(Gegenwind 325, Oktober 2015)
Überall in Deutschland, auch in Schleswig-Holstein, zeigen sich die Behörden überfordert mit der Versorgung von Flüchtlingen. Auch in Schleswig-Holstein trafen bereits 2011 Nachrichten ein, dass in Syrien ein Aufstand gegen die Diktatur ausgebrochen war, der noch im gleichen Jahr zum Bürgerkrieg überging. Auch hier war bekannt, dass sich im Irak die Organisation „al-Qaida im Irak” aufgrund der Schwäche der korrupten Regierung nach Abzug der US-Truppen schnell ausdrehte und sich in „Islamischer Staat” umbenannte. Auch hier sprach sich herum, dass die NATO-Truppen zum 31. Dezember 2014 aus Afghanistan zurückziehen wollten, ohne eine funktionierenden Staat zu hinterlassen. Es war sogar bekannt, dass Israel eine starke Grenzbefestigung zur ägyptischen Sinai-Halbinsel baute, um afrikanischen Flüchtlingen die Zuflucht unmöglich zu machen, während gleichzeitig im anderen Transitland Libyen die Regierung durch Aufstand und NATO-Intervention gestürzt wurde und das Land im Bürgerkrieg versank.
Allerdings reagierte die Landesregierung darauf erst Ende 2014, die Bundesregierung erst im Frühsommer 2015. Da war es zu spät, ausreichend Unterkünfte zu bauen, die Zeit reichte nur noch für Zelte oder Container, außerdem können alte Kasernen und Gewerbegebäude notdürftig hergerichtet werden. Auch gab es für die Unterbringung und Versorgung, aber auch für die Abwicklung der weltweit beispiellos komplizierten Asylverfahren viel zu wenig Personal, für Asylverfahren glaubte das BAMF noch Anfang 2015, mit rund 500 Beamten auszukommen. Andere schätzten schon 2014, es wären eigentlich 2500 Beamte nötig - oder eine starke Vereinfachung der Verfahren. 2015 ist beides nötig, die Behörde aber zu schwerfällig, etwas davon innerhalb eines Jahres umzusetzen.
In dieser Situation gab und gibt es erstaunlich wenig Proteste. Vielmehr sehen viele Menschen das Elend, das die zuständigen Behörden nur notdürftig verwalten, und packen einfach mit an. Ein großer Teil dieser Hilfe wird von den Helferinnen und Helfern selbst über Facebook koordiniert. Die Plattform bleibt umstritten, ist aber sehr einfach zu nutzen. Hier soll eine Übersicht über die wichtigsten Gruppen in Schleswig-Holstein gegeben werden. Alle Zahlenangaben sind vom 19. September, sie ändern sich ständig.
830 Mitglieder
5 Administratoren
Die Gruppe bildete sich rund um das Notquartier der Erstaufnahme in einer Schul-Turnhalle, die in den Sommerferien bestand und inzwischen geräumt wurde.
Die Gruppe kümmert sich um die Erstaufnahme im Haart, die völlig überbelegte Erstaufnahme. Dort sind 850 Plätze geplant, aber notfallmäßig 1900 Plätze eingerichtet. „Plätze” meint in diesem Fall, dass Matratzen auf den Fluren und in den Gemeinschaftsräumen liegen, Container aufgestellt sind, Zelte aufgebaut wurde. Täglich übernachten hier zwischen 3500 und 4300 Flüchtlinge.
Das Landesamt für Ausländerangelegenheiten bemüht sich darum, täglich Flüchtlinge in Außenstelle der Erstaufnahme weiter zu verteilen, außerdem sollen Bescheide zur Verteilung auf die 15 Kreise ausgestellt werden. Zwar sind vom Landtag viele neue Stellen bewilligt worden, sie können aber jetzt erst nach und nach besetzt werden. Deshalb sitzen in provisorischen Büros Dutzende von Polizeibeamte, die die Programme zu bedienen erlernt haben und versuchen, die Weiterleitung der Flüchtlinge zu bewerkstelligen.
