(Gegenwind 321, Juni 2015)

Flüchtlingskonferenz: Willkommen in Schleswig-Holstein! Integration vom ersten Tag an

Pakt für Flüchtlinge

Gute Stimmung, wenig Konkretes

Rund 500 Menschen trafen sich am 6. Mai in der „Halle 400” in Kiel-Gaarden. Die Landesregierung hatte eingeladen, diesmal wirklich: Sie war da, und zwar Ministerpräsident, sieben Ministerinnen und Minister, etliche Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie MitarbeiterInnen aus den Ministerien und obersten Landesbehörden. Eingeladen und gekommen waren außerdem Landräte und BürgermeisterInnen, Wohlfahrtsverbände und Parteien, Abgeordnete auf Landes- und Kommunalebene, BeraterInnen und MitarbeiterInnen der Kommunen, Freiwillige und Hauptamtliche in der Flüchtlingsarbeit.

Es ging um die Unterzeichnung des Flüchtlingspaktes: „Willkommen in Schleswig-Holstein! Integration vom ersten Tag an.” Dieser Pakt, als Volltext 124 Seiten lang, wurde allerdings nicht unterzeichnet, sondern eine große Tafel mit dem Logo wurde auf die Bühne getragen und von einigen Akteuren beispielhaft mit dickem schwarzen Filzstift unterschrieben. Eine weitere Tafel stand hinten im Raum bereit, zusammen mit Filzstiften.

Die Vorbereitung lief seit Februar, allerdings lief sie nicht rund. Zur Vorbereitung waren unter anderem MitarbeiterInnen aus der Staatskanzlei eingeteilt worden, die zuvor nicht mit diesem Thema zu tun hatten. Das gab Probleme bei den Einladungen, die teilweise eher zufällig verschickt und weitergereicht wurden, und Probleme bei der Anmeldebestätigung, die für die Teilnahme notwendig war. Auch war vielen Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit nicht klar, dass man nicht „einfach so” kommen und die Veranstaltung besuchen durfte.

Im Vorfeld wurden Arbeitsgruppen gebildet, die die verschiedenen Themengebiete ausarbeiten und die einzelnen Kapitel des Paktes formulieren sollte. Hier wurden einige Akteurinnen und Akteure eingeladen, andere nicht. Einige Arbeitsgruppen arbeiteten intensiv, andere hatten nur für wenige Treffen Zeit. Einige formulierten auch einzelne Punkte aus, andere blieben im Allgemeinen. Am Schluss gelang es der Staatskanzlei nicht, den fertigen Text rumzuschicken - den gab es erst am 6. Mai. Zwar gab es Vorausexemplare, auch ich konnte einige Tage vorher drin blättern, aber nicht „offiziell”.

So bleibt zunächst unklar, was wirklich vereinbart wurde und was eingehalten wird. Einklagbar ist zunächst nichts, aber die Stimmung ist grundsätzlich positiv. Auch örtliche Freundeskreise können sich die Broschüre, in der der Pakt auf 48 Seiten in Kurzform vorgestellt wird, als pdf-Datei besorgen und sich gegenüber den örtlichen Behörden darauf berufen.

Der Pakt

„Aus Sie wird Wir” ist die grundsätzliche Richtung. „Sie verlassen...” ihre Heimat, „Wir bieten Zuflucht.”, „Wir helfen vor Ort”, „Wir (an-)erkennen”, so die weiteren Versprechen, jeweils in drei bis sechs Sätzen erläutert. „Wir stellen uns der Verantwortung”, damit wird eine Zahlen-Diskussion für unzulässig erklärt. „Wir zeigen Courage”, damit sollen die Ängste einzelner vor Ort zerstreut werden. „Wir schützen”, hiermit wird allen Flüchtlingen ein faires Verfahren versprochen, gleichzeitig aber gesagt, dass nicht alle ein Recht auf Schutzgewährung haben, wenn das Verfahren negativ ausgeht.

