(Gegenwind 317, Februar 2015)
17. Januar: Abermals sind tausende Menschen in Berlin auf die Straße gegangen, um unter dem Motto „Wir haben Agrarindustrie satt! Gutes Essen. Gute Landwirtschaft. Für alle!” für eine nachhaltige und gesunde Landwirtschaft zu demonstrieren. Unzählige Verbände und Privatpersonen aus ganz Deutschland sind dem Aufruf von „Meine Landwirtschaft” gefolgt und formten mit etlichen bunten Bannern, einfallsreichen Kostümen, pfiffigen Aktionen und lauter Musik einen friedlichen Demozug durch das Regierungsviertel in Berlin. Schätzungen zufolge nahmen rund 50.000 Menschen an der Demo teil. Auch „PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.” war selbstverständlich mit dabei!
Wie auch im letzten Jahr startete die Demo am Potsdamer Platz und passierte anschließend sowohl den Bundesrat wie auch das Landwirtschaftsministerium. Das Ziel der Route und Ort der Abschlusskundgebung war das Bundeskanzleramt.
PROVIEH hatte einen Reisebus für die Fahrt nach Berlin organisiert, der bis auf den letzten Platz belegt war. Vor Ort machte der Nutztierschutzverein mit einer Aktion gegen das Schlachten von trächtigen Kühen auf sich - und vor allem auf das Thema - aufmerksam. Mitglieder von PROVIEH und viele aktive Helfer zogen Kuhkostüme an, trugen Schilder oder Banner und machten ordentlich Lärm, um auf dieses Brennpunktthema hinzuweisen. Nach einer Schätzung der Bundestierärztekammer werden rund 180.000 Kühe im Jahr in Deutschland tragend geschlachtet. Wird die Mutterkuh getötet, erstickt das Kalb in der Gebärmutter. Das ist grausam und gehört verboten. Tierhalter, die wissentlich oder unwissentlich trächtige Tiere ab Beginn der zweiten Hälfte der Trächtigkeit zur Schlachtung geben, müssen gesetzlich bestraft werden!
PROVIEH wurde fast die ganze Zeit von einem RTL-Fernsehteam begleitet. Am Bundeskanzleramt angekommen, präsentierten wir unser Anliegen und unsere Arbeit außerdem an einem Infostand, der regen Zulauf bekam.
Natürlich sind wir froh und glücklich darüber, dass die Menschen in Deutschland „satt” sein können und keinen Hunger leiden müssen. Wir wollen aber, dass das auch noch für unsere Enkel gilt. Die Agrarindustrie ist immer weiter auf dem Vormarsch. Wenige Großkonzerne beherrschen den globalen Markt, untergraben die Saatgut-Vielfalt und fördern gentechnisch veränderte Anbaupflanzen, obwohl die negativen Folgen längst bekannt sind. Investoren bauen immer größere Megaställe, in denen die Tiere unter qualvollen Bedingungen und nur mit hohen Medikamentengaben „über”leben und leiden. Gleichzeitig werden in anderen, ärmeren Ländern Futtermittel für unsere Nutztiere angebaut und der Regenwald abgeholzt (zum Beispiel für Sojaplantagen). Hinzu kommt, dass in Deutschland Lebensmittel durch staatliche Subventionen im Überschuss produziert werden können. Die unerwünschten Fleischteile, wie zum Beispiel Geflügelbeine, werden dann zu einem konkurrenzlosen Spottpreis auf den Märkten von Entwicklungs- und Schwellenländern angeboten. Viele Viehzüchter in Entwicklungsländern mussten aufgeben, weil sie die Weltmarktpreise nicht unterbieten konnten - und sind nun überdurchschnittlich häufig von Armut und Hunger betroffen. Auch in Deutschland können kleinere traditionelle Familienbetriebe oft nicht mehr mithalten und müssen ihre Höfe abgeben. Doch eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung unserer Ernährungssouveränität! Sie erhält und fördert die Artenvielfalt, die - zum Beispiel im Falle einer Krise - enorm wichtig für unsere Lebensmittelversorgung ist, schafft Arbeitsplätze und geht verantwortungs- und respektvoller mit den natürlichen Ressourcen um. Zudem können die landwirtschaftlich genutzten Tiere wesentlich artgemäßer gehalten werden, als in industriellen Tierhaltungsanlagen, wo jedes Tier nicht mehr ist, als eine Produktionseinheit, die beliebig ausgetauscht wird, sobald sie den Umsatz-Anforderungen nicht mehr ganz entspricht...
Die Demo war auch dieses Jahr wieder ein toller Erfolg und PROVIEH dankt allen, die dem Aufruf gefolgt sind und mit uns demonstriert haben.
Christina Petersen
Fotos: PROVIEH e.V.
PROVIEH hat ein auch Video von der Demo gemacht.