(Gegenwind 333, März 2016)
Sich online eine Laserzielvorrichtung zu bestellen, war dann doch ein etwas zu selbstsicherer Einfall eines 41-jährigen, in Hamburg in der Wache 24 tätigen Polizeibeamten. Die für seinen Wohnort in Schleswig-Holstein zuständigen Zollfahnder in Mölln fingen das ihnen verdächtig erscheinende Paket aus China ab - der Besitz eines derartigen Zusatzgerätes für Schusswaffen ist in Deutschland strafbar. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Waffenrecht wurde eingeleitet. Bei einer Hausdurchsuchung am 24. November fanden die Zollfahnder aber etliches mehr: 25 verbotene Arten von Munition, acht Waffen - darunter eine Pumpgun, ein Scharfschützengewehr, eine Maschinenpistole, Springmesser und Wurfsterne. Insgesamt „fast tausend Waffen, Waffenteile und Patronen”, wie Andreas Ulrich im „Spiegel” vom 23. Januar enthüllte: Außerdem wurden Nazidevotionalien wie eine Hakenkreuz- und eine Reichskriegsflagge und Propagandamaterial der Neonaziszene gefunden - Zeitschriften und 14 Aufkleber, auf denen etwa neben einem Hakenkreuz steht: „Bin gleich zurück”.
Der zuständige Lübecker Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders widersprach der Darstellung des „Spiegel” und wiegelte ab: „Es waren deutlich weniger als tausend Teile”. Anders findet die Funde offensichtlich nicht so dramatisch, behauptet gar: „Wir haben keine Hinweise auf Kontakte des Mannes zur rechten Szene”. Bis zur Veröffentlichung durch den „Spiegel” und nachfolgend zahlreiche norddeutsche Medien ermittelte die Staatsanwaltschaft Lübeck dementsprechend gegen den Polizisten nicht wegen möglicher Nazipropagandadelikte. „Wir prüfen jetzt, ob auch hinsichtlich der Nazidevotionalien ein Straftatbestand vorliegt”, so der Lübecker Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders. Wenn der Polizist die Nazisymbole aber nicht öffentlich gezeigt hätte, läge wohl kein Propagandadelikt vor. Und überhaupt: „Ein Großteil der Fundstücke ist strafrechtlich nicht relevant.” Die Staatsanwaltschaft befand es bis zur öffentlichen Debatte auch nicht für nötig, die Hamburger Polizei über die Ermittlungen gegen einen ihrer Beamten zu informieren. „Der Umfang dieser Waffen ist uns nicht bekannt”, erklärte der Hamburger Polizeisprecher Holger Vehren überrascht nach den ersten Veröffentlichungen: „Das wollen wir mit der Staatsanwaltschaft Lübeck aufhellen.” Es wurde wohl recht schnell Licht, denn nur einen Tag später erklärte Hamburgs oberster Polizeisprecher Timo Zill: „Eine Suspendierung ist derzeit nach eingehender Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft nicht gerechtfertigt”. Disziplinarrechtliche Schritte würden gegebenenfalls nach einer Verurteilung erfolgen. Zill verkündete, die Polizeiführung habe „beschlossen, den Beamten mit sofortiger Wirkung in den Innendienst an einer anderen Dienststelle umzusetzen”. Um den Schaden für die Polizei Hamburg und für den Beamten selbst zu mindern. Es gelte weiter die Unschuldsvermutung, betonte er.
Es ist nicht der erste bekannt gewordene Vorfall in der Wache 24 der Hamburger Polizei. Nach einer Weihnachtsfeier 2014 im trauten Kollegenkreis sollen von einem damals 34-jährigen Polizeiobermeister der Wache 24 in Niendorf Fotos von Christbaumkugeln mit Hakenkreuz über eine Whats-App-Gruppe im Internet verbreitet worden sein. Der jüngere Kollege des jetzt umgesetzten Polizeibeamten hatte die Aufnahmen bei eben dieser Weihnachtsfeier von Polizisten gemacht. Auch ein 52-jähriger Polizeiangestellter der Wache 17 im Stadtteil Rotherbaum soll Bilder der Weihnachtskugeln mit Hakenkreuz verschickt haben. Die Wache 17 ist unter anderem für den Schutz der in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden jüdischen Schule Hamburgs zuständig. Gegen die beiden Polizisten mit dem Faible für Weihnachtsschmuck mit Hakenkreuzen drauf ermittelte die Staatsanwaltschaft „wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen”. Gegen den Polizeibeamten liefen darüber hinaus disziplinarrechtliche Maßnahmen: Der Mann soll sich gegenüber seinen Vorgesetzten reuig gezeigt haben.
