(Gegenwind 298, Juli 2013)
Es sind mehr als sechzig Jahre nach dem Holocaust vergangen, bis in der nördlichsten Stadt Deutschlands dank den jüdischen Emigranten, die aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen sind, wieder jüdisches Leben erblüht. Die Geburt der neuen Gemeinde in Flensburg verkündete symbolisch die Beschneidung von Eduard Gusinov, die im Juni 2000 (erstes Mal im Schleswig-Holstein nach der Kriegszeit) stattfand. Familie Gusinov ist eine der aktivsten in unserer Gemeinde, nimmt an allen religiösen G`ttesdiensten, jüdischen Festen und anderen kulturellen Ereignissen teil. Eduards Mutter Nadeshda Gusinova leitet die Kinder- und Jugendgruppe „Simcha”. So hat Eduard dank der Teilnahme an allen religiösen Ereignissen sowie am Sommerlager in Bad Sobernheim Bekanntschaft mit den Grundlagen des Judentums gemacht.
Eines von den Hauptereignissen im Leben der jüdischen Jungen ist der 13. Geburtstag. Ab diesem Zeitpunkt werden sie „Sohn des Gebots” (Bar Mizwa), d. h. vollwertige Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft. Am 15. Juni 2013 ist Eduard, jüdischer Vorname Rafael, 13 geworden und die Jüdische Gemeinde Flensburg e. V. veranstaltete zu dieser feierlichen Angelegenheit ein großes Fest. Diesem Ereignis gingen lange Beschäftigungen mit Brandenburgs Landesrabbiner Herrn Shaul Nekrich, mit Studenten aus der Berliner Jeschiwa und auch mit dem Gabbaj unserer Synagoge Herrn Efraim Berger voraus. In dieser Zeit hat Eduard bestimmte Kapitel in der Thora gelesen, Tefillin und Gebetskleidung anzuziehen gelernt und erfahren, welche religiöse Pflichten er erfüllen muss, sobald er volljährig wird.
Und nun ist endlich der feierliche und spannende Augenblick des Festes gekommen. Der Saal war festlich geschmückt, die Tische sehr schön gedeckt. Eine Tafel mit Fotos hat das ganze Leben Eduards gezeigt: von Geburt und der Beschneidung an bis zu Bar Mizwa. Das Ritual hat der Rabbiner Nekrich durchgeführt und noch vor dem Gottesdienst hat er dem „Sohn der Pflicht” gratuliert und ihm Geschenke übergeben, die er extra aus Jerusalem mitgebracht hat - Tefillin und Zizit. Und vor der ganzer Gemeinde hat der Junge das Auflegen von Tefillin allen gezeigt. Nach dem G'ttessegen haben alle Mitglieder der Gemeinde und viele Gäste Eduard gratuliert und viele Geschenke überreicht. Ein besonderes Geschenk hat die JGF vorbereitet: Spezielle Anleitung zum selbständigen Thoralernen. Und nachdem der Rabbiner alle Männer zum Tanz eingeladen hatte, zeigten die Gäste mit Applaus ihre Begeisterung und riefen laut: „Mazel Tow! Siman Tow!” Ein Regen aus Süßigkeiten hat auch nicht gefehlt.
Am nächsten Morgen am Schabbat war Eduard zum ersten Mal zum Thoralesen gerufen und hat einen Segenspruch gesagt. Beim Kiddusch hat er den Wochenabschnitt aus der Thora, und zwar den aus dem vierten Buch Moses „Bemidbar” kommentiert. Gabbaj Efraim Berger hat am Schluss mit Stolz und Zufriedenheit resümiert: „Von jetzt an haben wir immer am Schabbat ein Minjan.”
Die Sommerferien beginnen, und Eduard wartet auf die Fahrt nach Italien in das jüdische Sommerlager „Gatteo-a-Mare”, wo er viele neue Freunde kennen lernen wird.
Mazel Tow, lieber Eduard!
Elena Buslowicz,
Sozialarbeiterin der Jüdischen Gemeinde Flensburg