(Gegenwind 305, Februar 2014)

Brushmob gegen Polizeieskalation
Brushmob gegen Polizeieskalation (Theo Bruns)

Repression

Gekreuzte Klobürsten

Mit Klobürsten wird in Hamburg gegen Polizeiwillkür in den Gefahrengebieten demonstriert - Feuer und Klobürste für diesen Staat! Radikale Linke protestieren für das Demonstrationsrecht, die politischen Anliegen der durch die Polizei verhinderten Demonstration vom 21. 12. sind aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden.

Seit der durch die Hamburger Polizeiführung recht gewalttätig „aufgestoppten” und zerschlagenen Demonstration vom 21. Dezember für den Erhalt des sozialen Zentrums Rote Flora, ein Bleiberecht für die „Lampedusa-Flüchtlinge” und ein Wohnrecht der MieterInnen der runter gewirtschafteten „Essohäuser” in einem genossenschaftlichen Neubau am gleichen Ort - im Zentrums St. Paulis - rotierte Hamburgs radikale und nicht so radikale Linke wochenlang.

Seitens der Polizeiführung und der stadtstaatlichen Regierung, dem Senat und der tonangebenden Hamburger Medien wurde wegen der Gegenwehr Demonstrierender im klassisch-autonomen Outfit gegen die polizeilichen Nahkampfeinheiten eine „neue Qualität linksextremer Gewalt” behauptet. Prompt begann ein Distanzierungstango, der in dem Appell „Hamburger gegen Gewalt” von Springers dominanter Lokalzeitung „Hamburger Abendblatt” kulminierte. Zu den üblichen mehr oder weniger Prominenten gesellten sich zahllose WutbürgerInnen, „immer mehr Menschen solidarisieren sich mit den verletzten Polizisten und fordern ein Ende der Ausschreitungen”, schrieb die Redaktion begeistert. Auch zivilgesellschaftlich wurde sich distanziert: „Die Bürgerinitiative WIR-sind-Eppendorf schließt sich aus Anlass der gewalttätigen Auseinandersetzungen im Schanzenviertel der letzten Tage und Wochen dem gemeinsamen Appell aller Bürgerschaftsfraktionen vom 19.12.2013 gegen Gewalt an.” In diesem Appell wurde im Vorfeld erklärt, warum sein Recht zu demonstrieren verwirke, wer sich nicht an die Spielregeln des Staates halte: „Demonstrationen müssen friedlich und gewaltfrei sein. Niemand hat das Recht, durch gewaltsame Aktionen seine Meinung zu vertreten oder gegen die Meinungsäußerung anderer vorzugehen. Wir ächten Gewalt”. Linke und Grüne in der Hamburgischen Bürgerschaft, dem Landesparlament, unterstützten diese einseitig an die DemonstrantInnen gerichtete Erklärung. In der wird „Gewaltfreiheit” nicht als politisches Konzept vertreten, sondern für die Unterordnung unter das staatliche Gewaltmonopol genutzt. Die Bürgerinitiative „WIR sind Eppendorf” aus dem gleichnamigen großbürgerlichen Stadtteil gebärdete sich wie viele andere zivilgesellschaftliche Initiativen äußerst staatstragend: „WsE distanziert sich hiermit ausdrücklich von Einzelpersonen und Gruppierungen, die Gewalt als Mittel der politischen Ausein-andersetzung betrachten und zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen”. Und damit war nicht die Polizei gemeint. Die Distanzierung von der Roten Flora und der sie unterstützenden autonomen Szene wurde und wird breit getragen. Selbst wer den Eskalationskurs der Polizeiführung kritisierte, distanzierte sich in der Regel pflichtschuldig von „gewalttätigen Chaoten” und bekannte sich so zumindest implizit zum Gewaltmonopol des Staates, etwa Eimsbüttler PastorInnen um Margrit Sierts in einer Erklärung: „Statt Gewalttätigkeiten gezielt zu bekämpfen, werden damit friedliche Demonstranten und Bürgerinnen und Bürger in diesen Stadtgebieten unter einen Generalverdacht gestellt und möglichen Zugriffen durch die Polizei ausgesetzt.”