Die Facebook-Gruppe sammelt vor allem Kleidung, hier in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband des Roten Kreuzes. Diese wird sortiert, teilweise muss sie noch gereinigt werden - nicht alle Spenderinnen und Spender denken tatsächlich mit. Regelmäßig werden Ausgabetermine wahrgenommen, die aber wegen der großen Zahl an Flüchtlingen und des großen Bedarfs sorgfältig organisiert und mit dem Betreuungspersonal abgesprochen werden müssen, um allzu großes Chaos zu vermeiden.
Der Kern der Gruppe trifft sich einmal im Monat. Wer Interesse hat, sich zu engagieren, kann der Gruppe beitreten und bei Interesse an der Organisation selbst Kontakt mit einem Mitglied der Administratoren-Gruppe aufnehmen.
604 Mitglieder
5 Administratoren
In Seeth, einem Dorf mit 480 Einwohnern, wurde die Kaserne zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Hieß es anfangs, hier sollten 500 Flüchtlinge untergebracht werden, versucht das Landesamt inzwischen, jeden Winkel der Gebäude für zusätzliche Plätze zu nutzen.
Die Unterkunft wurde hier zunächst ohne Personal eingerichtet, das Land vertraute auf das Engagement der Nachbarn. Große Organisationen wurden gebeten, die Freiwilligen zu organisieren, die dann auch für die Essensausgabe „zuständig” waren. Inzwischen wurde Personal eingestellt, aber längst nicht ausreichend.
Die Gruppe konzentriert sich auf die Sammlung von Bekleidung, eine Kleiderkammer durfte innerhalb der Unterkunft eingerichtet werden. Die Kleidung wird regelmäßig ausgegeben, angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen allerdings mit sehr strengen Regeln: Jeder Flüchtling darf die Kleiderkammer für einige Minuten betreten und in der Zeit eine bestimmte Zahl an Kleidungsstücken aussuchen. Das ist ein Ausgleich dafür, dass einige Flüchtlinge schüchtern, andere aktiv sind, und sorgt so gut es geht für Gerechtigkeit.
Inzwischen werden in der Gruppe auch andere Aktivitäten besprochen, z.B. die Organisation von Kinderbetreuung oder Kinderfest und anderes. Allerdings gibt es auch eine starke Kommunikation ohne Facebook, zum Beispiel beim Sortieren gespendeter Kleidung. Die Mitgliedschaft beschränkt sich keineswegs auf Einwohnerinnen und Einwohner von Seeth, sondern umfasst die gesamte Region.
730 Mitglieder
4 Administratoren
Die Gruppe existiert schon sehr viel länger als die Erstaufnahme dort und kümmerte sich vor allem um Flüchtlinge und Flüchtlingsfamilien, die in den Kreis verteilt waren und dort meistens sehr verstreut wohnen.
Im Sommer hat die Landesregierung die ehemalige Kaserne in Albersdorf „vorübergehend” und sehr hastig zur Flüchtlingsunterkunft gemacht. Kurz vor Ablauf des vereinbarten Zeitraums wurde dann der Mietvertrag mit Zustimmung der Gemeindevertretung unbefristet verlängert. Geplant ist aber eine feste Erstaufnahme, die Gebäude sollen bis Frühjahr 2016 (realistisch ist wohl Herbst 2016) in Heide direkt bei der Fachhochschule errichtet werden und (zur Zeit) 600 Plätze umfassen.
Die Einrichtung der Erstaufnahme würde von starkem Presseecho begleitet und führte dazu, dass viele sich der Gruppe anschlossen. Während in der Erstaufnahme vor allem ein Bedarf nach Kleidung besteht, betreffen viele Beiträge in der Gruppe die ganze konkrete Hilfe für einzelne Flüchtlinge. So braucht jemand ein Fahrrad, jemand anderes sucht ein bestimmtes Musikinstrument. Das führt bis zu ganz konkreten Schilderungen, dass in einer Familie ein Mädchen etwas Spielzeug in der Schule bekommen hat und jetzt aus Gründen der Gerechtigkeit der traurig dreinschauende Bruder etwas bekommen soll. Facebook hat den Vorteil, dass aus 730 Mitgliedern bestimmt acht innerhalb von zwei Minuten reagieren.
