(Gegenwind 304, Januar 2014)

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Nachhaltige Entwicklung in der Deutsch-Dänischen Region

Zwischenbilanzen und Impulse

Das nicht ganz unbekannte Motto „Da geht noch was!” hatten die Initiatoren des ersten Kongresses zur Nachhaltigen Entwicklung in der Deutsch-Dänischen Region gewählt, eine Region die sich von der Eider bis zum Amt Varde-Billund erstreckt und auch noch den gesamten Kreis Rendsburg-Eckernförde einschließt. Träger und Ausrichter der Veranstaltung vom 18. November im NordseeCongressCentrum in Husum waren die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Nordfriesland, der DGB Schleswig-Holstein Nordwest, das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Schleswig-Holstein, die aus dem EU-Programm INTERREG hervorgegangene Organisation „Die Deutsch-Dänische Region” mit dem Wachstumszentrum und die Beratungsstelle Frau und Beruf Nordfriesland.

Die mit einer „nachhaltigen und nachhaltigen regionalen Entwicklung” verbundenen Herausforderungen sind eigentlich nicht so ganz neu, doch wenn es nicht um massive Förderung und unmittelbaren Profit oder um konkrete Bedrohungen geht, ändern sich Bewusstsein und konkretes Handeln oft nur sehr langsam. Seit dem ersten Bericht des Club of Rome in den siebziger Jahren und spätestens seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNEP) von 1992 in Rio de Janeiro ist bekannt, wie die Entwicklung lokal und global verlaufen müsste. In den neunziger Jahren sind erste Agenda 21-Prozesse, die auf den drei Säulen Ökologie, Soziales und Ökonomie aufbauen, auf den Weg gebracht worden. Vieles ist in Ansätzen steckengeblieben. Auf dem Kongress in Husum sollte versucht werden, einige wesentliche Ansätze in Zusammenhängen vorzustellen und Impulse auszulösen.

Lob und Preis

Nicht völlig unerwartet stellte der Landrat des Kreises Nordfriesland, Dieter Harrsen, seiner Region ein gutes Zeugnis aus. Vor allem dank der (nicht unerheblich geförderten) erneuerbarer Energien sei der Kreis wegen der damit errechneten Kohlendioxidreduktionen demnach ziemlich gut aufgestellt. Eher beiläufig wirkte der Hinweis auf Energieffizienz- und Energiesparmaßnahmen. Der Landrat des Kreises Nordfriesland ist allerdings, selbst wenn er mehr Nachhaltigkeit wollte, in seinem Handlungsspielraum stark durch die schwarz-grüne Mehrheit im Kreistag eingeschränkt.

Minister Robert Habeck holte in seinem Grußwort ein wenig weiter aus, indem er die bisher vorherrschende Anwendung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Maßstab für Wohlstand und Lebenszufriedenheit problematisierte. Habeck vergaß aber auch nicht, auf seine persönliche Vernetzung in der Deutsch-Dänischen Region hinzuweisen. Natürlich irgendwie schade, dass die Regierungsgeschäfte wie bei der gesamten politischen Klasse eine intensivere Beschäftigung mit den Grundproblem „uneingeschränktes Wachstum auf der Basis des BIP” [1] nicht zulassen und ebenso schade, dass durch Individualideologie geprägtes Bewusstsein dazu führt, dass auch die eigene persönliche Vernetzung in der Region so in den Vordergrund gestellt wird. Selbst durch gekonnte freie politische Rede lassen sich aber nicht immer alle Zuhörer irritieren, ablenken oder beruhigen.

Der Rat für nachhaltige Entwicklung

Zur Beratung der Bundesregierung sind mehrere Gremien eingerichtet worden. Für die Politikbereiche Umwelt und Entwicklung der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen und der Rat für nachhaltige Entwicklung. Die Mitglieder der Räte werden für jeweils mehrere Jahre von der Bundesregierung bestimmt. Der Nachhaltigkeitsrat hat 15 Mitglieder, darunter die Vorsitzenden der beiden großen Umweltverbände und der Vorsitzende einer Gewerkschaft, sowie zwei Unternehmensvertreter, die übrigen Mitglieder kommen aus den Bereichen Politik, Behörden, Wissenschaft und aus anderen Verbänden.