Aus dem plural-linken Bündnis „Recht auf Stadt”, dass sich der bereits geplanten Demonstration der Kampagne „Flora bleibt unverträglich” während der Mobilisierungsphase angeschlossen hatte, gab es entsolidarisierende Äußerungen. Der bekannte Aktivist Christoph Twickel veröffentlichte auf „Spiegel online” seinen Text „Ein dämliches Gewaltspektakel”. Darin gefiel er sich in Äquidistanz: „In Hamburg schaukelt sich die Konfrontation zwischen polizeilichen und militant-autonomen Kräften derzeit auf eine beunruhigende Weise hoch.” Staatskritik sieht eh anders aus, aber auch der Skandal der Verhinderung der Demonstration durch die Polizeiführung wird hier zu einem Machtkampf umgedeutet: „Die Drohgebärden sind Höhepunkt einer Eskalation zweier rachsüchtig erscheinenden Parteien: Autonome Hooligans auf der einen Seite, die Hamburger Polizeiführung auf der anderen Seite.” Wo andere der Situation angemessen von „Hooligans in Uniform” schreiben, teilte Twickel gegen die militante Verteidigung des Demonstrationsrechts aus: „Autonome Militanzfetischisten” meinte er zu sehen: „Heutige Militante interessieren sich nicht übermäßig dafür, ob ihre Militanz gewollt ist von den politischen Initiativen, auf die sie sich berufen.” In einem zweiten Artikel, „Notstandshysterie”, diesmal im „Freitag”, legte der Aktivist Twickel nach: „Ja, die Achtziger scheinen zurückgekehrt. Bullen gegen Chaoten. Fast wie einst”, erinnert er sich, um aber jetzt verschiedene politische Ansätze gegeneinander auszuspielen: „Leider ist das Spektakel aber ziemlich ungeil. Und es ist vor allem reichlich entkoppelt von den politischen Initiativen, die in Hamburg ganz ernsthaft und mit langem Atem gegen Gentrifizierung oder für ein Bleiberecht von Flüchtlingen kämpfen. Deren Anliegen gingen in dem Spektakel so gut wie unter.” Dabei gingen die Anliegen deshalb unter, weil die Demonstration von der Polizei verhindert wurde. Twickels schnell vorgebrachte Militanzkritik endete in einer Entsolidarisierung. Er sprach den „Autonome Militanzfetischisten” ab, einen politischen Ansatz zu haben. Dabei behandelte er auch Internetäußerungen einzelner, vermeintlich Autonomer, die zu Gewalt gegen Menschen aufriefen, als Teil der radikalen linken Selbstverständigung, obwohl die Herkunft der Texte unklar ist. „Den Beitrag von Christoph Twickel fand ich persönlich nicht hilfreich”, so Felix Krebs vom Bündnis Gefahrengebiete abschaffen: „Vor allem, weil er zwar als ‚Debattenbeitrag’ gekennzeichnet war, aber im größten und zutiefst staatstragenden Internetmedium der BRD veröffentlicht wurde. Hier wurde, statt zuerst die innerlinke Diskussion zu suchen, der Diskurs mit dem Bürgertum bedient.”

Auch Ted Gaier äußerte im Interview mit dem „Freitag”, erschienen am 8. Januar, ein Problem mit dem sogenannten Schwarzen Block: „dass sich von dieser Seite niemals jemand in einem Vorbereitungsplenum hinstellt und klar sagt: ‚Unser Ziel ist eigentlich nicht die Frage, was mit den Esso-Häusern oder mit der Roten Flora passiert, im Grunde genommen halten wir das für Kleinscheiß, sondern es geht uns darum, unseren Hass auf die Bullen zu artikulieren.’” Dabei wurde die Demo am 21. 12. von der autonomen Kampagne „Flora bleibt unverträglich” organisiert - als autonome Demo, nicht als breites Bündnis, unter dem unmissverständlichen Motto „Rote Flora verteidigen!” Der Aufruf begann mit einer klaren Ansage: „Mit einer bundesweiten und internationalen Demonstration am 21. Dezember in Hamburg wollen wir deutlich machen, dass mit massivem Widerstand zu rechnen ist, sollte versucht werden, die Rote Flora zu räumen.” Massiver autonomer Widerstand schließt eben auch Militanz mit ein. Ebenso eindeutig endete der Aufruf: „Es geht um ein radikal anderes Verständnis von Stadt und Gesellschaft. Um grenzüberschreitende Solidarität, eine Praxis der Aneignung und die Vergesellschaftung des Bestehenden, um kapitalistische Zwänge und patriarchale Normen anzugreifen. Right to the City - Fight Capitalism! No Border - No Nation!” Mobilisiert wurde zur Demo so offensichtlich mit der Intention, politisch wieder in die Offensive kommen zu wollen. Ob und wie dies derzeit gelingen kann, sind offene, interessante Fragen. Aber um die ging es Gaier offensichtlich nicht.

