(Gegenwind 302, November 2013)
Gegen den ausdrücklichen Willen von vier der fünf Fraktionen im Gemeinderat wollte die Bürgerstiftung Henstedt-Ulzburg eine Büste von Alt-Bürgermeister Heinz Glück (CDU) im Rathausfoyer aufstellen. Der soll seine „beste Zeit” einst in der Waffen-SS verortet haben und - ist noch nicht mal tot. Nach heftigen Protesten und einem Verzicht von Glück selbst zog die Stiftung ihren Vorstoß jetzt zurück.
Volker Dornquast kann die Aufregung nicht verstehen. Der CDU-Landtagsabgeordnete ist seit Dezember 2012 Vorsitzender der Bürgerstiftung und hat den „Büsten-Deal” eingefädelt. Im zweiten Anlauf sollte es gelingen, den Namen Heinz Glück an prominenter Stelle zu ehren. Als in den 90er Jahren das neue Rathaus im Zentrum der Gemeinde gebaut wurde, war Dornquast noch selber Bürgermeister. Damals schlug er vor, die Zuwegung zum Rathaus „Heinz-Glück-Weg” zu nennen, doch die anderen Parteien winkten ab. Jetzt also der zweite Versuch, bei dem sich der 62jährige offenbar auf die alten Seilschaften verließ, die für Henstedt-Ulzburg so prägend sind: Ein Spender - angeblich Bauunternehmer Volker Manke (CDU) - stellte das Geld für die Büste zur Verfügung, Dornquast trat an die amtierende Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf (ebenfalls CDU) heran und die teilte einer verdutzten Schar Kommunalpolitiker im Hauptausschuss mit, dass schon wenige Tage später das Antlitz von Glück im Rathaus installiert werden würde - im Rahmen des „Tages der Stiftungen”, unter den Augen des ehemaligen schleswig-holsteinischen Innenministers Klaus Schlie (CDU). Den Widerstand aus der Politik konterte sie mit ihrem „Hausrecht”, ließ sich das Recht, Büsten im Rathausfoyer aufzustellen, sogar eigens von der Kommunalaufsicht bestätigen.
Heinz Glück war im „Tausendjährigen Reich” Angehöriger der Waffen-SS und kam erst nach Kriegsende nach Ulzburg. Dort wurde er 1962 zum Bürgermeister gewählt, übernahm dieses Amt auch 1970 in der Großgemeinde Henstedt-Ulzburg - bis er den Posten 1988 an Dornquast übergab. In seiner Amtszeit präsentierte Glück sich mehrfach am rechten Rand. Etwa als er 1969 die Benennung einer Straße nach NS-Bürgermeister Heinrich Petersen initiierte, die 1998 nach heftigen Auseinandersetzungen wieder umbenannt wurde. Oder 1987, als er aus dem Urlaub heraus das Ulzburger Bürgerhaus für einen Landesparteitag der NPD zur Verfügung stellte - vorbei an seinem Stellvertreter Uwe Rohlfing (SPD), der das mit Sicherheit verneint hätte. Den GegendemonstrantInnen hingegen ließ er damals den Strom abstellen. Im Streit über die Fassung einer neuen Ortschronik vertraute er Rohlfing einmal an, die Jahre in der SS wären seine besten gewesen. Noch 2001 schrieb Glück in seinem Leserbrief ans Hamburger Abendblatt: „Ich schäme mich vor dem Ausland, dass mein Vaterland von Politikern repräsentiert wird, die ihr Vaterland verleugnen und daher keine Grundlage für eine deutsche Politik haben.”