Der auch vom Nachhaltigkeitsrat vorgeschlagene Altschuldenfonds soll die Länder und Kommunen entlasten, um ihnen insbesondere größere Investitionen im Sinne der Nachhaltigkeit zu ermöglichen, also finanziellen Spielraum zurückgeben, der ihnen durch die Einführung der „Schuldenbremse” genommen worden ist. Die Zinslast soll vom Bund übernommen werden.

Empfehlungen des Nachhaltigkeitsrats - von Politik, Medien und Öffentlichkeit zu wenig beachtet

Der Hauptreferent der Veranstaltung, Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des im Auftrag der Bundesregierung tätigen Rates für Nachhaltige Entwicklung, erläuterte die Grundlagen des Umbaus der Gesellschaft hin zu Lebensweisen, die auch die Gesellschaft zusammenführen, aus wissenschaftlicher Sicht. Bereits die von Ludwig Erhard entwickelte Programmatik der sechziger Jahre „Wohlstand für alle” hätte, was dann bald in Vergessenheit geriet, eben für „alle” gelten sollen. Die dann auch folgenden dramatischen negativen Auswirkungen des „Wirtschaftswunders” für die Umwelt blieben im Referat unerwähnt.

Immerhin ging Bachmann auf vorherrschende Ungerechtigkeiten ein. Für den Rat für nachhaltige Entwicklung wies er auf die Notwendigkeit hin, Indikatoren zu nutzen, die die Qualität des Lebens abbilden und die gleichzeitig dazu dienen sollen, Ungerechtigkeiten abzubauen. Weitere Vorschläge des Rates, die auch in einem Papier zur Nachhaltigkeitspolitik veröffentlicht worden sind, betreffen z.B. die Innovationsfinanzierung, die Schaffung eines Altschuldenfonds oder die Erstellung eines Zukunftsplans in europäischem Zusammenhang. Im Bereich Innovation müssten z.B. Veränderungen des EEG erfolgen, um Speicherleistungen auszubauen, um die Umwandlung von „Power to gas” voranzubringen, anders sei langfristig kein Flugverkehr mehr möglich. Letztlich setzt der Rat für Nachhaltige Entwicklung auch weiter auf Wachstum und auf ökonomische Anreize, die die Umsetzung ethischer Erkenntnisse unterstützen sollen. Abschließend verwies der Referent auf die Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, nach einem vom Rat entwickelten einheitlichen Standard, dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK), den eine größere Zahl von Unternehmen bereits anwendet und sich damit öffentlich darstellt. Nur einzelne Gebietskörperschaften und öffentliche Einrichtungen sehen sich bisher in der Verantwortung, entsprechende Vorbildfunktionen zu übernehmen.

Das Vorbild der Stadt Odense und Aktivitäten von Unternehmen in der Region

Die Stadt Odense ist eine große Ausnahme der Städte und Gemeinden, der Kreise und Ämter in der Region im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung. In Odense ist es bisher offensichtlich am besten gelungen, die Politikbereiche zusammenzuführen, Akteure zu gegenseitiger Unterstützung und zu ganzheitlichem Denken zu bewegen. Wie eine größere Zahl anderer Städte hat Odense eine Nachhaltigkeitscharta unterschrieben, allerdings auch auf vielfältige Weise konkret gehandelt. Diese Nachhaltigkeitsansätze sind prinzipiell bekannt und einzeln auch anderswo umgesetzt worden, doch in Odense hat man sich eben um die Zusammenführung verschiedenster Ansätze bemüht. Als Hilfsmittel dazu dienen die Teambildung und der Einsatz eines Puzzlespiels. Odense ist auf dem Weg zur Fahrradstadt, auch mit größter Bedeutung für die Gesundheit der Bevölkerung, wie der Referent, Torben Jarlstrom Clausen, von der Stadtverwaltung betonte. Die Stadt unterstützt Carsharing, den Bau von Niedrigenergiehäusern, plant die Regenwassernutzung und die Entwicklung der Biodiversität in der Stadt durch Ausweisung kleiner Grundstücke und großer Freiflächen mit ein. Gleichzeitig ist mit diesen wesentlichen Schritten eine soziale Nachhaltigkeit initiiert worden.