FLORA BLEIBT!
die gestoppte Demo am 21.12. (Theo Bruns)

Ted Gaier, Gründungsmitglied der Band Die Goldenen Zitronen und ebenfalls aktiv in der „Recht-auf-Stadt”-Bewegung, künstlerisch im Schwabinggrad Ballett, baut auf der absurden Projektion, Autonome hätten ihre auch militantes Vorgehen beinhaltende Entschlossenheit nicht offengelegt, eine auf tönernen Füssen stehende Kritik auf: Als ob Autonome, nur weil sie das staatliche Gewaltmonopol militant in Frage stellen, kein Interesse an konkreten politischen Konflikten hätten, ihnen gar die Rote Flora egal wäre. Gerne wolle er militanten Autonomen sagen: „Dann seid ihr halt falsch hier, hier geht es jetzt um den konkreten Stadtbezug.” Gaier konstruiert einen Gegensatz zwischen sozialen Kämpfen und militanter Staatskritik. Die meisten, die sich am 21. Dezember militant der Polizei entgegen gestellt haben, waren sicher keine linke MilitaristInnen oder GewaltfetischistInnen. Auch Ted Gaier wird sie nicht alle kennen. Er wirkt ebenso wie Christoph Twickel wie ein diskursiver Geisterfahrer - selbst sich eigentlich radikal links sehend, aber irgendwie falschrum auf die Demoautobahn gefahren. Und dann fällt ihm als Mann, der seine Demonstration durch andere, militante Männer gestört sieht, auch noch ein: „Was mich wundert ist, dass diese ganze militaristische ‚Marzialik’ nicht längst mal feministisch diskutiert wird. Der Frauenanteil bei den Leuten neulich schien mir in etwa der zu sein wie bei Dax-Konzernen.” Was für ein absurder Vergleich - als ob sich das Gendern von Chefstrukturen mit einem - wie anderswo auch - anzutreffenden verqueren Männlichkeitskult im Straßenkampf unten an der Basis vergleichen lässt. Es macht kaum einen Unterschied, in einem DAX-Konzern als Beschäftigter von einer Frau ausgebeutet zu werden anstatt von einem Mann. Wäre Straßenkampf für Ted Gaier etwas anderes, wenn mehr der Militanten weibliche Vornamen hätten? Und was hält er vom Frauenanteil in den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei? Oder spielt der gar keine Rolle? Die Konfusion treibt seltsame Blüten und deutet daraufhin, dass es an der Zeit ist, mehr zu debattieren, voneinander zu lernen, auch die Kritik an der Polizei zu fundieren - unter Einbeziehung der verschiedenen linken Gruppierungen.

Seitens der DemoveranstalterInnen herrschte zwischen den Jahren bis auf wenige Erklärungen Stille, so dass der Inszenierung der Polizei über die vermeintlich hemmungslos brutalen ChaotInnen nichts öffentlich Vernehmbares entgegengesetzt wurde. Die Polizeiführung konnte so auch unwidersprochen einzelne anonyme Äußerungen im Internet zu einer angeblich terroristischen, auf tödliche Angriffe gegen Menschen orientierten enthemmten Militanz seitens autonomer Linker aufbauschen: „Wir stehen vor der Frage, ob die Szene den Gewaltbegriff neu definiert und gezielte Angriffe auf Menschen legitimiert”, raunte etwa der Leiter der Staatsschutzabteilung im Hamburger Landeskriminalamt, Andreas Hoffmann, im „Spiegel”. Generalbundesanwalt Harald Range hatte erwogen, die Ermittlungen wegen des angeblichen „Überfalls” auf die Davidwache vom 28. Dezember an sich zu ziehen. Äußerst naheliegend, ist er doch für Ermittlungen im Bereich Terrorismus zuständig. Auf staatlicher Seite inszenierte, gegen radikale Linke gerichtete Hysterie kann gefährliche juristische Folgen haben. Nachdem durch den mutigen Einspruch des Anwalts Andreas Beuth aber die Polizeilegende vom Davidwachenüberfall in einem zweifelhaften Licht erscheint, hat die Bundesanwaltschaft am 7. Januar Ermittlungen wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten der Davidwache in Hamburg St. Pauli „vorerst abgelehnt”. Soweit der bisherige Höhepunkt an versuchter Kriminalisierung Hamburger Autonomer.