Gemeinsam mit Bauunternehmer Heinz Manke (†), Vater des späteren CDU-Vorsitzenden Volker Manke, Günther-Heinz Baum (†, CDU), und Kisdorfs langjährigem Bürgermeister Ernst Barkmann (†, CDU) bildete Glück jene Riege alter, rechter Männer, die der Gemeinde Henstedt-Ulzburg und ihrer Umgebung so lange ihren Stempel aufdrückte. Sie alle sollen - glaubt man den Geschichten im Ort - bei Kriegsende der gleichen SS-Einheit angehört haben. Vor allem Manke und Barkmann betätigten sich noch bis in die 90er Jahre hinein in Sachen „Traditionspflege”. So lud Manke unter der Überschrift „Kamerad, ich rufe Dich” alle zwei Jahre im revanchistischen Ostpreußenblatt zu Treffen seiner Wehrmachtseinheit nach Henstedt-Ulzburg. Die gruseligen Versammlungen fanden im Hotel „Wiking” statt. Im Saal „Odin”. 1998 hetzte Manke gegen die sogenannte Wehrmachtsausstellung, verteilte vermutlich mit Hilfe von Adressdaten der CDU Pamphlete an alle über 65jährigen Henstedt-Ulzburger. Eine Aktion, die ihn später teuer zu stehen kam.
Doch Volker Dornquast versteht die ganze Aufregung nicht: „Heinz Glück wurde 1989 zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt”, sagt er und fügt fast verzweifelt hinzu: „Einstimmig!”. Außerdem sei er Träger des Bundesverdienstkreuzes. Und die NPD, um die Geschehnisse von 1987 zu entkräften, sei ja schließlich eine demokratisch legitimierte Partei, die letztlich das Recht habe, öffentliche Räume anzumieten. Heinz Glück jedenfalls habe ihm gegenüber nie Sympathien für die Neonazis geäußert. Dornquast selbst ist meilenweit davon entfernt, „Ewiggestriger” zu sein, hatte aber eben auch nie ein Problem, mit der alten Garde zusammenzuarbeiten. Seine gesamte Amtszeit über zog er am Volkstrauertag mit seinen Altvorderen auf das Kraft durch Freude-Gelände am Beckersberg, gedachte genau dort der Opfer der Weltkriege, wo auf einem großen Findling zu lesen ist: „Es wirkt das Blut als heilge Saat - aus Gräbern wächst die Kraft zur Tat”. Auch wegen dieser persönlichen Nähe zu den alten oder vielleicht auch ehemaligen Nazis kann er die Probleme nicht erkennen, die viele Henstedt-Ulzburger mit der Ehrung Glücks haben.
Dennoch zog die Bürgerstiftung ihren Büsten-Vorstoß nach heftiger Gegenwehr aus Politik und Bevölkerung vorläufig - und nach einem Machtwort Glücks endgültig - zurück. Tagelang hatten sich BürgerInnen in Leserbriefen und Online-Kommentaren über die geplante Ehrung empört, mit Ausnahme der CDU sprachen sich alle Wählergemeinschaften und Parteien gegen die Büste aus. Der 89jährige selbst ist gesundheitlich angeschlagen, tritt schon länger nicht mehr öffentlich auf. Weil „einige wenige Presseorgane eine unwürdige, menschlich sehr verleztende Diskussion” losgetreten hätten, so Dornquast, verzichte man nun auf seine Ehrung. Neben den Zweifeln an Glücks demokratischer Gesinnung stößt in der Kommunalpolitik auch das Vorgehen von Bressensdorfs übel auf, das „Wie” ihrer Entscheidung. „Es mag sein, dass das Hausrecht einer Bürgermeisterin auch das Aufstellung von Büsten umfasst”, sagt etwa WHU-Chefin Karin Honerlah, „aber: Ist es klug, dieses Hausrecht so auszuüben?” Außerdem sei Glück bei allem Wohlwollen „kein Helmut Schmidt, der bei Hochwasser soundsoviele Leute gerettet hat”, sondern eben nur ein Bürgermeister. „Unsere Ahnengalerie in Acryl”, meint Honerlah, „reicht da völlig aus.” Auch Tile Abel von der BfB sagt, dass es zunächst mal „ums Procedere” geht. „Mit Glück selbst konnten wir uns noch gar nicht beschäftigen”, sagt der Landwirt, „das kann man nur, wenn man rechtzeitig beteiligt wird.”
Olaf Harning
Die Frau auf Foto "1" ist Elisabeth von Bressensdorf, das Foto ist von mir. Das Bild von Tile Abel ist von der Wählergemeinschaft "Bürger für Bürger" (BfB). Die beiden anderen Fotos sind auch von mir, bzw. vom Infoarchiv.