Der Vertreter des dänischen Unternehmens, Bevola A/S, Tommy Horn, berichtete über den Aufbau von „CSR” (Cooperate Social Responsibility) und die positiven Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Leitbildes. Der Einsatz für eine „bessere Welt” sei inzwischen fester Bestandteil des Unternehmens und finde großes Interesse bei seinen Mitarbeitern. Eine Referentin, Dr. Carola Skuppin, der vom Wirtschaftsministerium des Landes Schleswig-Holstein initiierten Einrichtung „Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH (WTSH)” berichtete über die Aktivitäten des „Kompetenznetzwerks Ernährungswirtschaft” und der „Fachgruppe Qualität und Nachhaltigkeit”. Mitglieder des Netzwerks wie die Firma Kölln, Elmshorn, hätten ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement eingerichtet. Zwischen den Mitgliedern finde ein reger Austausch statt. In Diskussionsrunden am Nachmittag des Veranstaltungstages stellten die Teilnehmer weitere positive Beispiele vor.

Insgesamt ist festzustellen, dass zur recht gut besuchten Veranstaltung offensichtlich VertreterInnen von Umwelt-, Verbraucher und Sozialverbänden nicht besonders eingeladen worden waren [2]. Für kleinere Unternehmen in der Region sind sicher Angebote zur Beratung und Begleitung erforderlich. Die Gebietskörperschaften müssen dazu gebracht werden, Vorbildfunktionen übernehmen. Eine Vorbildfunktion beginnt bereits mit der Bereitstellung von Shuttlebussen bzw. Hinweisen auf öffentliche Verkehrsmittel, hinzu kommt das Angebot von Produkten aus der Region, insbesondere aus zertifizierter Landbewirtschaftung und Erzeugung und von Fair Trade-Produkten. Inhaltlich sollten auf zukünftigen Veranstaltungen, die hoffentlich folgen werden, möglichst fundierte, umfassende Nachhaltigkeitskonzepte und -berichte präsentiert werden, vorrangig von Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen. In ehrlichen Nachhaltigkeitskonzepten, das machte die Veranstaltung für kritische Beobachter deutlich, müssten auch kulturelle Aspekte bin hin zur Bau- und Landschaftspflege angemessen berücksichtigt werden.

Die Landesregierung ist natürlich auch gefordert, in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen tätig zu werden. Die Herausgabe eines Leitfadens und die Vorlage einer Übersicht zur Situation in den Regionen wären erste Schritte, ebenso aber auch die Einleitung von Nachhaltigkeitsuntersuchungen von Großprojekten. Die größeren Gebietskörperschaften und öffentlichen Einrichtungen müssten entsprechende Stabsstellen einrichten.

Im Unklaren bleibt, was demnächst tatsächlich auf Landes- , auf Kreisebene oder auf der Ebene der Städte und Gemeinden geschehen wird. Ohne öffentlichen Druck durch zivilgesellschaftliche Organisationen und durch die außerparlamentarische Opposition sicher ist allzu viel und auch nicht sehr schnell. Die Hauptverantwortlichen, der Landrat für den Kreis Nordfriesland und der Landesminister hatten sich kurz nach den Grußworten wegen dringender anderer Termine rasch verabschiedet. Kapitalismuskritik und der Einsatz für eine grundlegende gesellschaftliche Transformation sind von den Stützen des herrschenden Systems ohnehin kaum zu erwarten.

Klaus Peters

Auswahl weiterführender Veröffentlichungen zum Thema:

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum, Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt (2009), deutsche Ausgabe herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung (2011)

Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin: Indikatorensysteme für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen (1999)

Gemeinde Vaterstetten (Hrsg.): Nachhaltigkeitsbericht, Vaterstetten auf dem Weg der nachhaltigen Gemeindeentwicklung (1999)

Landschaftsverband Rheinland (LVR) Umweltamt (Hrsg.): Beiträge zur Landesentwicklung 60, Europäische Landschaftskonvention, Tagungsdokumentation 17. Fachtagung, Altenberg, 2.-3- Mai 2006

Rat für Nachhaltige Entwicklung:

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK); Empfehlungen , veröffentlicht im Januar 2012

Für einen neuen Aufbruch in der Nachhaltigkeitspolitik, Stellungnahme des Rates für Nachhaltige Entwicklung zum Bericht des Peer Review 2013 „Sustainability - Made in Germany”

The International Environmental Agency for Local Governments (ICLEI): Kommunale Naturhaushaltswirtschaft, Konzeptbeschreibung (1998)

Siehe auch: Wikipedia „Nachhaltigkeitsmanagement”

Anmerkungen

  1. Bemerkenswert, dass die Deutsch-Dänische Region für sich den Begriff „Wachstumszentrum” gewählt hat.
  2. Die Schutzstation Wattenmeer war mit einem Stand vertreten.
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