(Gegenwind 306, März 2014)

Verhältnis Jahresüberschuss zu Zinsenzahlung bei Prokon (2011 bis Oktober 2013

Wirtschaft

Prokon: „bunt und wenig transparent”

Die „Grüne Ökonomie” ist um einen Skandal reicher. Der Windkraftfinanzierer Prokon ist pleite und droht die Ersparnisse von 75.000 Menschen zu verbrennen. Damit reiht sich Prokon ein in eine Serie von Firmenpleiten der Green Economy, die für viele Kleinanleger zum Alptraum wurden - wie schon in den zurückliegenden Jahren z.B. bei Solarworld oder Windreich.

Die Prokon Regenerative Energien GmbH aus Itzehoe hat im Januar Insolvenz anmelden müssen. Zuvor hatte die Unternehmensführung die Anleger davor gewarnt, ihe Kapital abzuziehen - weil sonst die Pleite drohe. Das Unternehmen hatte ungefähr 1,4 Milliarden Euro über die Ausgabe von Genussrechten eingesammelt. Nach Angaben von Prokon sind die meisten Anleger ältere Menschen, die ihr erspartes Geld „für einen guten Zweck” anlegen wollten.

„Stadt, Land und Kreis wollen sich kümmern und ihre Hilfe anbieten”, erklärte Landes-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer bei der Krisenrunde am 24.1.2014 in Itzehoe. Zu befürchten ist aber, dass dies nicht mehr als schöne aber folgenlose Worte bleiben werden. Hatte derselbe Wirtschaftsminister doch vor fast genau einem Jahr am selben Ort den 1.200 Beschäftigten des Druckhauses Prinovis mit denselben Worten Mut zugesprochen. Das traurige Ergebnis: Deren Arbeitsplätze werden jetzt in wenigen Wochen der Vergangenheit angehören (vgl. dazu Seite 12 in diesem Heft).

Nach Aussagen des Insolvenzverwalters Dr. Dietmar Penzlin gelte gegenwärtig das Hauptaugenmerk der Stabilisierung des Geschäftsbetriebs von Prokon. Das gelte besonders für den Kernbereich, das Windgeschäft. Gespräche über Verkäufe von Anlagen würden jetzt von seinem Team begleitet. Nach dem derzeitigen Stand seien die Löhne und Gehälter der insgesamt 1.300 Beschäftigten, davon knapp 500 Mitarbeiter am Firmensitz in Itzehoe, bis einschließlich April 2014 gesichert. Aber: Forderungen von Anlegern seien momentan unwirksam. Die Genussrechtsinhaber könnten derzeit kein Geld ausgezahlt bekommen, betonte Penzlin. „Je nach Gang des Verfahrens könne sich das aber ändern”, orakelte er auf der Pressekonferenz.

Prokon wurde seit Jahren von Anleger- und Verbraucherschützern kritisiert. Immer wieder wurde auf die Intransparenz des Geschäftsmodells hingewiesen und der Verdacht geäußert, dass es sich bei dem zugrunde liegenden Finanzierungsmodell im Grunde um ein Schneeballsystem handle, bei dem Zinsen für Altanleger aus dem Geld von neuen Genussscheinkäufern finanziert würden. Nachdem Prokon nun den Weg in die Insolvenz antreten musste, werden die Genussscheininhaber ihr angelegtes Geld - da sind sich die Anlegerschützer weitgehend einig - nun wohl zum großen Teil abschreiben müssen. „Die Welt der Genussscheine ist bunt und wenig transparent”, musste im Nachhinein selbst die finanzmarktfreundliche FAZ in ihrem Wirtschaftsteil süffisant feststellen (24.1.14).