„Wir handeln strategisch”, „Wir setzen rechtzeitig an” und „Wir arbeiten zusammen” versucht ein wenig zu verdecken, dass die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Jahren schneller gestiegen ist als die Zahl der Unterkünfte und der Stellen in den verantwortlichen Behörden. Obwohl der Krieg in Syrien, der Bürgerkrieg im Irak, der Aufstieg des „Islamischen Staates”, die desolate Lage auf dem Balkan, der Krieg in Afghanistan, die Diktatur im Iran und in Eritrea seit langem bekannt sind, hofften auf Bundes- und Landesebene vermutlich viele, die Flüchtlinge würden nur in die Nachbarländer gelangen, nicht aber nach Deutschland. „Wir wollen in den nächsten Jahren in Arbeitsgruppen mit Hochdruck (...) arbeiten”, zumindest diese Aussage des Paktes impliziert, dass das in der Vergangenheit nicht ausreichend geschehen ist.

Es wird aber auch konstatiert, und das ist sicherlich richtig, dass gerade Schleswig-Holstein nicht bei Null anfängt, sondern schon jetzt gut dasteht. Das ist sicherlich nicht auf allen Themengebieten und auch nicht in allen Gegenden des Landes gleichermaßen der Fall, aber oftmals war Schleswig-Holstein in der Vergangenheit Vorreiter bei der Verbesserung der Situation von Flüchtlingen.

Festgestellt wird, dass die Flüchtlinge den Schutz in Schleswig-Holstein brauchen, aber auch, dass Schleswig-Holstein die Einwanderung der Flüchtlinge braucht.

Flüchtlingskonferenz: Willkommen in Schleswig-Holstein! Integration vom ersten Tag an

„Land und Kommunen handeln gemeinsam”

Hier sagt das Land zu, zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtungen aufzubauen. Die Zahl der Plätze in Neumünster und Boostedt soll durch neue Aufnahmestellen in Flensburg, Kiel und Lübeck auf mehr als 3.000 Plätze erweitert werden. Falls tatsächlich 18.000 Flüchtlinge pro Jahr kommen, können sie so fast zwei Monate in der Erstaufnahme bleiben. Gleichzeitig hofft das Land, dass das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge” die Zeit von der Ankunft über den Asylantrag bis zur Anhörung von jetzt fast einem Jahr auf unter zwei Monate drücken kann, damit der Asylantrag wieder in der ersten Zeit des Aufenthalts gestellt und begründet werden kann.

Jetzt werden die Flüchtlinge praktisch direkt nach der Aufnahme einem Kreis zugewiesen und rund zwei Wochen später hingebracht, müssen aber zur Stellung des Asylantrages und zur Begründung des Asylantrages (Anhörung) noch zweimal zurück nach Neumünster.

Bisher werden die ankommenden Flüchtlinge auch rein nach den Quoten der landesrechtlichen Regelungen verteilt: Jeweils fast zehn Prozent der Flüchtlinge kommen in die Kreise Pinneberg, Lübeck, Kiel und Rendsburg-Eckernförde, in die kleineren Kreise entsprechend weniger. In Zukunft will das Land dafür sorgen, dass man in der Erstaufnahme die Flüchtlinge erst kennenlernt, insbesondere ihre Wünsche bezüglich des späteren Wohnortes. So sollen zumindest Präferenzen für eine städtische oder ländliche Unterbringung herausgefunden werden.

Hinsichtlich der Beratung will das Land keine Fortschritte. Die Kreise sollen „Migrationssozialberatung” organisieren. Dass das Land sie bezahlt, seit langem eine Aufstockung der Stellen verweigert und Flüchtlinge nicht einmal als reguläre Zielgruppe dieser Beratung sieht, kommt im Pakt nicht vor. Hier bleibt das Land in der Pflicht, dem Bedarf gerecht zu werden.