Dabei gibt es in Hamburger autonomen Gruppen einen breiten Konsens darüber, keine Menschen gezielt anzugreifen, um sie zu verletzen oder gar zu töten: „Gezielt Polizeibeamte anzugreifen und sie an Leib und Leben zu schädigen, das ist nicht der Aktionskonsens der autonomen Linken hier in Hamburg”, erklärte Andreas Blechschmidt, Aktivist der Roten Flora am 13. Januar gegenüber dem NDR: „Deswegen ist auch die Debatte um diesen angeblichen Angriff auf die Davidwache am 28.12. völlig irre, weil für diese Aktion gibt es keinen Konsens hier in der radikalen autonomen Linken. Und das gleiche gilt auch für diese aufgeblähten Militanz-Debatten, die hier jetzt gerade in der Presse hochgespielt werden. Da scheint auch ein bisschen der Versuch dahinter zu stecken, bestimmte Stimmungen erzeugen zu wollen.” Auch Klaus von der Pressegruppe der Roten Flora erklärte: „Wir distanzieren uns von solchen kruden Aufrufen, wie man möglichst effizient Menschen verletzen kann.” Immer wieder neue Vernichtungsfantasien gegen Uniformierte tauchen im Internet auf - wer weiß woher. Jedenfalls nicht aus der Roten Flora, so Klaus: „Wir sind irritiert über den militärischen Ton und darüber, dass das so ein Echo auslöst.”

Nahezu komplett faktenresistent wurden sowohl irgendwo aus dem Netz auftauchende Splattermilitanzergüsse immer wieder medial aufgekocht, ebenso wurde die Schauergeschichte vom Polizisten, den Autonome eine Woche nach der verhinderten Demonstration Ende Dezember angeblich aus seinem Revier gelockt und halb tot geschlagen hätten, gerne und breit aufgegriffen. Obwohl diese Darstellung selbst von der Polizei zurückgezogen wurde, nachdem der linke Anwalt Andreas Beuth mithilfe von Zeugen die Mär vom zum Blutopfer bereiten autonomen Haufen widerlegt hat, unterstützt die Mehrheit der braven BürgerInnen Hamburgs ebenso wie der SPD-Senat nach wie vor das Vorgehen der Polizeiführung, das im Erlassen eines sechs Tage bestehenden die halbe westliche Innenstadt umfassenden Gefahrengebietes mit Sonderrechten für Polizeikontrollen und Ingewahrsamnahmen kulminierte. Bis Montag, 13. Januar hielt die Polizeiführung weitere vier Tage drei bagatellisierend „Gefahreninseln” genannte kleinere Sonderrechtszonen in St. Pauli, Altona und dem Schanzenviertel aufrecht.

Gegen die spontanen Proteste gingen Uniformierte zum Teil mit erheblicher Brutalität vor, wie AugenzeugInnen schildern: „In der Nacht von Freitag auf Samstag, 11. Januar sind im Rahmen der Gefahrengebietsdemonstrationen zwei Personen von der Polizei schwer verletzt worden” berichtet die „Antifaschistische Aktion Stormarn”: SanitäterInnen trugen die Beiden vom Verletzungsort zum Krankenwagen. „Beim Stadtteilspaziergang am Freitagabend gab es einen Polizeiübergriff der zu einer schweren Kopfverletzung führte”, berichtet die Kampagne Flora bleibt unverträglich über einen der beiden Verletzten: „Der Betroffene stand in der Menge vor der Davidswache. Von hinten näherten sich Beamte und er wurde umgestoßen. Ein nachfolgender Beamter trat ihm gegen den Kopf.” Derartiges polizeiliches Vorgehen schien der Abschreckung zu dienen - um Leute vom Protestieren abzuhalten.

Gefahrengebiete abschaffen! Recht auf Stadt für alle!
Demo gegen Gefahrengebiete am 18. Januar (Theo Bruns)

Nicht nur radikale Linke empfanden die verschärfen Polizeikontrollen als Belagerungszustand. Dafür sorgten die doch recht plump daherkommenden Uniformierten. Kontrolliert wurden bevorzugt Jüngere, die in kleinen Gruppen unterwegs waren - und schwarz gekleidet. Da fuhren schon mal drei Mannschaftswagen mit Polizistinnen in Kampfmontur mit quietschenden Reifen vor einem Kiosk im Schanzenviertel vor, weil dort ein paar Schwarzgekleidete auf dem Fußweg zusammenstanden und etwas tranken. Der linke Anwalt Carsten Gericke berichtete aufgebracht, wie er mehrmals kontrolliert wurde, wenn er nahe seines Büros im Schanzenviertel unterwegs war. Viele AnwohnerInnen, welche die Kontrollen als Schikane empfanden, fragten in Anwaltskanzleien nach Klagemöglichkeiten gegen die Gefahrengebiete und die polizeilichen Sonderrechte. An die 1000 Personen wurden seit dem 4. Januar kontrolliert: 195 Aufenthaltsverbote und 14 Platzverweise erteilt, über 60 Menschen in Gewahrsam genommen, weitere fünf festgenommen - so die offizielle polizeiliche Bilanz, in der keine Verletzten erwähnt wurden.