Gestartet als „Robin Hood” der Energiebranche gründete Carsten Rodbertus 1995 Prokon und gewann schnell die Herzen der Kleinanleger - und ihr Geld. Heftig beschimpfte er in seinen Vorträgen die Banken, die von ihrer Gier getrieben seien und die Finanzkrise verursacht hätten. Er nehme deshalb statt der Bankkredite lieber das Geld von privaten Anlegern und schaffe damit Werte, die gut für die Umwelt seien - Windanlagen und Bio-kraftstoffe. Inzwischen betreibt das Unternehmen vor allem Windparks in Deutschland und Polen, insgesamt ist von mehr als 300 Anlagen die Rede. Darüber hinaus produziert das Unternehmen Biokraftstoffe und Biomasse und ist als Stromversorger tätig.

Das Unternehmen bot Genussscheine ab einem Wert von 100 Euro an. Die Laufzeiten lagen dabei zwischen sechs Monaten und bis zu zehn Jahren. Im Gegenzug warb das Unternehmen mit üppigen Zinserträgen zwischen 6 und 8 Prozent. Bei den Genussscheinen handelt es sich um eine Mischung aus Anleihe und Aktie. Anleger erhalten eine fixe Zinszusage, die in der Regel deutlich über dem liegt, was zurzeit bei Banken an festen Zinsen zu bekommen ist. Das System erinnert in vielem an das Finanzierungsmodell, das vor Jahren die Hypo Real Estate in den Bankrott getrieben hatte: Solange immer wieder neues Geld in Prokon floss, ging alles gut - damit konnten die Zinsen und Rückzahlungen der alten Anleger bedient werden. Das Problem: Ein Windrad rechnet sich aber nur über Jahrzehnte. Damit wird eine langfristige Anlage mit kurzfristigem Geld bezahlt. Das Spezielle der Genussscheine: Die Rechte der Investoren sind deutlich geringer als etwa jene von Aktionären. So gibt es beispielsweise keine Mitspracherechte oder Kontrollmöglichkeiten über die Verwendung der Mittel. Geht das Unternehmen pleite, so werden die Geldgeber zudem nachrangig bedient, sprich: sie stehen weit hinten in der Schlange der Gläubiger.

Dabei kommen - wie sich jetzt im Nachhinein immer mehr herausstellt - die Finanzprobleme und letztendlich die Insolvenz nicht aus heiterem Himmel. Schon 2009 war Prokon wegen offenbar immenser finanzieller Probleme ins Visier der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) geraten. Das berichtete das Handelsblatt (4.2.14) unter Berufung auf einen Briefwechsel zwischen der Firma und der Bankenaufsicht. Danach schrieb Rodbertus auf Nachfrage der BaFin, dass zwar keine Bank dem Unternehmen mehr Kredite gebe, er aber fest mit dem Geld neuer Anleger rechne. Geld also von Tausenden neuen Kleinsparern, die an Rodbertus Vision vom gut verzinsten, grünen Investment glaubten. Dass ihr Geld erst einmal genutzt wurde, um Altanleger auszubezahlen, weil die bestehenden Investments schon verpfändet waren, wussten die Investoren nicht. Daraufhin hätten bei der BaFin eigentlich alle Alarmglocken läuten müssen und sie hätte zumindest öffentlich vor dem Windkraftinvestor warnen müssen. Weit gefehlt - nichts geschah. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, erklärt ein Sprecher der BaFin; würde man Warnungen aussprechen mache man sich im Zweifel schadenersatzpflichtig.

Weiterhin hatte im September 2012 das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein einer Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen Prokon wegen unlauterer Werbung stattgegeben. In einem Verkaufsprospekt habe das Unternehmen Anlegern vorgetäuscht, die Genussrechte seien ebenso sicher wie ein Sparbuch. Aber auch diese Warnung verhallte weitgehend folgenlos.