Mehr als ein Drittel der Asylverfahren endet bisher offen, mit einer Einstellung ohne Entscheidung. Viele dieser Asylverfahren könnten durch eine fachgerechte Beratung, kombiniert mit einer professionellen Verdolmetschung zu einem guten Ende gebracht werden.

Das Land will in Zukunft zwei Millionen Euro bereit stellen, um pro Kreis durchschnittlich zwei Stellen in der Verwaltung zu finanzieren, die das Aufnahmesystem und die Mitwirkung Ehrenamtlicher koordinieren.

Außerdem soll die Betreuungspauschale, die die Integration zumindest teilweise finanzieren soll, umgestellt werden. Bisher zahlt das Land pro Flüchtling dem Kreis 90 Euro im Quartal. In Zukunft, voraussichtlich am dem 1. Juli, soll für jeder Flüchtlinge bei der Ankunft im Kreis ein Pauschalbetrag von 900 Euro bezahlt werden, zumindest wenn der Flüchtling dezentral untergebracht wird (an den Kosten der Gemeinschaftsunterkünfte, im Volksmund „Flüchtlingsheim” genannt, beteiligt sich das Land schon mit 70 % der Kosten). Diese Integrationspauschale soll auch dazu genutzt werden, die „ehrenamtliche Sprachförderung” zu unterstützen - wir sind also noch weit entfernt von Sprachkursen für erwachsene Flüchtlinge.

Bisher ist das Problem, dass es für schulpflichtige Kinder Sprachförderung in der Schule gibt. Für Erwachsene gibt es die so nicht, sie sind auf örtlich organisierte ehrenamtliche Sprachkurse angewiesen, die es an einigen Orten gibt, an anderen nicht. Dadurch entwickeln sich die Familien noch weiter auseinander als sowieso schon, weil Kinder sich in neue Verhältnisse schneller einleben. Gegenüber Behörden und Sozialarbeitern übernehmen oft 12- oder 14-jährige Kinder die Rolle der „Außenministerin” oder des „Außenministers” der Familie, mit entsprechenden Verwerfungen innerhalb der Familienstrukur. Dem könnte man nur durch eine sofortige Integration vom ersten Tag an in Form einer Teilnahmeberechtigung am Integrationskurs (600 Stunden Deutschunterricht) entgegenwirken, was wiederum Bundesrecht betrifft.

„Von A bis Z! Informiert engagiert!”

In diesem Kapitel wird das ehrenamtliche Engagement beschworen, beginnend mit der „Asylverfahrensberatung”, die zuvor bei der landesfinanzierten Migrationssozialberatung keine Erwähnung fand. Die Ehrenamtlichen sollen dabei unterstützt werden, für Flüchtlinge Krankenversicherung, Praktikumsplatz oder Dolmetscherin zu finden - es fehlen Verweise auf das Asylbewerberleistungsgesetz, das eine eingeschränkte Krankenversorgung vorschreibt, auf die Beschäftigungsverordnung, die ein Praktikum in den ersten vier Jahren zunächst verbietet, danach von einer gesonderte Erlaubnis abhängig macht, und bei der Dolmetscherin die meist schwer zu erhaltenden Kostenübernahme durch das Sozialamt.

Einen ersten Schritt sagt die Landesregierung zu: Es soll ein Internet-Portal eingerichtet werden, in dem Ehrenamtliche die nötigen Informationen bekommen.

„Mittendrin - vor Ort dabei!”

In diesem Kapitel geht es darum, neu ankommende Flüchtlinge in Vereine aufzunehmen, insbesondere werden Sportvereine erwähnt. Sie sollen auf Mitgliedsbeiträge verzichten, für kostenlose Ausrüstung sorgen und Flüchtlinge als Übungsleiter einsetzen (hier fehlt ein warnender Hinweis auf die Beschäftigungsverordnung und das Arbeitsverbot).

Die Landesregierung will hier koordinierend helfen, auf Möglichkeiten und Angebote aufmerksam machen.