1680 Mitglieder
3 Administratoren
Die Gruppe wurde praktisch gleichzeitig mit der Ankündigung gegründet, in Rendsburg eine Erstaufnahme einzurichten. Diese würde bereits drei Tage nach der Ankündigung halbfertig in Betrieb genommen (siehe Gegenwind 324). Doch die Zahl der Gruppenmitglieder hatte da schon die Zahl der Flüchtlinge überschritten, bis Oktober sollen mehr als 800 in dem Containerdorf untergebracht sein.
Hier zeigte sich beispielhaft, dass es Flüchtlinge in Rendsburg schon lange gibt, das „Netzwerk Asyl”, das „Internationale Zentrum”, Diakonie und Volkshochschule sind hier schon seit langen Jahren engagiert. Aber die Ankündigung, jetzt müsste innerhalb von Stunden eine Unterkunft für Hunderte von Flüchtlingen eingerichtet werden, mobilisiere viele Hundert, die „neu im Thema” sind. So kennen viele das System der Erstaufnahme mit der anschließenden Kreisverteilung nicht, wollen Möbel und Fahrräder spenden, die Flüchtlinge kaum in die Kreisverteilung (mit Bus, Zug und zu Fuß) mitnehmen können.
Die Gruppe trifft sich monatlich, kurze Zeit nach der Gründung haben damit nur zwei Treffen stattgefunden, mit mehr als hundert Beteiligten. Es hat sich aber schon eine Vielzahl von anderen Gruppen gebildet, die ein Café eingerichtet haben, sich auch um die nach Rendsburg verteilten Flüchtlinge kümmern, ein Kinderfest für den 20. September vorbereitet haben, Kleidung nähen und reparieren.
Die Gruppe hat über gewisse Zeit Aufgaben übernommen, die eigentlich der Betreuungsverband übernehmen wollte oder sollte, zum Beispiel die Ausgabe von Bekleidung auf dem Gelände der Erstaufnahme. Andere Vorhaben wurden spontan umgesetzt, wie ein erstes Begrüßungscafé: Am zweiten Tag nach Einrichtung der Erstaufnahme wurde Dutzende von selbstgebackenen Kuchen aufs Gelände gebracht, dazu Getränke und Spielsachen für die Kinder. Das sorgte bei den Flüchtlingen teils für Staunen, größtenteils für Freude, weil die Rendsburger Gruppe so für die Sicherheit sorgte, dass die Flucht zu Ende ist. Allerdings musste das DRK, vom Land mit der Betreuung beauftragt, eine Wiederholung verbieten. Es handelt sich eben nach wie vor um eine Massenunterbringung, und die Verteilung offener Lebensmittel ist dort nicht erlaubt.
760 Mitglieder
2 Administratoren
Auch diese Gruppe existiert schon viel länger als die Erstaufnahme. Sie hat über Monate die Verteilung von Spenden im gesamten Kreisgebiet koordiniert, aber auch die Ehrenamtlichen verschiedener Orte miteinander vernetzt.
Die Einrichtung der Erstaufnahme in Kibitzhörn (Malente) wurde öffentlich kaum wahrgenommen, weil sie innerhalb einer Polizeieinrichtung liegt und nur 90 Plätze umfasst. Sie dient dazu, die Unterbringungssituation in Neumünster zu entspannen.
Die Einrichtung der Erstaufnahme in Putlos, wo Anfang September sehr kurzfristig 800 Plätze in einer Kaserne eingerichtet wurden, führte dagegen zu einem spürbaren Wachstum der Gruppe.
Auch hier konzentriert man sich bezüglich der Erstaufnahme auf die Sammlung von Kleidung. Schwerpunkt bleibt allerdings die Betreuung der Flüchtlinge, die nach Ostholstein verteilt und über das gesamte Kreisgebiet verstreut untergebracht werden. Die Erstaufnahme findet hier weit weniger Aufmerksamkeit als in vergleichbaren Gruppen.
9817 Mitglieder
5 Administratoren
In Kiel werden Flüchtlinge natürlich schon immer aufgenommen, mit der Zunahme der Flüchtlinge hat die Stadt auch mehr und mehr zum Teil sehr große Flüchtlingsunterkünfte (mit jeweils 300 bis 400 Plätzen) eingerichtet, weil leer stehende Wohnungen kaum noch zu kriegen sind.
