Ein freies Unternehmertum braucht auch einen Markt. Die Bereitstellung und Verbreitung von qualitativ hochwertigen journalistischen Erzeugnissen muss also monetarisierbar sein. Ein solches Geschäftsmodell muss sich rechnen.” Dies sagte für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Axel Bernstein am 16. September 2015 im schleswig-holsteinischen Landtag anlässlich einer Debatte um ein von der Piratenfraktion eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der inneren Pressefreiheit.

Patrick Breyer (Die Piraten) im Landtag: „Nachdem in vielen Gebieten des Landes nur noch eine Tageszeitung regional berichtet, kann eine Vielfalt an veröffentlichten Meinungen nur innerhalb der Redaktion gewährleistet werden. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlich angespannte Situation der Presse die Gefahr inhaltlicher Einflussnahme etwa zugunsten von Anzeigenkunden erhöht hat. Vor diesem Hintergrund sieht unser Gesetzentwurf eine Stärkung der inneren Pressefreiheit in den Verlagen vor.”

Die Journalistengewerkschaften DJV und dju begrüßten diese Initiative gerade angesichts der starken Konzernabhängigkeit vieler Zeitungen im Norden. Aber: Wie nicht anders zu erwarten fand der Antrag im Landesparlament keine Mehrheit.

Als Illustration zu den Worten des CDU-Abgeordneten über „freies Unternehmertum” konnte sechs Monate später „Die Wirtschaftswoche” von einer „spektakulären Entwicklung auf dem regionalen Zeitungsmarkt” berichten (WiWo 24.2.16): Die Osnabrücker NOZ-Medien-Gruppe („Neue Osnabrücker Zeitung”) übernimmt mehr als 30 Tageszeitungen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und rückt damit nach Auflage in den Kreis der zehn größten deutschen Zeitungsverlage auf. Durch die Übernahme steigt die tägliche Auflage aller Zeitungen der NOZ-Gruppe von jetzt 175.000 auf mehr als 460.000 Exemplare.

Die Sicht von NOZ-MEDIEN

Nach einem Klick auf die Startseite der noz-medien.de erfährt der Besucher der webside voller Stolz: „NOZ MEDIEN auf Wachstumskurs: Das Osnabrücker Unternehmen stellt sich zukünftig breiter auf und erwirbt unter Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigung mit der Medienholding-Nord-Gruppe (mh:n) die führenden Medienhäuser in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Damit wird NOZ-MEDIEN in den Kreis der zehn größten Zeitungsverlagsgruppen Deutschlands vorstoßen.”

„Die mh:n Gruppe ist ein erfolgreiches Medienunternehmen mit zahlreichen Beteiligungen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Sie verlegt unter anderem im sh:z-Verlag in Flensburg, dem A. Beig Verlag in Pinneberg und dem Zeitungsverlag Schwerin 33 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 285.000 Exemplaren und mehr als 40 Anzeigenblätter mit einer Auflage von 3,4 Millionen Exemplaren. NOZ-MEDIEN hat sich in den letzten Jahren zu einem modernen Medienunternehmen mit journalistischer DNA entwickelt. So zählt die Neue Osnabrücker Zeitung zu den meistzitierten deutschen Regionalzeitungen und konnte dank des erfolgreichen Ausbaus des Digitalgeschäftes wieder Auflagenzuwächse vermelden.”

Klickt der interessierte Leser weiter auf das Menü-Stichwort „Engagement” und öffnet das Fenster „Nachhaltigkeit”, so erfährt er dort: „Wir werden mit einer nachhaltigen Strategie eines der erfolgreichsten regionalen Medienhäuser Deutschlands sein. Als regional verwurzeltes Unternehmen sieht sich NOZ-MEDIEN besonders den Menschen und der Umwelt in ihrer Umgebung verpflichtet und möchte zum wirtschaftlichen Erfolg der Region beitragen. Zugleich unterstützt NOZ-MEDIEN durch regionales Handeln eine globale Entwicklung, die sowohl die Bedürfnisse der heutigen Generation als auch künftiger Generationen erfüllt.” Warum aber ein Medienunternehmen mit Sitz in Osnabrück sich den Menschen im hohen Norden besonders verpflichtet fühlen soll, bleibt in dieser Selbstdarstellung unbeantwortet.

shz noz

Medienholding Nord (mh:n)

Eigentümer der Flensburger Medienholding, deren Kern der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag ist, sind bisher 31 Privatpersonen, Verlage, Erbengemeinschaften und Beteiligungsgesellschaften. 2014 erwirtschaftete der Konzern noch einen Überschuss von 17,4 Millionen Euro - eine Steigerung um 5 Mio Euro gegenüber dem Vorjahr - und schüttete 7,6 Mio Euro Dividende an die Eigentümer aus. Was diese für den Verkauf ihrer Anteile an die NOZ-Medien erhalten, ist nicht bekannt. Zur mh:n gehören neben den Tageszeitungen auch diverse Anzeigenblätter, Magazine und Webseiten - seit mehr als zehn Jahren ist das Unternehmen auch in Mecklenburg-Vorpommern als großer Akteur aktiv. 1.500 Menschen arbeiten für den Verlag.