„Erste Schritte im fremden Land”

Hier kündigt das Land nicht nur den Bau von drei neuen Erstaufnahmeeinrichtungen mit jeweils 600 Plätzen an, sondern auch Übergangslösungen bis zur Fertigstellung.

Die drei Erstaufnahmeeinrichtungen in Flensburg und Kiel sollen auf dem Unigelände entstehen, die in Lübeck auf dem daneben liegenden Wohngebiet „Bornkamp”. Alle drei sollen nach einem neuen Konzept gebaut werden: Nicht mehr Großunterkünfte mit langen Fluren und Mehrbettzimmern, wie es die ehemaligen Kasernen in Neumünster und Boostedt sind, sondern neu gebaute dreistöckige Gebäude mit einzelnen Wohneinheiten, die jeweils ein gewisses Maß an Privatsphäre gewährleisten.

Die Übergangslösungen sind auch solche: Container in Eggebek, Container auf dem Unigelände in Kiel, Container auf dem Lübecker Volksfestplatz.

Die uninahe Unterbringung lässt die Landesregierung hoffen, dass das Umfeld „in besonderer Weise von Offenheit und Toleranz” geprägt ist. Für die Anwohnerinnen und Anwohner empfiehlt sich die sorgfältige Lektüre: Die kommunalen Gremien und die Hochschulen sollen in die Entscheidung „eingebunden” werden, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sollen „informiert” werden.

„Integration von Anfang an!”

Die Erstaufnahme soll, durch die Ausweitung der Kapazitäten, auf sechs Wochen ausgedehnt werden. In dieser Zeit soll das „Sechs-Wochen-Konzept” von 2014, das bisher Papier blieb, umgesetzt werden. Die Flüchtlinge sollen zur Ruhe kommen dürfen, sie sollen Informationen über das Asylverfahren, Grundkenntnisse der Sprache und Informationen über Schleswig-Holstein erhalten.

Außerdem will man die Flüchtlinge kennen lernen, es sollen (freiwillig) Informationen über Bedürfnisse und Potentiale zusammengestellt werden. Danach soll über die Verteilung in eine Stadt oder einen Landkreis entschieden werden, die Informationen sollen dorthin weitergegeben werden. Bei der Verteilung sollen die Interessen des Flüchtlings und des Kreises berücksichtigt werden.

„Angekommen! Willkommen?”

Dieses Kapitel verweist auf die besondere Verantwortung der Ausländerbehörde, ihre Rolle als „Visitenkarte der Willkommenskultur” verantwortlich anzunehmen. Dazu gibt es bereits Konzepte, konkret ist die „Zuwanderungsabteilung” des Ordnungsamtes Kiel offiziell keine Ausländerbehörde mehr.

„Die koordinierte Aufnahme von Flüchtlinge in Kommunen”

Vor Ort sollen Behörden, Arbeitsamt, Wohlfahrtsverbände und Ehrenamtliche zusammenarbeiten. Dazu sollen vorhandene Gremien wie „Runde Tische” genutzt oder entsprechende Gremien neu geschaffen werden.

„Von der Unterbringung zum Wohnen”

Bei der Versorgung mit Wohnungen und der Schaffung einer guten Nachbarschaft will man nur das Beste - verweist aber nur auf Förderprogramme des Landes zum Wohnungsbau und den laufenden Gespräche mit Verbänden, in denen man Probleme lösen will.

Das Land will den Unternehmen Informationen in verschiedenen Sprachen zur Mülltrennung und der Hausordnung bereit stellen. Den Unternehmen werden Kennenlern-Cafés, Hausfeste und Ähnliches vorgeschlagen. Gute Beispiele sollen vom Land dokumentiert und veröffentlicht werden.

Bei der Beratung sollen „bestehende ehrenamtliche Strukturen ... genutzt, unterstützt und ausgebaut” werden.

„Bei den Jüngsten beginnen”

Auch Flüchtlingskinder haben ein Recht auf einen Kita-Platz. Dabei soll das Angebot dort auch Sprachförderung umfassen. Für die Arbeit mit den Eltern sollen Dolmetscher bereit gestellt werden, allerdings fehlt eine Information, wer diese bezahlt.