Die Gruppe entstand allerdings erst nach der Ankündigung, eine Erstaufnahme einzurichten. Diese soll in festen Gebäuden auf dem Uni-Gelände im September 2016 bezugsfertig sein und 600 Plätzen umfassen. Provisorisch wurde auf dem daneben liegenden Sportplatz ein Containerdorf mit 500 Plätzen eingerichtet, dort lebten allerdings schon drei Wochen später rund 800 Flüchtlinge.
Die Gruppe beschäftigte sich von Anfang an mit der Sammlung und dem Sortieren von Kleidung, innerhalb kurzer Zeit wurde eine Halle gefunden, in der sie sortiert und verpackt wird, um sie gezielt in die Erstaufnahme zu bringen. Die Größe der Gruppe sorgt allerdings dafür, dass weit mehr gespendet wird, als die Flüchtlinge brauchen - so ging man dazu über, auch sortierte Kleidung in andere Erstaufnahmestellen zu liefern.
Allerdings sind der Gruppe viele Menschen beigetreten, die sich eigentlich um bereits nach Kiel verteilte Flüchtlinge kümmern wollen. Deren Kinder gehen zur Schule und benötigen Nachhilfe. Diese Flüchtlinge finden irgendwann aus dem Flüchtlingsheim heraus eine Wohnung und benötigen Möbel. Diese Flüchtlinge suchen Sprachunterricht.
Um auf alle unterschiedlichen Interessen eingehen zu können, wurden sechs Untergruppen mit jeweils eigenen Administratoren und natürlich auch weiteren Tausenden von Mitgliedern eingerichtet.
In dieser Gruppe werden politische Diskussionen am strengsten unterbunden, weil sonst bei fast 10.000 Mitgliedern die Übersicht völlig verloren ginge. Auch gibt es in Kiel die Situation, dass hier Tausende von Transitflüchtlingen angekommen, die auf dem Weg nach Dänemark, Schweden, Finnland oder Norwegen sind. Vor Ort setzen sich Stadt und Polizei über alle gültigen rechtlichen Regelungen hinweg und helfen ihnen, und auch wenn die Hauptlast der Betreuung und Unterstützung von den Mitgliedern der Facebook-Gruppe geleistet wird, will man die Zusammenarbeit mit den Behörden nicht gefährden.
3318 Mitglieder
4 Administratoren
Diese Gruppe hat im Gegensatz zur Kieler Gruppe von Anfang an einen starken Schwerpunkt auf die nach Lübeck verteilten Flüchtlinge gelegt. Die-se wohnen zum kleinen Teil in einer DRK-Notunterkunft, zum größten Teil in Flüchtlingsheimen der Diakonie oder von der Diakonie betreut in eigenen Wohnungen.
Die Erstaufnahme, vom Land in Lübeck nach dem gleichen Muster wie in Flensburg, Heide und Kiel geplant, ist verzögert worden durch die Anwohner des ausgewählten Grundstücks für die Häuser, die das Land errichten wollte (vgl. Gegenwind 321). Dieser Widerstand führte letztlich dazu, dass die Bürgerschaft den Verkauf des Grundstücks ablehnte.
Inzwischen gibt es eine vorläufige Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände des Volksfestplatzes, die aus Containern errichtet und Mitte September auf rund 1000 Plätze aufgestockt wurde. Die Sammlung und Verteilung von Bekleidung läuft auch Hochtouren, leidet allerdings an zu kleinen Räumen für das Sortieren und Lagern. Wie fast überall übersteigt die Spendenbereitschaft alle Erwartungen.
Auch in Lübeck beschäftigt sich die Gruppe sehr stark mit Transitflüchtlingen. Hier wurde allerdings, im Gegensatz zu Kiel, ein „Transitlager” von der Gruppe eingerichtet und von der Stadt und Polizei nach kurzer Zeit der Duldung dann aktiv unterstützt. Es liegt auf dem Gelände der „Alternative”, dem zeitweise sehr umstrittenen und von Räumung bedrohten Kommunikationszentrum. An die plötzliche Unterstützung durch Polizei und Bürgermeister muss man sich dort erstmal gewöhnen, aber man weiß natürlich, dass man gerade diese Behörden in einer Phase akuter Überforderung faktisch gerettet hat, wobei der Einsatz den Flüchtlingen und nicht den überforderten Behörden galt.