Der Polizeiangestellte, der wie der Totenkopf-Fotografierer als Objektschützer an der jüdischen Schule am Grindelhof eingesetzt war, ist dagegen auf Veranlassung von Polizeipräsident Ralf Meyer entlassen worden. Der Angestellte kündigte an, dagegen vor dem Arbeitsgericht klagen zu wollen. Danach war stille Nacht und keine weiteren Informationen gelangten an die Öffentlichkeit. Mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht war allerdings bereits ein anderer Angestellter desselben Reviers erfolgreich, und das in einer ähnlichen Sache: Bereits 2013 war herausgekommen, dass dieser Polizeiangestellter der Wache 17 - Andreas W. - ein Foto von einem Totenkopf mit Polizeimütze in seinem Facebook-Profil gepostet hatte. Das Foto hatte er in dem Container der Objektschützer aufgenommen, der direkt vor der jüdischen Schule am Grindelhof steht. Der Polizeiangestellte Andreas W. bewachte als Objektschützer den Eingang zu dem Talmud-Tora-Komplex der jüdischen Gemeinde in Rotherbaum, in dem sich auch die Joseph-Carlebach-Schule befindet. Alle, die hier hinein wollen, müssen an den Polizisten und ihrem Container vorbei. Angeblich soll der Totenkopf durch die Fenster des Containers nicht zu sehen gewesen sein, versicherte der dort als Objektschützer eingesetzte Polizeiangestellte. Das Hamburger Arbeitsgericht erklärte in einem Urteil im September 2013 seine Kündigung für unwirksam. Der Totenkopf, der an die SS-Totenkopfverbände erinnere sei heutzutage nicht nur für Nazi-Organisationen „charakteristisch”. Ein Totenkopf mit Polizeimütze ist somit kein Kündigungsgrund - auch nicht wenn er im Wachhäuschen für eine jüdische Einrichtung fotografiert und gepostet wird. Für eine fristlose Kündigung reiche die „geschmacklose Aktion” nicht aus, befand eine Kammer des Arbeitsgerichts. Die Indizien reichten nicht aus, „eine rechtsradikale Gesinnung abzuleiten”, erklärte Gerichtspräsident Helmut Nause. „Er wollte keine Bedrohung gegen Menschen aussprechen”, so Nause. Diese Rechtsprechung des Hamburger Arbeitsgerichtes liegt ganz auf der Linie des Agierens der Hamburger Polizeiführung im aktuellen Fall.
Dabei war Andreas W. intern schon vorher auffällig geworden, nur war dies nicht Gegenstand des Prozesses, weil die Vorfälle von der Polizei gedeckelt wurden und nicht angezeigt wurden: So empfahl er im Kollegenkreis die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf” und soll Kollegen beschimpft haben, weil sie „Ausländer” seien. Die Vorfälle wurden von der Polizei nie veröffentlicht, Andreas W. lediglich in eine andere Schicht versetzt. Noch ein weiterer Polizeiangestellter soll einen Mitarbeiter der Jüdischen Gemeinde mit antisemitischen Äußerungen beleidigt haben. Dies wurde erst im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses öffentlich. Kai von Appen, gut informierter Polizeireporter der taz hamburg, berichtete 2013, die Verantwortlichen in der Polizei würden davon ausgehen, dass etwa 10 Prozent der Polizeiangestellten als belastet gelten müssen - also als potenziell naziaffin.
Die Vorwürfe gegen den jetzt im Zentrum eines Ermittlungsverfahrens stehenden 41-jährigen Waffen-, Nazidevotionalien und Neonazipropaganda sammelnden Polizeibeamten seien ernst, aber: „Bisher ist der Kollege völlig untadelig seinem Dienst nachgegangen.” Dem entsprechend habe die Hamburger Polizei keine Hinweise darauf, dass der Beamte rechtes Gedankengut vertrete. So kann der 41-jährige, wenn er es zurück erhält, wohl wieder zuhause auf dem Sofa sein Koppelschloss mit Hakenkreuz und der Prägung „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen” tragen. Und einen besinnlichen deutschen Feierabend unter seiner privaten Hakenkreuzfahne verbringen.
Gaston Kirsche