Schnell entwickelten sich trotz und gegen die Polizeipräsenz kreative, subversive Aktionsformen: Gemeinsame Spaziergänge durchs Gefahrengebiet wurden verabredet, dabei für die Taschenkontrollen scheinbar verdächtiges mitgeführt: Etwa kleine Tütchen mit Natronpulver oder zerriebener Petersilie, aufrührerische Bücher, und seit Donnerstag letzter Woche: Klobürsten, nachdem in einer Nachrichtensendung zu sehen war, wie bei einer Kontrolle eine solche als potenzielles Schlagwerkzeug gegen PolizistInnen von einem Uniformierten bei einer Leibesvisitation beschlagnahmt worden war. Zu einem Brushmob trafen sich am Samstag mehrere hundert AktivistInnen auf einer Gefahreninsel: alle hatten Klobürsten dabei, wer ganz wild war sogar zwei, die wie die Knochen auf Piratenfahnen gekreuzt wurden. Eine Protestierende hielt die gekreuzten Klobürsten so vor einen Polizisten, als wolle sie ihn wie einen Vampir vertreiben. Hat leider zumindest im ersten Anlauf nicht funktioniert. „Die Front entsteht als bürstende Bewegung”, erklärte die Kampagne „Flora bleibt unverträglich” ebenso entschlossen wie ein altes Mantra der Antiimps aus RAF-Zeiten persiflierend: „Nachdem eine Klobürste als „Schlagwerkzeug” beschlagnahmt wurde, ist diese zum Symbol des Protestes gegen das Gefahrengebiet in Hamburg geworden. Neben Böllern, die als „Sprengstoff” bezeichnet wurden, und einem erfundenen Angriff auf die Davidwache, nur eine weitere Kuriosität des derzeitigen politischen Law and Order-Kurses der SPD.” Lache - liebe - bürste!

In gewohnt spielerischer Form und inhaltlicher Radikalität heißt es weiter: „ ... da nehmen wir den Fehdehandschuh ... Moment ... die Fehdebürste auf. Gefahrengebiete raus aus den Köpfen. Für die ideologische Abrüstung in Politikergehirnen und des Sicherheitsstaates.” Zusammen bürsten!

Was die originellen Aktionen, vom Brushmob bis hin zum Fahrradkorso durchs Gefahrengebiet aber kennzeichnete, war, dass die Teilnehmenden nahezu ausschließlich aktive Linke waren - viele AnwohnerInnen lehnten zwar die Gefahrengebiete ab, blieben aber auch auf Abstand zu den Protestierenden. Viele Andere, Obrigkeitsgläubige waren durch die Medienkampagne gegen „linksextreme Gewalt” so eingenordet, dass sie das polizeiliche Vorgehen guthießen, obwohl auch sie davon beeinträchtigt wurden. So ist es auch unklar, ob die öffentliche, bundesweite Kritik am exzessiven Gebrauch des Sondermittels Gefahrengebiet zu dessen Beendigung geführt hat oder nicht vielmehr der logistische Aufwand - und die Unmenge an Überstunden, die durch die polizeiliche Dauerpräsenz auf der Straße angefallen sind. Zumindest Olaf Scholz, SPD-Bürgermeister, hat der Polizeiführung bis zuletzt Rückendeckung für deren Einrichtung von Gefahrengebieten gegeben: „Das Instrument hat sich bewährt und wird sich weiter bewähren”, erklärte Scholz im am 13. Januar erschienen Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung, und muss für seine massive Unterstützung der Polizeiführung in der Hamburger SPD keine Kritik fürchten. So wundert es auch nicht, dass es aus dem großen sozialdemokratischen Milieu Hamburgs keine Unterstützung für eine Großdemonstration am Samstag., 18. Januar unter dem Motto „Gefahrengebiete abschaffen! Recht auf Stadt für alle!” gab. Linke Gruppierungen, die auch schon am 21. 12. dabei waren, riefen auf, aber auch Die Linke und die Grüne Jugend. „Konkret haben dieses Bündnis dann ein paar Personen, die sich aus der antifaschistischen Arbeit und den Protesten gegen die Gentrifizierung kannten angestoßen”, so Felix Krebs vom „Bündnis Gefahrengebiete abschaffen”. Für Sonntag, 19. Januar rief der autonome „Ermittlungsausschuss Hamburg” zu einer Kundgebung vor dem Untersuchungsgefängnis auf - denn einer der Festgenommenen vom 21. 12. saß zu diesem Zeitpunkt wegen eines internationalen Haftbefehls immer noch in Haft.

Gaston Kirsche

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