Dem Personal in den Kitas sollten Fortbildungen angeboten werden, damit sie traumatisierte Flüchtlingskinder besser unterstützen können.

„Sprach-Bildung!”

In der Erstaufnahme sollen die schulpflichtigen Flüchtlingskinder bereits ein „schulisches Angebot” erhalten. Bisher sind das in Neumünster jahrgangsübergreifende Gruppen, in denen elementarer Unterricht im Sinne einer Heranführung an die Regelschule (nach der Weiterverteilung) organisiert wird.

Ansonsten soll das flächendeckende Netz an DaZ-Zentren („Deutsch als Zweitsprache”) ausgebaut werden. Hier soll der Bundeszuschuss zur örtlichen Aufnahme von Flüchtlingen vor allem in Form zusätzlicher Stellen für DaZ-Lehrkräfte weitergegeben werden.

Zusätzlich soll in Zukunft ein Deutsch-Förderunterricht in Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden angeboten werden. Dabei soll ehrenamtliches Engagement „eingebunden” werden. Über die Finanzierung gibt es noch keine Informationen.

Die DaZ-LehrerInnen sollen im Umgang mit traumatisierten Kindern fortgebildet werden.

„Allen jungen Menschen die gleiche Chance geben”

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen besonders gefördert werden. Die Landesregierung will sich dafür einsetzen, dass das Jugendrecht und das Aufenthaltsrecht aufeinander abgestimmt werden, bisher ist bei abgelehntem Asylantrag mit dem 18. Geburtstag die Abschiebung möglich, unabhängig davon, ob gerade eine Schule oder Ausbildung absolviert wird.

Die durch den Zuzug besonders betroffenen Kommunen, das sind vor allem die Kreise Schleswig-Flensburg und Flensburg, Ostholstein und Neumünster sollen „entlastet” werden.

Die konkreten Maßnahmen passen noch nicht ganz zum „Pakt”, werden sie doch durch die entsprechenden Fachverbände bisher vehement abgelehnt: Die Jugendlichern sollen in andere Kreise umverteilt werden, dagegen schlagen die Fachverbände die Umverteilung der Kosten vor. Außerdem sollen durch „Alterseinschätzungen” mutmaßlich volljährige Flüchtlinge aus der Jugendhilfe rausgenommen werden.

„Berufliche Bildung schafft Chancengleichheit”

Zur Berufsausbildung sollen Flüchtlinge in die Regelsysteme aufgenommen werden, es sollen keine besondere Strukturen geschaffen werden.

Allerdings sollen die Ausländerbehörde stärker darauf achten, die benötigten Aufenthaltstitel zu erteilen. Ebenso soll der Deutsch-Förderunterricht verstärkt werden. Gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat soll der Bedarf an zusätzlichen DaZ-Angeboten an Gymnasien geprüft werden.

Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern wollen sich darum kümmern, zusätzliche Praktikumsstellen und Ausbildungsplätze zu schaffen. Außerdem sollen Flüchtlinge mehr in die Ausbildungsvorbereitenden Jahre aufgenommen werden.

Zwar dürfen Flüchtlinge ohne Vorrangprüfung eine Ausbildung beginnen, sie benötigen allerdings die Erlaubnis der Ausländerbehörde. Viele Arbeitgeber möchten aber Sicherheit in der Form, dass sie einen Aufenthaltstitel für die gesamte Zeit der Ausbildung erhalten. Hierfür will die Landesregierung sich einsetzen, das ist allerdings Bundesrecht.

Die Landesregierung will, dass Bafög und BAB ab dem ersten Tag möglich sind, bisher ist das nach vier oder fünf Jahren bzw. erst mit Abschluss des Asylverfahrens möglich, wobei das Asylverfahren heutzutage oft jahrelang dauert.