Auch hier zeigt sich oft ein munteres Durcheinander hilfswilliger LübeckerInnen, die erst allmählich die unterschiedlichen Bedürfnisse von Erstaufnahme, endgültiger Unterbringung und Transitflüchtlingen verstehen. Eigentlich wundert es doppelt, wie gut es trotzdem klappt.
keine Mitglieder
1 Administrator
Hier handelt es sich nicht um eine Gruppe, sondern um die Seite einer Einzelperson. Sie soll der Koordinierung der Unterstützung für die geplante Landesunterkunft dienen. Diese sollte eigentlich schon gebaut sein, und zwar als provisorische Unterbringung für die Erstaufnahme auf dem Unigelände in Flensburg, die erst im September 2016 fertig sein wird.
Allerdings verzögert sich auch der Bau der provisorischen Unterkunft in Eggebek. Diese soll zwar relativ schnell aus Containern zusammengebaut werden, allerdings zeigten die Bodenuntersuchungen des ehemaligen Militärgeländes ein erhebliches Vorkommen von Munitionsresten. So musste die Unterbringung von Flüchtlingen auf den November verschoben werden, weil vor dem Abstellen der Container der gesamte Boden ausgebaggert und gesiebt werden muss.
Der Administrator agiert zwar in der „ich”-Form, bleibt aber anonym. Auch wird die Form einer Facebook-Seite sich als ungeeignet erweisen, sobald Flüchtlinge kommen. Eine echte Hilfe ist nur möglich, wenn noch eine Gruppe gegründet oder die Seite umorganisiert wird. 424 Menschen folgen der Seite.
Zur Zeit konzentrieren sich die Beiträge auf die Unterstützung von Flüchtlingen, die in der Umgebung untergebracht sind, also schon aus einer Erstaufnahme auf den Kreis Schleswig-Flensburg verteilt wurde.
323 Mitglieder
3 Administratoren
Die Gruppe wurde von einer Glückstädterin gegründet, um den im Ort untergebrachten Flüchtlingen zu helfen, und blieb lange Zeit relativ klein, mit zwei oder drei Beiträgen pro Woche. Mal bekam jemand ein Bett, mal wurde Spielzeug für ein Kind gesucht.
Mit der Ankündigung des Landes, Anfang Oktober in der leer stehenden Marinekaserne bis zu 1200 Flüchtlinge unterzubringen, was nach den Erfahrungen anderer Standorte die Unterbringung von mindestens 1500 Flüchtlinge bis Mitte Oktober bedeuten kann, wuchs nicht nur die Gruppe rasant. Der Bürgermeister stellte auch ein leer stehende Kino als Sammel- und Lagerraum zur Verfügung, um Kleidung entgegenzunehmen und zu sortieren, was eine schnell wachsende Gruppe machte und macht.
Es zeigt sich auch hier, dass auch in einem kleinen Ort die Spenden der Sortiergruppe schnell über den Kopf wuchsen. Als zum 19. September das Land sehr überstürzt die Kaserne im nahe gelegenen Kellinghusen innerhalb von 24 Stunden herrichtete und begann, Flüchtlinge dort hinzubringen, besorgte die Gruppe kurzerhand einen LKW und brachte alle Glückstädter Kleiderspenden dorthin. Denn man ist sicher: In zwei Wochen sind aller Lagerräume wieder voll.
In Flensburg gibt es diese beiden Seiten, beides sind keine Gruppen mit Mitgliedern. Die „Flüchtlingshilfe Flensburg” ist ein eingetragener Verein, der sich im letzten Herbst gründete und sich vor allem um die Versorgung der in Flensburg lebenden Flüchtlinge kümmert. Aber auch die geplante Erstaufnahme soll unterstützt werden, wobei dafür noch ein Jahr Zeit bleibt.
Die zweite Seite „Refugees Welcome” meldet der aktuellen Bedarf.
Dabei haben die Unterstützer in Flensburg vor allem im September mit Transit-Flüchtlingen zu tun, die dort aus dem Zug steigen und oft nicht direkt weiter kommen nach Dänemark. Einerseits verhinderte Dänemark zeitweise die Einreise, andererseits wollen viele wegen der ausländerfeindlichen Politik des Landes lieber doch auf anderem Wege nach Schweden oder Norwegen.