Günther Jesumanns, Landesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) in Schleswig-Holstein sagt zu den Übernahmeplänen: „Die Braut ist in den letzten Jahren durch Sparmaßnahmen für einen Verkauf hübsch gemacht worden”. Der DJV befürchtet, dass zahlreiche in den beteiligten Unternehmen angestellte Journalisten ihren Job verlieren werden. Das könnte unter anderem Redakteure betreffen, die am mh:n-Hauptstandort Flensburg überregionale Seiten für die gesamte Verlagsgruppe produzieren. Auch im Bereich technischer und kaufmännischer Verlagsdienstleistungen fallen im Zuge von Unternehmensübernahmen erfahrungsgemäß Stellen weg. Als Beispiel nennt er die „Schweriner Volkszeitung”: Seit die Medienholding Nord das Blatt vor elf Jahren übernommen habe, seien von 340 nur noch gut 130 Mitarbeiter übrig geblieben.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht in der Übernahme der mh:n durch das Osnabrücker Unternehmen einen Umbruch in der Medienlandschaft Schleswig-Holsteins. Für Schleswig-Holstein bedeute dies, dass eines der größten Medienunternehmen des Landes mehr oder weniger abhängig werde von übergreifenden Konzernzielen. „Dadurch, dass die NOZ sämtliche Anteile des sh.z erworben hat, droht ein Zustand, den man anderswo leidhaft erfahren hat: Es wird von Osnabrück ‚durchregiert’”, so ver.di-Fachbereichsleiter Martin Dieckmann. „Ob und in welchem Ausmaße hierdurch die Beschäftigten des sh.n unmittelbar betroffen sein werden, ist derzeit offen. Als Gewerkschaft werden wir die anstehenden Veränderungen übergreifend kritisch und eingreifend begleiten.”

Auch Radiogeschäft betroffen

Dank der Expansion Richtung Norden steigt NOZ-Medien auch ins Radiogeschäft ein. Die Medienholding Nord ist mit 20,1 Prozent bisher größter Einzelgesellschafter der bundesweit agierenden Privatradio-Holding Regiocast. Der Regiocast gehören bundesweit vier Sender komplett, darunter Radio Schleswig-Holstein (RSH). An zwölf weiteren ist die Holding beteiligt, etwa Delta Radio und Radio Nora (beide mit Sitz im Radiozentrum Kiel). In der Regiocast sitzen die Osnabrücker künftig gemeinsam mit der NWZ Funk und Fernsehen, einer Schwester der in Oldenburg ansässigen „Nordwest-Zeitung”.

Ein Bundesland - zwei Medienkonzerne

Sollte das Bundeskartellamt die Transaktion von mh:n und NOZ-Medien genehmigen - und damit wird allgemein gerechnet -, wäre der schleswig-holsteinische Zeitungsmarkt künftig in der Hand zweier Medien-Konzerne. Dann blieben nur zwei ganz kleine journalistische Inseln in dieser zweigeteilten Presselandschaft: Da gibt es die in Familienbesitz befindlichen Boyens Medien in Heide, die den Kreis Dithmarschen an der Westküste dominieren, und die Flensborg Avis, die in Flensburg erscheinende Tageszeitung der dänischen Minderheit. Sie erscheint in dänischer und in deutscher Sprache. Auflage: Knapp 5.000 Exemplare. Die Flensborg Avis ist eine der kleinsten Tageszeitungen in Deutschland und konnte bis heute ihre ökonomische wie redaktionelle Unabhängigkeit wahren. Die Zeitung ist eine Aktiengesellschaft, deren Budget aus selbsterwirtschafteten Einnahmen und einem jährlichen Zuschuss der dänischen Regierung von rund drei Millionen Euro besteht.

Doch zurück zu den zwei Platzhirschen: Erst Ende Januar hatte die in Hannover ansässige Madsack-Gruppe bekannt gegeben, dass sie ihre Anteile an der Lübecker Nachrichten GmbH (in der auch die „Ostsee-Zeitung” aus Rostock erscheint) auf künftig 76 Prozent aufstocken werde. Die weiteren 24 Prozent liegen bei der von Madsack dominierten Hanseatischen Verlags-Beteiligungs AG. Die Madsack-Gruppe hält darüber hinaus 49 Prozent an den „Kieler Nachrichten”. Beide Blätter mussten in den vergangenen Jahren bereits massiv Personal einsparen und das Konzept „Madsack 2018” sieht einen weiteren Umbau und damit verbundenen Stellenabbau in den Redaktionen vor. Ganz aktuell können die Mitarbeiter von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten ein Lied davon singen. Die Redaktionen an beiden Standorten sollen um ein Viertel bzw. ein Drittel verkleinert und immer mehr Aufgaben in die Zentrale in die niedersächsische Landeshauptstadt verlagert werden.

Von Madsack, bei Deutschlands Verlagen mit 15 größeren Tageszeitungen (Gesamtauflage über 900.000) unter den Top 5, war das um die Neue Osnabrücker Zeitung (Auflage gut 160.000) gruppierte Familienunternehmen bisher meilenweit entfernt, doch das könnte sich mit dem Kauf der als hochprofitabel geltenden Medienholding Nord schnell ändern. „Warum die mehr als 30 Gesellschafter der Flensburger Holding - mittelständische Unternehmen, Erbengemeinschaften und Beteiligungsgesellschaften - nun lieber Kasse machen, bleibt unklar. Vielleicht war's ja die alte Börsenweisheit: An Gewinnmitnahmen ist noch keiner gestorben,” so die gemeinsame Medienplattform von ver.di, DGB und dju (www.qualitaet-und-vielfalt-sichern.de). Zu dieser Vermutung passt die lapidare Äußerung der Pressesprecherin der NOZ-Gruppe gegenüber der „Wirtschaftswoche”: „Über Umsatzzahlen und Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart worden”.

Günther Stamer

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