(Gegenwind 303, Dezember 2013)
Erneuerbare Energie, Klimawandel, Energiewende, Strompreise - kaum ein Tag vergeht, an dem nicht die Frage der zukünftigen Energieversorgung in der öffentlichen Debatte angerissen wird. Die Komplexität der Sachverhalte gilt es zu beleuchten und zu verstehen. Spielend verstehen, diesen gar nicht neuen pädagogischen Ansatz wählte der dänische gemeinnützige Verein „Energy Crossroads Denmark”, um Menschen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Folgen einer Politik der Energiewende nahe zu bringen.
Zum Weltklimagipfel 2009 in Kopenhagen entwickelten dänische Studierende und WissenschaftlerInnen ein interaktives, gruppendynamisches Spiel, welches den Umbau eines konventionellen zu einem nachhaltig ökologisch und ökonomischen Energieversorgungssystem zum Ziel hat. Seit Sommer 2013 liegt das Spiel nun auch in deutscher Sprache vor und kann über „artefact - Zentrum für nachhaltige Entwicklung” von Schulklassen, kommunalen VertreterInnen und anderen Kleingruppen mit Spielleitung gebucht werden.
Einen ersten Spieldurchlauf absolvierten junge Freiwillige, die nach dem Schulabschluss ein Jahr lang mit dem staatlichen Entsendeprogramm „weltwärts” im Ausland Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit sammeln werden, bei der Vorbereitung ihrer Ausreise bei artefact.
Die TeilnehmerInnen waren wahrlich gespannt, ob aus der Unmenge an Informationen, die ihnen bereits vertraut waren und die ihnen in der Vorbereitungsrunde des Spiels an die Hand gegeben wurden, am Ende ein Aktionsplan zur nachhaltigen Energieversorgung entstehen könnte. „Zuerst war es eine Menge an einzelnen neuen Informationen und Zusammenhängen, aber im Laufe des Spiels fügten sich die vielen Sachverhalte zusammen, dass es richtig Spaß bereitete, sich solch komplizierten Themen zu stellen”, äußerte sich eine Teilnehmerin am Ende des Spiels begeistert.
Anderen bereitete es besonders viel Spaß, mit Hilfsmitteln, die sie aus ihren Kindheitstagen noch kennen, wie den Lego®-Steinen, die Menge der unterschiedlichen Energieressourcen und ihr Verhältnis zueinander in Türmen darzustellen. Mit viel Ehrgeiz und Elan gingen die TeilnehmerInnen daran, jeweils in ihrer Spielregion vier Türme, welche die verschiedenen Verbrauchsbereiche von Elektrizität, Transport, Industrie und Wärme symbolisieren, mit Hilfe von Veränderungskarten umzubauen. „Da muss man dann viel über sein eigenes Verhalten und auch über die Gewohnheiten und natürlich die Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Umstellung nachdenken, aber das ist nun mal der Preis für eine ökologischere Stromproduktion. Und das ist machbar!”, resümierte ein weiterer Teilnehmer. Viele Zusammenhänge und die Dimension der Auswirkungen von wirtschaftlichen Entscheidungen auf der Ebene der kommunalen EnergieverbraucherInnen seien ihm erst durch das Spiel bewusst geworden.
„Nun geht es dem Stromproduktionsturm an den Kragen”, erklärte eine Spielteilnehmerin zwischendurch, nachdem sie bereits im Team den Umbau des Elektrizitäts-, Transport-, Industrie- und Wärmeturms vorangetrieben hatte und viele der damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Zusammenhänge hatte kennen lernen können. Einvernehmlich wählte das Team der Spielgruppe emissionsärmere Energieressourcen zur Produktion. „Eine so spielerische und sichtbare Herangehensweise, die dann so viele neue Sichtweisen auf dieses schwierige Thema öffnet”, das begeisterte das Team einhellig. Das Spiel diene quasi als Einladung, sich zu engagieren, die richtigen Argumente an der richtigen Stelle auch in der Realität anzuführen.
Zum Schluss werden in 4 Spielregionen, die Nord-, Ost-, Süd- und Westeuropa darstellen, Abschlussbilanzen gezogen und es wird reflektiert, ob die gewählten Maßnahmen ökonomisch sinnvoll sind und ob die zu Spielbeginn festgelegten Ziele mit dem zum Spielende Erreichten überein treffen, bzw. wie groß die Abweichungen sind. „Es ist absolut beruhigend, dass da mit realistischen Annahmen, was die Kosten anbelangt, gearbeitet wird”, freute sich eine VWL-Studentin, die im Spielverlauf stets drauf achtete, dass die finanziellen Kosten nicht ein unrealistische Dimension annahmen, „so kann ich nun etwas besser mitreden, wenn es in politischen Debatten darum geht, dass die Energiewende ja keiner bezahlen kann”. Auch in der Interaktion zwischen den Spielgruppen, welche sich in den vier Spielregionen engagierten, wurden kontroverse Debatten geführt, beispielsweise wenn es um die Produktion und den Verkauf von Solarstrom aus Nordafrika ging. „Da müssen sich alle Gruppen einigen und die unterschiedlichen Interessen regionsübergreifend regeln, auch wenn es schwierig ist”, waren sich alle TeilnehmerInnen einig.
Abschließend lässt sich sagen: Dieses von Energy Crossroads in Dänemark ersonnene Strategiespiel ist ein ist ein ebenso hilfreiches wie unterhaltsames Mittel, um einen niederschwelligen Zugang zu diesem diffizilen Thema zu erlauben, was durch eine geschulte Spielleitung, welche mit lebensnahen Beispielen einzelne Aspekte der Thematik während des Spiels bei Nachfrage beleuchtet, unterstützt wird.
Thomas Rothenberg
Weitere Informationen sind bei artefact in Glücksburg erhältlich.
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