„Durch Arbeit Fuß fassen”

Hier werden zunächst die eigenen Interessen genannt: In fünfzehn Jahren wird es in Schleswig-Holstein einen zusätzlichen Bedarf von 97.000 Arbeitskräften geben, die nur begrenzt aus der bisherigen Bevölkerung mobilisiert werden können.

In Zukunft sollen die besonders nützlichen Flüchtlinge schon in der Erstaufnahmestelle ausgefiltert und danach besonders gefördert werden. Offen bleibt, was mit den anderen geschieht, ob die entsprechende Nachteile zu befürchten haben.

Ansonsten sollen alle üblichen Förderungen verstärkt werden: Die Beratung durch die Arbeitsagentur, die Sprachkurse vom BAMF, die Angebote von Praktikumsstellen durch die Unternehmen. Es fehlt jeder Hinweis auf eine zusätzliche Förderung, zum Beispiel eine dolmetscher-gestützte Beratung oder eine Bezuschussung für die Übersetzung und Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen.

„Weniger Bürokratie für die Gesundheit”

Bisher muss jeder Arztbesuch, jede Behandlung eines Flüchtlings zuvor einzeln vom Sozialamt genehmigt werden. Das soll in Zukunft durch die Einführung einer Gesundheitskarte einfacher werden. Diese kann überregional genutzt werden.

Es bleibt jedoch vorläufig bei den Einschränkungen der Behandlung, wie es vom Asylbewerberleistungsgesetz vorgegeben ist. Zum Einsatz von DolmetscherInnen, im Gesundheitswesen besonders dringend, fehlt jeder Hinweis. Lediglich der Verweis, die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge solle in Zukunft „diskriminierungsfreier” erfolgen, lässt Spielraum für die Vermutung, dass ein Rest von Diskriminierung bleiben wird.

Fazit

Es war ein starker Auftritt der gesamten Landesregierung für eine neue Stufe der Willkommenskultur für Flüchtlinge. Das Signal war landesweit klar und unmissverständlich, und genau das können vor allem diejenigen nutzen, die sich jetzt schon ehrenamtlich oder beruflich für Flüchtlinge einsetzen, je nach Sprachkenntnis die Flüchtlinge selbst auch.

Im Konkreten müssen die Maßnahmen erst ausformuliert und umgesetzt werden. So werden viele Sache, die jetzt starten, sich erst 2016 oder 2017 konkret auswirken. Die neuen Erstaufnahmeeinrichtungen sollen im Herbst 2016 fertig sein, sicher ist das noch nicht. Und die Einrichtung von Wohngruppen statt gemeinsamer Unterbringung beim Festhalten an der Größe von 600 Plätzen ist eben nur ein Kompromiss, genauso wie die Verweildauer von 6 Wochen statt der gesetzlich vorgesehenen drei Monate.

Wie sich die auf den ersten Blick intelligente Bauweise der Erstaufnahme, verbunden mit einer besseren Betreuung, auswirken wird, ist noch nicht bekannt.

Das angekündigte „Profiling”, die gezieltere und bewusstere Aufnahme von Flüchtlingen und Weiterleitung von Flüchtlingen an einen „passenden” Ort ist zunächst nur eine Ankündigung. Es scheint sinnvoll, scheitert aber im Moment daran, dass die MitarbeiterInnen des Landesamtes keine Zeit haben und für die benötigten DolmetscherInnen kein Geld bereit gestellt wird.

Viele andere Punkte sind erstmal nur Verbesserungen angestrebt, die noch konkret ausgehandelt werden müssen. Auf anderen Gebieten wird auf Verbesserungen gehofft, die ohne Einsatz von Geld umgesetzt werden sollen.

Grundproblem bleibt, dass wesentliche Punkte des Rechts auf Bundesebene beschlossen werden. Das betrifft die Aufenthaltstitel und die Arbeitserlaubnis, die sozialen Rechte, Ausbildungsförderung und Zulassung zu Deutschkursen.

Der Flüchtlingspakt bleibt trotzdem ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Reinhard Pohl

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