Des einen Leid ist des anderen Freud. Durch die Prokon-Pleite erhoffen sich nun viele Anlegeranwälte zahlreiche neue Mandanten und stehen schon in den Startlöchern. So argumentieren die Anwälte damit, dass die Anlegerchancen steigen würden, wenn der Tatbestand eines strafbaren Betruges vorliegen würde: Käme beispielsweise heraus, dass Prokon von vornherein keine Chance sah, jemals Geld zu verdienen, sondern lediglich ein Schneeballsystem vorlag. Dagegen spricht, dass Prokon mehr als 300 Windparks baute. Eine andere Möglichkeit, die Forderungen aus der Nachrangigkeit zu holen wird darin gesehen, Prokon „intransparente Vertragsklausen” zu unterstellen. Dann könnten die Gerichte die Verträge wegen Verstoßes gegen die Vorschriften für allgemeine Geschäftsbedingungen kippen. So oder so: Für die Anleger wird es - im günstigsten Fall - auf eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang hinauslaufen.

Mittlerweile hat sich ein Verein „Die Freunde von PROKON” gegründet. Auf ihrer Internetpräsentation schreiben sie: „70.000 Genussrechtsinhaber sind 70.000 unterschiedliche Personen mit verschiedenen Lebensentwürfen, Einstellungen, Gefühlen und Motiven, warum sie ihr Geld bei Prokon angelegt haben. Aber gemeinsam haben wir das Interesse, dass das Modell Prokon sich prächtig weiter entfaltet. Als Freunde von Prokon haben wir Platz für alle unterschiedlichen Denkweisen, sofern sie für Prokon nützlich sind und der Philosophie von Prokon nicht entgegenstehen.” In bundesweit zu gründenden Regionalgruppen wollen sie sich zum persönlichen Austausch, zur Meinungsbildung und für gemeinsame Aktivitäten treffen. Und der Verein will möglichst viele Mitglieder geschlossen und juristisch qualifiziert im Insolvenzverfahren und gegenüber Prokon vertreten. Das wird für weit sinnvoller und erfolgversprechender erachtet, als langwierige und kostenträchtige Einzel- oder Gruppenklagen gegen Prokon anzustrengen.

Welche Schlussfolgerungen sollten aus dieser Pleite gezogen werden? Sven Giegold (Grünen-EU-Abgeordneter) schreibt: „Anlegerinnen und Anlegern zu verbieten, Risiken einzugehen, ist bevormundend. Auch Kleinanleger haben das Recht ihr Geld aufs Spiel zu setzen.” Anderer Ansicht ist da die Gewerkschaft. Der DGB schreibt in einer Presseerklärung (24.1.14): Dringend nötig sei der Aufbau einer einheitlichen Finanzaufsicht. „Die Zersplitterung zwischen BaFin, Bundesbank und Gewerbeämtern (zuständig für „Grauen Kapitalmarkt”) muss beendet werden. Auch nach einer möglichen Zulassung von Finanzprodukten muss die Aufsicht in Zukunft weiterhin kontinuierlich prüfen. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag wird den Verbraucherzentralen eine Wächterrolle am Finanzmarkt zugedacht. Sie muss zügig umgesetzt werden. Nicht zuletzt müssen die Beschäftigten in den Banken vom Vertriebs- und Verkaufsdruck befreit werden, damit künftig Qualität und Sicherheit von Finanzprodukten im Mittelpunkt stehen und nicht die Rendite von Finanzinstituten.”

In der Presseberichterstattung weitgehend ausgeblendet wird die vollkommen unsichere Arbeitsplatzsituation der Beschäftigten. Nach der Vernichtung von 1.000 Arbeitsplätzen bei Prinovis zu Ende April diesen Jahres droht der Wegfall weiterer hunderter Jobs durch die Insolvenz von Prokon in Itzehoe und in der strukturschwachen Region. Erschwert wird der Kampf um die Sicherung der Arbeitsplätze durch die Tatsache, dass der gewerkschaftliche Organisierungsgrad unter den Prokon-Beschäftigten sehr gering ist und es in diesem „grünen” Unternehmen keinen Betriebsrat gibt, der den betrieblichen Widerstand organisieren könnte.

Günther Stamer

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