Die Flüchtlinge, und das sind manchmal 1.500 in einer einzigen Nacht, werden in der Regel notdürftig versorgt, wobei viele Helferinnen und Helfer aus den Initiativen, aber auch Oberbürgermeister und Justizministerin tatkräftig mit anpacken. Teilweise werden sie dann von der Landespolizei zu einer Fähre in Kiel gebracht, die meisten müssen sich selbst auf den Weg machen. Für viele ist Kiel das Ziel, obwohl die Fährlinie nach Schweden dort überlastet und täglich ausgebucht ist, einige reisen auch nach Lübeck oder Rostock weiter, wo der Transit nach Schweden schneller möglich ist.
Den Seiten selbst folgen 4129 bzw. 8402 Menschen, die Sache hat also einen ähnlichen Umfang wie in Kiel.
237 Mitglieder
2 Administratoren
Die entsprechende Gruppe in Flensburg fällt gegenüber den beiden Seiten stark ab. Hier findet sich eine sehr unsystematische Sammlung von Meldungen, Diskussionen und Hilfeangeboten. Allerdings scheint kein fester Kontakt zur den Gruppen zu bestehen, die den direkten Kontakt mit den Flüchtlingen haben.
Sicherlich ist auch die Aufteilung der Helferinnen und Helfer auf zwei Seiten und eine Gruppe eher ungünstig.
Diese Übersicht ist sicherlich nicht vollständig. Zu Boostedt scheint es bisher keine Facebook-Gruppe zu geben, die Unterstützung dort ist aber in einem relativ kleinen Ort mit sehr aktiver Kirchengemeinde dennoch gut organisiert, dass eine Facebook-Gruppe vermutlich nichts daran verbessern würde.
Facebook wird ja bekanntlich stark kritisiert, weil die Betreiberfirma Adressen und Informationen, auch und gerade über Aktivitäten in Gruppen sammelt, um sie an die Werbewirtschaft zu verkaufen.
Dennoch ist die Hilfe so konkurrenzlos schnell und „unbürokratisch” zu organisieren. Es zeigt sich immer wieder, dass bei einem bestimmten Notstand - hier fehlen Windeln, dort Bettlaken - Abhilfe innerhalb weniger Minuten organisiert wird. Oft führen kleine Hilferufe in zwei oder drei Stunden zu groß aufgemachten Stopp-Aufrufen: Bitte nichts mehr spenden, es ist genug, es ist schon zu viel.
Immer wieder müssen allerdings Dutzende von Beiträgen gelöscht werden, um sich die Übersichtlichkeit zu erhalten. Oft steht die konkrete Hilfe, die Suche nach Zahnbürsten oder Kuscheltieren, nach Männerkleidung in kleinen Größen oder Lunchpaketen für Transitflüchtlinge im Vordergrund, es sind dann die Diskussionsbeiträge zum Behördenversagen oder polizeilichem Handeln, die gelöscht werden.
Immer wieder müssen auch Mitglieder ermahnt werden, keine Fotos von Flüchtlingen zu veröffentlichen oder auf die gewünschte persönliche Hilfe zu verzichten. Wenn in einer Erstaufnahme 200 oder 300 Kinder untergebracht sind, und das sind sie, ist es kontraproduktiv, wenn eine Mutter darauf besteht, dass ihre beiden Kinder ihre aussortieren Spielsachen unbedingt persönlich an zwei Kinder im Flüchtlingslager verschenken wollen. Weder Betreuungsverband noch HelferInnen wünschen das, weil es nur Unruhe und Streit in die Unterkunft bringt, die meisten Wachdienste verhindern es auch aktiv, was dann wieder oft zu zwanzig oder fünfzig Beiträgen führt, die von den Administratoren so schnell wie möglich gelöscht werden.
Festzuhalten bleibt außerdem, dass jede noch so gut moderierte Gruppe die persönlichen Treffen von meist kleinen Organisationsgruppen nicht ersetzen können. Und es bleibt beim Appell an alle, die Gruppen entsprechend ihrem Zweck zu nutzen und denen, die organisieren, regeln und löschen, entsprechendes Vertrauen zu schenken.
Reinhard Pohl
Facebook: https://www.facebook.com/reinhard.pohl.16