(Gegenwind 307, April 2014)
Es war der buchstäbliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Weil ihr Monatslohn beim lettischen Logistik-Unternehmen „Dinotrans” wechselkursbedingt auf gerade einmal 628 Euro pro Monat gesunken war, legten am 21. Februar mehrere Dutzend philippinische Fahrer in Lübeck die Arbeit nieder. Hier hatte Dinotrans 2009 eine Niederlassung aufgemacht.
Sie werden in Manila angeworben, nach Riga geflogen und schließlich von Lübeck aus auf die europäischen Autobahnen geschickt. Rund 100 philippinische Fahrer soll Dinotrans inzwischen beschäftigen - weil die Männer erstens englisch sprechen und zweitens als ebenso zuverlässig wie genügsam gelten. Rund 850 Dollar im Monat werden für den Job gezahlt, dazu kommen Spesen zwischen 250 und 500 Euro - je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Zum Vergleich: In tariftreuen deutschen Speditionen verdienen Fahrer gut 2.000 Euro im Monat - plus Spesen, versteht sich.
Doch nicht wegen dieser enormen Unterschiede war es am 21. Februar mit der vermeintlichen Genügsamkeit vorbei, sondern wegen der Kursverluste des Dollar. Von bislang 670 Euro war der Monatsverdienst der Männer noch einmal um gut 40 Euro gefallen. „Zu wenig”, befanden selbst die bereits an Dumpinglöhne gewöhnten Dinotrans-Fahrer und traten kurzerhand in einen „wilden Streik”. Erst nachdem der kurzfristig nach Lübeck geeilte Geschäftsführer Staffan Resare in Anwesenheit philippinischen Botschaftspersonals einen festen, in Euro ausgezahlten Monatslohn zugesagt hatte, nahmen die Fahrer ihre Arbeit wieder auf.
Bekannt geworden sind diese Vorgänge durch die norwegische Fachzeitschrift „Transport Magasinet”: Journalisten des Blattes waren kürzlich auf Dinotrans aufmerksam geworden, weil die norwegischen Behörden im Januar mehrere Zugmaschinen des Unternehmens im wahrsten Sinne des Wortes „aus dem Verkehr zogen” - die LKWs waren mit Sommerreifen in den skandinavischen Winter geschickt worden und auf tief verschneiten Straßen liegen geblieben. Als sie der Sache auf den Grund gingen, trafen die Journalisten auf völlig verunsicherte philippinische Fahrer, die ihnen von Dumpinglöhnen und Knebelverträgen berichteten. In diesen Vereinbarungen, die dem „Transport Magasinet” vorliegen, wird den Fahrern offenbar verboten, über ihre Arbeitsbedingungen zu sprechen und sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Beim Unternehmen selbst wollte man sich gegenüber dem Gegenwind nicht zu den Vorgängen äußern. Geschäftsführer Martin Schmidt stellte lediglich klar, dass Dinotrans „keine deutsche Spedition” sei, sondern ihren Hauptsitz in Riga habe. Für weitergehende Fragen nannte Schmidt eine Kontaktperson in Lettland, die auf entsprechende Anfragen jedoch nicht reagierte. So bleiben nur Aussagen Staffan Resares, der gegenüber dem „Transport Magasinet” beteuerte, die genannten Knebelverträge würden eigentlich nur im Nahen Osten gelten und selbstverständlich hätten Dinotrans-Mitarbeiter das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Verträge für Nahost, die von philippinischen Fahrern in Riga unterzeichnet werden, um in Deutschland zu fahren?
Auch ver.di-Sekretär Matthias Pietsch mag das nicht recht glauben: „Gewerkschaften sind nicht gern gesehen bei Dinotrans”, sagt er, „und das lässt man die Fahrer auch spüren.” Er bemüht sich jetzt um engeren Kontakt zu den Philippinos, will sie im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen unterstützen. Gleiches gilt für jene Fahrer-Organisationen, die schon im August 2013 mit einem LKW-Korso vor der Dinotrans-Niederlassung protestierten.
Eine ganz wesentliche Veränderung hat die Arbeitsniederlegung vom 21. Februar unterdessen schon bewirkt: Die Männer aus Manila werden von anderen Fahrern nicht mehr nur auf ihre Rolle als Dumping-Konkurrenz reduziert, sondern vermehrt als Kollegen betrachtet - und das durchaus mit Respekt. Der Kommentar eines Fahrer im „Trucker-Forum"”: „Einfach aufgehört zu arbeiten, trotz Bedrohung von Dinotrans (...). Von dem Stolz und dem Mut dieser Leute können wir uns eine Riesen-Scheibe abschneiden.”
Olaf Harning
zuerst veröffentlicht im „Neuen Deutschland”